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Neues zu Mollath

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Begonnen von Typee, 06. August 2013, 11:26:07

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bayle

ZitatDie Geschichte des Falls Gustl Mollath beginnt als eine schicksalhafte Liebesgeschichte.
Genau genommen: ein Null-Satz. Soll bedeutungsschwangere Stimmung erzeugen.

ZitatWer sich mit Persönlichkeitsstörungen ein wenig auskennt, wird sich nicht wundern, dass Mollath ein scharfsinniger Beobachter und gnadenloser Aufklärer jedes Unrechts ist, das ihm angetan wurde. Seine Lebensgeschichte spricht dafür, dass er an einer Störung des Selbstgefühls im Sinn einer dauernden Adoleszenz leidet und jenen Zustand schwer herstellen kann, den man »erwachsen« nennt.
Da fällste glatt aufn Rücken, bei so viel Durchblick.

ZitatDie weitere Dynamik kann ich mir in dieser Form in keinem anderen europäischen Land vorstellen. Nirgendwo sonst werden Liebeskämpfe mit so grausamem Ernst bis zum Letzten ausgetragen. Zuerst »gewinnt« die Ehefrau. Sie zieht die Justiz auf ihre Seite. Ihr Mann verfolgt sie mit einem Wahnsystem! Der von dem »uneinsichtigen« Liebeskranken genervte Richter verweigert ihm eine angemessene Verteidigung und lässt ihn zwangsweise in eine geschlossene psychiatrische Abteilung verfrachten. Dort soll er »begutachtet« werden.
Wirklich, er sollte ,,begutachtet" und nicht begutachtet werden? Hättense bloß mal den Herrn Schmidbauer rangelassen, dann wäre die ganze Chose nich passiert!

ZitatWie Michael Kohlhaas ist auch Gustl Mollath eine deutsche Geschichte. Sie beginnt mit der grandiosen Erwartung, in einer Liebesbeziehung eine Bewegung zu zweit, eine eigene Sekte, ein soziales Gebilde zu finden, das omnipotent über dem Gesetz steht und alle Zweifel am des eigenen Selbstgefühl beseitigt. Im Scheitern dieses Glaubens wächst die Überzeugung, nun auch persönlich über dem Gesetz zu stehen und daraus das Recht abzuleiten, notfalls durch Gewalt die Bösewichte daran zu hindern, in ihren kriminellen Bewegungen fortzufahren.

Deutsch ist nicht nur diese Bereitschaft zum totalen Krieg, sondern auch die Art, wie die Geschichte über sie in den Medien erzählt wird. 1945 wurde in Monatsschnelle aus einem Volk von Tätern ein Volk von Opfern. ...
Ihm ist der Unterschied zwischen Wahn und Persönlichkeitsstörung ein völliges Fremdwort.

Sein Fazit ist:
ZitatZwischen den Medienszenarien »Wegsperren und zwar für immer« und »Unschuldige zu Geisteskranken gemacht!« suchen fehlbare Experten ihren Weg; durch Lärm und Druck werden ihre Urteile nicht brauchbarer. Mollaths Geschichte ist alles andere als ein Beweis dafür, dass Personen »einfach so« für unzurechnungsfähig erklärt und weggesperrt werden. Wer nur ein wenig Informationen über die Hintergründe gewonnen hat, wird ein tragisches Geschehen wahrnehmen, in dem die Persönlichkeitsproblematik des Verurteilten und die mangelnde Professionalität der Experten unheilvolle Wechselwirkungen entfalteten. Das Resultat war erbärmlich.
Tiefenpsychologisches Geschwätz.

edit: ich gebe zu, ich wäre nicht so scharf, wenn ich nicht gerade eben die ganzen Gutachten gelesen hätte. Das hier ist das Kontrastprogramm.

sweeper

Na, sei mal etwas gnädiger mit Herrn Schmidbauer!
Er schreibt immerhin auch Absätze wie diesen hier (etwas weniger pompös hätte allerdings die gleiche Wirkung getan):
Zitat...Deutsch ist nicht nur diese Bereitschaft zum totalen Krieg, sondern auch die Art, wie die Geschichte über sie in den Medien erzählt wird. 1945 wurde in Monatsschnelle aus einem Volk von Tätern ein Volk von Opfern. Ähnlich ist in den Berichten aus dem Beteiligten an einer Schlammschlacht der weiße Ritter geworden, der den Bankendrachen bekämpfte und dafür jahrelang unschuldig eingesperrt wurde. Mollath stilisiert sich bis in seine Metaphorik hinein (»wie in Deutschlands dunkelsten Zeiten«) als Opfer von Richtern und Ärzten. Sein Fall beweise, wie rasch Unschuldige von Psychiatern weggesperrt werden. Wer Volkes Zorn in Leserbriefen zur Kenntnis nimmt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es ein zentrales Bedürfnis der deutschen Bevölkerung ist, sich mit Opfern zu identifizieren...

