Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Die Genderdebatte

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Scipio 2.0, 07. Juli 2022, 12:59:49

« vorheriges - nächstes »

eLender

Zitat von: Schwuppdiwupp am 04. November 2022, 18:17:13"Sinans Woche" von dieser Woche. Passt wohl ganz gut hier hin.
Er hat tatsächlich noch ein paar Wörter gefunden, die ich auch noch nicht kannte. Aber er hat bei weitem nicht alle Begriffe aufgezählt, die man neuerdings kennen muss, um die Welt noch zu verstehen :o  Habt ihr es übrigens gemerkt? Das mit den Wörtern. Das sind alles Anglizismen Worte aus dem Amerikanischen (nicht aus dem Englischen). Da kommt das ja alles her, man bedient sich hier nur mit Zeitverzögerung vorgekauten neuen Begriffen und Ideen (oder Ideologien). Alle Trends kommen immer aus den USA zu uns, wir sind hier nur schlechte Imitatoren, weil wir selbst keine Kreativität (mehr) haben und nur noch zu Konsumenten / Adaptoren industriell vorgefertigter Weltanschauung taugen.

Ideengeschichtlich kommt zwar viel aus good old Europe, aber erst die Amis haben daraus für weite Teile der Bevölkerung konsumierbare (weil nur schemenhafte und schlagwortartige) Konstrukte gebastelt. Man kennt die Konsumenten, deren Sehnsüchte und Wünsche, und man fertigt nach Kundenwunsch. Deshalb sind Apple, Google und Amazon et al. ja auch sooo erfolgreich ;D

Noch was zu den Kiwis. Das ist schon ganz am Fadenanfang mal erwähnt worden: Kiwis sind zwar zweigeschlechtlich, aber sie haben auch eine gefühlte Geschlechtsidentität. Doch, das ist so, das ist wissenschaftlich untersucht und bewiesen:
https://plantae.org/gender-identity-in-kiwifruit/

Deshalb taugt das Kiwi-Emoji gar nicht als ...ähm... Red Flag ::)
Wollte ich nur mal gesagt haben!

sailor

Höh? Der Konstruktivismus ist eine ureuropäische Erfindung... Genauso wie der Allerweltsgefälligkeitssozialismus, der von europäischen "Intellektuellen" gern gepflegt wird. Aus einem Fall jetzt auf Ideologieexport zu schließen ist ziemlich... seltsam. Der Austausch ist vielmehr multidirektional, siehe "postcolonial studies", da kommen "Vordenker" sogar aus Afrika (ja, da gibts auch Unis^^).

Und nein, es wurde nicht durch die Amis "konsumierbar" gemacht, wir selbst haben immer größere Teile der Bevölkerung pseudoakademisiert, so dass sie für diesen Quatsch zugänglich werden.

eLender

Zitat von: sailor am 07. November 2022, 14:19:01Aus einem Fall jetzt auf Ideologieexport zu schließen ist ziemlich... seltsam.
Ich hatte doch schon erwähnt, dass das ein Re-Import ist, der aber stark gewandelt wurde. Leicht konsumierbar, weil popularisiert. Zum Geschwurbel der deutsch- / französischsprachigen Soziologen hatten nur besonders erleuchtete Kreise Zugang. Die Amis haben aber das große Talent, Dinge so auszudrücken, das jeder das verstehen kann (schon mal ein amerikanisches mit einem deutschen Lehrbuch verglichen?).

Das Video hatten wir hier schon mal verlinkt. Da wird die Ideengeschichte zwar im Eiltempo, aber eben mit amerikanischer Verständlichkeit referiert:

So ähnlich wird es auch von vielen anderen dargestellt.

Zitat von: sailor am 07. November 2022, 14:19:01Der Austausch ist vielmehr multidirektional, siehe "postcolonial studies"
Ich hatte eigentlich das Zeugs gemeint, von dem Sinan in dem Video redet. Das sind offensichtlich keine originär deutschen Begriffe. Woke ist ein amerikanischer Slangbegriff. Bei der Übernahme holpert es des öfteren; "kulturelle Aneignung" ist einer der wenigen Begriffe, die man übersetzt hat. Ob das dann trotzdem passt, ist eine andere Frage.

