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MECFS ist keine erfundene Krankheit

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Begonnen von NeuroMD, 04. Dezember 2023, 22:59:23

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zimtspinne

ok, hab jetzt einen Tiefpunkt erreicht und eben versucht, mein Psychologiewissen aufzufrischen: was ist zu tun bei emotionaler Erpressung? Hier eher kollektiver moralischer Druck. Alles wird aufgefahren, was es an manipulativen Techniken gibt.

Was mir gerade hilft, nicht in die Moralfalle zu tappen, ist diese Ansage von Frau Grams:

https://www.youtube.com/watch?v=mHxG2SKTsMY

Sie sollte sich auf ihre eigenen Worte zurückbesinnen:

»Wer an der Schulmedizin zweifelt, muss unbedingt dieses Buch lesen!«

Was sie neuerdings sagt, lässt jeden Schwurbeldetektor Großalarm geben. Wobei ich immer wieder selbst kurz ins Zweifeln komme, ob ich doch falsch liegen könnte. Beim Transthema, das ähnlich aufgebaut ist, steht meine Meinung hingegen bombenfest. Das habe ich mir auch hart erarbeitet und Federn dabei gelassen. Manches würde ich gerne aus meinem Gehirn wieder löschen. Dafür ist es zu spät.
Reality is transphobic.

zimtspinne

Zitat"... um eine neuroimmunologische Ganzkörpererkrankung handelt. Übrigens eine, die mit extrem niedriger Lebensqualität einhergeht im Vergleich zu vielen anderen Krankheiten."

Woran sie dabei so denkt, ist bekannt und bringt mein Blut gerade schon wieder in Wallung.
Mal kurz eine fortgeschritten Krebskranke daneben platzieren? Neben die fröhlich plaudernde Natalie? Als Ärztin kann sie nicht wirklich an den Mist glauben, den sie fortwährend erzählt.

Reality is transphobic.

Peiresc

Zitat von: zimtspinne am Gestern um 16:33:20
ZitatGanzkörpererkrankung

Das ist übrigens eine Neuschöpfung, ein Neologismus. Vor den Treffern bei Google kommt:
ZitatErgebnisse für Ganzkörper Erkrankung
Stattdessen suchen nach: Ganzkörpererkrankung

Und dann geht es ausführlich mit Fibromyalgie weiter, die wir im ersten Teil des Fadens ausführlicher hatten, z. B. #2, #14.

Typee

Zitat von: zimtspinne am Gestern um 16:33:20[ Als Ärztin kann sie nicht wirklich an den Mist glauben, den sie fortwährend erzählt.

Das hat nichts zu sagen. Unter Juristen gibt es auch überzeugte Reichsbürger.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Schwuppdiwupp

Unter Physikern gibt es Knilche, die ernsthaft an "Freie (Neutrino) Energie" glauben.
Ach, was weiß denn ich ...

Peiresc

Noch ein langes aber kurzweiliges Zitat aus Shorter, Ende Kap 9:

ZitatAxel Munthe, the young Swedish physician who had studied with Charcot and established an upscale nerve practice in Paris in 1881 when he was twenty-four, eventually became quite adept at telling nervous patients what they wanted to hear. In the beginning:

ZitatThey seemed quite upset when I told them that they looked rather well and their complexion was good, but they rallied rapidly when I added that their tongue looked rather bad—as seemed generally to be the case. My diagnosis in most of these cases was over-eating, too many cakes or sweets during the day or too heavy dinners at night. It was probably the most correct diagnosis I ever made in those days, but it met with no success. Nobody wanted to hear anything more about it, nobody liked it. What they all liked was appendicitis. Appendicitis was just then much in demand among better-class people on the look-out for a complaint. All the nervous ladies had got it on the brain if not in the abdomen, thrived on it beautifully, and so did their medical advisers.

Then, said Munthe, word got around that surgeons had started operating on appendicitis, surgery nobody wanted to undergo:

ZitatA new complaint had to be discovered to meet the general demand. The Faculty was up to the mark, a new disease was dumped on the market, a new word was coined, a gold coin indeed, COLITIS! It was a neat complaint, safe from the surgeon's knife, always at hand when wanted, suitable to everybody's taste. Nobody knew when it came, nobody knew when it went away.

