Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Welt Artikel "Die großen Aufklärer waren oft Judenhasser"

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von G5, 25. August 2012, 17:51:08

« vorheriges - nächstes »

Abe81

Man verzeihe mir mal wieder die vielen 'Ismen' und 'Fremdwörter'. Ich habe heute leider nicht die Zeit, entsprechende Links zu suchen. Kann man z.B. bei Firefox nicht mittlerweile ein Wort makieren und im Kontextmenü "Google-Suche nach..." auswählen? Bei manchen hole ich das per Edit-Funktion noch nach.

------------------

Meine Motivation, warum ich den ganzen Klimbim hier schreibe, ist die, daß ich den sog. Neuen Atheismus (NA) größtenteils für philosophisch unterbestimmt und naiv halte und er somit z.T. hinter dem zurückfällt, was er kritisiert. Das ich gegen die simple Kritik der NA die reifere Philosophie bestimmter Theologien ausspiele, hat logisch keine "Befürwortung der Religion" zur Folge. Deine Anklage an mich, bayle: "Verteidigung der Religion als Atheist" zeugt von Dogmatismus: Man klagt Abweichlertum an. Für jemanden, der sich Rationalität als höchstes Gut auf die Fahnen geschrieben hat und die Religion aufgrund ihrer Irrationalität und der Geltung dieser bekämpft, sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die aufzubewahrende Rationalität der Theologie zugunsten eines naiven logischen Empirismus der NA mitausschütten - das wäre sozusagen mein Kernvorwurf an die NA. Dieses "Lagerdenken" (Ridcully hat das gut erkannt) führt zu allerlei Inkommensurablen. Wie aus einem Steinbruch schlägt man sich eklektizistisch die Denker heraus, die einem ins Lager passen. Ob man überhaupt alle für sich in Anschlag bringen kann, ist eine andere Frage, die man aber ignoriert zugunsten des 'Lagers'. Z.B. die von dir aufgezählten Locke, Hume,  Kant, Feuerbach,  Marx, Freud, Hans Albert sind inkonsummerabel. Als Beispiel: Du kannst nicht auf der einen Seite mit Marx materialistisch religionskritisch argumentieren* und gleichzeitig kritisch-rationalistisch religionskritisch mit Albert. Den bei ersterem fußt die Argumentation darauf, daß hinter dem Bedürfnis nach Religion das einer besser eingerichteten Welt steht, bei letzterem, daß man lediglich das noch uninformierte Denken in die richtigen Bahnen lenken müsse - das ist auch ungefähr die Konfliktlinie, den der sog. Positivismusstreit in der Soziologie hatte (an dem Albert ja beteiligt war) und das scheint mir auch unsere wirkliche Differenz zu sein.

*) In meinem vorherigen Beitrag (#45 dieses Threads) reiße ich das auch kurz an und argumentiere wie Marx, d.h. wir haben einen inner-atheistischen Streit:

ZitatVorwurf an die neuen Aufklärer: Ihre Rede von der Religion als allem Übel bzw. dessen Ursache, die aus empiristischer Immanenz geboren ist, verhindert einen kritischen Blick auf die Gesellschaft, der die Religion entsprungen ist. Religion ist ihnen sozusagen die Erbsünde/ ein Letztbegriff, dessen historische und gesellschaftliche Genese für ihre Abschaffung nicht hinterfragt werden muss.

D.h. im Gegensatz zu Marx oder Freud stellen die Neuen Atheisten gar nicht mehr die entscheidende Frage, auf welche gesellschaftlichen Probleme Religion die falsche, weil mystifizierende Antwort sein will, sondern begreifen Religion als das Problem selbst.

D.h. meine Motivation in Konsequenz: Ich bringe nur das Dilemma des Atheismus in pragmatischer Absicht auf den Punkt. Wer z.B. Moral 'naturalistisch entzaubert' , indem er behauptet, es sei mit "biologische[n], soziologische[n], psychologische[n) Theorien" ausreichend erklärbar (vgl. Mackie "Das Wunder des Theismus", S. 189) der kann Religion auch nicht mehr als falsches(!) Bewußtsein entzaubern. Wenn Inder Witwen oder Kenianer 'Hexen' verbrennen (ersteres ist eher selten geworden, 2008 zuletzt geschehen, letzteres ist fast ein alltägliches Phänomen), sei das halt deren common sense. Verurteilbar sei das nicht. Wenn man mit diesen drei Faktoren (Biologie, Soziologie und Psychologie) Moral erklären will, hat man nur eine deskriptive Erklärung für das Handeln, aber keine normative. Wie kann man den Kenianern klar machen, das das, was sie tun, grausam und falsch ist, wenn ihre 'normative Ansprechbarkeit' ( eine zentrale Grundlegung für Verurteilbarkeit im juristischen Sinne), also ihr 'moralischer Kompass', wunderbar funktioniert, nur eben nach ihren eigenen sozial-psychologischen Maßstäben? Der Kulturalist lehnt sich da gemütlich zurück und sagt "Ha, die arroganten Westler wollen ihre universalen Werte allen aufoktroyieren" - dem Lager will sich hier hoffentlich keiner zuordnen, denn (das ist ebenso hoffentlich Konsens, sonst könnten wir das auch noch diskutieren, aber dann vielleicht in einem anderen Thread),die Aufklärer, auf die sich hier affirmativ bezogen wird, waren größtenteils Universalisten (wie auch bestimmte Religionen universalistisch sind). Sie hatten einen emphatischen Begriff von "der Menschheit" (s.o) und eben nicht 'den verschiedenen Kulturen / Rassen / Ethnien...'. So nachlesen kann man das in apologetischehr Absicht in Hitchens "God is not great"

Zitat
ZitatWer sich mal ein Werk zum katholischen Dogmatismus vorgenommen hat und sich mit (Aussagen-)Logik ein wenig auskennt, wird erstaunt sein, wie konsistent das alles argumentiert ist. Die können das in sich auch so konsistent tun, da sie einen Allgemein- und Letztbegriff haben, nämlich Gott. Eine Prämisse, mit der alles steht oder fällt.

