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Kulturelle Aneignung

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Begonnen von RPGNo1, 27. Juli 2022, 14:00:00

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Max P

Zitat von: Schwuppdiwupp am 30. August 2022, 16:23:14Abgesehen mal davon: In den Büchern ist Winnetou keineswegs ein Apatsche zum Knuddeln, wie er in den doch recht dümmlichen Filmen dargestellt wird. Im Original ist er ein ziemlicher Schnösel, der außer mit Old Shatterhand kaum mit einem anderen Weißen redet.
Ja genau, und die Bromance zwischen Winnetou und Old Shatterhand begann ja auch gar nicht freundlich am Marterpfahl, wie ich mich dunkel zu erinnern glaube. Für Letzteren aber immerhin eine Ehrerweisung, denn nicht jeder dahergelaufene Strauchdieb wird von den Apachen kunstgerecht gemartert. Hat Winnetous Schwester ihn dann nicht später gesund gepflegt oder verwechsle ich da was? Jedenfalls hab ich gerade Lust, mir die Bücher in der Bibliothek auszuleihen, bevor sie endgültig im Giftschrank verschwinden.  ;D

Schwuppdiwupp

Wenn überhaupt, dann "Winnetou II", "Unter Geiern", "Der Schatz im Silbersee" und gegebenenfalls "Old Surehand I und II".
Ach, was weiß denn ich ...

Typee

Seltsamer Weise kommt diese Abwehrhaltung gegen "kulturelle Aneignung" aus einer ähnlichen gesellschaftlichen Ecke wie die Apologeten der Gender-Theorie, ohne dass der Widerspruch auch nur ansatzweise auffällt. Dort, wo der Zuordnung zu Kategorien die biologische Widerrede die größten Hindernisse bereitet, dort soll beliebige Aneignung jedweder Kategorie möglich sein. Dort, wo am wenigsten biologische Fragen auftauchen sollten, nämlich bei der kulturellen Betätigung, da soll alles fein säuberlich bei der geburtsgebundenen Herde bleiben, als sei's die größte identitäre Bewegung der Welt. Muss jemand das verstehen?




The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

eLender

Zitat von: Typee am 02. September 2022, 18:56:28Muss jemand das verstehen?
Dir fehlt einfach der postmoderne Zugang.  Wenn du lange genug die entsprechenden Texte gelesen hast, sind alle Widersprüche aufgelöst. Und damit dein Gehirn. ;)

Aber die Frage ist trotzdem gut ;D
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

ZitatDie Kultur der Ureinwohner Nordamerikas stößt hier auf großes Interesse. Warum, denken Sie, ist das so?

Ray Halbritter: Die Lehren, die Schriftsteller wie Karl May in Worte fassen, spiegeln oftmals die traditionellen Werte und Haltungen der Ureinwohner Nordamerikas wieder. Unsere Vorfahren haben diese Lehren von Generation zu Generation weitergegeben, und diese Prinzipien – aufbereitet durch moderne Sprache und Erzählweise  – verwandeln Jahrhunderte alte Legenden in wertvolle und wichtige Erkenntnisse für die heutige Generation.

In Deutschland ist der Brauch verbreitet, sich als stereotyper ,,Indianer" zu verkleiden, beispielsweise zu Fasching. Was denken Sie darüber?

Ray Halbritter: Wir schätzen das ehrliche Interesse der Deutschen an unserer Kultur und verstehen, dass das Verkleiden nicht beleidigend gemeint ist. Gleichzeitig möchten wir durch unsere Teilnahme an den Karl-May-Festtagen über die wahre Kultur unserer Leute aufklären und insbesondere einige Stereotype aus der Welt räumen.

https://www.urbanite.net/leipzig/artikel/karl-may-festtage-gespraeche-mit-einem-indianerhaeuptling/
(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

Peiresc

Zitat von: RPGNo1 am 04. September 2022, 09:35:10
ZitatRay Halbritter: Die Lehren, die Schriftsteller wie Karl May in Worte fassen, spiegeln oftmals die traditionellen Werte und Haltungen der Ureinwohner Nordamerikas wieder.

