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Warum Freikirchen gefährlich sind (Insider Ansicht)

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Begonnen von Gernot66, 27. Februar 2018, 14:32:50

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Rubinstein

Ich will versuchen einige Mechanismen zu beschreiben an denen wir gescheitert sind - auch dies ist mehr ein Brainstorming.

Zunächst mal muss erwähnt werden, dass alle erzieherisch tätigen Gruppen sich auf einem schmalen Grad bewegen - sei es Kindergarten, Schule, Erzieher, ... etc. Würde man die Frage stellen "Ist Familie gefährlich?" kann man dies wohl auch nur mit ja beantworten. Die meisten Morde, Misshandlungen und Vergewaltigungen passieren im familiären Rahmen. Würden wir deshalb die Familie abschaffen? Selbst wenn wir das täten würden wir das Problem nur in die Heime verlagern.   

Die meisten freikirchlichen Gruppen die ich kenne sind aus der Rebellion entstanden - kleine reformatorische Gruppen die mit den großen Kirchen unzufrieden waren. Wir waren eine reformatorische Gruppe die wiederum mit einer verknöcherten, unglaubwürdigen Freikirche nicht zufrieden waren. In der Rebellion liegt immer auch das Problem der Übertreibung - auch wenn unsere Kritik im Kern nicht falsch war kann Radikalität dies durchaus sein. Außerdem führt Übertreibung zu kleinen, aber fatalen theologischen Ungenauigkeiten und Überbetonungen.

Ein wichtiger Faktor ist auch Zeit und Wachstum einer Gruppe. Wir sind als kleine Gruppe gestartet, die mit viel Herz helfen wollten - teilweise waren unsere Mitarbeiter ehemalige Häftlinge und Drogenabhängige. Mit dem Wachstum kamen immer mehr Mitarbeiter die zwar die Methode kopierten aber nicht genau so viel Mitgefühl hatten wie die Gründer der Bewegung. Mit den nächsten Generationen bleibt dann nur noch die Methode ohne Menschlichkeit - die Bewegung wird gefährlich oder stirbt.

Am Rande erwähnt sei hier auch ein geografischer und geschichtlicher Aspekt - was unter Todesgefahr in der UDSSR logisch war - kann für die Gemeinde russischer Flüchtlinge in Deutschland genau das Gegenteil sein. Was vor 100 Jahren noch revolutionär war kann heute vollkommen verkehrt sein. Viele freikirchliche Gruppen verpassen schlicht den Zug.

Ein weiteres Problem an dem wir gescheitert sind waren kleine theologische Verschiebungen. Dazu ein Beispiel:

Die freikirchliche Theologie hält die Bibel nicht für eine Sammlung bildlicher Geschichten sondern, soweit nicht anders gekennzeichnet, für reale Geschichte - kurz: entweder ist das Buch halbwegs ernst zu nehmen oder die christliche Religion ist nur ein schönes Märchen. Muss man nicht toll finden, kann man belächeln, aber immerhin ein eher harmloser Standpunkt. In vielen freikirchlichen Gemeinden wird das wie folgt gelehrt "Die Bibel ist die Wahrheit und ist wörtlich zu verstehen". Was für die meisten hier wohl eher dumm klingt, klingt für den Freikirchler wie richtige Theologie, nur knackiger - doch er irrt sich, dieser Satz ist nicht nur verkehrt sondern brandgefährlich. Ich habe viel Leid und Idiotie in den Freikirchen gesehen, ausgelöst durch diesen Satz.
   