Nein, die theologische Logik (hier verstanden im allgemeinen üblichen Sinn), von Augustinus über Pasqual, Newman, Swinburne bis zu Ratzinger und Küng, ist gescheitert. Einzelheiten auf Nachfrage, ausführliche Zusammenfassung z. B. bei John Leslie Mackie, Das Wunder des Theismus, preiswert bei Reclam. Auch die Logik der Religionskritik hat sich entwickelt, von Lukrez über Locke, Hume und Kant, Feuerbach und Marx, Freud, Hans Albert, Dawkins und Hitchens. Wenn beides zusammen den Spielraum der Religion nicht eingeengt hat, welche Erklärung gibt es dann überhaupt für den Säkularismus?

Und selbst wenn das mit der formalen Logik korrekt wäre, so wäre doch der Punkt, dass Gott selbst nicht bewiesen werden kann, nicht völlig unerheblich

By the way: Ich finde es etwas unlauter von dir, einfach nur eine Menge Namen aneinanderzureihen und dann zu meinen, etwas damit ausgesagt zu haben. Name Dropping als Autoritätsargument: man führt vermeintliche Autoritäten an (bei dir: die Aufklärer) und dekretiert einfach, diese haben die 'dümmeren' Autoritäten (bei dir in der Aufzählung die Theologen) widerlegt. Du verweist noch kusorisch auf Mackie, bei dem sich das Geheimnis der Widerlegung verstecke und du es auf Nachfrage gerne lüften würdest. Über Mackie können wir gerne Debattieren, er steht in meinem Regal und ich habe ihn als braver Atheist natürlich auch gelesen. Aber bitte nicht einfach ein Verweis droppen, das den magischen Macht des bessern Arguments beinhaltet, du es aber nicht ausführst. Dann lieber nicht erwähnen.

Um auf das Logik-Problem zu kommen: Ich habe ja selbst bereits geschrieben, daß Gott die Prämisse sei, mit der alles stehe und falle. Setzt man Gott aber als Prämisse, ist das binnenlogisch(!) sehr konsistent. Und dieser komische Gott ist ja nicht nur aus reinem Hokusposkus (Animismus) oder Manipulation (Priestertrugtheorie) so aktuell (das behaupten nämlich die NA, alles sei nur Trug und Manipulation), sondern beinhaltet das oben angerissene Dilemma, das man für Rationalität einen Letztbegriff oder Allgemeinbegriff braucht. Und da trumpft die Kirche auf und behauptet ganz abgeklärt: "Ha, seht ihr, in unserem System der Weltauffassung sind alle Widersprüche eleminiert. Damit können wir dann auch Böses verurteilen, ihr atheistischen Deppen." Das muss man sich erstmal gefallen lassen, aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß eben die Welt voller Widersprüche ist und die Theologie diese in der Theorie nur glättet, aber nicht in Wirklichkeit. D.h. der Atheist sollte ein "Paradies auf Erden" wollen (im Gegensatz zur Position der Religion: erst im Jenseits) und nicht gar nichts wollen! Daraus ließe sich moralische Sprengkraft als Ersatz für universale Geltung speisen (so mein Vorschlag, von Marx geklaut). Also meine Vorwurf an die NA (oder an dich, sofern du dich darunter subsumierst): Anstatt nichts zu wollen (was auch faktisch nicht wahr ist, sie behaupten es nur), muss man als Atheist expressiv verbis(!)eine bessere Welt wollen.

Kant - den du ganz generös unter 'Aufklärer' verbuchst, anstatt Protestant der er war (= darin bestätigt sich in deinen Ausführungen geschickt meine These: Aufklärung steckt schon in der Theologie!) - versuchte diesem Dilemma zu entkommen und landete stattdessen bei Aporien. Also nur einen Quantensprung weiter; aber das in der Doppeldeutung von "Quantensprung", d.h. erkenntnistheoretisch war es sowohl ein riesen Wurf, als auch nur ein kleiner Schritt zur Lösung der Probleme. Gott ist bei Kant nämlich keine letzte Kategorie, sondern eine sog. "regulative Idee". Gott ist kein Ding sondern Ursache von Dingen - er ist unbedingbar... soweit so crazy. Mackie übrigens, rezipziert m.E. Kant falsch: Er behauptet, Gott wäre für Kant ein Wesen i.S. eines Dings i.S. selbst eine argumentative Kategorie zu sein (S. 169-177).

------------------------------------

ZitatWie, die Entwicklung der Geologie, der Biologie (Evolution), der Physik haben den Spielraum für Religion nicht eingeengt?

Ja, haben sie, aber wie oben beschrieben. Was ich nur betonen wollte: Diese einengende Bewegung hat ihre Grenzen. Deswegen habe ich auch Kant eingeschoben, weil der die Erkenntnisgrenzen dieser "Einengung" aufzeigt.