Naja. Halbritter ist jetzt nicht auf Krawall gebürstet. In Wirklichkeit hat sich Karl May natürlich nicht die reale indigene Bevölkerung Nordamerikas zum Vorbild genommen, sondern den Guten Wilden Rousseaus, mehr so als Projektionsfläche. Aber ich bin alles andere als ein May-Experte, so dass ich nicht darauf bestehen will.  :grins2:

sailor

@Typee: Die Diskrepanz zwischen der "Beliebigkeit" bei "uns" und der "Statik" bei den "anderen" ist relativ leicht erklärt. Es geht um In-Group und Out-Group. Die "fremden Kulturen" gehören nicht zu "unserer" Gruppe, sie stehen für sich, weshalb wir deren Kultur nicht "konsumieren" sollen. Gleichzeitig kann diese Trennung und das "Aneignungsverbot" nur aufrechterhalten werden, wenn die "abzuwehrende" Kultur statisch bleibt. Die Definition von Rasta-Locke darf sich nicht verändern, ihr Kontext und ihre Aussage auch nicht! In der "in-Group" dagegen muss alles maximal fluide sein, damit es im Rahmen unserer "Kultur" maximale "Selbstverwirklichung" gibt. Diese kann und muss auch über Kritik an unserer Kultur ("War Goethes Faust eine der Ursachen des Nationalsozialismus?!") möglich sein... denn nur so sind "wir" moralisch überlegen, weil wir uns ständig hinterfragen, dekonstruieren und neu erfinden. Die "Anderen" brauchen (und dürfen) das nicht, sie sind nicht wir und wir müssen ja ach so überlegen bleiben...

Mit anderen Worten, diese Ansicht ist meiner Meinung nach in D eine grausame Fehlentwicklung aus der Aufarbeitung der NS- und anderer totalitärer Verbrechen. Dabei wird die Aufarbeitung zur gesellschaftlichen Absolution und Überhöhung genutzt (Seht her, wie toll wir unsere Verbrechen aufarbeiten, IHR macht das nicht so toll!!!). Gleichzeitig vermeidet man damit die wirkliche Aufarbeitung, die individuellen familiären Verbrachen, die Gewinne aus Arisierung etc. Und es ist eine Fortsetzung kulturellen Chauvinismus, weil man anderen Kulturen das Recht zur kulturellen Weiterentwicklung/Veränderung total abspricht. Die Kulturen der native americans sind nicht mehr jene des 19. Jahrhundert, sie wurden durch den Weißen Mann, seine Krankheiten, Alkohol, Drogen und Reservate zerstört und verdreht. Der normale native rennt nicht mit Federschmuck seinem Mustang hinterher, er ist arm, krank, marginalisiert mit einer drastisch reduzierten Lebenserwartung.

eLender

Ist nicht mehr ganz taufrisch: Stefan Laurin von den Ruhrbaronen hat sich auch mal kurz mit dem Thema beschäftigt. Es geht eben nicht um weniger Rassismus oder eine bessere Welt, auch wenn man das auf der ersten Blick meinen könnte. Es geht um eine ziemlich zersetzende Ideologie, die jetzt zum Glück auch mal von skeptisch/rationaler Seite kritisiert wird, und nicht nur von den üblichen Hohlbirnen von Rechts (die reflexartig aber auch mit der ersten Kategorie gleichgesetzt werden).