Warum? Zunächst wird hier prognostizierte Wahrheit mit der erfassten Wahrheit verwechselt. Selbst wenn die Bibel wahr wäre, muss man sie noch lange nicht verstanden haben. Ganz sicher enthält die Bibel auch nicht "die Wahrheit" - den Satz des Pythagoras wird man hier vergeblich suchen, darum ist er aber nicht falsch. Naturwissenschaft, Philosophie, Geschichte, Sozialwissenschaft (etc.) sind existenzieller Teil der Wahrheitsfindung und damit zwangsläufig des Christentums! Und dann auch noch das hier "die Bibel ist wörtlich zu nehmen" - was bitteschön soll das heißen?! Texte sind sehr flexible Gebilde, die interpretiert man, ob man will oder nicht. Ich gehe einen Schritt weiter: Nach Abwägung kann (muss - in kritischen Fällen) ein Christ auch gegen die vermuteten Wahrheiten der Bibel handeln wenn dies der bestmöglichen Erkenntnislage (aller Wissenschaften) entspricht, alles andere ist unverantwortlich und gefährlich. Dies folgt dem Grundsatz der Bibel: Der Mensch ist ein Wesen mit freiem Willen.

Als ich den Satz "Die Bibel ist die Wahrheit" das erste mal im Gottesdienst gehört habe, fand ich den etwas krass, aber eben nicht grundsätzlich theologisch falsch. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Hat man ihn öfter gehört klingt er zunehmend harmloser. Irgendwann hat man das als "irgendwie richtig" gespeichert. Geht jemand hier demagogisch vor, kommt er sehr leicht zu einer Aussage die erschreckend ist: "Gott verlangt absoluten und blinden Gehorsam" - wenn ich nicht gegen die Bibel handeln darf ist das der Umkehrschluss. Dieser Satz ist übrigens genau so bei uns gefallen. Ich persönlich fand das verstörend, konnte aber nicht zurückverfolgen wo der Denkfehler liegt. Dazu kam die ständige Müdigkeit und Anspannung die sich aus unserm Engagement ergeben hat - da hat man wichtigeres zu tun als an theologischen Feinheiten zu basteln. Ich hätte auch aufspringen und widersprechen können - dann hätte mich der Vorwurf getroffen nicht blind Gehorsam zu sein: Quod erat demonstrandum ;-)

Ich weise darauf hin, dass dies nur ein kleines Beispiel ist was auch nicht auf alle Freikirchen zutrifft. In unserem Fall wurden außerdem weitaus mehr Tricks genutzt. Aber deutlich wird, dass der Schritt von "Jesus liebt dich" zu "Heil mein Sekten-Führer" gefährlich kurz sein kann. Nicht immer passieren diese Verschiebungen, wie bei uns, beabsichtigt. Viele Freikirchen oder einzelne Personen driften unbeabsichtigt ab. Auch muss das Ergebnis nicht immer gleich aussehen. Man kann mit ein wenig Theologie auch lallende und tanzende Massen erzeugen, die sich willig abmelken lassen. Wie immer weise ich auch darauf hin, dass nicht nur Freikirchen solche Probleme haben.

Ich bitte zu berücksichtigen, dass es extrem schwer ist, vor einem so kritischen Publikum die Mechanismen der eigenen Sekte zu beschreiben. Ich war lange genug Atheist, um zu begreifen wie lächerlich vieles klingen muss.


Peiresc

Nach meiner Erfahrung stellen sich Grundsatzfragen in existenziellen Krisen. Man fängt an, an Gott zu glauben (,,Not lehrt beten"), schon immer:
ZitatIm Holländischen Krieg, 1672-1679, und bei den Bauarbeiten am Schloß von Versailles, das auf Sumpfgebiet errichtet wurde und unzählige Kranke forderte, waren die »Fieber« alltäglich. Bossuet rief von seinem Lehrstuhl herab: »Bekehrt euch, wartet nicht, bis euch die Krankheit nützliche Ratschläge gibt, daß der Gedanke darüber von Gott kommt und nicht vom Fieber.«
– oder man hört auf, an Gott zu glauben.
ZitatA prayer under these conditions [Auschwitz] would have been not only absurd (what rights could I claim? and from whom?) but blasphemous, obscene, laden with the greatest impiety of which a nonbeliever is capable. I rejected the temptation: I knew that otherwise were I to survive, I would have to be ashamed of it.

