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Spitzer: Weltweiter Untergang des Abendlands durch das Smartphone

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Begonnen von pelacani, 13. Februar 2014, 11:44:33

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pelacani

Manfred Spitzer (,,digitale Demenz") hat nach dem Fernsehen (war früher) und dem PC  (es hatte sich herausgestellt, dass das Leben weiter gegangen ist) jetzt den neuen Feind ausgemacht:

ZitatKein Tag vergeht, an dem man nicht junge Menschen sieht, die wie gebannt auf ihren Minicomputer1 mit eingebautem Telefon, Adressbuch, Navigationssystem, Fernseher und Fotoalbum sowie mit eingebauter Kamera, Taschenlampe und Juke-Box für beständiges Musikhören starren. Dieses Gerät – man nennt es Smartphone – schirmt den heutigen Menschen von seiner unmittelbaren Umgebung und vor allem von den Menschen nahezu vollständig ab.
...
Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung ...
Im Hinblick auf das Suchtpotenzial von Smartphones wird der problematische Gebrauch (problematic use) von Sucht (dependence) unterschieden ...
Wer Gewaltspiele  spielt entmenschlicht andere und sich selber, wie man in zwei Studien an insgesamt 144 Studenten zeigen konnte...
Die negativen Auswirkungen von Smartphones auf den Gesundheitszustand vor allem junger Menschen...
http://www.schattauer.de/de/magazine/uebersicht/zeitschriften-a-z/nervenheilkunde/issue/special/manuscript/20740/download.html

Wenigstens scheint er nicht gleich für ein völliges Verbot zu sein:
ZitatNur etwa 10% der jungen Menschen scheinen verstanden zu haben, dass man das Smartphone im Leben benutzen muss wie beispielsweise Salz beim Essen: In sehr geringen Dosen.

Spitzer kam bei uns schon ab und zu vor:
https://forum.psiram.com/index.php?topic=9490.0
https://forum.psiram.com/index.php?topic=9887.0

MrSpock

Mal eine andere Frage in dem Zusammenhang: Wann gibt es Psiram endlich als App?
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

Groucho

Danke, das hat mir jetzt den Vormittag versaut  8)

Gibt es eigentlich schon das Krankheitsbild der Digitalphobie? Da könnte sich der Hr. Prof. Dr. noch zur echten Konifere entwickeln.

Groucho

Zitat von: MrSpock am 13. Februar 2014, 12:40:12
Mal eine andere Frage in dem Zusammenhang: Wann gibt es Psiram endlich als App?
Das Blog schaltet eigentlich schon entsprechend um. Der Rest steht noch in den Sternen, hängt davon ab, wann die Pharmafia die nächste Mio rüberschickt  :angel:

pelacani

Zitat von: MrSpock am 13. Februar 2014, 12:40:12
Mal eine andere Frage in dem Zusammenhang: Wann gibt es Psiram endlich als App?
Das war jetzt nicht die Antwort, die Herrn Professor gefallen hätte.

Omikronn

Don't try to argue with idiots, first they tear you down to their level, then they beat you with their experience.

Groucho


Typee

Was ist eigentlich aus all den Tamagotchi-Geschädigten geworden?

Ach richtig, die starren jetzt auf Telefone. :grins
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

MrSpock

Und was ist aus den Zuschauern geworden, die nach der ZDF-Hitparade ihre Postkarten zwecks Autogramm wunsch in Massen verschickt haben - als die Postleitzahlen noch dreistellig waren?
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

Wiesodenn1

zum Glück.

Mir genügt telefonieren und Musik hören, ein paar Bilder knipsen. Sonst will ich meine Ruhe haben vor dem Ding.
Bernhard Hoëcker: "Homöophatie ist, wenn Du über ein Feld läufst, furzt und sagst es ist gedüngt."

generalerror

Interessant, dass Herr Spitzer nur eine einzige Veröffentlichung in der Fachpresse mit einem einschlägigen Thema hat und der ist ausgerechnet in The Lancet zu finden.

Es handelt sich dabei um einen Aufsatz in dem immerhin einige neuere Veröffentlichung anderer Foscher zitiert werden.

ZitatIn their review on the influence of violent media on children and adolescents, Kevin Browne and Catherine Hamilton-Giachritsis (Feb 19, p 702)1 raise the question of why children and adolescents are more susceptible to media violence than adults. The effects of television are best understood in terms of rote learning—ie, by the brain digesting thousands of examples and thereby shaping synaptic connections, a process usually referred to as neuroplasticity. Lundborg and Rosén made the link between age and the speed of synaptic change quite clear.2 They plotted the results of a test on tactile gnosis after peripheral nerve damage against age and found a striking reduction in plasticity during the second decade of life.

Bei erstem Zitat handelt es sich um eine Metaanalyse, aber die Folgerung mit dem rote-learning steht da ganz bestimmt nicht drin, zumal es sich bei dieser Metaanalyse ausschließlich um Korrelationen handeln, nicht um Kausalzusammenhänge. Trotzdem zieht Spitzer den folgenden Schluss: Wenn Kinder Bilder im Fernsehen verändert sich dadurch die Gehirnstruktur (Ja, ist natürlich so, das passiert z.B. auch beim Schlafen). Und weil sich die Gehirnstruktur eines Kindes schneller verändert, als die eines Erwachsenen, sind sie auch für Bilder aus dem Fernsehen zugänglicher. Nur ändert sich halt bei Kindern die Gehirnstruktur immer, auch wenn sie nicht fern sehen, das ist ganz normal bei Kindern. Damit hat Spitzer nur gezeigt, dass Kinder schneller lernen, nicht dass sie schneller beim Fernsehen lernen, zumal das nach seiner Vorstellung ja genau nicht vorkommt. Spitzer sagt also "Kinder lernen nix beim Fernsehen. Die Verblöden. Außer das töten, das lernen sie natürlich".