Es ist Kategorienfehler, diese Einengung als kategorische zu sehen, also unendlich erweiterbar, bis alles natürlich aufgeklärt sei und nichts 'Übernatürliches' mehr bleibe. Dieser Konsequenz, die im Gedanken der "Einengung" steckt, wollte ich widersprechen.
Der Kategorienfehler bsteht nämlich in der Vermengung von Funktion und Ursprung. Ich zitiere mal den schon erwähnten K.H. Haag (aus "Metaphysik als Forderung rationaler Weltauffassung): "Positiv bestimmbar an stofflichen Dingen [als Gegenstand der Naturwissenschaften] ist einzig ihr funktionales Verhalten - aber nicht das, worin sie ontologisch gründen: das Prinzip ihrer Genesis. Als die gestaltende Form stofflicher Dinge gehört es einer anderen Dimension an: dem für menschliches Erkennen begrifflich nicht fixierbaren Bereich des intelligiblen[sic!] Ansichseins der Welt"

und

"Physikalische Gesetze sind Gesetze von Sektoren der Natur: Einzelgesetze. Keines von ihnen hat den Charakter eines universalen wie fundamentalen Prinzips, das konstitutiv dafür sein könnte, welche partikulären Gesetze bei der Weltgenese zusammenwirken. Weil sie genötigt ist zu isolierenden Eingriffen in kosmische Prozesse, ist der naturwissenschaftlichen Methode die Erkenntnis eines solchen Prinzips grundsätzlich versagt. Einzig negativ ließe es sich bestimmen: als die physikalisch nicht fixierbare Voraussetzung jeglicher Evolution."

Auf Dawkins bezogen: "Like nothing else, evolution really does provide an explanation for the existenceof entities whose improbability would otherwise, for practical purposes, rule them out." (aus "God Delusion" S. 61)

Dawkins muss für das Wirken der Gesetze der Evolution wie der natürlichen Selektion bzw. der biologischen Anpassung (deren Existenz ja niemand bestreitet, auch Haag nicht) immer schon voraussetzen, was er zu erklären beanspruch: die Existenz von Entitäten.

--------------------------------

ZitatWas ich hier referiere, ist die der Glaubensverteidigung zugrunde liegende Position. Sie findet sich mehr oder minder explizit in vielen Stellungnahmen von kirchlicher Seite

Du 'referierst' aber in kritischer Absicht, sozusagen Kritik durch Darstellung, denn du referierst ja nicht willkürlich, sondern meinst in dem speziell referierten Teil liege der Hund begraben und willst ihn ausgraben. D.h. auch dein "Referieren" hat natürlich, wie jedes rationale Vorgehen, Vorannahmen und Methode, über die man sich im klaren sein muss - explizieren muss. Das habe ich mit meinem Beispiel/Exkurs zu Dawkins Kritik am Papst zu erklären versucht, wie hier Vorannahmen nicht reflektiert oder verborgen werden (je nach Auslegung). Wie willst du anklagen/verurteilen (moralisch), wenn es kein 'kodifiziertes Recht' (->universale Ethik) gibt? Diese Aporie löst auch Mackie nicht auf, sondern verlängert - bzw. spezifischer: verschleiert - sie nur naturalistisch.

------------------------------------------

Zitat
Zitat... die Geschichte der monotheistischen Religionen ist eine Verfallsgeschichte. Ihre Vermittlung über Vernunft ist im Judentum am stärksten ausgeprägt, im Protestantismus verkehrt sich das schon in eine Flucht in die Innerlichkeit ...

Wieso sollte protestantischer Mystizismus gegenüber dem Katholischen Mystizismus ein Verfall sein? [...]  Wieso überhaupt ist die weltabgewandte Innerlichkeit ein Verfall gegenüber dem äußerlichen Regelkorsett der Tora (Leviticus, = 3. Buch Mose)?

Was mir in deiner Aussage implizit zu stecken scheint: Protestantische Innerlichkeit ist 'besser' (säkular betrachtet), da der Glaube im Inneren, sozusagen im Privaten verschwunden ist. Korrigiere ich mich, wenn ich das falsch interpretiert habe.

Ich führe meine (zugegeben) steile These ein wenig aus: An dem sogenannten Dogma, das ja für sich beansprucht, logisch konsistent zu sein, kann man sich eben "reiben" (wie du das nennst). Dieses Reiben kann man auch Theologie nennen -> Vermittlung des Glaubens durch Vernunft. Unvernünftiges wird nicht geglaubt, historisch aktualisiert, fallen gelassen. Luther wurde nicht müde, von der "Hure Vernunft" zu sprechen, d.h. er entzog dem Glauben die Vermittlung durch Vernunft und damit jeglicher Rationalität. Das ist - zugespitzt formuliert - auch der Kern der Esoterik. Wie sicherlich bekannt, kann man der Esoterik auch nicht mir Rationalität kommen, sie lässt sich binnentheoretisch und erst recht nicht durch Verweis auf die Wirklichkeit 'widerlegen' . Du hast geschrieben, daß Gibbon gezeigt habe, daß Konzile immer  Ausdruck der die Kirche umgebenden Lebenswelt/Gesellschaft waren. Exakt, das ist ja auch mein Punkt und führte mich auch zu der - ebenfalls zugespitzten Formulierung: die Theologie als rationale Methode trüge die Aufklärung in sich - also auch den Grund ihrer eigenen Abschaffung (deswegen passte auch die ursprünglich von dir verwendete Metapher des trojanischen Pferdes). Der Protestantismus ist diesem trojanischen Pferd geschickt entkommen, indem es dem Glauben den Primat zugeordnet hat, nicht der Vernunft. Gott ist, was du draus machst. Damit entziehen sie sich den Zumutungen der rationalen Vermittlung (wieder eine Zuspitzung von mir: Kants Programm in der Kritik der reinen Vernunft "Platz für Glauben zu schaffen" war ein rational argumentierter Kniff (nämlich die Grenzen der Erkenntnis aufzuzeigen) Rationalität aus dem Glauben zu bannen).