- Primo Levi (zit. n. Christopher Hitchens)

Zitat von: Rubinstein am 31. August 2020, 00:12:47
Als ich den Satz "Die Bibel ist die Wahrheit" das erste mal im Gottesdienst gehört habe, fand ich den etwas krass, aber eben nicht grundsätzlich theologisch falsch. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Hat man ihn öfter gehört klingt er zunehmend harmloser. Irgendwann hat man das als "irgendwie richtig" gespeichert. Geht jemand hier demagogisch vor, kommt er sehr leicht zu einer Aussage die erschreckend ist: "Gott verlangt absoluten und blinden Gehorsam" - wenn ich nicht gegen die Bibel handeln darf ist das der Umkehrschluss. Dieser Satz ist übrigens genau so bei uns gefallen. Ich persönlich fand das verstörend, konnte aber nicht zurückverfolgen wo der Denkfehler liegt. Dazu kam die ständige Müdigkeit und Anspannung die sich aus unserm Engagement ergeben hat - da hat man wichtigeres zu tun als an theologischen Feinheiten zu basteln. Ich hätte auch aufspringen und widersprechen können - dann hätte mich der Vorwurf getroffen nicht blind Gehorsam zu sein: Quod erat demonstrandum ;-)

Was Du hier beschreibst, ist letztlich der Kern jeder Ideologie. Jeder Kommunist kann das unterschreiben, er muss nur die Termini austauschen. Er kennt solche Vorwürfe aus Parteilehrjahren. Der Hardcore-Trumpanse Charlie Kirk bringt es genauso auf den Punkt (er hat gerade seine "Doktrin" in bewundernswert schlichter Weise zusammengefasst, ich finde es leider nicht mehr: Wer nicht für Donald J Trump ist, der ist gegen Jesus Christus).

Zitat von: Rubinstein am 31. August 2020, 00:12:47Ich habe nicht darüber nachgedacht.
Das ist das Problem.

Rubinstein

@Peiresc: Guter Beitrag. Der Übertrag auf andere Gruppen finde ich bemerkenswert. Hier stoßen wir auf den Kern des Problems. Wenn man noch genauer hinschaut verlaufen die Grenzen nicht an den Rändern von Gruppen sondern durch sie hindurch.

ZitatIch habe nicht darüber nachgedacht.
Das ist nicht immer so einfach wie es scheint. Allein die Länge eines Vortrages kann hier zum Problem werden.

Ich habe diesbezüglich mal einen kleinen Versuch gestartet: Ich habe soeben "Wort und Wissen" angeschrieben. Das ist die Organisation die den "Kreationismus" in Deutschland maßgeblich prägt.

Hier meine mundgerecht verpackte Anfrage:
ZitatAls Christ beobachte ich notgedrungen die schwierigen politischen Entwicklungen in den USA. In Gesprächen wird es zunehmend schwieriger christliche Inhalte zu vermitteln. Ein Gespräch über Schöpfung ist kaum noch möglich wenn Christen in den USA Herrn Trump, der Ikone des Postfaktischen, zur Macht verhelfen. Natürlich ist mir bewusst, dass die Positionen evangelikaler Christen in den USA vermutlich sehr unterschiedlich sind. Das hilft aber nicht solange dies nicht öffentlich bekannt ist. Auch in Deutschland ist eine Tendenz evangelikaler Christen zu rechtsradikalen Parteien zu beobachten. Die evangelikale Bewegung scheint sich aktuell "vom Wort" und "vom Wissen" zu verabschieden, auch wenn sie in Einzelfragen, wie der Evolution, recht haben mag.

Ich habe versucht herauszufinden ob es Korrekturversuche von Seiten deutscher, christlicher Medien gibt. Bei "Wort und Wissen" konnte ich bisher keine Hinweise finden. Bemerkenswert fand ich jedoch, dass Herr Siegfried Scherer, auf seiner Internetseite, sich von der Kreationismus-Bewegung distanziert. Liest man seine Positionen kann man erahnen, dass er das politische Problem verstanden hat. Dies ist um so bemerkenswerter weil er sich mit seiner Meinung zwischen alle Stühle setzt.

