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Die Genderdebatte

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Begonnen von Scipio 2.0, 07. Juli 2022, 12:59:49

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zimtspinne

@ sailor

Deine Vorstellungen von angestrebter/erstrebenswerter "Ignoranz der Biologie" halte ich für problematisch und lebensfremd.

Warum sollte das überhaupt erstrebenswert sein, biologische Faktoren zu "ignorieren"?

Versuche das mal in einer beliebigen Arztpraxis, die Geschlechtsangabe zu verweigern. Wäre genauso dumm wie die Altersangabe zu verweigern.
Vermutlich würde die flinke Tresenperson zumindest die Geschlechtsbestimmung bei dir dann kurzerhand selbst vornehmen. ;)

Reality is transphobic.

Max P

Zitat von: zimtspinne am 02. November 2022, 18:23:18@ sailor
Deine Vorstellungen von angestrebter/erstrebenswerter "Ignoranz der Biologie" halte ich für problematisch und lebensfremd.
Warum sollte das überhaupt erstrebenswert sein, biologische Faktoren zu "ignorieren"?

So habe ich sailor nicht verstanden. Er schrieb von gesellschaftlichen Rollen, nicht vom generellen Ignorieren biologischer Faktoren:

Zitat von: sailor am 02. November 2022, 13:14:36Es ist vor dem Hintergrund der biologischen Tatsachen aber überhaupt kein Problem, über soziologische Rollen zu diskutieren. Gerade das Frauenbild hat sich in den letzten 200 Jahren im "Westen" sehr gewandelt und das Männerbild wandelt sich auch endlich. Dabei ist es gesellschaftlich möglich, Rollen unter weitestgehender "Ignoranz" der Biologie (solange Männer nicht regelmäßig gebären können) gesellschaftlich zu definieren.



Schwuppdiwupp

Zitat von: sailor am 02. November 2022, 17:50:16Warum sollte man es auch wegdiskutieren, damit wäre man ja nicht besser!

Weil damit im Extremfall eine Menge Leid verbunden sein kann. Siehe den Fall David Reimer (Wikipedia).

ZitatDavid, der nach der Geburt Bruce genannt wurde, und Brian Reimer wurden als eineiige Zwillinge geboren. Im Alter von sechs Monaten stellte man bei beiden eine Vorhautverengung fest und knapp zwei Monate später, am 27. April 1966, erfolgte eine Operation bei David. Die Beschneidung mittels Elektrokauter missglückte jedoch, und sein Penis wurde irreparabel verletzt. Seine Eltern entschieden sich daher auf Rat des Sexualwissenschaftlers John Money, eine geschlechtsverändernde Operation durchführen zu lassen und den Jungen als Mädchen zu erziehen. ...

David Reimer beging am 4. Mai 2004, im Alter von 38 Jahren, Suizid. Seine Mutter gab gegenüber der New York Times an, David habe wohl keinen Sinn mehr in seinem Leben gesehen, nachdem er und seine Frau sich getrennt hatten und er seine Arbeitsstelle verloren hatte. Außerdem war er über den Tod seines Zwillingsbruders Brian zwei Jahre zuvor noch nicht hinweggekommen, der am 1. Juli 2002 aufgrund einer Medikamentenvergiftung verstorben war. Ob die Überdosis versehentlich oder in suizidaler Absicht genommen wurde, ist nicht eindeutig geklärt. Davids Mutter sagte, sie glaube, dass ihr Sohn noch am Leben wäre, wenn er nicht das Opfer jenes ,,katastrophalen Experiments" geworden wäre, das bei ihm so viel Leid verursacht habe.

ZitatMoney wies im Rahmen seines Konzepts ,,Geschlechtsneuzuweisung" nach der optimal gender policy einer unbekannten Anzahl weiterer Kinder mit fehlgebildeten Geschlechtsorganen ein Geschlecht zu. [...] Money ging von der Grundannahme aus, ein Mensch besitze keine von Geburt an festgelegten geschlechterspezifischen Verhaltensweisen. Das biologische Geschlecht (sex) habe nichts mit dem sozialen Geschlecht (Gender) zu tun. Obwohl seine Geschlechtszuweisung im Fall Reimer scheiterte, hielten er und viele seiner Anhänger an der Grundthese fest und führten bzw. führen diesen Fall als Beleg an, dass das Identitätsgeschlecht eines Menschen sich erst in der späteren Kindheitsentwicklung manifestiere und vorher beliebig veränderbar sei. Kritiker des Gender-Mainstreaming behaupten häufig, Gender-Mainstreaming baue auch auf Moneys Thesen auf.

Hervorhebung von mir.
Ach, was weiß denn ich ...

Scipio 2.0

Es ist halt ein harter und unversöhnlicher Fakt, dass unser Leben zu einem Großteil von unserer genetischen Ausstattung bestimmt wird. Das stößt natürlich besonders sauer auf, wenn man nicht gerade den genetischen Jackpot geknackt hat.