Die Behauptung, deswegen sei die (jüdische und katholische) Theologie Brutstätte der Vernunft, ist damit nicht 'dialektisch' (wie du behauptest), sondern folgelogisch (soviel Liebe zur Logik muss sein, du hälst sie doch hoch). Was du allerdings insinuierst: mein Beispiel mit der Aufklärung in der Theologie wäre das gleiche wie dein Beispiel: Wenn man behauptet, etwas anerkannt Grausames (Inquisition) sei der Vorbereiter von etwas anerkannt Guten/Wahrem (Galilei), dann ist das nämlich nicht folgelogisch, sondern erstmal nur ein krasser Widerspruch und kann dialektisch dennoch wahr sein, da müsste man sich die Argumentation anschauen. Du würdest ja auch nicht bestreiten wollen, daß gute Ideen böse Folgen haben können, warum also nicht auch vice versa? Natürlich war das von dem Pfaffen, den du da zitierst, instrumentell gedacht, aber es geht ja um den Wahrheitsgehalt der Aussage, unabhängig vom Motiv des Sprechers.


----------------------------------

Nur als Tipp für jene, die diese Art von Debatte interessiert; ich fand die Artikel sehr interessant: Ein Zweiteiler zur "Metakritik von Religion und Religionskritik" von Lars Quadfasel: "Gottes Spektakel"
1. Teil: Aspekte des ungeglaubten Glaubens, oder: Der heilige Schein des Kapitals
2. Teil: Liquidation Gottes, Rettung der Theologie



Abe81

Zitat von: Ridcully am 31. August 2012, 14:08:58
Verstehe ich nicht. Der Begriff "crimes against humanity" soll doch rechtfertigen, warum diese Taten überall auf der Welt verfolgt werden können, und nicht allein nach dem positiv vor Ort jeweils geltendem Recht von den lokal zuständigen Behörden, die dazu nicht in der Lage oder meist eher nicht Willens dazu sind. Es ist eine Frage der Betroffenheit, sie gehen nämlich uns alle an, die gesamte Menschheit. Was du da für einen moralischen Überschuss reindeuten zu meinen musst (und wozu), ist mir nicht klar.

Das kann ich dir rekursiv erklären:
- Wenn du etwas über lokalem/staatlichem Recht verankern willst, benötigst du - rechtspositivistisch gedacht - einen Souverän der Welt; den gibt es aber dummerweise nicht. Wer die Institutionen, die die "crimes" kodifizieren dafür anführt, muss auch erklären, warum das Verbrechen sind, das erklärt sich aus der Sachlogik "Menschheit" = "Menge aller Menschen" nicht.

D.h. in deiner Begründung sind zwei Sachen erklärungsbedürftig / alles andere als selbstevident:
- Warum geht es denn alle an? Hat es für deinen Alltag etwas geändert, daß in Rwanda Hunderttausende abgeschlachtet worden sind?
- Wovon bist du Betroffen? Betroffenheit klingt für mich wie eine moralische Aussage: Es verstößt gegen die Sittlichkeit, deswegen trifft es dich.

----
Wer als Atheist behauptet, sowas werde schon konsensual festgelegt, d.h. die "Völker aller Länder" einigen sich, das best. Sachen Verbrechen seien und andere nicht, wird hoffentlich nicht eines Tages für "Diffamierung der Religionen" angeklagt, weil die List der Vernunft nicht aufgepasst hat und das Konzept der Religionsdiffamierung verrechtlicht wurde. Es ist auch extrem gruselig, das ausgerechnet die größten 'Violator' der Menschenrechte im UN-Menschenrechtsrat sitzen und Stimmrecht haben (klick)

bayle

Mann, hier is ja richtich wat los!
@Ridcully

Zitat von: Ridcully am 31. August 2012, 11:34:47
Zitat von: bayle am 28. August 2012, 18:37:35
Bitte am Textbefund erläutern.

Tschuldigung, aber da hab ich keine Lust zu. Wenn du nicht von alleine erkennst, dass die Darstellung von Glauben im allgemeinen und der einzelnen Religionen in den  Buch platte Propaganda ist, dann werde ich dich davon wohl auch nicht überzeugen können.
Dann können wir das Thema ja fallen lassen. Ich halte mal fest: Das Buch ist nicht antisemitisch, aber der Indizierungsversuch wurde mit dem Antisemitismusvorwurf begründet. Unehrlichkeit.

ZitatHitchens schafft es tatsächlich meist, selbst bei völlig unsachlicher Israel-/ Zionismuskritik noch irgendwie die Kurve zu kriegen
Die Überschrift des von Dir oben verlinkten Artikels aus Haaretz klingt da irgendwie anders: "Despite criticism of Israel, Hitchens was ardent foe of anti-Semitism"
Wieso, da steht genau das was ich sage: radikaler Antizionist, trotzdem (anders als viele) kein Antisemit.
[Denkt euch die Verschachtelung dazu]
Es ist ein Unterschied, ob jemand ein glühender Feind von etwas ist oder sich nur bemüht, nicht in ein Fettnäpfchen zu treten.

Zitat von: Ridcully am 31. August 2012, 12:20:30
Zitat von: bayle am 29. August 2012, 15:29:36Nebenbei wäre es vermutlich auch weder fair noch würde es als konstruktiv empfunden, wenn ich P. Stibbons oder Ridcully die mittelalterlichen Absonderlichkeiten des Heiligen Vaters vorhalten würde.

Jetzt bin ich schon vom Religiösen zum Katholiken befördert worden. *hier augenverdrehsmilie einsetzen*
Fein, dass Du das für unsinnig hältst. Dann bin ich ja auch von der Aufgabe befreit, die PR-Gags von Richard Dawkins kommentieren zu müssen.

Zitat von: Ridcully am 31. August 2012, 12:45:21
Zitat von: bayle am 30. August 2012, 20:33:24Auch die Logik der Religionskritik hat sich entwickelt, von Lukrez über Locke, Hume und Kant, Feuerbach und Marx, Freud, Hans Albert, Dawkins und Hitchens.

