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Esoterik in der "linken Szene"

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Begonnen von Robur, 27. April 2012, 05:14:12

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Robur

Ja, ich rechne mich auch zu dieser - von mir etwas unkonkret so genannten - linken Szene. Genauer gesagt: ich verorte mich im Bereich der Anarchie. Eigentlich bevorzuge ich ein LEben in der Gruppe, in einer Kommune mit gemeinsamer Ökonomie. Nur leider ist mir das nicht möglich, kenn ich doch nur Gruppen, die mehr oder weniger (meist auch noch mehr') esoterisch verseucht sind. Bachblüten, Schamanismus, mehr als fragwürdige Psycho-Techniken, Wünschelruten und andere Heilsbringer sind omnipräsent. Mir ist keine Gruppe/Kommune bekannt, die da weingstens eindeutig Position bezieht und nicht selbst betroffen ist. Irgendwie kann ich das mit linken Gedankengut nicht unter einen Hut bekommen - schon gar nicht mit Anarchie...

Hat da jemand ne Theorie, wieso gerade diese Personengruppe so anfällig ist? Gut, sind auch nur Menschen und selber Denken ist auch im linken Spektrum nicht gerade beliebt - gibt ja genug Richtlinien und Vorgaben, was PC ist und was nicht...  Aber so im allgemeinen hätte ich doch einen kritischeren Umgang mit solchen MAchenschaften erwartet.

Bloedmann

Das ist jetzt nicht abwertend oder boese gemeint.

Du erinnerst mich an meine Flausen die ich mit 20 so im Kopf hatte. ::) Das gibt sich meistens... ;)

Bzgl. Esoterik hast Du ja schon einen guten Durchblick.
Es gibt so viele Dinge im Leben, die wichtiger sind als Geld... aber sie kosten so viel! Groucho Marx

Belbo zwei

Das funktioniert an beiden Rändern des politischen Lagers, zuerst begreift man sich als geistig überlegene politische Elite die"gegen den Strom" schwimmt, dann wird dieses Schwimmen zum Selbstläufer und man weitet es auf alle Lebensbereiche aus, Hauptsache es geht gegen das "etablierte System". Hinzu kommt dann noch die Möglichkeit sich grössenwahnsinnig zu überhöhen indem man sich eigenständig in diverse Bewusstseinsebenen katapultieren kann.

Elfenstaub

Als "Openly-Linker" hat man es hier schon nicht leicht  ;D ich merke das auch dann und wann.  :o

Um mal eine Theorie in den Raum zu werfen: Weil die meisten der Meinung sind, als Linker keiner der großen Religionen angehören zu können (Opium  fürs Volk und so), suchen viele sich ihr geistliches Methadon. Weil das aber nichts mit Religion zu haben darf, wird es "Spiritualität" genannt und als noch (!) nicht messbarer Fakt verteidigt. Damit kann man sich gegen das Establishment abgrenzen. Dazu wird dann einfach alles gezählt, was das eigene Weltbild ins wanken bringen könnte.
2-3 Elfen, luftgetrocknet, mit dem Mörser zerstoßen bis die Konsistenz von Puderzucker erreicht ist: Elfenstaub!

Giftig wie Aspartam, süß wie Dihydroxymonoxid und nicht überdosierbar.

Ridcully

Zitat von: Belbo zwei am 27. April 2012, 07:41:48
Das funktioniert an beiden Rändern des politischen Lagers, zuerst begreift man sich als geistig überlegene politische Elite die"gegen den Strom" schwimmt, dann wird dieses Schwimmen zum Selbstläufer und man weitet es auf alle Lebensbereiche aus, Hauptsache es geht gegen das "etablierte System". Hinzu kommt dann noch die Möglichkeit sich grössenwahnsinnig zu überhöhen indem man sich eigenständig in diverse Bewusstseinsebenen katapultieren kann.