(This was not colitis in the modern sense.)

Munthe tried the new diagnosis unsuccessfully on several patients, at which point Charcot referred "the Countess" to him. Munthe proposed appendicitis to her as an explanation of her symptoms. "At first she did not know if she had appendicitis, nor did [ I ], but soon she was sure that she had it, and I that she had not. When I told her so with unwise abruptness she became very agitated. Professor Charcot had told her I was sure to find out what was the matter with her and that I would help her, and instead of that ... she burst into tears, and I felt very sorry for her."

Zitat"What is the matter with me?" she sobbed, despairingly stretching her hands toward Munthe.
"I will tell you if you promise to be calm."
At once she stopped crying, wiping her eyes and saying bravely, "I can stand anything, I have already stood so much, don't be afraid, I am not going to cry any more. What is the matter with me?"
"Colitis."
Her eyes grew large. "Colitis! That is exactly what I always thought! I am sure you are right! Colitis! Tell me what is colitis?"
Munthe did not himself know, nor did anybody else at that time because the real organic disease called colitis had not yet been discovered.
"The Countess smiled amiably at me. And her husband who said it was nothing but nerves!" [101]

Munthe's account still stands, more than a century later, as one of the classic descriptions of pathoplasticity, or the tendency of illness attribution and presentation to change with fashion. It is impossible to read of his countess's "colitis" without thinking of such fashionable illnesses of our own time as twentieth-century disease, chronic fatigue syndrome, and fibrositis.

[...] No therapeutic approach would succeed that did not reassure patients of the reality of their symptoms. No therapy that forthrightly assumed the non-organic nature of the symptoms would be accepted by the patients.

(nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Shorter ist durchaus ernsthaft, aber wir machen ja hier keine Vorlesung).

eLender

Zitat von: Peiresc am Gestern um 10:47:08Also ,,WEIL es noch keine Therapie gegen die Krankheit gibt", muss den Scharlatanen, Wunderheilern und NEM-Vertickern Tür und Tor weit aufgesperrt werden, damit sie nicht mehr den Patienten allein, sondern zusätzlich die Krankenkassen plündern können?
Du kleiner Knilch wagst es, die über jeden Zweifel erhabene Grams in Zweifel zu ziehen? Selbstverständlich sollte die KK jede noch so unplausible Therapie (und Medis) löhnen, es gilt schließlich der affirmative Ansatz geht schließlich um die Menschenwürde... ::)

Ernsthaft: Lauerbach wollte doch die Off-Label-Liste für die Vergessenen erstellen lassen. Davon hat man nichts mehr gehört–und die Blase ist am Toben. Es standen noch nicht einmal ansatzweise die Drogen drauf, die man benötigt hätte (im Blasenforschungszentrum als wirksam erforscht). Diese Liste (aus der Blase) ist unendlich lang, u.a. Benzos und Metformin, aber auch das exotisch (sündhaft teure) neue Zeugs (diese Immuntherapeutika). Das würde die Kassen Unsummen kosten, ohne jede Evidenz.

In den USA ist das noch eingeschränkter, da zahlt man sowieso meist noch selbst (drauf). Daher auch die unzähligen Spendenseiten, damit man sich sein Zeugs selber kaufen kann. Das, was Grams da als Skandal anprangert, wäre dann der Skandal, wenn es andersherum wäre. Das kann auch beliebig auf andere "Erkrankungen" übertragen werden. Wäre beinahe so, als würde man Pubertätsblocker einfach mal so an Jugendliche verabreichen, weil die das so wollen...ups ::)

Dabei gibt es doch ein therapeutisches Angebot, das auf Evidenz beruht. Passt aber nicht in die Scheibennwelt der Blase, die verträgt das nicht (ich rede von den nichtmedikamentösen Ansätzen). Aber ich fürchte, diese Ansätze werden kaum fruchten, wenn man unbedingt Medis will, weil das ja eine organische Erkrankung ist.

Zitat von: zimtspinne am Gestern um 16:24:10ist diese Ansage von Frau Grams
Ähm, ja. Man muss zugestehen, die Dame hat schauspielerisches Talent (gut, fürn Oscar würde es nicht reichen, aber da sthet man ja auch nicht todkrank vor der Kamera). Sowas ist recht aufwändig zu produzieren, woher bloß die ganze Energie kommt? Von den NEMs?

