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Medical marijuana/medical mushrooms

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Begonnen von Superkalifragilistisch, 25. Oktober 2012, 17:55:59

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P.Stibbons

@ Superkali:
ZitatPopulistische Debatte? Bitte Ponder! Das kannst Du doch besser.
Populistisch ist eine solche Debatte immer dann, wenn Dinge instrumentalisierend vermischt werden, die getrennt von einander zu betrachten sind.

So wurde die widerwärtige Mediendebatte über ADHS ("gibts doch gar nicht!") und Methylphenidat ("Kinder werden unter Drogen gesetzt!") auch noch mit der allgemeinen Doping-und Neuroenhancement-Debatte vermischt.

Oder anders gesagt:
wenn man z.B. vor 30 Jahren schon, den Hinweisen aus der HB-Männchen-Werbung folgend, der ZNS-Wirksamkeit von Nikotin medizinisch und pharmakologisch mehr Beachtung geschenkt hätte, wäre man vielleicht damals schon drauf gekommen, dass 3,5 bis 5% der Bevölkerung eine besondere neurobiologische Disposition haben, die sie dafür prädestiniert, "aus therapeutischen Gründen" nikotinabhängig zu werden (und auch auf andere Suchtmittel atypisch zu reagieren - Cannabis gehört in manchen Fällen auch dazu)

Wenn wir bei bestimmten Indikationen Opiate einsetzen, dann heißt es noch lange nicht, dass jetzt eigentlich jeder auch sein Schlafmohn-Feld im Garten haben darf.

Wenn aktuell auf der Suche nach neuen geeigneten Wirkstoffen eben auch Hanf und andere "Medizin"-Pflanzen neu erforscht werden (es liegen darin ja immer Gemische von unterschiedlichen Wirkstoffen vor, deren Einzelkomponenten und Zusammenspiel teilweise noch im Dunkeln liegt), dann ist das sinnvoll - siehe Tourette.
Dass dies nun medienwirksam ausgeschlachtet wird: "Cannabis ist gesund, weil...!!!" kann man weder den Pharmakologen, den Apothekern noch den Psychiatern etc in die Schuhe schieben.

Dies geschieht aber mit einer suggestiven Formulierung wie "Die Medizinalisierung der Cannabis-Debatte".
Die passionierten Hanf-Sympathisanten sind hauptsächlich die Trittbrettfahrer. Die Forscher (wie z.B. die Psychiaterin Müller-Vahl) kommen dabei zu Unrecht in den Generalverdacht, dem Abusus Vorschub zu leisten.

The Doctrix

Zitat von: P.Stibbons am 12. November 2012, 11:09:08
Wenn wir bei bestimmten Indikationen Opiate einsetzen, dann heißt es noch lange nicht, dass jetzt eigentlich jeder auch sein Schlafmohn-Feld im Garten haben darf.

Wobei die Panik deutscher Behörden, jemand könnte sich heimlich sein Opium züchten, geradezu groteske Züge hat: da es für den Laien (und auf dessen Hinweise sind die Behörden beim Aufspüren illegaler Plantagen nun einmal angewiesen) schwierig ist, Schlafmohn von Speisemohn so ohne weiteres zu unterscheiden, ist in Deutschland schon seit den 1950er-Jahren auch der Anbau von Speisemohn verboten. (Gut, dass im Speisemohn auch eine winzige Menge Opium enthalten ist, hat ebenfalls dazu beigetragen.) Was dazu führt, dass sämtlicher in Deutschland verkaufter Speisemohn importiert ist (der grösste Teil übrigens aus Österreich).
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

bayle

Nachtrag zu:
Cannabis, Tourette und Müller-Vahl

ich hatte (http://forum.psiram.com/index.php?topic=9880.0 ) eine gewisse Skepsis diesbezüglich geäußert.

Inzwischen hatte ich Gelegenheit, einen Vortrag zum Tourette-Syndrom von Frau Prof. Müller-Vahl
http://de.wikipedia.org/wiki/Kirsten_M%C3%BCller-Vahl
http://www.mh-hannover.de/mueller-vahl0.html
zu hören und sie am Rande noch ein bisschen zu befragen.