Ich denke nicht, dass das viel mit den "Rändern des politischen Lagers" zu tun hat. Esoterik findet sich nun wirklich ziemlich gleichmäßig in der Gesellschaft verteilt, nur die Geschmacksrichtungen sind unterschiedlich. Je nach politischem Selbstverständnis wird man dann eher zu einer kollektiven Friede-Freude-Eierkuchen-Esoterik tendieren (links), oder zu einer individuell Glück, Reichtum und Schönheit versprechenden (mitte-links) und die Verteilung dann auch legitimierenden (mitte-rechts), oder zu einer völkisch/rassistisch angehauchten (rechts).

Das Motiv ist aber in allen Fällen ähnlich, man geht der unbequemen Konfrontation mit der Realität und dem frustrierenden Nachdenken über politische / individuelle Wege zum Ziel aus dem Weg und wählt die magische Abkürzung.

Womit ich bei den Kommuneprojekten wäre: ist der Wunsch, aus der Gesellschaft auszusteigen und sich seine kleine kommunistische Nische zu schaffen, nicht oft auch so eine Flucht vor der bösen Realität? Insofern finde ich es nicht verwunderlich, dass sich da oft gerade eher die Freaks unter den Linken versammeln. Übrigens auch, dass man dort eher theoriefremde Anarchos als z.B. verkopfte Marxisten antrifft. So sehr ich die Grundidee verlockend fand und finde, sich doch eine eigene Gesellschaft aufzumachen, wenn einem das große Ganze nicht gefällt, so sehr hat mich doch immer diese dumpfe Gefühligkeit abgeschreckt, die meist in solchen Projekten herrscht.




Belbo zwei

Das es diese Tendenzen überall gibt sehe ich auch so, umso weiter die prinzipielle Bereitschaft zur Radikalisierung geht umso intensiver werden dann aber meist auch die Glaubensansätze gelebt, verteidigt und verbreitet, es scheint an den Rändern da eine Enthumanisierung des Denkens zu geben.

Ridcully

Was wäre denn in Bezug auf Esoterik eine Dehumanisierung des Denkens?

Ich sehe wie gesagt grob drei Angebote der Esoterik:

- weltumfassende Harmonie
- privates Glück
- Macht für das eigene Kollektiv

Und die decken sich mit den Utopien der politischen Strömungen.

Belbo zwei

ZitatWas wäre denn in Bezug auf Esoterik eine Dehumanisierung des Denkens?

....... z.B. wir sind eine Herrenrasse also dürfen wir die Minderwertigen töten oder ich stehe in Kontakt mit Engeln also bin ich meinen Mitmenschen überlegen ich bin Sternzeichen Jungfrau also bin ich viel ordentlicher als die anderen Sternzeichen........


....Überhöhung des eigen Ichs (bzw. des eigenen Glaubens) ins Göttliche...
fehlt mir in der Sammlung.


Ridcully

Das fällt unter privates Glück. Mir geht es um die Begünstigten der jeweiligen Esoideologie: Alle, Ich, Wir. Wie gesagt, ich denke der unterschiedliche Grundansatz ist mit den Unterschiede zwischen den politischen Spektren identisch.

Eine Dehumanisierung droht jeweils Benachteiligten: Denen, die böswilligerweise nicht zu Allen dazugehören wollen (Volksfeinde, schlicht bösartige Menschen). Den gesellschaftlichen Verlierern, die sich dieses Schicksal aufgrund ihrer karmischen Verderbtheit o.ä. selbst zuzuschreiben haben. Den anderen Völkern/Rassen usw., die minderwertig oder schlicht anders sind und bekämpft gehören. Auch da decken sich politisches und esoterisches Feindbild. Und auch da würde ich die "Mitte" nicht rausnehmen.  Wobei sich die verschiedenen Gesellschaftsvorstellungen und Feindbilder praktisch natürlich alle überschneiden und durchaus nebeneinander vorliegen können.