ZitatDie erwünschte ,,sensible Sprache" taucht dabei seltsamerweise stets im Singular auf, dabei geht es um so komplexe Themen wie Postcolonialism oder Diversity, Identity, Wokeism oder Gendering. Sie haben nicht zufällig englische Namen: Sie kommen aus den USA, und mit ihnen die entsprechenden politischen, sozialen, kulturellen Bedingungen und Bewegungen.
Prima! Kultur-Transfer ist erstmal eine Bereicherung. Man muss nicht jedes Rad selbst erfinden, wenn es anderswo längst rollt.
...
Im Anfang war bekanntlich das Wort, nehmen wir mal woke. Stay woke ist ein Slogan aus der schwarzen Umgangssprache, dem vermeintlich unkorrekten Englisch, den sich das Mainstream White American English vor ein paar Jahren angeeignet hat. Wer ihn benutzt, will signalisieren: Ich bin progressiv, also bei den Guten; und woke klingt nicht so akademisch wie progressive oder politically correct, sondern bodenständig.
...
Hierzulande gilt Wokeness gerade als endgültig letzter Schrei, samt Regelwerken, die von einigen quasi dogmatisch zum Standard erklärt werden. Warum? Ich vermute, weil wir hierzulande kaum wissen, dass und wie in den USA darüber gestritten wird, und den historischen Unterboden entweder gar nicht kennen oder nicht zur Kenntnis nehmen.
https://www.tagesspiegel.de/politik/kleines-oder-grosses-b-das-ist-hier-die-frage-4315360.html

Zitat von: sailor am 07. November 2022, 14:19:01.. wir selbst haben immer größere Teile der Bevölkerung pseudoakademisiert, so dass sie für diesen Quatsch zugänglich werden.

Mag sein, aber alle Bewegungen der letzten Jahre (vll. sogar Jahrzehnte) kamen aus Übersee zu uns. Die Impulse entstehen nicht hier. Oder ist Mee Too bzw. Black Lives Matter eine Bewegung europäischen Ursprungs? Gut, wenn man die Kolonien... ;)
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

ZitatSie kommen aus den USA, und mit ihnen die entsprechenden politischen, sozialen, kulturellen Bedingungen und Bewegungen.

Hierzulande gilt Wokeness gerade als endgültig letzter Schrei, samt Regelwerken, die von einigen quasi dogmatisch zum Standard erklärt werden. Warum? Ich vermute, weil wir hierzulande kaum wissen, dass und wie in den USA darüber gestritten wird, und den historischen Unterboden entweder gar nicht kennen oder nicht zur Kenntnis nehmen
.

Das ist so ein Punkt, der mir bei den Diskussionen in Deutschland auch immer wieder sauer aufschlägt. Es werden US-amerikanische Sichtweisen übernommen, ohne den Kontext oder die Hintergründe zu betrachten, warum sich diese Konzepte denn so in den Staaten entwickelt haben.

Zusätzlich habe ich auch den Eindruck, dass die deutschen Aktivisten die amerikanischen Lehrmeister noch übertreffen wollen, z.B. in gendergerechter Sprache. Es ist ein Klischee, aber da kommt die deutsche Gründlichkeit wieder zum Ausdruck. Denn wir in Deutschland machen alles 120prozentig.

Max P

Zitat von: RPGNo1 am 08. November 2022, 07:32:08
ZitatHierzulande gilt Wokeness gerade als endgültig letzter Schrei, samt Regelwerken, die von einigen quasi dogmatisch zum Standard erklärt werden.
.
Der Begriff wird aber auch abwertend gebraucht.

ZitatZusätzlich habe ich auch den Eindruck, dass die deutschen Aktivisten die amerikanischen Lehrmeister noch übertreffen wollen, z.B. in gendergerechter Sprache. Es ist ein Klischee, aber da kommt die deutsche Gründlichkeit wieder zum Ausdruck. Denn wir in Deutschland machen alles 120prozentig.

Da ist was dran. Allerdings ist es im Deutschen auch umständlicher, sich gendergerecht auszufrücken als im Englischen. Wir haben nicht einfach every student, sondern eben jede*r Student*in.

Scipio 2.0

ZitatEs werden US-amerikanische Sichtweisen übernommen, ohne den Kontext oder die Hintergründe zu betrachten

Da steht's wohl um die Intellektuellen im Land nicht so prall, wenn man keine eigenen Ideen und Konzepte mehr entwickeln kann.

RPGNo1


Max P


eLender

Zitat von: RPGNo1 am 10. November 2022, 18:17:14Scientific American goes defensive; tries to pretend that every social justice screed is a "science story"

Danke für den Link! Absolute Zustimmung. Wenn man Wissenschaft als Programm verstehen will, wirds mit der Glaubwürdigkeit eng. Es geht sowieso mit dem Respekt bergab, Corona war nur mal ein kurzer Push. Viele halten den Klimawandel auch nur für eine wissenschaftspolitische Agenda. Man sollte stets objektive Erkenntnisse von ethischen Überzeugungen trennen. Man muss die Dinge nüchtern und neutral sehen, auch wenn es nicht der gefühlten "Wahrheit" (so wie man die Welt gerne sehen möchte) entspricht. Wer aus seinem Magazin eine wokes Aktionsblättchen macht, braucht sich nicht wundern, dass viele einen Abtörn bekommen.