Vorab, sie ist Neurologin, jetzt Psychiaterin, beschäftigt sich seit 20 Jahren wissenschaftlich und hauptamtlich mit dem Thema Tourette, hat somit einen riesigen Fundus an klinischer Erfahrung, und ist eine der führenden internationalen Experten. Das Cannabis-Thema spielt da nur am Rande eine Rolle und ist bei ihr nicht ideologisch besetzt.

Ich sagte ihr, dass ihre Übersicht zu Cannabis in der ,,Forschenden Komplementärmedizin" diese Zeitschrift unverdient aufgewertet habe. Sie zog ein bisschen verblüfft die Brauen hoch. Dann aber meinte sie, dass das am Anfang ihrer Beschäftigung mit dem Thema gestanden habe und sie froh gewesen seien, dass es überhaupt jemand gedruckt habe. Es ist doch eigentümlich, dass man über das endogene Cannabinoid-System nicht in gleicher Weise publizieren kann wie über andere Neurotransmitter-Systeme. Bei den Psychiatern würden gleich die Klappen fallen, dabei seien die therapeutischen Dosen um Größenordnungen geringer als beim Kiffen. In der Praxis setze sie manchmal Dronabinol ein, nie als first-line-Therapie; aufwändig und teuer.

Dann habe ich sie gefragt, wie sie das Cannabis-Potential im Vergleich zur Wirksamkeit der heute standardmäßig eingesetzten Stoffgruppe (Neuroleptika) einschätze. Schlichte Antwort: sie wisse es nicht. Alle Studien dazu sind nur klein, die Pharmafirmen interessieren sich nicht für dieses Thema. Sie sei gerade dabei, eine Studie mit Sativex (d. i. ein für die MS-Spastik zugelassenes Medikament) auf die Beine zu stellen.

The Doctrix

@ bayle:

Vielen Dank für Deinen Bericht, sehr interessant.    :grins2:
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

sweeper

Ergänzung:

Keinerlei evidenzbasierte Therapieempfehlung möglich bei Tourette und Ticstörungen wegen generell schlechter Datenlage:

Ärzteblatt November 2012:

http://www.aerzteblatt.de/pdf/109/48/m821.pdf
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With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

The Doctrix

Zitat von: sweeper am 25. Februar 2013, 11:34:40
Ergänzung:

Keinerlei evidenzbasierte Therapieempfehlung möglich bei Tourette und Ticstörungen wegen generell schlechter Datenlage:

Ärzteblatt November 2012:

http://www.aerzteblatt.de/pdf/109/48/m821.pdf

Die Datenlage wäre sicherlich nicht so schlecht, wenn man die ganzen heimlichen Konsumenten (für die das anscheinend sehr gut funktioniert) nicht so kriminalisieren würde.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

sweeper

@Doctor:
Vor allem muss man für den Patienten, der leibhaftig mit seinen konkreten Problemen vor einem sitzt, einen gangbaren Weg finden. Was kann der arme Mensch dafür, dass die Studienlage schlecht ist?

@bayle:
Das bezieht sich nicht nur auf Medical Cannabis,  sondern die mangelhafte Datenlage betrifft auch die hier gebräuchlichen Neuroleptika:
ZitatDann habe ich sie gefragt, wie sie das Cannabis-Potential im Vergleich zur Wirksamkeit der heute standardmäßig eingesetzten Stoffgruppe (Neuroleptika) einschätze.

Zur Expertise von Frau Müller-Vahl hatte weiter oben im Faden #22 schon ein Gast gepostet.
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The Doctrix

Zitat von: sweeper am 25. Februar 2013, 11:44:44
@Doctor:
Vor allem muss man für den Patienten, der leibhaftig mit seinen konkreten Problemen vor einem sitzt, einen gangbaren Weg finden. Was kann der arme Mensch dafür, dass die Studienlage schlecht ist?