Belbo zwei

Nein rausnehmen natürlich nicht zumal du sie als Radikaler irgendwann als Stimmvieh, Ashram oder Gemeinde brauchst.

de Bunker

Zitat von: Robur am 27. April 2012, 05:14:12
Hat da jemand ne Theorie, wieso gerade diese Personengruppe so anfällig ist? Gut, sind auch nur Menschen und selber Denken ist auch im linken Spektrum nicht gerade beliebt - gibt ja genug Richtlinien und Vorgaben, was PC ist und was nicht...  Aber so im allgemeinen hätte ich doch einen kritischeren Umgang mit solchen MAchenschaften erwartet.

Nun ja, ein Punkt dabei ist sicherlich, daß die anarchistische Szene keine Trademark gesichert hat und sich jede Gesäßvioline das Etikett "Anarchist" auf den Allerwertesten kleben kann, ob es nun paßt oder nicht. Es versuchen halt einige, den Fuß in die Tür zu bekommen - ebenso wie die Pädophilenszene bereits einige Anläufe unternommen hat. Bei denen läuft es unter dem Deckmantel der befreiten Sexualität und der Kinderrechte :würg:. Bei Esos zB gerne über die angeblich antirassistische Schiene, also: wir engagieren uns doch für die Indigenen. Daß das mit Fakten nichts zu tun hat, ist klar. Daß sie dabei bei dem einen oder der anderen Gehör finden, ist leider auch eine Tatsache.


Zitat von: RidcullyÜbrigens auch, dass man dort eher theoriefremde Anarchos als z.B. verkopfte Marxisten antrifft.

Das liegt mehr an der geforderten Linientreue auf der einen Seite sowie daran, daß Parteilinien auf der anderen Seite gar nicht en vogue sind - das Selbstdenken dagegen schon. So theoriefremd oder gar -feindlich geht es bei den Anarchisten ja nun auch nicht zu.


Ridcully

@ de Bunker: Um einer Parteilinie folgen zu können, muss man doch erst mal in einer sein. Aber wenn die einen vor Esoterik bewahren sollte, hätte sie ja doch was gutes.  ;D

@ Belbo: das klingt so als würdest du dabei bleiben, dass politische Radikalität generell esoterische Tendenzen fördert. Das glaub ich nicht, oder zumindest nicht so allgemein. Esoterik ist eben gerade nichts politisch extremes, im Gegenteil, Esoterik hat ziemlich apolitische Tendenzen.

nevercrywoman

Kann man das so pauschal sagen, dass Esoterik generell nichts politisch extremes ist und eher apolitische Tendenzen aufweist?

Ich finde, das lässt sich so gar nicht trennen, da sind oft fliessende Übergänge, oder? Sicher gibt es die weichgespülten alles-rosarot-anmalenden Esoteriker, die ganz feste überzeugt sind, dass sie eigentlich ja Buddhisten sind, weil sie ja an die Wiedergeburt ihrer unsterblichen Seele glauben und überzeugt davon sind, wenn sie lange genug ganz dolle daran glauben, dass die Welt ein Ponyhof ist, dann wird sie auch einer.

Aber was ist mit der ganzen Ecke mit Infokriegern und wie sie alle heissen?

Und ist es nicht so, dass auch die Weichsspüler-Esoterik im Grunde, wenn auch nicht direkt, politische Folgen hat? Ich meine in einer Gesellschaft, in der schon jetzt ganz viele ganz dolle daran glauben, dass man das zurück bekommt was man ausstrahlt, da ist es nicht mehr weit dass man sagt, jeder, dem es schlecht geht, sei es gesundheitlich oder materiell, der ist ja selbst daran Schuld und es damit zu einer immer drastischeren Entsolidarisierung kommt, die natürlich ganz deutlich auch politische Folgen hat?

Robur

Zitat von: Bloedmann am 27. April 2012, 06:32:16
Das ist jetzt nicht abwertend oder boese gemeint.

Du erinnerst mich an meine Flausen die ich mit 20 so im Kopf hatte. ::) Das gibt sich meistens... ;)

Bzgl. Esoterik hast Du ja schon einen guten Durchblick.