Zitat von: zimtspinne am Gestern um 16:24:10Wobei ich immer wieder selbst kurz ins Zweifeln komme, ob ich doch falsch liegen könnte.
Zweifel ist immer gut, die Grundvoraussetzung für skeptisches Denken. Das geht Grams bei dem Thema aber komplett ab (inkl. der ganzen Promoter). 100% sicher bin ich mir auch nicht, aber allein schon das, was Peire da postet (und seine Haltung zum Thema) ist schon ein deutlicher Hinweis, dass das wahrscheinlich was ganz andere ist, wie uns die Scheibengramsens weismachen wollen*. Ich poste gleich mal ein wenig Lektüre (für interessierte Laien wie mich), wo das ein wenig klarer wird.

Zitat von: Peiresc am Gestern um 17:25:52Das ist übrigens eine Neuschöpfung, ein Neologismus
"Multisystemerkrankung" klingt mir auch so. Oder ist der Begriff in der Medizin etabliert?

Zitat von: Typee am Gestern um 18:55:55Unter Juristen gibt es auch überzeugte Reichsbürger.
Auch noch so ne Auffälligkeit. Man sollte als Skeptiker immer misstrauisch sein, egal wer da referiert. Soll ja auch Nobelpreisträger geben, die auf höchstem Niveau schwurbeln. Der Kommi beim HPD ist einfach nur peinlich.

Zitat von: Peiresc am Gestern um 20:06:18Munthe's account still stands, more than a century later, as one of the classic descriptions of pathoplasticity, or the tendency of illness attribution and presentation to change with fashion.
Indeed! Wie kann man das als wissenschaftlich / rational / skeptisch denkender Mensch nur komplett ignorieren? Bzw. so umdeuten, dass das alles nur verachtende / diskriminierende / misogyne .... Verhöhnungen böswilliger Ärzte sein sollen? Auch das sind die Methoden, die man eigentlich aus dem Bereich kennt, gegen den die Skeptiker antreten. Wo bleibt der Skeptizismus?



*Man kann in der Sache ja auch mal die Avocado Diavoli mimen. Mukerji sagt neulich mal in einem Video, man sollte jede noch so gewagte (und auf Empörung stoßende) Idee vortragen können, also auch den Zweifel an etablierten (und mglw. erwünschten) Meinungen. Solange man das mit guten Argumenten und mit Redlichkeit tut, warum nicht? Man darf und soll jede Idee herausfordern können. In dem Fall ist das auch mehr als gerechtfertigt: Was ist eigentlich, wenn Gams und Co. falsch liegen? Auch nicht gerade gesund.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

Ein wenig Lektüre:

ZitatUnangenehme Symptome, die jemand verstehen möchte, ohne unbedingt eine "Störung" zu haben, werden als funktionelle neurologische Symptome bezeichnet, und diese Website ist auch für Sie gedacht.

FNS und funktionelle neurologische Symptome sind erstaunlich häufig, können aber für Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe schwer zu verstehen sein.

Diese Website, die von einem Neurologen mit besonderem Interesse an diesen Problemen verfasst und in viele Sprachen übersetzt wurde, soll Ihnen ein besseres Verständnis für diese Symptome vermitteln. Sie enthält keine Werbung und ist kostenlos. Wir hoffen, Sie finden sie nützlich.
https://neurosymptoms.org/de_DE/
(Es geht um das übergeordnete Phänomen, auf das Peire schon hingewiesen hat. Klar, für so manche hat das alles nichts mit der Scheibenkrankheit zu tun. Deswegen darf das auch alles ignoriert werden)

ZitatPatienten mit funktionellen neurologischen Störungen erleben in der Praxis oft, dass ihre Probleme nicht ernst genommen werden. Doch groß angelegte Studien und aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse lassen dieses vernachlässigte Teilgebiet der Neurologie in neuem Licht erscheinen.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/214835/Funktionelle-neurologische-Stoerungen-Vom-Stigma-der-Hysterie-loesen
(soll ja angeblich alles altes Wissen sein, das längst überholt ist. Kling irgendwie ganz anders)

