Nein, das Bild ist schief. Der 29.03.2019 war keine ad-hoc-Erfindung der EU, sondern der im EU-Vertrag automatisch geltende Stichtag, abhängig nur von dem Datum, in dem die Austrittserklärung abgegeben wurde.
Stimmt, das war nicht ganz korrekt. Dennoch hat die EU mMn versucht, den Eindruck zu erwecken, sie würde an diesem Tag einen harten Brexit notfalls in Kauf nehmen, um es dann doch nicht zu tun, genauso wie jetzt mit dem 12.4.
Immerhin hat man jetzt eingesehen, dass man mit dieser Strategie nicht weiter kommt, auch wenn eine noch längere Verlängerung von mindestens einen Jahr denke ich sinnvoller gewesen wäre. Dann hätte man sich auf beiden Seiten erstmal mit etwas anderem befassen können, und in einem Jahr wäre das Parlament, nachdem zwischendrin etwas Ruhe eingekehrt wäre, hoffentlich in der Lage gewesen, sich zwischen dem Deal oder der Rücknahme des Austritts (was ja die einzigen beiden wirklichen Optionen sind) zu entscheiden. So besteht die Gefahr, dass man im Oktober noch mal verlängern muss, was wieder ein Akt wird, obwohl das Ergebnis ja bereits fest steht.
Es war auch nicht die Idee der EU, über zwei Jahre des Zeitraums bis dahin mit Mätzchen politikunfähiger Romantiker zu verdödeln, bevor der Ernst der Sache erkannt wurde. Ich entsinne mich noch recht gut an ein Foto aus der allerersten Verhandlungsrunde - Michel Barnier und zwei Adlati mit einem Stoß Leitzordner auf der einen Seite, Michael Gove und zwei Mitstreiter mit einem Blatt Papier und einem Bleistift auf der anderen. An dieser Lage hat sich im Kern bis heute nichts geändert, weil die PM und ihr Chief Whip in der eigenen Partei und Fraktion keine Mehrheit, egal wofür, organisieren kann. Das Dilemma besteht darin, dass es im Königreich Mehrheiten gegen alles gibt, aber keine Mehrheit für irgend etwas, und das ist ein Problem nicht der EU.
Das stimmt alles. Die Briten haben den Stein ins Rollen gebracht, indem sie das unselige Referendum durchgeführt und dann angefangen haben, das Ergebnis umzusetzen, ohne überhaupt einen (realistischen) Plan zu haben, wie denn das genaue Endergebnis dieses Prozesses aussehen könnte. Dann haben sie endlos Zeit vertrödelt, bevor dann praktisch auf den letzten Drücker ein Deal ausgehandelt wurde, der im Parlament auch nach mehreren Anläufen keine Mehrheit findet. Das haben sich die Briten ohne Zweifel (größtenteils) selbst eingebrockt.
Aber das ändert nichts daran, dass nachdem der Deal ausgehandelt war, aber am Parlament scheiterte, beide Seiten versucht haben, der jeweils anderen mit dem No-Deal-Szenario zu drohen.