Also wirklich, willst du nicht vielleicht noch MSS einsetzen?
Nein, aber Spinoza, Hobbes, Bertrand Russell, Mark Twain habe ich vergessen.
@Abe81
Ich komme nochmal drauf zurück.

Zitatder Wahrheitsanspruch des ML war kein religiöser, sondern ein wissenschaftlicher.
Letztlich handelt es sich beim Marxismus/Leninismus/Stalinismus ebenso wie beim christlichen Glauben mit seiner geoffenbarten Wahrheit um ein selbstreferentielles System; und die jeweiligen Orthodoxien waren sich strukturell weit ähnlicher, als es beiden Seiten lieb gewesen sein konnte. Durfte der Kommunist an Stalin zweifeln, oder war er dann nicht ein Revisionist, ein Agent des Klassenfeinds, ein Spion des Imperialismus, kurz: ein vom Dämon Besessener, ein Häretiker?

ZitatSoweit ich mich erinnern kann, ging es Habermans um Toleranz zwischen Religiösen und Säkularen und eine verbesserte Kommunikation zwischen ihnen
Ich habe noch mal nachgelesen. Habermas ist einfach nebelhafter, als ich es ihm unterstellt habe. Ich war einer religiösen Sekundärquelle aufgesessen, die ihn für sich in Beschlag genommen hatte. Eine Erinnerungsfälschung.

ZitatDer "drastische Rückgang" drückt sich in 21.9 (2007-2009) auf 20.5 (2011) aus. Und es waren nicht die "ultra-orthodoxen", sondern das Oberrabinat
Der Rückgang war nicht auf 20.5, sondern auf 16.0, d.i. ein Viertel, ein drastischer Rückgang. Der Wieder-Anstieg in 2011 ist auf die Einführung einer neuen Diagnosetechnik zurückzuführen.
Da der Volltext nicht über Google erreichbar ist, erlaube ich mir mal, ausführlich zu zitieren (mach ich ungern):
ZitatIn this regard, the Chief Rabbinate, a body made up of two Chief Rabbis who are selected by a body comprising members from both the secular (mainly politicians) as well as religious communities, issued a religious decree in 1986 accepting brain death as a valid determination of death. Despite this, religious parties opposed recognizing brain death in Israel and dissuaded the public from donating organs for transplantation until further requirements were met. ...
The main reason for nondetermination [des Hirntods] was related to the requirement for obtaining information regarding a patient's views on brain death. This was introduced to take into consideration the strong negative views held by the ultra-orthodox Jewish community regarding brain death. ...
The intention of the law may well have been to decrease the number of BDDs [Hirntoderklärungen] among a sector of the population, that is, ultraorthodox, whose values do not support it and who would refuse organ donation if approached. ...
The final obstacle was related to the requirement that physicians performing BDD undergo a training course, which includes medical, ethical and religious aspects and under the auspices of both the Medical Council and the Rabbinate. Many physicians have refused to participate in these courses, both because they reject elements of the new Act  [gesetzl. Festlegung zur Hirntodbestimmung] and because the Rabbinate is seen to have influence over a purely medical decision, that is, the declaration of death. For this reason, the number of  physicians available to perform BDD has decreased, resulting in delays in determination and possible deterioration in the condition of potential organ donors. ...
Rather the formulation of the new Act was the result of a public discussion including the ultra-orthodox minority with an attempt to include all the criteria required by the Jewish minority groups. This compromise was intended to unify these minorities regarding the definition of death. The law is supposed to reflect negotiation between the different parties and once approved with a majority vote, should apply to all citizens.
In conclusion, changes made to the BDD required by the religious authorities in Israel were introduced with under appreciation of their consequences. Thus, instead of providing increased opportunities, practical obstacles negatively affected the ability to perform BDD.

Wenn es das Rabbinat allein gewesen wäre, wäre alles noch schlimmer. Ich hätte nicht gezögert, zu sagen "auf religiösen Druck hin". Allerdings muss ich zur Sicherheit noch eine Korrektur nachschieben: es geht hier nicht um die Organtransplantation, sondern zunächst um den Hirntod.

bayle

Zitat von: Abe81 am 30. August 2012, 14:11:57
Ich finde das Thema hier auch gerade spannend, weil es gerade auch die Diskussion um die epistemiologische Schwachstellen der modernen Atheisten befeuert, die m.E. zentraler Kern dieser Diskussion ist/sein sollte. Wer klärt die Aufklärer auf? Sie sich selbst, wenn sie denn nicht das Kind mit dem Bade ausschütten; oder wie Adorno es in der Minima Moralia formuliert "Der Gedanke, der den Wunsch, seinen Vater, tötet, wird von der Rache der Dummheit ereilt"
Habt Ihr mal geguckt, wo der Link hingeht, der unter ,,Vater, tötet," liegt?
http://www.open-mindwork.org/foren/omspace/forum.php?req=thread&id=371
zu Andreas Giesen, unserem Walach-Verteidiger. Das ist dann wohl genau der Richtige, die Aufklärer über ihre epistemiologischen Schwachstellen aufzuklären (Service für @abe81: schau Dir mal den thread
http://forum.psiram.com/index.php?topic=5306.0 an)

Eigentlich wollte ich ja im Zusammenhang antworten, aber das war einfach zu köstlich, das musste ich vorweg schicken.
:laugh:

bayle

@Abe81. Ich möchte Dich nicht zu sehr in die Irre jagen. Der Part mit Andreas Giesen geht ab Seite 9, Post #130, los:
http://forum.psiram.com/index.php?topic=5306.120
Viel Spaß! :grins2:

bayle

@abe81

Zitatdaß ich den sog. Neuen Atheismus (NA) größtenteils für philosophisch unterbestimmt und naiv halte

Kannste, musste aber nicht. Wenn ich Dich richtig verstehe, ist das die Duhem-Quine-These, die stark vergröbert sagt: sowieso egal, welche Theorie ich vertrete, überprüfen kann das eh keiner, weil ich mir immer was ausdenken kann, um meine Theorie nachträglich zu schützen.

