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Identitätspolitik - Allgemeiner Thementhread

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Begonnen von RPGNo1, 25. Januar 2023, 13:52:20

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RPGNo1

@MrX

Wer, bitte schön, ist Émile P. Torres? Eine unbekannte non-binäre geschlechtsneutrale Person, die in Tweets(!) irgend etwas behauptet. Dasselbe gilt übrigens auch für Sam Hoadley-Brill (a first-year Ph.D. student at the CUNY Graduate Center). Da halten aber zwei Personen sehr viel von sich.

Du schreibst viel, aber das hat wenig Substanz.




Peiresc

Zitat von: MrX am 04. März 2023, 16:45:02Aus Cynical Theories: «Meanwhile, arguments have been made that mathematics is intrinsically sexist and racist because of its focus on objectivity and proof and because of disparate outcomes in mathematics education across racial groups.» Die Arbeit von Rochelle Gutierrez, die da zitiert wird, ist nach meinem Empfinden vom Schreibstil ziemlich verschwurbelt, aber ich kann da nicht herauslesen, dass Mathematik INTRINSISCH rassistisch ist (wer sagt das?).

Irgendwie hast Du an der entscheidenden Stelle mit Deinem Zitat aufgehört. Nach "racial groups" geht es so weiter bei Cynical Theories:

ZitatOne 2018 paper asserts,
ZitatDrawing upon Indigenous worldviews to reconceptualize what mathematics is and how it is practiced, I argue for a movement against objects, truths, and knowledge towards a way of being in the world that is guided by first principles—mathematx. This shift from thinking of mathematics as a noun to mathematx as a verb holds potential for honouring our connections with each other as human and other-than-human persons, for balancing problem solving with joy, and for maintaining critical bifocality at the local and global level.26
It is unclear how this could improve mathematics, but the political agenda here is obvious—and alarming.

Ich habe keine sichere Kennung, was "mathematx" ist, ich vermute aber, was Gender-Neutrales, also Gerechtes. Daraus ist dann wohl zu schließen, dass Mathematik per se etwas nicht Gender-Gerechtes, also intrinsisch Sexistisches ist. Von Fibonacci ist keine Rede. 
 :gruebel

MrX

Die Kritik von Hoadley-Brill hat sehr wohl Substanz, man kann ja inhaltlich einen Blick drauf werfen, statt einfach auf die akademischen Grade zu schauen. Hoadley-Brill und Torres sind Philosophie-Doktoranden, Lindsay hat seinen PhD in Mathematik. Lindsays Dissertation enthält übrigens einen Beweis des binomischen Lehrsatzes und er schreibt sogar «Given 𝑘 ∈ ℕ», obwohl die Variable 𝑘 in der folgenden Gleichung gebunden vorkommt, HAHAHA, dass diese Doktorarbeit akzeptiert wurde, finde ich interessanter als die Grievance-Studies-Affäre.

Es wurde bereits ein Witz draus gemacht:
https://twitter.com/SC_Griffith/status/1518418719218806784

RPGNo1

Hoadley-Brill steht voll hinter den kritischen Theorien, wie man an seinen Tweets und auch seinem Artikel in einer unbekannten Online-Zeitschrift erkennt, in der er nur kritische Theoretiker zitiert.

Dass er diese Theorien verteidigt (schließlich will er mit ihnen dereinst seinen Lebensunterhalt bestreiten ;) ) und Boghossian (übrigens auch ein Philosoph), Pluckrose und Lindsay gerne auch Mal persönlich angreift, versteht sich von selbst.

Dass Lindsay wegen eines Fehlers in seiner Doktorarbeit attackiert wird oder dass ihm vorgeworfen wird, nur Mathematiker zu sein, statt seine Argumente zu widerlegen, spricht auch nicht gerade für die Kritiker.