In vielen Passagen sagt Schmidbauer inhaltlich nichts anderes als Mackenthun - nur weniger scharfkantig und weniger angriffig.
Seine Analyse baut den gläubigen Mollath-Anhängern eine Brücke zu einer differenzierteren Betrachtungsweise, indem das Ideal des unschuldig verfolgten Gerechtigkeitssuchenden demontiert wird.
Dieses Ansinnen verdient Unterstützung.

Die Mollathisten werden sich schon an dem Michael-Kohlhaas-Vergleich hinreichend hochziehen - den hatte Pfäfflin ja wohl auch gebraucht, was ihm extrem übel angekreidet wurde.

Und hier kann ich ungeteilt zustimmen:
ZitatZwischen den Medienszenarien »Wegsperren und zwar für immer« und »Unschuldige zu Geisteskranken gemacht!« suchen fehlbare Experten ihren Weg; durch Lärm und Druck werden ihre Urteile nicht brauchbarer. Mollaths Geschichte ist alles andere als ein Beweis dafür, dass Personen »einfach so« für unzurechnungsfähig erklärt und weggesperrt werden.

Wer die Gutachten dann in Gänze liest, mag sich ein fundierteres Urteil darüber erlauben, ob Schmidbauers Vorwurf mangelnder Professionalität wirklich zutrifft:
ZitatWer nur ein wenig Informationen über die Hintergründe gewonnen hat, wird ein tragisches Geschehen wahrnehmen, in dem die Persönlichkeitsproblematik des Verurteilten und die mangelnde Professionalität der Experten unheilvolle Wechselwirkungen entfalteten. Das Resultat war erbärmlich.

Dass sich hier zusätzlich eine negative Interaktionsdynamik hochgeschaukelt hat, will ich gar nicht ausschließen
- zumal leider auch Mitpatienten betroffen waren und vermutlich die therapeutische Arbeit auf Station massiv darunter gelitten hat.
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Terry Pratchett

bayle

'tschuldigung, sweeper, ich bin noch nicht ganz fertig mit Schmidbauer. Ich zitiere mal aus der Anhörung:

ZitatFrage des Verteidigers:
Haben Sie sich im Hinblick auf die Primärpersönlichkeit des Untergebrachten mit diesem austauschen oder eigene Wahrnehmungen machen können?
Antwort des Sachverständigen [Pfäfflin]:
Ich habe Herrn Mollath bei der Exploration so erlebt, wie er damals war. Zu seinem Lebenslauf habe ich nur sehr wenige Fragen stellen können, weil sich seine Äußerungen sehr zwanghaft um die Frage der Geldgeschäfte seiner Ehefrau und nur darum gedreht haben.
https://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Bayreuth-Protokoll-2011-05-09.pdf

Schmidbauer ist also sehr viel genialer mit seiner Intuition aus der Ferne, als es der poplige, ,,erbärmliche", Psychiater mit seinen Fragen im direkten Kontakt je hätte sein können. Alles Stümper, außer S.

sweeper

@bayle:
Klar, jeder will hier ein bisschen expertiger als der andere rüberkommen - auch Schmidbauer ...  ;)
Er nennt übrigens nicht die Psychiater "erbärmlich", sondern das Endergebnis dieses langwierigen Interaktionsprozesses - er stellt also berechtigt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit

Nachtrag:

Im Wolff-Blog geht das Gejammere über Schmidbauer schon los.
Was den Mollath-und Wolff-Jüngern entgeht:

Schmidbauer ist neben Mackenthun nun der zweite tiefenpsychologisch( wenn nicht gar psychoanalytisch) ausgebildete Psychologe, der sich einer Wahndiagnose im Fall Mollath öffentlich anschließt, wenn er den Schwerpunkt auch etwas anders setzt.

Es sollte den Mollathisten zu denken geben, dass zwei Berufsgruppen, die für ihre in der Vergangenheit eher kontroverse Sichtweise auf psychische Störungen bekannt sind, im Fall Mollath mit einer Stimme sprechen.