Daher meine Frage: Gibt es Ansätze oder Pläne bei "Wort und Wissen" der aktuellen Entwicklung in den Gemeinden öffentlich entgegenzuwirken?

Über eine Antwort würde ich mich freuen.

Mal sehen wie sehr man in der freikirchlichen Szene noch nachdenkt. Klar, nur eine Stichprobe - aber immerhin reden wir hier vom "Thinktank" der Bewegung in Deutschland.


Peiresc

Zitat von: Rubinstein am 31. August 2020, 10:59:05
ZitatIch habe nicht darüber nachgedacht.
Das ist nicht immer so einfach wie es scheint.

Ich wollte das nicht als Vorwurf verstanden wissen. Wer kann schon über alles nachdenken, vor allem vorab. Es entbindet nicht von der Pflicht.
Die Bibel ist ein Rorschach-Test. Jeder wird die Verse anziehen, die seiner vorgefassten, bibel-unabhängigen Ansicht entsprechen. M. a. W. auch in dieser Hinsicht, nicht nur in naturwissenschaftlicher, enthält die Bibel nicht "die" Wahrheit. Sie braucht in jedem Fall - explizit oder implizit - ein Außenkriterium.

Peiresc

Zitat von: Rubinstein am 31. August 2020, 10:59:05
Wenn man noch genauer hinschaut verlaufen die Grenzen nicht an den Rändern von Gruppen sondern durch sie hindurch.

Damit bin ich einverstanden. Fanatiker aller Länder und Richtungen vereinigt euch:
Zitat von: Peiresc am 05. April 2020, 06:19:07
Zitat
eli friedmann
@eligit

It is remarkable how the rhetoric of fundamentalist christianity and an atheist's sociopathic nihilism somehow don't conflict with each other at all.
https://twitter.com/eligit/status/1246581368412418049

Rubinstein

ZitatJeder wird die Verse anziehen, die seiner vorgefassten, bibel-unabhängigen Ansicht entsprechen.
Guter Aspekt, ich setze noch einen oben drauf: Jeder wird die Verse anziehen die der bequemsten Bibel-abhängigen Ansicht entsprechen. ;-)

ZitatM. a. W. auch in dieser Hinsicht, nicht nur in naturwissenschaftlicher, enthält die Bibel nicht "die" Wahrheit. Sie braucht in jedem Fall - explizit oder implizit - ein Außenkriterium.
Für mich in der Tat ein neue Erkenntnis und ein wirklich gutes Argument gegen die freikirchliche Praxis - Wenn es nicht zulässig ist die Bibel in Frage zu stellen und praktisch zuwieder zu handeln, dann hat der Mensch keinen freien Willen und die christliche Religion ist Makulatur. Für einen Freikirchler wäre dagegen schwer ein Argument aus der Bibel zu finden - die lässt diese These in jeder Hinsicht zu.

Peiresc

Zitat von: Rubinstein am 31. August 2020, 20:50:51
ZitatJeder wird die Verse anziehen, die seiner vorgefassten, bibel-unabhängigen Ansicht entsprechen.
Guter Aspekt, ich setze noch einen oben drauf: Jeder wird die Verse anziehen die der bequemsten Bibel-abhängigen Ansicht entsprechen. ;-)

Gut, dann setz' ich auch noch einen drauf ;): und aus der jeweils angenehmsten Bibelversion.
ZitatThis modern translation [die New International Version] softens some of the harsh verses found in the King James Version (KJV) of the Bible, which tends to be favored by fundamentalists.

- Elizabeth Anderson

Zum freien Willen nur: er führt in eine Fülle unlösbarer Paradoxien; vor allem – aber bei weitem nicht nur – in seinem Verhältnis zur Vorsehung. Ich könnte das jetzt noch ein wenig vertiefen, aber ich will keinen langweilen. Für den Atheisten ist ein relativ, nicht als absolut verstandener, freier Wille völlig zwanglos mit einem moderaten Determinismus vereinbar.