ZitatIs it worth associating progressive Leftism with science in a way that makes people see science as a political venture, many losing respect for it, at the expense of educating people about science?
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

Zitat von: eLender am 11. November 2022, 00:01:05
Zitat von: RPGNo1 am 10. November 2022, 18:17:14Scientific American goes defensive; tries to pretend that every social justice screed is a "science story"

Danke für den Link! Absolute Zustimmung. Wenn man Wissenschaft als Programm verstehen will, wirds mit der Glaubwürdigkeit eng. Es geht sowieso mit dem Respekt bergab, Corona war nur mal ein kurzer Push. Viele halten den Klimawandel auch nur für eine wissenschaftspolitische Agenda. Man sollte stets objektive Erkenntnisse von ethischen Überzeugungen trennen. Man muss die Dinge nüchtern und neutral sehen, auch wenn es nicht der gefühlten "Wahrheit" (so wie man die Welt gerne sehen möchte) entspricht. Wer aus seinem Magazin eine wokes Aktionsblättchen macht, braucht sich nicht wundern, dass viele einen Abtörn bekommen.

ZitatIs it worth associating progressive Leftism with science in a way that makes people see science as a political venture, many losing respect for it, at the expense of educating people about science?

Jerry Coyne reibt sich schon seit einer Weile an Scientific America, dass sie immer mehr einem "woken Zeitgeist" folgen und so ihre Glaubwürdigkeit untergraben, indem sie sich als "ideologisches Kampfblatt" darstellen. Er hat schon mehrere Artikel zu diesem Punkt auf seinem Blog verfasst.

eLender

Zitat von: RPGNo1 am 11. November 2022, 07:52:02Er hat schon mehrere Artikel zu diesem Punkt auf seinem Blog verfasst.
Ich kenne den Blog, aber ich schaue da nicht so regelmäßig rein. Coyne ist ein Schwergewicht, den man nicht einfach übersehen kann. Es ist gut, dass sich Menschen, die sich ganz der wissenschaftlichen Sichtweise verschrieben haben (und keine politische Agenda verfolgen), klar positionieren. Bei uns eher die Ausnahme, und wenn, dann werden die schnell vom braunen Sumpf vereinnahmt (bzw. lassen das zu).
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Scipio 2.0

Frau Vollbrecht hat eine Niederlagen vor Gericht erlitten:

ZitatDie Biologin Vollbrecht unterliegt vor Gericht schliesslich doch und wehrt sich weiter
Transaktivisten warfen Marie-Luise Vollbrecht die Leugnung von NS-Verbrechen vor. Das Landgericht Köln untersagte dies, hob seine eigene Entscheidung jetzt aber wieder auf. Der Anwalt der Biologin geht in Berufung.

Quelle: https://www.nzz.ch/amp/international/biologin-vollbrecht-unterliegt-vor-gericht-schliesslich-doch-und-wehrt-sich-weiter-ld.1711930

eLender

Zitat von: Scipio 2.0 am 14. November 2022, 11:11:33Frau Vollbrecht hat eine Niederlagen vor Gericht erlitten:
Ich dachte schon, das Gericht hätte bestätigt, dass es mehr als zwei biologische Geschlechter gibt ;D

Das ist ein Zirkus, da geht es schon lange nicht mehr um Fakten bzw. eine sachliche Auseinandersetzung. Das sind auf beiden Seiten ziemlich radikale Positionen. Egal.

Es ist mir im Kontext zum Artikel ein anderer, lesenswerter Beitrag zum Thema aufgefallen:
https://www.nzz.ch/folio/es-ist-verpoent-das-verhalten-von-maennern-und-frauen-biologisch-zu-erklaeren-das-waere-jedoch-wichtig-um-einander-besser-zu-verstehen-ld.1709399

ZitatBeim Menschen gibt es zwei und nur zwei Geschlechter, die durch die Grösse der Keimzellen definiert sind. Es gibt keine Zwischenformen», sagt der Evolutionspsychologe David Buss von der University of Texas in Austin. Mittlerweile gibt es zwar Fachleute, die auch das biologische Geschlecht als Spektrum verstehen, etwa aufgrund unterschiedlicher Hormonspiegel oder Variationen bei der Ausbildung der Geschlechtsorgane. Aber die Einteilung in Spermienproduzenten und Eierproduzentinnen bleibt davon unberührt.
Das mit dem Hormonspiegel hatten wir auch schon mal: es ist eben kein primäres Geschlechtsmerkmal und wurde nur bei sportlichen Wettkämpfen als Entscheidungskriterium, wie "homonell gestörte" Frauen einzustufen sind, verwendet. Es müsste sonst - u.a. - auch ein Behaarungsgeschlecht geben.