Ich bin nicht dieser Ansicht. Nicht alle Tatsachen lassen sich wegdiskutieren. Oder, auf schlau: ,,Durch beliebige Ad-hoc-Hypothesen oder Ad-hoc-Modifikationen können reproduzierbare Effekte nicht erklärt werden" (Gunnar Andersson; Kritik und Wissenschaftsgeschichte, Tübingen 1988).

Zitat"Verteidigung der Religion als Atheist" zeugt von Dogmatismus: Man klagt Abweichlertum an.

Ich habe nicht den Eindruck, dass das eine Antwort auf die Frage nach dem Widerspruch zwischen eigener Überzeugung und der Empfehlung für Andere ist.

Zitatund die aufzubewahrende Rationalität der Theologie zugunsten eines naiven logischen Empirismus der NA mitausschütten

Später sagst Du dann ja auch sehr schön, dass mein ,,Referieren" Vorannahmen habe, die expliziert werden müssten. Wenn das Deine Explikation ist, so zeigt Deine Wortwahl, dass schon die Voraussetzungen, das Begriffsystem, nicht soweit übereinstimmen, dass ich Dir auch noch einen Satz weiter folgen würde. Du nennst das ,,Inkommensurabilität" und meinst, dass das auch für die von mir angeführten Autoren untereinander gelte. Ich kenne sie übrigens gerade gut genug, um bei meinem Satz bleiben zu können.

Der Begriff der Inkommensurabilität geht auf Thomas Kuhn zurück. Ich halte ihn für inhaltsleer, weil ich seine Wissenschaftstheorie im Grundsatz für nicht ausreichend tragfähig halte. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen. Der Begriff der ,,Realität" wie auch der Begriff der ,,wissenschaftlichen Wahrheit" werden von Kuhn in uneindeutiger Weise verwendet (sofern sie überhaupt vorkommen); in einem Satz bedeuten sie dies, im nächsten jenes. Alle Theorien sind letztlich kommensurabel: in ihrem Bezug zur Realität. Hier können wir gleich noch Deine Verfallsthese der monotheistischen Religion abhandeln: sie hat keinen. Sie ist also kommensurabel mit dem katholischen, evangelischen und muslimischen Mystizismus, welche ich im Übrigen weder für Verfalls- noch für Aufstiegssymptome halte, sondern für Irrwege des Denkens. Man kann für meine Ansicht natürlich auch einen anderen Namen finden, halt, Du hast ihn schon: naiver Empirismus.

ZitatDu kannst nicht auf der einen Seite mit Marx materialistisch religionskritisch argumentieren und gleichzeitig kritisch-rationalistisch religionskritisch mit Albert.

Doch, selbstverständlich kann ich nach materiellen Ursachen (im Marxschen Sinn) für Religion Ausschau halten und zugleich mit Albert ihre Immunisierungsstrategien untersuchen. Ich glaube nicht, dass jemals eine vollständige Erklärung des Phänomens Religion möglich sein wird, aber es ist überhaupt kein Grund erkennbar, nicht zu versuchen, sich dieser Erklärung anzunähern - und die Beiträge, die die verschiedenen Autoren dazu leisten, zur Kenntnis zu nehmen.

Zitatdas ist auch ungefähr die Konfliktlinie, den der sog. Positivismusstreit in der Soziologie hatte (an dem Albert ja beteiligt war) und das scheint mir auch unsere wirkliche Differenz zu sein.

Ich bin der gleichen Ansicht.

ZitatD.h. im Gegensatz zu Marx oder Freud stellen die Neuen Atheisten gar nicht mehr die entscheidende Frage, auf welche gesellschaftlichen Probleme Religion die falsche, weil mystifizierende Antwort sein will, sondern begreifen Religion als das Problem selbst.

Ich bin da nicht so sicher. Ich meine sogar, dass auch Marx und Freud nur Teilaspekte der Wirklichkeit erfassen. Und ich lehne mich mal aus dem Fenster: es dürfte schwerhalten, bei irgendeinem der neuen Atheisten irgendwo die These explizit formuliert zu finden, mit dem Verschwinden der Religion wären die Menschheitsprobleme gelöst. Ich lass mich gern informieren.

ZitatWer z.B. Moral 'naturalistisch entzaubert' , indem er behauptet, es sei mit "biologische[n], soziologische[n], psychologische[n) Theorien" ausreichend erklärbar (vgl. Mackie "Das Wunder des Theismus", S. 189) der kann Religion auch nicht mehr als falsches(!) Bewußtsein entzaubern.

Muss er auch gar nicht. Es gibt mehr oder minder erfolgreiche Strategien des Denkens, je nachdem, woran man Erfolg misst. ,,Unter dem Krummstab des Dogmas mag gut leben, gut essen und trinken sein, aber gut denken ist nicht unter ihm." (Feuerbach). Bei dieser Gelegenheit: mir scheinen die rationalen Theologen, von denen die Aufklärer noch was lernen können, in der Öffentlichkeit ein bisschen zu kurz zu kommen. In der katholischen Enzyklopädie übrigens, in der sie doch versammelt sein sollten, finden sich lobende Worte über die Inquisition (wenn auch nicht diejenigen Brandmüllers). Zu diesem Thema und zur Frage der Dialektik nur: schön, dass so alles mit allem zusammenhängt (hatten wir schon bei der Berliner Mauer).

   
ZitatSetzt man Gott aber als Prämisse, ist das binnenlogisch(!) sehr konsistent

Was ist konsistent? Die Erklärung der Theodizee? Das Wunder der Transsubstantiation? Die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel? Welche Art von christlicher Moral? Die des schwedischen Protestanten oder die des koptischen Christen?