Die von Schmidbauer erwähnte Episode bei Beckmann mit dem gequälten Scherz ist mir übrigens auch besonders aufgefallen:
Zitat...Er ist immer auf der Suche nach seinem Ort in der Gesellschaft, hat viele Fähigkeiten, aber zu wenig inneren Halt, um in eine normale berufliche Laufbahn zu finden. Diese Dynamik wurde in dem einzigen Scherz deutlich, den Mollath während der Talkshow bei Beckmann (15. August 2013) versuchte. Während er sonst entrechtet und gequält worden sei und stets die Zwangsmedikation fürchtete, habe er sich auf der so genannten Jugendstation in der Vollzugsanstalt Straubing wohler gefühlt, weil er dorthin am besten passe. Als er die Verwirrung des Talkmasters bemerkte, setzte Mollath mit gequältem Lächeln hinzu: »weil ich mich selbst jung fühle ... das ist ein Scherz!«
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Terry Pratchett

sweeper

Mollath schmiedet konstruktive Zukunftspläne  -  und stellt sich gleich wieder selbst ein Bein:

http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/oberpfalz-bayern/artikel/mollath-hofft-auf-stelle-als-restaurator/953853/mollath-hofft-auf-stelle-als-restaurator.html

Zitat...Derzeit habe allerdings sein Wiederaufnahmeverfahren Priorität. ,,Bei einem Job müsste ich vollen Einsatz bringen." Nach acht Stunden Arbeit in einer Autowerkstatt könne er nicht noch abends drei Stunden Prozessakten studieren. ,,Im Moment lebe ich nur in gewissem Grad frei, es ist ein Leben auf Abruf. Solange mein Wiederaufnahmeverfahren nicht abgeschlossen ist, lebe ich als Vogelfreier", beschreibt Mollath seine Lage...

Wenn er mal diese Prozessiererei den Verteidigern überlassen würde und sich konstruktiven praktischen Schritten zu einem eigenständig erwirtschafteten Lebensunterhalt entsprechend seinen Neigungen zuwenden würde / könnte ... anstatt sich selbst unnötig drei Stunden Prozessaktenstudium täglich aufzuerlegen...

Da stehen doch die Prioritäten auf dem Kopf.
So wird das wohl nichts mit dem beruflichen Wiedereinstieg.
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Terry Pratchett

Homeboy

naja, ich glaube sweeper, da fehlts dir an Empathie.

nach einigen Jahren Geschlossene, in der man, mehr oder minder, standhaft jedwede Kooperation verweigert, weil man sich dort zu unrecht wähnt wird doch wohl zu einer gewissen Fokussierung/Verbissenheit/Graf-von-Monte-Christo-Symptomatik führen - wenn ich das mal so kulturwissenschaftlich küchenanalytisch formulieren darf.

Insofern verwundert es mich, dass er überhaupt das Wort Autowerkstatt in Verbindung mit seiner Person und einer potenziellen zukünftigen Tätigkeit überhaupt erwähnt. Mehr wäre vielleicht zuviel verlangt.

Ich gebe ihm mindestens 4 bis 6 Monate, bevor seine Berufstätigkeit überhaupt ein öffentliches Thema wird. Gefolgt von Crowdsourcing damit der Freiheitskämpfer und Märtyrer wider alle Tyrannei eine würdige Existenz und Residenz erhält.

Belbo

Vielleicht sollten wir nicht den gleichen Fehler wie Wolff und Konsorten machen und uns an Hand unserer Phantasie ein Bild des Falles basteln um dem dann die Realität unterzuordnen.........

ErpelderNacht

Rede des "geisteskranken Irren" Gustl Mollath auf der Tagung der GAG am 24.08.2013

Gießener Akademische Gesellschaft

Die Richter und ihre Denker
Strukturen in der Justiz und im Gutachterwesen

https://www.youtube.com/watch?v=MwLbl0gA9uw

Belbo

Zitat von: ErpelderNacht am 25. August 2013, 17:15:24
Rede des "geisteskranken Irren" Gustl Mollath auf der Tagung der GAG am 24.08.2013

Gießener Akademische Gesellschaft

Die Richter und ihre Denker
Strukturen in der Justiz und im Gutachterwesen

https://www.youtube.com/watch?v=MwLbl0gA9uw


Strohmann ........ Was soll das?

bayle

Zitat von: ErpelderNacht am 25. August 2013, 17:15:24
Rede des "geisteskranken Irren" Gustl Mollath

Tröste Dich, EdN, Du bist in guter Gesellschaft:
Zitat von: bayle am 22. August 2013, 10:54:27
Das ist von einer entlarvenden Offenheit: Verrückte, Idioten, alles eins. Für ihn gibt es keine Differenzierungen, sondern nur zwei Schachteln: ,,gesund" und ,,Idioten". Dann natürlich ist Herr M. auf jeden Fall gesund, denn er bringt ja fehlerfreie Sätze zustande, ist adrett gekleidet und sabbert nicht.