Insofern kann ich den Wunsch diesen immense Einfluss irgendwie weg haben zu wollen durchaus verstehen aber es nützt alles nix, er schlägt zu egal was wir tun oder denken.

zimtspinne

Etwas ähnliches hatte ich auch schon getippt, es dann aber doch erstmal nicht abgeschickt. Werde dort nämlich von der Vergangenheit unsanft am Rockzipfel gepackt (erinnere mich an viele fruchtlose Debatten mit den Sozi-Tanten und ein paar wirklich unschöne Erlebnisse, neben den sinnlosen aber harmlosen Diskussionen und Streits bis ins Privatleben) und bin gerade eh in milder Nostalgiestimmung.

Ich denke aber auch, ergänzend zu deinem, dass es vielen nicht nur um sich selbst und die eigene Spielkartenzuteilung in der Lotterie des Lebens geht... sondern der tiefe Wunsch nach Fairness, Gerechtigkeit und Idyll von heiler Welt geht.
Klar, dabei schwingt auch die Angst mit, selbst auf den Schattenseiten des Schicksals zu landen, und mit einer einheitlich verteilten großen Gerechtigkeit kann das nicht passieren. Dann gehts allein einheitlich mieser oder besser ;)

Diese Denke hat aber einen großen (Logik)haken oder gleich mehrere.
Reality is transphobic.

Scipio 2.0

Ich würde diesen Wunsch den Leuten auch nicht zu Vorwurf machen wollen.

Ich selbst bin mit ADHS, einem Herzfehler (den man zum Glück weitgehend behandeln könnte) und möglicherweise autistischen Zügen versehen. Das ist jetzt auch nicht gerade prall. Trotzdem muss ich damit irgendwie klarkommen und bei dem Gedanken irgendwas davon an meine Nachkommen zu vererben wird mir schon ziemlich elend.

Wenn ich noch etwas ausholen darf, generell kann einen der Verlauf eines Lebens oder genau dessen zwangsläufiges Ende (wohl ein Nebeneffekt sexueller Vermehrung) schon an den Rand des Wahnsinns treiben.

Das Ganze ist halt das Produkt eines an sich "blinden" Vorgangs Namens Evolution und der nimmt auf das Leiden Einzelner keine Rücksicht. Es gehen ja auch regelmäßig ganze Spezies unter, wichtig ist das der Prozess als solches nicht zum erliegen kommt.

Ich bin allerdings (und hier wirst du mir wahrscheinlich widersprechen wollen) der Meinung, dass wir uns dem nicht einfach so ergeben müssen. Wenn wir in der Lage sind uns Mittel und Methoden zu verschaffen um unser Los zu verbessern (sowohl als einzelner als auch als Spezies) dann dürfen wir davon auch gebrauch machen. Es ist dann jeweils eine Abwägung zu treffen welche Mittel man wie einsetzt.

sailor

@Zimtspinne: Mir ging es um die Diskussion über Geschlechterrollen unabhängig vom biologischen Geschlecht. Also um die Frage oder besser Tatsache, dass "typisch Mann" und "typisch Frau" sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung/Akzeptanz immer mehr auflösen. Und dass es grundsätzlich kein Problem sein sollte, Verhalten und Vorlieben unabhängig von der biologischen "Vorbestimmung" auszuleben. Dann kann man auch mit dem rumschnippeln deutlich entspannter umgehen.

@Schwuppdiwupp: Ich meinte mit dem wegdiskutieren ja gerade die Angewohnheit der Konstruktivisten, alles weg zu diskutieren ;) Bestimmte Dinge kann man nicht wegreden und ich halte das mit dem frühkindlichen Geschlechts"wahn" einiger weniger Eltern für schlimmer als den religösen Wahn deutlich mehr Eltern... denn solche OPs kann man nicht wirklich rückgängig machen. Besonders perfide ist das bei Schutzbefohlenen, die nicht wirklich begreifen können (perspektivisch), was da angestellt wird. Gerade das Beispiel ist dafür total unpassend, weil die Biologie eindeutig war.

Schwuppdiwupp

Zitat von: sailor am 02. November 2022, 21:27:20@Schwuppdiwupp: Ich meinte mit dem wegdiskutieren ja gerade die Angewohnheit der Konstruktivisten, alles weg zu diskutieren ;)

Dann schreib das doch auch. ;)

Zitat von: sailor am 02. November 2022, 21:27:20Gerade das Beispiel ist dafür total unpassend, weil die Biologie eindeutig war

Finde ich nicht! Dieser Money hatte die unerschüttlerliche Meinung, dass ein Mensch keine von Geburt an festgelegten geschlechterspezifischen Verhaltensweisen besitze. Das ist für mich eine konstruktivistische Idee, die meiner (unmaßgeblich-anekdotischen) tagtäglichen Beobachtungwiderspricht. Er hat versucht, diese Spekulation (Hypothese mag ich das nicht nennen) - im wahrsten Sinne des Wortes - mit Gewalt zu beweisen.