Beleidigen, Ad Hominem, Tonfallbezug, Widerspruch... Steht alles ganz unten im Konflikteskalations-Modell. Sieht nicht gut aus für die kritisierenden Philosophen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Graham#/media/Datei:Graham's_Hierarchy_of_Disagreement-de.svg


Peiresc

Zitat von: MrX am 04. März 2023, 18:29:22Die Kritik von Hoadley-Brill hat sehr wohl Substanz

Also erstens fällt mir auf, dass Du das Thema, ob Mathematik sexistisch ist, wie eine heiße Kartoffel fallen lassen hast. Mit anderen Worten, Du möchtest bei Deiner Ansicht bleiben, obwohl sie durchgefallen ist, genauso wie Deine Weitsprungrevolution und Dein Butler-Scherz.

Zweitens ist die Kritik von Hoadley-Bill schlicht unbrauchbar, weil man aus ihr nicht die Grundthesen der Cynical Theories erraten kann, vor allem nicht ihre Begründung. Wir hatten das Buch sowie Lindsay ausführlicher im Gender-Faden. Wenn Du willst, such' ich Dir die Posts raus. Hoadley-Bill schreibt:
ZitatThis is especially revealing when one considers the fact that "the Dotson portion" of my review is without question the most damning of Pluckrose and Lindsay's scholarly ineptitude.
Und er referiert 2 Artikel von Dotson, so wie er sie versteht. Ich habe sie beide gesehen und, naja, überflogen. Den ersten habe ich nicht verstanden (und kann mich nicht überwinden, die Mühe aufzubringen), und der zweite ("How is this Paper Philosophy?") plädiert klar für eine Abwertung von Rationalität (in Abschnitt 6.2.). Fühlen müsst ihr, fühlen!

Als drittes, und nur völlig nebenbei: Welche Relevanz hat es, ob Lindsay in seiner Dissertation, die in einem nichtmal entferntesten Zusammenhang mit unserm Thema steht, was falsch (oder auch nicht falsch) gemacht hat? Im Übrigen würde Lindsay nun wirklich genügend Reibungsfläche bieten. Der ist nicht satisfaktionsfähig.

MrX

Moment, RPGNo1 hat selbst «Sam Hoadley-Brill (a first-year Ph.D. student at the CUNY Graduate Center)» vorgebracht, bloß deswegen habe ich den Vergleich gezogen, für mich ist das für die Bewertung des Buches Cynical Theories gar nicht entscheidend.

Hier zu mathematx (da geht es übrigens auch um Fibonacci): https://files.eric.ed.gov/fulltext/ED581384.pdf

NICHT dass ich das gut finde (soweit ich das sehe, hat sich der Terminus mathematx auch kaum verbreitet). Mir ging es darum, aufzuzeigen, wie in Bezug auf Ethnomathematik verdreht oder irregeführt wird. Das x wird hier erklärt:

ZitatThe x at the end of the word signifies movement, an openness, the x being a variable that could be represented by anything. In this sense, mathematx is constantly evolving, depending upon what is represented with that x.

Ich nehme die Wortschöpfung überhaupt nicht ernst, aber speziell um Genderneutralität geht es in dem Fall nicht, das hier wird bloß als weiteres Beispiel angeführt:

ZitatThis framing is consistent with the choice to use "x" as an ending (e.g., Latinx) to represent any gender performance instead of privileging a patriarchal view or ascribing to a binary of male/female.

RPGNo1

Da Kristie Dotson angesprochen wurde: Epistemic violence

What is epistemic violence?
ZitatEpistemische Gewalt ist ein Konzept, das von Gayatri Chakravorty Spivak in ihrem einflussreichen Aufsatz "Can the Subaltern Speak?" (1988, siehe auch Kap. 5) in die Postcolonial Studies eingeführt wurde. Ursprünglich entwickelte Michel Foucault die Idee der Episteme im westlichen Denken in Geschichte des Wahnsinns und führte ihre Erforschung in Die Ordnung der Dinge fort. Seiner Definition nach ist ein Episteme die anonyme Kodifizierung und Struktur, die die Wissensbildung einer bestimmten Epoche bestimmt. So war in der Renaissance das ordnende Episteme die "Ähnlichkeit", die in der Klassik - die in etwa der Aufklärung entspricht (s. Kap. 7) - durch "Repräsentation" und "Klassifikation" abgelöst wurde, um dann in der Moderne vom Menschen als Objekt des Wissens abgelöst zu werden. Wissen und in der Folge auch Diskurse können nur innerhalb der Grenzen der jeweiligen Episteme gebildet werden.
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-476-05598-9_14

Peiresc

Zitat von: MrX am 04. März 2023, 20:23:28NICHT dass ich das gut finde (soweit ich das sehe, hat sich der Terminus mathematx auch kaum verbreitet). Mir ging es darum, aufzuzeigen, wie in Bezug auf Ethnomathematik verdreht oder irregeführt wird.