Schwuppdiwupp

Keine Ahnung, ob das hierhin gehört.

"Schwert-Bischof": https://schwert-bischof.com/

Zitat1937 in der röm.-kath. Kirche auf den Namen Nikolaus Andreas getauft, unterwies mich GOTT von Kindesalter an im vertrauten Umgang mit Ihm. Jahre der Trockenheit und schreckliche Attacken der Hölle folgten, über diese ich sicherlich nicht immer siegte, jedoch, wie JESUS mir zu wissen gab, nie im Herzen einwilligte.

Kann es sein, dass auch die Anzahl an christlichen Extremisten zunimmt?

Gefunden im Zusammenhang mit dieser Meldung: https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/hellenhahn-schellenberg-streit-um-evolutionsweg-100.html

ZitatEin Themen-Wanderweg sollte in Hellenhahn-Schellenberg die Entwicklung des Lebens auf der Erde zeigen. Doch der sogenannte "Evolutions-Weg" wird nicht gebaut - das haben die Bürger entschieden. [...]
Die Gegner des geplanten Weges in dem christlich geprägten Westerwaldort kritisierten die Stiftung, weil sie ihrer Meinung nach atheistische Positionen verbreiten möchte. Das störte die gläubigen Kritiker in Hellenhahn-Schellenberg. Sie glauben daran, dass Gott die Welt erschaffen hat.
Ach, was weiß denn ich ...

Gimpel

ZitatKann es sein, dass auch die Anzahl an christlichen Extremisten zunimmt?

Jo, kann sein. Dieser Schwert-Bischof ist aber schon länger unterwegs.

https://de.wikipedia.org/wiki/Neuchristen

Die haben auch einen Handelsregistereintrag und einen angeschlossenen Devotionalienhandel. Von den etablierteren Kirchen will keiner was mit den Neuchristen zu tun haben, selber halten sie sich für katholisch.

MrSpock

Finanziell werden die Evangelikalen im hessischen Bible-Belt gut unterstützt:

https://www.wiwo.de/unternehmen/mittelstand/serie-familienunternehmen-rittal-die-mission-des-friedhelm-loh/14712858.html

ZitatLoh gibt gern und viel, etwa für soziale Zwecke, für Kulturelles und natürlich für die evangelikale Stiftung Christliche Medien – angeblich insgesamt zehn Prozent seines Einkommens, wie es bei vielen Freikirchlern üblich ist. Aber was, wem und wie viel, das bestimmt Loh selbst.

Geld hat er genug:
ZitatHeute positionieren ihn das US-Magazin ,,Forbes" mit einem angeblichen Vermögen von rund 2,5 Milliarden Euro auf Platz 690 im Ranking der reichsten Menschen der Welt und das ,,Manager Magazin" auf Platz 61 in Deutschland.

Und er fühlt sich als Missionar berufen:

ZitatDenn der unumstritten erfolgreiche Unternehmer Loh hat auch eine umstrittenere Seite. Loh gehört zu den Wortführern und Geldgebern der Evangelikalen in Deutschland. Die pflegen in Abgrenzung zu den evangelischen Landeskirchen ein fundamentalistisches Bibel- und Glaubensverständnis. Bibelsprüche finden sich deshalb überall in Loh-Niederlassungen. Alle Loh-Mitarbeiter – auch die Muslime – erhielten ungefragt bis 2015 die fromme Zeitschrift ,,Entscheidung". Nachdem das Blatt im vergangenen Jahr eingestellt wurde, haben sie nun missionierende Ersatzlektüre im Briefkasten.