Selbstverständlich versuchte er die Kritik an seiner "Forschung" in bester Verschwörungstheoretikermanier wegzudiskutieren.

ZitatWikipedia: Insbesondere der Fall ,,John/Joan", in dessen Verlauf sich schließlich beide Zwillinge das Leben nahmen, gab Anlass für scharfe Kritik an Money in verschiedenen wichtigen US-amerikanischen Medien. Kollegen berichteten, dass Money gekränkt und nicht bereit war, den Fall zu diskutieren. Money führte die Kritik an seinen Arbeiten auf die politisch rechte Ausrichtung der Medien und die ,,antifeministische Bewegung" zurück.
Ach, was weiß denn ich ...

celsus

Gendersternchenproblem gelöst:

The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

eLender

Zitat von: zimtspinne am 02. November 2022, 11:33:36... aber deshalb heißt es ja auch "cancel culture" und nicht "cancel-Einzelereignis".
OK, damit kann ich leben. Man sollte sowieso immer von Ereignissen sprechen ;)

Zitat von: Schwuppdiwupp am 02. November 2022, 17:20:17"Das ist ein Kampfbegriff!!!11!!"
Das Wort ist selbst ein Kampfbegriff. Isklar ;D

Zitat von: Schwuppdiwupp am 02. November 2022, 17:20:17Die Auseinandersetzung zwischen Biologie und Soziologie scheint uralt zu sein. Ich habe schon in den 1990-ern als Vorwurd (und Totschlag-Argument) zu hören bekommen, dass ich sehr biologistisch sei.
Das ganze Thema ist auch alt, es wird nur ständig wieder neu befeuert. "Biologistisch" ist auch wieder in Mode. Ist halt alles nur eine soziale Konstruktion, auch die Biologie :o

Zitat von: Schwuppdiwupp am 02. November 2022, 21:36:41Dieser Money hatte die unerschüttlerliche Meinung, dass ein Mensch keine von Geburt an festgelegten geschlechterspezifischen Verhaltensweisen besitze. Das ist für mich eine konstruktivistische Idee...
Das haben wir ja hier versucht, ein wenig herauszuarbeiten. Es gibt definitiv eine Korrelation zwischen biologischem Geschlecht und einem entsprechenden Verhalten. Das sind alles Präferenzen, nichts muss, und die Streuung ist groß. Aber den Menschen als Tabula rasa zu begreifen, widerspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der radikale Konstruktivismus (der soziale ist halbwegs brauchbar ;)) geht ja davon aus, dass auch solche Erkenntnisse (auch Logik, Vernunft, Rationalität etc.) rein soziale Konstrukte sind. Ist im Faden auch schon alles mal angesprochen worden. Wir sind uns gar nicht so uneins :grins2:

Zitat von: celsus am 02. November 2022, 22:33:17Gendersternchenproblem gelöst:
Liebe Psirams... :-*
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

Zitat von: RPGNo1 am 01. November 2022, 21:19:26
ZitatWie die Cancel Culture den Fortschritt bedroht
Und was wir alle für eine freie Debattenkultur tun können

https://de.richarddawkins.net/articles/wie-die-cancel-culture-den-fortschritt-bedroht

Ein Einschätzung von Joseph Kuhn zu Harald Schulze-Eisentraut und Alexander Ulfig. Die beiden Herren sind in ihren Aussagen meiner Ansicht nach mit Vorsicht zu genießen.
ZitatBeides Referenzautoren der AfD (siehe z.B. https://dserver.bundestag.de/btd/19/326/1932674.pdf). Beiträge zur Aufarbeitung des Radikalenerlasses oder – aktuell – der Drohungen gegenüber Leuten wie Christian Drosten, Pia Lamberty oder Natalie Grams werden in ihrem Buch vermutlich nicht zu finden sein?
https://scienceblogs.de/bloodnacid/2022/10/25/meine-antwort-auf-einen-versuch-postmodernistische-ideologie-in-die-ausbildung-forensischer-wissenschaftler-zu-zwaengen/#comment-402329

eLender

Zitat von: RPGNo1 am 03. November 2022, 08:06:14Beides Referenzautoren der AfD
Was soll das denn heißen? Die AfD bezieht sich auf die und deswegen ist das problematisch? Ist es denn so schwierig herauszuarbeiten, wo die Herren sachlich falsch liegen. Whataboutism ist immer etwas sparsam (und macht auch wenig Arbeit).
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Schwuppdiwupp

"Sinans Woche" von dieser Woche. Passt wohl ganz gut hier hin.

Ach, was weiß denn ich ...

Peiresc

Hat mir gefallen. Ich halte ja selten bis zum Schluss durch bei Videos, aber hier ist sehr zu empfehlen, auch die letzte Minute nicht zu verpassen!

 ;D

Schwuppdiwupp

Ja, der Schluss war wirklich ein echter Brüller. :grins
Ach, was weiß denn ich ...