Was wird denn da verdreht, und von wem? Ich zitiere mal aus Deinem Link, gleich am Anfang:
ZitatIn this article, I seek to bring into conversation ideas from ethnomathematics (including Western mathematics), postcolonial theory, aesthetics, biology, and Indigenous knowledge in order to propose a new vision for practicing mathematics, something I refer to as mathematx.
Bevor Du mir nicht erklärst, was "Ethnomathematics" ist, sehe ich keinen Grund, den Artikel zu Ende zu lesen, und ebenso keinen, den Cynical Theories in dieser Frage zu widersprechen.

Peiresc

Zitat von: RPGNo1 am 04. März 2023, 20:29:34
ZitatUrsprünglich entwickelte Michel Foucault die Idee der Episteme im westlichen Denken in Geschichte des Wahnsinns

Ich habe "Wahnsinn und Gesellschaft" gelesen. Foucault hat definitiv keine Ahnung von Psychiatrie. Das mit der epistemischen Gewalt erinnert mich an die "Mikroaggression", ein Vorwurf, den man für alles und nichts einsetzen kann, und mit dem man sich immer im Recht fühlen kann. Möchtest Du noch was zur Rationalität bei Dotson sagen? Möchtest Du, dass ich zitiere und kommentiere?

Und noch, edit,
Zitat von: RPGNo1 am 04. März 2023, 20:29:34Da Kristie Dotson angesprochen wurde: Epistemic violence
Das ist der erste von Hoadley-Bill referierte Artikel. Solche Essaywolken sind im Dutzend billiger.

Nochmal edit: Du zitierst übrigens von der website von James Lindsay.  :rofl2

RPGNo1

Zitat von: Peiresc am 04. März 2023, 20:38:46Möchtest Du noch was zur Rationalität bei Dotson sagen? Möchtest Du, dass ich zitiere und kommentiere?

Meinst du mich? Ich kann zu Dotson oder ihrer Rationalität nichts sagen, sondern habe sie nur erwähnt, weil sie über den Umweg Lindsay und Hoadley-Brill in den Mittelpunkt der aktuellen Diskussion gerückt wurde, und haben Infos über sie verlinkt, damit alle Mitlesenden sich ein besseres Bild über sie machen können.

Edit:
Zitat von: Peiresc am 04. März 2023, 20:38:46Nochmal edit: Du zitierst übrigens von der website von James Lindsay.  :rofl2

Erwischt.  ;D  Ich habe den ersten Artikel verlinkt, den die Suchmaschine ausgespuckt hat.

Peiresc

Zitat von: RPGNo1 am 04. März 2023, 20:48:52Meinst du mich?
Äh, nee. ... Da habe ich nicht aufgepasst.  :grins2:

Ich hab nämlich keine Zeit, weißt Du. Ich bin grad von Foucault angefixt:
ZitatFor those who were prepared to overlook some of his bizarre political judgements—including his public defence of the Ayatollah Khomeini's bloody purges in post-revolutionary Iran, even while the regime executed homosexuals—Foucault provided an alternative system of thought and a convenient package of esoteric slogans through which the radicals' loathing for the bourgeoisie could be sustained.

Keith Windschuttle: The Killing of History: How Literary Critics and Social Theorists Are Murdering Our Past, 2000

eLender

Sodele, es wird Zeit für ein wenig Unterhaltung Klärung. Ich habe mir gestern (erst) das Video der Boys angesehen, in dem auch Ahmad Mansoor beteiligt ist*. Ich habe selten so ein gutes Gespräch gehört, selten so einen überzeugenden und gut argumentierenden Menschen wie Mansoor gesehen und selten sooo viel zustimmen müssen wie in dem Video. Es geht bei der ganzen Debatte nicht darum, ob sich jemand mal irgendwo verrechnet hat (oder nicht, solche Vorwürfe sind reinstes Gift, sollen nur eine Debatte vergiften und tun nichts, aber auch gar nichts zur Sache).