Homeboy

Zitat von: bayle am 25. August 2013, 19:22:12
Zitat von: ErpelderNacht am 25. August 2013, 17:15:24
Rede des "geisteskranken Irren" Gustl Mollath

Tröste Dich, EdN, Du bist in guter Gesellschaft:
Zitat von: bayle am 22. August 2013, 10:54:27
Das ist von einer entlarvenden Offenheit: Verrückte, Idioten, alles eins. Für ihn gibt es keine Differenzierungen, sondern nur zwei Schachteln: ,,gesund" und ,,Idioten". Dann natürlich ist Herr M. auf jeden Fall gesund, denn er bringt ja fehlerfreie Sätze zustande, ist adrett gekleidet und sabbert nicht.

Thilo S. kriegt das schlaganfallbedingt nicht hin, wäre also in der anderen Kategorie...

bayle

@Homeboy
[Ironie off] Diese Art von Scherzen, wenn es ein Scherz war, wird hier nicht goutiert.

Homeboy

habe ich kein Problem mit.
Der Scherz ging goutierte die Ausgefeiltheit dichotomer Generalkategorien und ihren überragenden Wert.
Thilo S. musste herhalten, weil ich ihn nicht mag.

Edit: und weil ich einen Artikel über seine erfolgreiche Klage gelesen habe, heute früh.

sweeper

Zitat von: ErpelderNacht am 25. August 2013, 17:15:24
Rede des "geisteskranken Irren" Gustl Mollath auf der Tagung der GAG am 24.08.2013

Gießener Akademische Gesellschaft

Die Richter und ihre Denker
Strukturen in der Justiz und im Gutachterwesen

https://www.youtube.com/watch?v=MwLbl0gA9uw

Es ist für Laien einfach schwer nachvollziehbar, dass Menschen mit seelischen Störungen und/ oder Psychosen dennoch sehr intelligent sein können und auch entsprechend rüberkommen.

Schau dir zum Beispiel den hier mal an:

http://www.karl-hans-janke.de/

http://mobil.stern.de/kultur/kunst/karl-hans-janke-der-mann-der-zuviel-wusste-591626.html?mobil=1

Zitat...Heimlich hatte Janke Kontakt zu Firmen und Behörden aufgenommen, an anerkannte Wissenschaftler und Institute geschrieben, seine Pläne verschickt und dem Patentamt Entwurf um Entwurf vorgelegt. Und meist hatte es seine Zeit gedauert, bis die Adressaten bemerkten, dass keine einzige Idee jenes bemerkenswerten Menschen realisierbar war. Die Genauigkeit der Konstruktionszeichnungen schien das Werk eines echten Experten zu sein. Eines Physikers oder Ingenieurs. Jedenfalls nicht das eines kranken Visionärs...

...Es blieb das Schicksal des Karl Hans Janke, mit seiner Umwelt nur über seine Zeichnungen und Weltraumideen kommunizieren zu können. Zeit seines Lebens fühlte er sich kerngesund - und unverstanden. In einem Manuskript zu einem wahrscheinlich 1970 gehaltenen Diavortrag bat er seine Zuhörer: "Wenn Sie jemals an Raumfahrt denken, dann bitte behalten Sie mich und meine toten Eltern in guter Erinnerung! Ich war der erste unseres Volkes, der alles hierfür fertig stellte. Und sagt dann recht schön DANKE, das hast Du uns geschenkt, Karl Hans Janke."

Jedenfalls haben - wie sich nun herausstellt - Uwe Ritzer und sein Kollege den Titel ihres Mollath-Buches mit Bedacht in Anklang an den STERN-Artikel über Janke gewählt.
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Terry Pratchett

MrSpock

Zitat von: sweeper am 26. August 2013, 06:39:35

Es ist für Laien einfach schwer nachvollziehbar, dass Menschen mit seelischen Störungen und/ oder Psychosen dennoch sehr intelligent sein können und auch entsprechend rüberkommen.


Genau das Gleiche dachte ich beim Lesen von Homeboy´s "Scherz" und dessen "Rechtfertigung" auch.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.