ZitatEs sind kleine Minderheiten bürgerlicher Jugendlicher an den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen der Universitäten, die sich mit Begeisterung der postmodernen Backenbläserei hingeben. Es ist wichtig, den meisten Menschen klarzumachen, dass sie mit der Ablehnung dieses Unsinns nicht alleine stehen und dass es für die Ablehnung gute, mit Fakten belegte, Gründe gibt. Erklärt werden sollte allerdings auch, dass es sich sich bei der postmodernen Ideologe nicht um einen Spaß einiger Nachwuchsakademiker handelt, sondern um eine radikale Ideologie, deren Ziel die Vernichtung der offenen Gesellschaft ist. Gleichzeitig ist es aber auch richtig, die Protagonisten der Postmoderne lächerlich zu machen, denn sonst bringt man ihnen ein Maß an Respekt entgegen, das sie nicht verdient haben. Jemand kann nun einmal zugleich gefährlich und der Dorftrottel sein.
https://www.ruhrbarone.de/dreadlock-streit-laecherlich-machen-und-warnen/206935/
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

ZitatWie jedes Jahr präsentierte Dieter Hallervorden im Berliner Schlosspark Theater seinen neuen Spielplan. Der Schauspieler ("Honig im Kopf") nutzte aber auch gleichzeitig die Gelegenheit sich richtig Luft zu machen. Aktuell geht ihm das Thema kulturelle Aneignung im Fall ,,Winnetou" gehörig auf die Nerven.
:D
(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

simpel

Ein Interview im Spiegel vom 04.09.2022 mit einem indigenen Amerikaner (leider hinter Bezahlschranke) der es auf den Punkt bringt. Ein
ZitatApache über die deutsche Karl-May-Debatte
»Winnetou war fortschrittlich«
Wie stehen Amerikas Ureinwohner zu den Romanen von Karl May? Der Lipan-Apache Gonzo Flores aus Oregon sagt, er sei dem deutschen Autor dankbar – und beschreibt, welche Folgen die Bücher für die indigenen Völker hatten.
Flores ist ein direkter Nachfahre von Geronimo.
Der SPIEGEL fragte Herrn Flores ob er je vom Apachen-Häuptling Winnetou gehört habe. Ja, hat er...

Zitat...Flores: Karl May zeigte uns in einem positiven Licht. Das ist besser als die Darstellungen hier in den USA, wo es bis 1993 ein Gesetz gab, das erlaubte, Apachen zu töten. Da ist Winnetou vergleichsweise fortschrittlich.
Auf die Frage, ob er für die nordamerikanischen Ureinwohner noch eine Zukunft in den USA sähe, nennt er nicht die kulturelle Aneignung als Problem sondern
Zitat... Klimawandel und die Umweltzerstörung. Die Äcker werden unbrauchbar, Pflanzen sterben, die Tiere gehen weg. ...

Könnten sich die moralinsauren Verteidiger der kulturellen Reinheit vielleicht was abschauen.

Ist das eigentlich auch kulturelle Aneignung?

Scipio 2.0

Ich hab auch von Stimmen der Ureinwohner gelesen, die Karl Mays Bücher überhaupt nicht gut finden. Leider habe ich gerade kein Beispiel zur Hand.

simpel

Zitat von: Scipio 2.0 am 08. September 2022, 21:09:57Ich hab auch von Stimmen der Ureinwohner gelesen, die Karl Mays Bücher überhaupt nicht gut finden. Leider habe ich gerade kein Beispiel zur Hand.
Sicher wird man auch solche Stimmen finden. Aber imo geht's darum gar nicht.  Egal wie man sich verhält - die persönlichen Gefühle von irgendjemand wird man immer "verletzten". Das sehe ich nicht als guten Ausgangspunkt.

Vielleicht ist die Frage, was Kultur denn überhaupt ist interssanter?


sailor

Hehe, viel besser: Wie konnte sich KM die Kultur überhaupt "aneignen" wenn er sie nicht selbst kannte? Der Typ konnte erst NACH dem Erfolg seiner Märchen Indianer besuchen... insofern: Wie kann man etwas aneignen, was man nicht kennt? Ist es nicht vielmehr so, das KM eine eigene "Pseudokultur" entwickelt hat, die zwar lose Verbindung zu native americans hat, aber gar keinen direkten Bezug?

Nogro

Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

celsus

Sinan hat sich das Thema angeschaut

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