Wem da nicht klar wird, warum eine kritische Auseinandersetzung mit dem zynischen BS absolut notwendig ist und diese Kritik aus der Mitte (nicht von den extremen Rändern) kommen muss, um eine weitere Radikalisierung noch zu verhindern, der soll halt weiter in seinem Schützengraben vor sich hin träumen. Das ist auch keine Veranstaltung aus der Echokammer, das sind ganz konkrete Hinweise, dass das uns alle betrifft. Das sollte sich jeder ansehen, der hier mitreden will (sollte, nicht muss; aber es wird klarer, worum es eigentlich geht. Nicht um Rechenfehler)

AHMAD MANSOUR über Migration, Identität und Rassismus

*ich hatte mich schon über die beinahe unglaublich positiven Kommentare bei YT und Twitter zu dem Video gewundert, aber es ist nicht übertrieben. Der Kommi von Steffi gains Knowledge (auch ein Urgestein der YT-Skeptiker und bestimmt keine rechte Ratte):

ZitatIch habe euer Gespräch mit sehr gemischten Gefühlen gehört. Nicht, weil ich euren Ansichten nicht zustimmen würde, sondern weil mich zutiefst erschüttert, dass es überhaupt notwendig ist, solche (meiner Meinung nach) doch eigentlich selbstverständlichen Ansichten in einem solchen Rahmen öffentlich zu behandeln.

Nachdem ich nun schon seit einigen Jahren die Entwicklungen dieser Strömung beobachte, komme ich leider zu keinem anderen Schluss, als dass ich diese (post-)moderne Identitätspolitik aktuell als eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft empfinde.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

Nochmal was zum nachrechnen. Nicht dass ich das, was der Prof da über die Anforderungen in anderen Ländern referiert, für erstrebenswert halte, aber man kann das auch nicht ganz ignorieren. Mathe: das ist doch auch so ein Diskriminierungsinstrument. Aber in NRW geht man das Problem jetzt an. Irgendwie:

ZitatUnd dass sich dies  auch in Zukunft nicht ändern wird, belegt Krötz indem er sich den neuen Kernlehrplan Mathematik für die Sekundarstufe II in Nordrhein Westfalen anschaut. Dort geht es auch um Mathematik, aber auch einem deutlich niedrigeren Niveau als in Indien. Aber die Schüler sollen in NRW im Mathematikunterricht ja auch nicht nur Mathe lernen:
https://www.ruhrbarone.de/nrw-matheprofessor-zerlegt-den-kernlehrplan-mathematik-fuer-die-sekundarstufe-ii/217993/

(das oben ist ein verkürztes Zitat, bitte selbst weiterlesen)
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Scipio 2.0

Das mit dem immer weiter sinkenden Niveau in den Schulen ist auch mir schon aufgefallen, als ich mal unsere Aufgaben mit denen von vor 10 Jahren verglichen habe.

Ich vermute, dass ich in früheren Zeiten gar nicht bis zum Abi geschafft hätte, geschweige denn zum Diplom.

Edit: Je länger ich darüber nachdenke desto mehr regt mich das auf.

Scipio 2.0

Edit 2: Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich, ob ich meinen Ingenieursjob nicht an den Nagel hängen und mir einen anderen weniger techniklastigen Job suchen sollte...

Edit 3:

ZitatNicht dass ich das, was der Prof da über die Anforderungen in anderen Ländern referiert, für erstrebenswert halte,

Ich halte ein hohes, gerne auch sehr hohes, Leistungsniveau in Schulen und Universitäten definitiv für erstrebenswert aber dafür müssen auch die notwendigen Bedingungen gegeben sein beispielsweise bestmöglich ausgebildete Lehrkräfte und keine Quereinsteiger.