Um steile Thesen ist er nicht verlegen:

ZitatVom Antidarwinismus und wortgetreuer Bibelauslegung mag der technikaffine Unternehmer sich nicht distanzieren. Für jemanden, der an einen allmächtigen Gott glaubt, sei die ,,biblische Schöpfungsgeschichte" kein Problem: ,,Wenn Gott etwas so Fantastisches wie das menschliche Auge konstruieren konnte, dann konnte er auch die Welt in sieben Tagen erschaffen."
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

HAL9000

Wow, das ist neu für mich. Ein weiteres Unternehmen auf meiner Negativ-Liste.


Scipio 2.0

Da fehlen mir echt die Worte.... was soll man dazu noch sagen...

Edith: Ist auf Mr Spocks Beitrag bezogen.

johndoe42

Zitat von: Gernot66 am 27. Februar 2018, 14:32:50
a) Mir war der existierende Thread "sind Freikirchen gefährlich?" zu alt um noch etwas dazu zu schreiben.

ICh bitte um Entschuldigung, falls mein Beitrag hier als pietätslos (Leichenschändung) aufgefasst wird, aber ich würde auch gern noch meine Meinung beitragen und ich wollte nicht, dass das Thema noch mehr zerfasert wird.

ICh möchte zunächst einmal grundsätzliche Kritik am Begriff der Freikirche äußern: ICh denke, dass wir hier keinen Konsens haben, was unter dem Begriff der ,,Freikirche" zu verstehen ist.

Zur Annäherung an eine Definition würde ich mich mal an der Abgrenzung von der Sekte versuchen:

Eine Sekte zeichnet sich dadurch aus, dass sie bestimmte ,,sektentypische" Eigenschaften hat. Dazu gehört beispielsweise, dass von Sektenmitgliedern regelmäßig der Kontaktabbruch zu Nicht- und Ex-Mitgliedern verlangt wird.

Freikirchen sind keine Sekten und zeichnen sich demzufolge dadurch aus, dass die typischen Sekteneigenschaften fehlen.

Natürlich ist das Ganze nicht schwarz-weiß, es gibt durchaus auch Grenzfälle und Mischformen.

Zitat von: Gernot66 am 27. Februar 2018, 14:32:50
Man verlangt von einem bestimmten Punkt an alles hinter sich zu lassen und das ist bei allen gleich, Verwandschaft falls sie nicht auch mitmachen, Ehepartner sofern man schon verehelicht ist falls dieser nicht mitmacht, man muss sogar seinen Eltern den Rücken zukehren.
Diese Konsequenzen stellt man natürlich nicht von Anfang an und man befiehlt es nicht sondern stellt es als logische Konsequenz des Glaubens dar. Das heisst durch das Brainwashing ist man selbst der Auffassung das es nötig ist, niemand muss einem das befehlen.

Die einzige Familie welche man haben darf ist jene der Glaubensschwestern und Brüder.
Tatsächlich bereitete es mir keinerlei Mühe meinen Eltern vors Schienbein zu treten und ich denke wie gut man es auch immer hatte Zuhause das fällt nur wenigen Jugendlichen wirklich schwer. Jugendliche um die gehts schliesslich.

Für mich klingt das eher nach Sekte als nach Freikirche.

Zitat von: Gernot66 am 27. Februar 2018, 14:32:50
Der Bruch kam eigentlich erst als man von mir verlangte zu akzeptieren dass die Physik Lüge ist.
Alles was heute von irgendwelchen Idioten verzapft wird was man so kennt, Kreationismus, flache Erde usw.
Plötzlich sollte ich akzeptieren dass die Sonne sich um die Erde dreht, um es auf einen Punkt zu bringen.
Nicht bloss Philosophisch sondern wirklich.

Flache Erde, Lügenphysik und geozentrisches Weltbild haben nach meinem Begriffsverständnis per Definition nichts in einer Freikirche verloren, weil sie typische Merkmale einer Sekte sind. Der TE ist nicht in eine Freikirche, sondern eine Sekte geraten.

Bevor wir hier weiter diskutieren müssten wir erstmal einen Konsens finden, ob wir hier über Sekten reden wollen oder über Freikirchen oder über beides und wie wir diese Begriffe definieren und wie wir sie abgrenzen. Andernfalls werden wir nur aneinander vorbei reden.