Oder der Doc?


Nebenbei und OT: 

eine absolut herrliche Darstellung eines Tourette-Patienten gab es mal in diesem Fernsehfilm:

http://www.tvspielfilm.de/kino/filmarchiv/film/dr-mad-halbtot-in-weiss,1317318,ApplicationMovie.html
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

bayle

@sweeper
Die Datenlage für Neuroleptika ist beim Tourette immer noch deutlich besser als für Cannabinoide. Es ist gerechtfertigt, von Neuroleptika als der derzeitigen medikamentösen Standardtherapie des Tourette zu sprechen. Und es gibt Experten in der Medizin, aber es gibt keinen Papst.

In der letzten Nr. des NEJM möchte man anhand einer Fallvignette eine Pro-Con-Debatte zu Cannabis bei Übelkeit und Schmerzen anstoßen:
ZitatWhich one of the following approaches do you find appropriate for this patient? Base your choice on the published literature, your clinical experience, recent guidelines, and other sources of information.
Option 1: Recommend the Medicinal Use of Marijuana
Option 2: Recommend against the Medicinal Use of Marijuana
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMclde1300970?query=featured_home
Welcher Option ich mich anschließe, behalte ich für mich - zumindest vorerst  ;)

The Doctrix

Hmmm, die Empfehlung pro Marijuana liegt mit 75% klar vorne (bei 1384 abgegebenen Stimmen).
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

sweeper

Zitat von: bayleEs ist gerechtfertigt, von Neuroleptika als der derzeitigen medikamentösen Standardtherapie des Tourette zu sprechen. Und es gibt Experten in der Medizin, aber es gibt keinen Papst.


Das kannst du halten wie der Pfarrer Nolte.

Lies einfach noch mal

http://www.aerzteblatt.de/pdf/109/48/m821.pdf

Dort findest du:

Zitat... Die Evidenz für die Wirksamkeit der Therapie der Tics ist gering. Für einige Neuroleptika liegen kleinere, kontrollierte Studien mit kurzer Nachbeobachtung vor. Vor einer Pharmakotherapie sollte ein Behandlungsversuch mittels Verhaltenstherapie stehen...

...Die Evidenzbasis für die Wirksamkeit der Behandlung von chronischen Tic-Störungen ist trotz zahlreicher Publikationen zu diesem Thema noch immer als sehr gering anzusehen. Zwar liegen für einige typische (Haloperidol, Pimozid) und atypische Neuroleptika (Risperidon, Ziprasidon) kontrollierte Studien vor, diese wurden jedoch immer nur an kleinen Studienpopulationen über maximal 8 Wochen durchgeführt (21–23).
Ein angemeldetes Review von Cochrane konnte aufgrund der schlechten Datenlage nicht angefertigt werden (Pierce & Rickards, DOI: 10.1002/14651858.CD008151).
Verhaltenstherapeutische Ansätze zeigten in kontrollierten Studien bei mittelgradig ausgeprägten Tics mittlere Effektstärken (bis zu EF 0,68) (24, 25)...


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bayle

Zitat von: sweeper am 06. März 2013, 08:45:13
Das kannst du halten wie der Pfarrer Nolte.
Lies einfach noch mal
Die meisten Wirkstoffe sind bereits so lange im Einsatz, dass es wenig methodisch ausreichende Studien gibt. Das ändert nicht das geringste daran, dass Neuroleptika die medikamentöse Standardtherapie für Tourette sind; ob man das nun für wünschenwert oder begründet hält oder nicht. Es gibt eine einzige Arbeitsgruppe auf der ganzen Welt, die sich mit Cannabis beschäftigt (und bisher 2 kleine Studien mit einer Handvoll Patienten), aber viele viele andere, die sich mit Neuroleptika beschäftigen. Es bleibt dabei:

Zitat von: bayle am 05. März 2013, 22:33:37
Die Datenlage für Neuroleptika ist beim Tourette immer noch deutlich besser als für Cannabinoide. Es ist gerechtfertigt, von Neuroleptika als der derzeitigen medikamentösen Standardtherapie des Tourette zu sprechen. Und es gibt Experten in der Medizin, aber es gibt keinen Papst.

sweeper

@bayle:

Dass du dir die Evidenz so drehst, wie es in dein Weltbild passt, ist mir schon seit deiner speziellen Lesart des Mumenthaler-Papers klar.