Ich bin schlicht zeitlich (und vom Interesse her) nicht in der Lage, Deinen Post, in dem Du alle Welträtsel berührst, abzuarbeiten, und für Quadfasel (bitte entschuldige mein entstellendes Grinsen) habe ich leider auch keine Zeit. Ich greife nur noch einen Punkt heraus, der, da scheinen wir uns einig zu sein, ein zentraler ist:

ZitatWie willst du anklagen/verurteilen (moralisch), wenn es kein 'kodifiziertes Recht' (->universale Ethik) gibt?

Kodifiziertes Recht gibt es überall, wahrscheinlich sogar in Somalia, auch wenn es damit in der Geschichte zu Zeiten und in Gegenden nicht weit her war. Völlig anders ist das dagegen mit der universalen Ethik. Die gibt es nun gar nicht, weder mit noch ohne Religion.
Die Regeln der Moral, die im AT gelten, können im Großen und Ganzen kaum anders als seltsam berühren. In der Antike war Kindesaussetzung nichts Anrüchiges. Die griechischen Philosophen rechtfertigten die Sklaverei, und die römischen noch dazu die Gladiatorenkämpfe (oder verurteilten sie zumindest nicht). Bei genauer Lektüre erweist sich die Bergpredigt in der vorliegenden Fassung als nicht unterschriftsreif. Die Scharia ist das Rechtssystem eines Nomadenvolks, welches keine Gefängnisse hatte und deshalb Körperstrafen favorisiert. Es wäre ein leichtes, aus mittelalterlichen Synodalbeschlüssen einen Horrorkatalog inhumaner Absurditäten herauszufiltern. Auch in jüngerer Zeit ist die Moral beständigen Änderungen unterworfen. Die marxistische Moral leitet sich aus den Bedürfnissen des Kampfes der Arbeiterklasse her. Und schließlich: schauen wir doch nur einmal auf den eigentlichen Anlass unserer Debatte: er ist Ausdruck eines aktuell stattfindenden Wertewandels.

bayle

@abe81, Teil II und (wahrscheinlich) Schluss
ZitatWie kann man den Kenianern klar machen, dass das, was sie tun, grausam und falsch ist
Das weiß ich auch nicht. Indem man Ihnen aus der Bibel oder aus Adorno vorliest?

ZitatAlso mein Vorwurf an die NA (oder an dich, sofern du dich darunter subsumierst): Anstatt nichts zu wollen (was auch faktisch nicht wahr ist, sie behaupten es nur), muss man als Atheist expressiv verbis (!) eine bessere Welt wollen.
Will ich nun etwas, und wenn ja was? Da hast Du mich jetzt ertappt: die Tatsache, dass ich in diesem Forum mitschreibe, zeigt schon, dass ich etwas will. Jemand in diesem Forum hat als ,,Wappenspruch" – ,,Die schlimmste Idee ist die einer besseren Welt". Also ich könnte daraus nicht ablesen, dass er an den lieben Gott glaubt, ich hätte da eher an eine Nähe zu Popper gedacht. Und die Religiösen wollen auf dieser Welt gar nichts? Denkbar wäre das: ,,Aus Sicht des Heiligen Stuhls ist es ein ketzerisches Hirngespinst zu verkünden, die Religion sei auch in dieser Welt von Nutzen" (Stendhal, Wanderungen in Rom).

ZitatKant - den du ganz generös unter 'Aufklärer' verbuchst, anstatt Protestant der er war (= darin bestätigt sich in deinen Ausführungen geschickt meine These: Aufklärung steckt schon in der Theologie!)
Applaus, Applaus. Auf diese Weise wird es dir schließlich gelingen, Theologen zu finden, deren Binnenlogik unwiderlegbar ist. Mach doch einfach noch ein bisschen mehr name dropping.

ZitatWas ich nur betonen wollte: Diese einengende Bewegung [der Naturwissenschaften] hat ihre Grenzen. Deswegen habe ich auch Kant eingeschoben, weil der die Erkenntnisgrenzen dieser "Einengung" aufzeigt.
Es ist Kategorienfehler, diese Einengung als kategorische zu sehen, also unendlich erweiterbar, bis alles natürlich aufgeklärt sei und nichts 'Übernatürliches' mehr bleibe.
Deine Vorannahmen stecken schon in dem Wort Bewegung, denn es war von Entwicklung die Rede. Einfach gesagt: ich halte es für falsch, vom ,,Nicht Erklärbaren" statt vom ,,Nicht Erklärten" zu sprechen. Wir werden uns der Wahrheit annähern, aber wir werden sie nicht erreichen. Popper hat übrigens darauf hingewiesen, dass schon Lenin das Verhältnis von relativer zu absoluter Wahrheit richtig erfasst hat (Materialismus und Empiriokritizismus, Kap. II.5, Werke Bd 14). Das Übernatürliche hat darin keinen Platz. Dies muss Popper hoch angerechnet werden, da ihm Lenin als Autor sonst zutiefst suspekt ist. Die Kritische Theorie dagegen ist offenbar bei der Suspektheit stehen geblieben.

Dr. Ici Wenn

Zitat von: bayle am 01. September 2012, 06:54:59
Jemand in diesem Forum hat als ,,Wappenspruch" – ,,Die schlimmste Idee ist die einer besseren Welt". Also ich könnte daraus nicht ablesen, dass er an den lieben Gott glaubt, ich hätte da eher an eine Nähe zu Popper gedacht.