ZitatRecently, a consortium of clinicians and researchers have proposed that while many different chronic conditions exist, the root cause of each may be a similar brain-body connection, as the brain responds to perceived biological threats and transmits danger signals to the body that manifest as somatic symptoms. This hypothesis suggests that treating chronic conditions requires an approach that addresses the neural networks involved. One such method, known as Amygdala and Insula Retraining (AIR), otherwise known as The Gupta Program, has shown promise in recent years for treating such conditions, including ME/CFS, FM, and LC.
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10886399/

Ist mit Vorsicht zu genießen, das sind private Dienstleister (ähnlich wie bei ABA). Aber das heißt nicht unbedingt, dass das alles falsch ist. In dem Fall könnte man beinahe meinen: Wer heilt, hat recht :-X
Ich nehme an, man wird auch ohne Elektroschocks auskommen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Zitat von: eLender am Gestern um 23:18:13"Multisystemerkrankung" klingt mir auch so. Oder ist der Begriff in der Medizin etabliert?
In der Tat, klingt ähnlich. Es gibt tatsächlich eine Multisystematrophie, aber die ist hier nicht gemeint.
https://flexikon.doccheck.com/de/Multisystematrophie
Dagegen wird bei dem Begriff ,,Multisystemerkrankung" auch die MS eingemeindet, was schlicht unzutreffend ist. Die MS hat natürlich indirekte Auswirkungen auf allerlei Körperfunktionen, aber der pathologische Prozess findet ausschließlich im ZNS statt.

Der Begriff ,,Ganzkörper" war mir bisher nur als Ganzkörperschmerz bekannt. So hieß ein Kapitel in einem Lehrbuch der neurologischen Differenzialdiagnostik, aber ich erinnere mich nicht an klare somatische Diagnosen, die darin genannt worden wären.

Zitat von: eLender am Gestern um 23:27:36https://www.aerzteblatt.de/archiv/214835/Funktionelle-neurologische-Stoerungen-Vom-Stigma-der-Hysterie-loesen

Darin:
ZitatDa keine spezifischen strukturellen Veränderungen nachweisbar sind, werden derartige Störungen oft als ,,psychogen", ,,psychosomatisch" oder ,,somatoform" bezeichnet.

Diese Terminologie wird jedoch der Pathophysiologie funktioneller Störungen nicht gerecht: Die Symptome treten zwar auf der Ebene der neuronalen Informationsverarbeitung auf (also im engeren Sinne ,,psychisch"), sind jedoch mit Veranlagungen und Fehlanpassungen auf vielen anderen Ebenen – von der Biologie der Gehirnentwicklung bis zur sozialen Sinngebung – unlösbar verzahnt (6, 7).

Das ist natürlich Unsinn. Alle diese Termini sind einst eingeführt worden, um die negativen Konnotationen der vorher verwendeten (insbesondere der Hysterie) zu vermeiden, und sie hatten implizit oder explizit eine biopsychosoziale Grundierung. In dem Moment, in dem alle verstanden haben, was hier mit ,,funktionell" eigentlich gemeint ist, wird der Begriff obsolet sein, vgl. #19.

Das Peters-Zitat dort ist inzwischen 40 Jahre alt. Wenn das Problem noch immer schwelt, zeigt das: Peters hat den Kernpunkt nicht getroffen. Da scheint Munthe schon mal weiter gewesen zu sein: die Grundlage einer dosierten Konfrontation (oder wenigstens einer unausgesprochenen Devaluierung der Symptomatik, die Erarbeitung ihrer Dysfunktionalität) kann nur der annehmende Beziehungsaufbau sein, aber Konfrontation/Devaluierung sind letztlich unverzichtbar. Die Begrifflichkeit, die man dabei verwendet, ist am Ende gleichgültig.

PS
Zitat von: eLender am Gestern um 23:18:13100% sicher bin ich mir auch nicht
Ich auch nicht, vgl. hier. Natürlich ist es möglich, dass sich die Wissenschaft entwickelt, Paradebeispiel Ulcus duodeni. Aber insgesamt halte ich die Wahrscheinlichkeit für einen grundlegenden Umschwung für gering.