Irgendwie hast du den Trick noch nicht raus, warum es überhaupt den Ansatz der evidenzbasierten Medizin gibt:

er dient u.a. dazu, ein Korrektiv zum "Gefühlt Richtigen" zu schaffen.
Das kann eben - wie bei den Neuroleptika in der Behandlung der Tic-Störungen - auch bedeuten, dass man feststellt, die Datenlage ist zu dünn.

Du hast den Artikel  immer noch nicht gelesen.
Es geht gar nicht darum, den Cannabioiden eine größere Wirksamkeit gegenüber Neuroleptika zuzusprechen.
Von Cannabinoiden ist so gut wie nicht die Rede in dem Paper.

Es geht vielmehr darum, den behaupteten Nutzen der Neuroleptika mangels Wirksamkeitsnachweis zu relativieren - v.a. unter  Berücksichtigung der Tatsache, dass sich Ticstörungen oft ohnehin von selbst zurückbilden und dass Verhaltenstherapie/Psychoedukation ein wichtiges Element in der Selbstregulation darstellt.

Zitat...Für diese Übersichtsarbeit wurde eine Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, PsycINFO und EM-
BASE mit den Stichwörtern ,,Tourette Syndrome" und ,,tic disorder" durchgeführt, zurückgehend bis zum Jahr 2000. Die im Frühjahr 2011 erschienenen europäischen Leitlinien der European Society for the Study of Tourette Syndrome (ESSTS) wurden dabei berücksichtigt.
Die Diagnosekriterien nach ICD-10, Symptomatik, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten des Tourette-Syndroms
werden aus gemeinsamer kinder- und jugendpsychiatrischer, neurologischer und psychiatrischer Perspektive dargelegt. Ziel ist es, ein besseres Verständnis für dieses komplexe neuropsychiatrische Störungsbild mit seinen häufigen Komorbiditäten zu ermöglichen...
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Terry Pratchett

bayle

Zitat von: sweeper am 06. März 2013, 10:07:51
Es geht vielmehr darum, den behaupteten Nutzen der Neuroleptika mangels Wirksamkeitsnachweis zu relativieren
Ach hör auf. Darum geht es nicht. Du bist der einzige, der sich das einredet. Es geht Dir um was anderes. Versuche nicht, mir was am Zeug zu flicken, nur um mir was am Zeug zu flicken.

sweeper

Wie gesagt, es steht dir frei, deine eigene Meinung zu haben.

ZitatSchlussfolgerung:

Wegen der geringen Evidenz kann keine eindeutige Therapieempfehlung zur Behandlung von Tics gegeben werden.


Autoren:

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Ulm:
Prof. Dr. med. Ludolph

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden:
Prof. Dr. med. Roessner

Klinik für Neurologie, Universitätsklinik Hamburg Eppendorf: Prof. Dr. med. Münchau

Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover:
Prof. Dr. med. Müller-Vahl

http://www.aerzteblatt.de/pdf/109/48/m821.pdf

Zitat von: bayle am 06. März 2013, 10:13:53
Zitat von: sweeper am 06. März 2013, 10:07:51
Es geht vielmehr darum, den behaupteten Nutzen der Neuroleptika mangels Wirksamkeitsnachweis zu relativieren
Ach hör auf. Darum geht es nicht. Du bist der einzige, der sich das einredet. Es geht Dir um was anderes. Versuche nicht, mir was am Zeug zu flicken, nur um mir was am Zeug zu flicken.

Na, für deine Paranoia bist du ganz allein zuständig.  ::)
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Terry Pratchett