Gut gedacht. Beides stimmt.

hellesköpfle

Ich finde die Diskussion gemein :'( Ich kenne keine Judinnen und Juden :'(

bayle

@SusanneL.
Ich habe über Deine Bemerkung nachgedacht, aber ich verstehe sie nicht. Gib mal einen weiteren Hinweis ...  :grins2:

bayle

Gut, das mit Quadfasel nehm ich zurück, das war wirklich ein wenig fies :-[, da konnt ich einfach nicht widerstehen.
Ansonsten: ein bisschen morbide Freude an Polemik gehört schon dazu. Ist doch aber spannender als nur ein "Du bist doof" - "Nein Du". (noch etwas name dropping: das wäre eine sog. symmetrische Interaktion i. S. von Watzlawik)

Ridcully

@ Abe81: den Souverän gibt es rudimentär, der nennt sich UNO. Und das es "uns alle" angeht bedeutet nicht, dass es mich persönlich was angeht. Das ist eine individualistische Sichtweise, die du gegen jegliche kollektive Formen vorbringen kannst. Der Nationalstaat mit starker Staatsgewalt und einer liberalen, das Individuum betonenden Staatsideologie ist nicht die einzige denkbare Form menschlicher Gesellschaft und von Rechtsetzung. Aber natürlich gibt es keinerlei Garantie dafür, dass die sich tatsächlich durchsetzen Vorstellungen von weltweit zu geltendem Recht mit den Wünschen von Dawkins übereinstimmen.

Ridcully

Zitat von: bayle am 31. August 2012, 17:52:15
Dann können wir das Thema ja fallen lassen. Ich halte mal fest: Das Buch ist nicht antisemitisch, aber der Indizierungsversuch wurde mit dem Antisemitismusvorwurf begründet. Unehrlichkeit.

Du bist echt lernresistent. Nur weil ich kein Bock hab, nach Jahren noch mal das Ferkelbuch mit dir durchzukauen, obwohl du dich offensichtlich mit der Kritik nie ernsthaft auseinandergesetzt hast, bedeutet das noch lange nicht, dass du im Recht bist. Und vor allem, und das ist für mich Grundvorraussetzung jeder Diskussion, bedeutet das nicht, dass die Kritiker selbst nicht an ihre Kritik glauben sondern die nur vorschieben. Es mag dir schwer fallen das zu akzeptieren, aber man kann unterschiedlicher Meinung sein.

ZitatEs ist ein Unterschied, ob jemand ein glühender Feind von etwas ist oder sich nur bemüht, nicht in ein Fettnäpfchen zu treten.

Ich wiederhole mich: Hitchens war ein glühender Antizionist und trotzdem nicht Antisemit. Was kapierst du daran nicht?

ZitatFein, dass Du das für unsinnig hältst. Dann bin ich ja auch von der Aufgabe befreit, die PR-Gags von Richard Dawkins kommentieren zu müssen.

Da zwingt dich doch niemand zu. Ausser du willst ihn verteidigen, den Schuh ziehst du dir dann aber selbst an.

ZitatNein, aber Spinoza, Hobbes, Bertrand Russell, Mark Twain habe ich vergessen.

Wenn du jetzt noch Spinoza zum Religionskritiker ernennst, kannst du gleich noch Mohammed, Jesus und Buddha dazu nehmen. Das ist doch wirklich albern.

ZitatLetztlich handelt es sich beim Marxismus/Leninismus/Stalinismus ebenso wie beim christlichen Glauben mit seiner geoffenbarten Wahrheit um ein selbstreferentielles System; und die jeweiligen Orthodoxien waren sich strukturell weit ähnlicher, als es beiden Seiten lieb gewesen sein konnte. Durfte der Kommunist an Stalin zweifeln, oder war er dann nicht ein Revisionist, ein Agent des Klassenfeinds, ein Spion des Imperialismus, kurz: ein vom Dämon Besessener, ein Häretiker?

Das gleiche kannst du auch von allen möglichen anderen dogmatisierten Ideologien sagen. Das macht sie noch lange nicht zu Religionen. Du scheidest hier alles Irrationale aus dem Säkularen aus und schiebst es den Religiösen zu, das ist eine Immunisierungsstrategie wie Popper sie beschreibt.

Und zum Hirntod und Transplantation in Israel: du pickst dir ein Jahr raus und unterschlägst, dass die Zahlen im nächsten Jahr schon wieder praktisch identisch waren.  Unehrlich. Ups.



Erhard

Zitat von: Ridcully am 05. September 2012, 21:22:43
Wenn du jetzt noch Spinoza zum Religionskritiker ernennst, kannst du gleich noch Mohammed, Jesus und Buddha dazu nehmen. Das ist doch wirklich albern.

Wieso ist das albern?
Indem Spinoza seinen Gott als "natura naturans" definiert, als schöpfende Substanz, die für ihn zwar die Grundlage alles Seienden ist, der er aber alle Entscheidungsfreiheit abspricht - die Schöpfung entspricht der Notwendigkeit und unterliegt nicht der Entscheidung der natura naturans - entzieht er der Religion doch ihre Basis, auch wenn er das eigentlich gar nicht beabsichigt.

Erhard

Es ist sogar noch schlimmer:
Indem Spinoza die natura naturans ontologisch begründet und seine Ethik daraus ableitet, entzieht er m.E. sogar der Ethik - jedenfalls seiner Ethik - jede Basis.

Ich gehe nämlich hier mit Kant konform. dass jeder ontologische Gottesbeweis auf einem Kategorienfehler beruht. Der ontologische Gottesbeweis erfordert, dass das Sein an sich ein positive(*) Eigenschaft des Seienden ist. Dies ist aber nach logischen Gesichtspunkten gar nicht möglich, da das Sein gar nicht die Kategorie einer Eigenschaft hat.

(*) Vorsicht: Positiv bedeutet in diesem Zusammenhang nicht wünschenswert, sonder eher notwendig oder unverzichtbar.