Ansonsten sehr sachlich:

ZitatEinige der grössten durchschnittlichen Verhaltensunterschiede in der Psychologie treten zwischen Spermienproduzenten und Eierproduzentinnen auf. Manche lassen sich einfach durch die Umwelt erklären, etwa durch stereotype Erziehung oder die systematische Benachteiligung von Frauen. Andere blieben – soweit man das weiss – über alle Kulturen und Zeiten derart stabil, dass eine ausschliesslich gesellschaftliche Erklärung unwahrscheinlich scheint. Dazu gehören zum Beispiel die höhere Gewaltbereitschaft von Männern, ihr grösseres Verlangen nach Gelegenheitssex mit wechselnden Partnerinnen und Partnern oder ihre stärkere Reaktion auf visuelle erotische Reize.
...
In der Praxis erfahren die jungen Leute also kaum, dass sich die beiden Geschlechter in ihrem Sexualverhalten aus evolutionären Gründen grundsätzlich unterscheiden. In Hintergrundgesprächen zeigten mehrere Sexualpädagoginnen und Sexualpädagogen grosse Skepsis gegenüber biologischen Erklärungen. In gesichteten Unterrichtsmaterialien taucht das Thema gar nicht erst auf. «Manche Leute scheinen zu glauben, dass die Evolution ein Prozess sei, der zwar auf den menschlichen Körper angewandt wurde, aber nicht auf das menschliche Gehirn», sagt David Buss.

Eine Schwierigkeit vermutet Buss darin, dass viele Lehrpersonen gar nicht wüssten, wie die unterschiedliche Fortpflanzungsbiologie von Mann und Frau durch die Evolution zu den geschlechtstypischen Verhalten führten.

Hier die Kurzversion: Die Evolutionspsychologie geht davon aus, dass unsere Gefühle und Verlangen Resultat der Evolution während unserer Stammesgeschichte sind, die wir in einer Welt ohne Kinderkrippen, Verhütungsmittel und Pornografie verbrachten. Sex bedeutete damals immer die Möglichkeit, Kinder zu zeugen, und nackte Menschen gab es nur zu sehen, wenn sie vor einem standen.
...
Doch nicht die Beschreibung der unterschiedlichen Sexualpsychologie von Mann und Frau ist sexistisch, sondern die Idee, dass moralisch richtig sei, was die Natur hervorgebracht habe; die Erwartung, dass uns die Evolution eine ethische Richtschnur bereitstelle. «Genauso wie die Untersuchung der vielfältigen Ursachen von Krebs nicht bedeutet, dass man Krebs für eine gute Sache hält, bedeutet die Untersuchung der vielfältigen Faktoren, die zu sexueller Nötigung beitragen, nicht, dass sexuelle Nötigung in irgendeiner Weise akzeptabel ist», sagt David Buss. Die Evolution hat weder Glück noch Moral zum Ziel. Sie erzeugt ganz von selbst jene Eigenschaften, die zu den meisten Nachkommen führen. «Die Evolution ist von Natur aus amoralisch und gleichgültig gegenüber dem Leiden, das sie verursacht», sagt David Buss, «sie hat einige unangenehme menschliche Anpassungen hervorgebracht.»

Das ist das - beinahe - ganze Elend bei der Debatte: man ist nicht mal bereit, sich mit naturwissenschaftlichen Facts zu befassen (weil "biologistisch" und "kalt"). Dabei ist Evolution alles und Alles ist Evolution. Ohne das zur Kenntnis zu nehmen, wird man das alles nicht verstehen und man wird kaum brauchbaren Antworten finden. Der Mensch ist nur zum Teil programmierbar.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Max P

Zitat von: eLender am 14. November 2022, 22:39:57Der Mensch ist nur zum Teil programmierbar.
Doch, sozial und kulturell ist er sehr weitgehend - ich würde es nicht programmierbar nennen - nicht genetisch geprägt. Rein biologisch natürlich schon.   

eLender

Zitat von: Max P am 14. November 2022, 22:46:49Doch...
Nuja, es geht ja um den nicht sehr kleinen Bereich, wo das nicht so einfach möglich ist. Man müßte an den Genen werkeln. Tut eigentlich nur die Evolution, die weiß am besten, wie man das macht und was sinnvoll ist.
Wollte ich nur mal gesagt haben!