Zitat
Physiology and neuroscience can augment correlational data on several public-health effects of screen media. For example, the correlations between television viewing at age 1 and 3 years and attention deficit disorder at first grade, and between television watching at age 4 and 5 years and reading in third grade can be explained by a child's need to process clear-cut spatiotemporal signals to form proper representations of objects and the outside world. If a 2 year-old spends 2 h per day watching television, a substantial part of his or her experience will consist of degraded input—ie, sounds and vistas that correlate poorly, let alone have the added benefit of touch, smell, taste, and visual depth. Such impaired input can only lead to impaired representations, and such impairment will increase the risk of attention dysfunction and dyslexia.3

Schwere Anschuldigungen erhebt Spitzer da. Fernsehen ist mit ADHS assoziiert, aber auch das ist nur eine Korrelation. Wo er die Erklärung dafür hernimmt, gar den folgenden Zusammenhang sieht, dass ein zweijähriges Kind das täglich zwei Stunden fernsieht, usw. bleibt ein Rätsel, aber nur so lange bis man sich die dazugehörige Quelle ansieht:

Zitat3 Spitzer M. Vorsicht Bildschirm. Stuttgart: Klett, 2005.

Jawohl, er belegt diese Aussage mit einer Hypothese, die er in seinem eigenen populärwissenschaftlichen Buch aufgestellt hat (ist das überhaupt zitierfähig?). Das ist ja gerade so als wolle J.R.R. Tolkien die Existenz von Hobbits mit dem Verweis auf das eigene Buch belegen wollen.

Dann kommt noch ein Absatz über die Korrelation von Fernsehen und Übergewicht mit dem Beobachtung, dass Kinder beim Fernsehen an Muskeltonus verlieren (ach nee, Kinder entspannen sich also beim Fernsehen) und schließlich immerhin eine Interventionsstudie, bei der geringerer Fernsehkonsum tatsächlich zu einer Verringerung von Übergewicht und Gewalt geführt hat. Den Punkt gebe ich Spitzer, aber da gibts wahrscheinlich zig Studien, wo zumindest letzteres nicht gefunden wurde.

pelacani

Zitat von: generalerror am 24. Februar 2014, 02:32:29
nur eine einzige Veröffentlichung in der Fachpresse mit einem einschlägigen Thema hat und der ist ausgerechnet in The Lancet zu finden.

Es handelt sich dabei um einen Aufsatz
Bei genauerem Hinsehen: es ist ein Leserbrief  ;), und als solcher unterliegt er nicht dem peer-review. So viel zur Rettung des Lancet.

sweeper

"Letter to Lancet" als simplen "Leserbrief" zu bezeichnen - das hat Pelacani-Charme ...

Im übrigen:
auch wenn ich alles andere als ein Spitzer-Fan bin und finde, er müsste für mehr ernsthaften wissenschaftlichen Output Sorge tragen statt populärwissenschaftliche Büchlein zu schreiben und seine tendenziöse Sichtweise auf moderne Informations-und Kommunikationstechnologien mit Hilfe seiner akademischen Position zu legitimieren - man sollte ihm deswegen nicht jede wissenschaftliche Tätigkeit absprechen indem man diese auf einen "Leserbrief" reduziert:

http://www.uniklinik-ulm.de/struktur/kliniken/psychiatrie-und-psychotherapie/klinik-fuer-psychiatrie-und-psychotherapie-iii-ulm/home/personen/prof-dr-dr-manfred-spitzer/artikel-in-fachzeitschriften.html

So viel Fairness muss doch sein.   ;)
Allerdings sollte man nicht gerade die Publikationsliste von (z.B.) Joachim Bauer zum Vergleich heranziehen, der auch gern populärwissenschaftlich tätig ist.
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

pelacani

Zitat von: sweeper am 24. Februar 2014, 09:39:45
"Letter to Lancet" als simplen "Leserbrief" zu bezeichnen - das hat Pelacani-Charme ...
Wieso? Jeder darf einen Leserbrief an Lancet schreiben, auch Du.  :police:

Im übrigen war der sonstige Output von Spitzer bei uns schon Thema,
https://forum.psiram.com/index.php?topic=9887.msg113822#msg113822


sweeper

Zitat von: Pelacani am 24. Februar 2014, 11:08:04
Zitat von: sweeper am 24. Februar 2014, 09:39:45
"Letter to Lancet" als simplen "Leserbrief" zu bezeichnen - das hat Pelacani-Charme ...
Wieso? Jeder darf einen Leserbrief an Lancet schreiben, auch Du.  :police:
:angel: Schreiben darf jeder, ja...
ZitatIm übrigen war der sonstige Output von Spitzer bei uns schon Thema,
https://forum.psiram.com/index.php?topic=9887.msg113822#msg113822
Einen gewissen Lerneffekt scheint Psiram jedenfalls hervorzubringen  - wenn auch nicht bei jedem  :grins
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