*lautunddeutlichräusper!!*  Flausen, das gibt sich ... So so!! Nun, ich bin keine 20 mehr - zum Teil "leider"... Nächste Woche werdens 52 Jahre... und meine politisch/gesellschaftliche Einstellung ist das Produkt vieler ERfahrun gen und einiger eigener Geistesarbeit. Wenn ich mal provozieren darf: anständige, ehrliche Menschen mit einer gewissen Intelligenz (die ich nicht überbewerten möchte: schließlich ist zum BEispiel bei "Mensa in Deutschland e. V." die A****-lochdichte mindestens genauso groß, wie im Rest der Gesellschaft...) können eigentlich nicht anders als anarchistisch zu sein. Das einem auch klar ist, dass man in den nächsten Generationen keine allgemeine funktionierende anarchistische Gesellschaft wird schaffen können, ist wieder was anderes ... Was auch nicht heisst, dass man nicht darauf hin arbeiten kann. Aber wir wollen ja keine politische Diskussion hier führen (Auf Wunsch gerne - aber dann in einem anderen Thread. Da kann ich dir dann auch zu einem politischen/gesellschaftlichen Durchblick verhelfen - völlig selbstlos ... :-)).

Nein, eines der wichtigsten Elemente im anarchistischen Bereich, das eigentlich allen vorhandenen Strömungen gemeinsam ist, ist die Ablehnung von künstlichen Hierarchien - die gibt im Eso-Bereich aber an jeder Ecke. Auch kenne ich keinen Bereich der Esoterik, der wenigstens ansatzweise emanzipatorisch ist... Anarchie fordert die Eigenverantwortung des Menschen - beim meisten Eso-Scheiß sollst du gerade die abgeben... Umnd dann die enge Bindung weiter Teile der Esoterik an den braunen Sumpf, die große Nähe zur häufig völkischen/sehr rechten Herkunft, Blut und Boden ... Ich enke da an Theosophie, Antroposophen.... Das alles passt so überhaupt nicht zu den wenigen Dingen, in denen sich eigentlich ale Anarchos (oder die, die sich so nennen [andererseits gibts viele Menschen mit anarchistischen Ansichten  - nur sie wissen es nicht ]) einig sind ... Das ist es, was mich dermaßemn irritiert.

Robur

Zitat von: nevercrywoman am 27. April 2012, 18:50:20
Kann man das so pauschal sagen, dass Esoterik generell nichts politisch extremes ist und eher apolitische Tendenzen aufweist?

Ich finde, das lässt sich so gar nicht trennen, da sind oft fliessende Übergänge, oder? Sicher gibt es die weichgespülten alles-rosarot-anmalenden Esoteriker, die ganz feste überzeugt sind, dass sie eigentlich ja Buddhisten sind, weil sie ja an die Wiedergeburt ihrer unsterblichen Seele glauben und überzeugt davon sind, wenn sie lange genug ganz dolle daran glauben, dass die Welt ein Ponyhof ist, dann wird sie auch einer.

Aber was ist mit der ganzen Ecke mit Infokriegern und wie sie alle heissen?

Und ist es nicht so, dass auch die Weichsspüler-Esoterik im Grunde, wenn auch nicht direkt, politische Folgen hat? Ich meine in einer Gesellschaft, in der schon jetzt ganz viele ganz dolle daran glauben, dass man das zurück bekommt was man ausstrahlt, da ist es nicht mehr weit dass man sagt, jeder, dem es schlecht geht, sei es gesundheitlich oder materiell, der ist ja selbst daran Schuld und es damit zu einer immer drastischeren Entsolidarisierung kommt, die natürlich ganz deutlich auch politische Folgen hat?

Danke für den Einwand!! Den möchte ich deutlich unterstützen!

Hinzu kommt: wer die Welt durch Meditstion meint ändern zu können, wird sich nicht auf andere Weise engagieren, der ist quasi ruhig gestellt! Manchen "Verantwortlichen" sicher nicht unangenehm ...