Ich denke, dass Rubinstein mit dem Beitrag #5 einen lesenswerten Beitrag geleistet hat, dem ich größtenteils zustimmen würde. Allerdings würde ich folgenden Punkt noch hinzufügen:

-- Freikirchen sind unterschiedlich organisiert. Manche sind ähnlich wie die großen Volkskirchen als ,,Zentralkirche" aufgebaut, d. h. die Kirche hat den einzelnen Gemeinden gegenüber umfassende Kompetenzen (z. B. indem sie die Lehre vorgeben oder die Kirchensprengel einteilen darf). Daneben gibt es dann die kongregationalistischen Kirchen, bei denen die Gemeinden einem sog. Bund angehören, der aber gegenüber den Gemeinden nur sehr wenige Kompetenzen hat. D. h. eine Gemeinde, die einem Bund angehört, hat eine eigene Satzung, legt ihre Lehre selbst fest und kann auch aus dem Bund austreten. Kirchensprengel gibt es nicht, jedes Mitglied sucht sich seine Gemeinde selbst aus. Hierbei kann es innerhalb eines Bundes zu größeren Unterschieden zwischen den Gemeinden kommen: Beispielsweise kann es passieren, dass eine Gemeinde eigenständig sektiererische Tendenzen entwickelt oder dass die Einführung der Frauenordination uneinheitlich gehandhabt wird (d. h. manche Gemeinden im gleichen Bund führen die Frauenordination ein, andere nicht). Im Extremfall kann es passieren, dass die Frage, ob eine solche Gruppierung als Sekte zu sehen ist, nicht für den Bund als Ganzes beantwortet werden kann, sondern jede Gemeinde einzeln geprüft werden muss. Als drittes Modell gibt es dann noch die freie Gemeinde ohne Bund. EIne solche Gemeinde ist in keine übergeordnete Kirche eingebunden, kann aber in einen Bund eintreten.

Einigen Punkten, die Rubinstein in seinem Beitrag schreibt, muss ich aber ein klares Jein entgegensetzen:
Zitat von: Rubinstein am 24. August 2020, 17:32:05
Anders als die großen Kirchen unterliegen die Freikirchen keiner Kontrolle oder Zensur
Das stimmt so nicht ganz. Wenn es sich um eine komplett unabhängige Gemeinde handelt, hast du Recht. Aber die meisten Gemeinden sind dann doch in irgendeiner Form in irgendwelche Strukturen eingebunden, wo man Ärger kriegen oder rausfliegen kann, wenn man theologischen Unsinn verbreitet.
Zitat von: Rubinstein am 24. August 2020, 17:32:05
einen Papst gibt es nicht und Pastoren nur selten.
Mein EIndruck ist eher, dass die meisten Gemeinden einen Pastor haben. Aber das ist sicherlich ein subjektiver Eindruck.
Zitat von: Rubinstein am 24. August 2020, 17:32:05
Auch einen theologischen Leitfaden sucht man vergebens.
Mir klingt das danach, als hättest du deinen Hintergrund in einer freien Gemeinde ohne Bund, kann das sein? In der Konstellation kann das natürlich passieren, dass man etwas desorientiert ist. Aber das hängt natürlich davon ab, wie die Freikirche organisiert ist. Bei Gemeinden, die einem Bund angehören, dürfte sowas eher nicht passieren.

kosh

Der Begriff der Sekte wird heute durchaus kritisch gesehen, man spricht lieber von "neureligösen Bewegungen", siehe zB
https://www.weltanschauungsfragen.de/informationen/sektenbegriff/

Unter dem Label "Freikirche" tummelt sich auch allerhand, das ist so spezifisch wie "Säugetier" für Lebewesen.

Fun fact:
Die MLPD zB wurde mal als "Politsekte" bezeichnet, wogegen sie (erfolgreich) geklagt hat. Wahrscheinblich muss man sie als "altpolitische Bewegung" bezeichnen ..