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Artikel 'Antipsychiatrie'

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Begonnen von Endgegner, 07. April 2023, 08:25:31

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Peiresc

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Heidegger benutzt hier den Begriff der Entschlossenheit.
Zum dritten Mal. Heidegger ist vollkommen irrelevant. Die Symptomatik wäre gleich, auch wenn Heidegger nie gelebt oder was Vernünftiges zu sagen gehabt hätte. Sie ist unabhängig davon, dass die Psychiater versucht haben, sich mittels Existenzphilosophie einen Vers darauf zu machen.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Wie gesagt, liefert die psychiatrische Psychopathologie nicht unbedingt neue Erkenntnisse.
Psychopathologie ist die systematische Beschreibung von Symptomen psychischer Erkrankungen. Der Klassiker dazu ist Jaspers, Allgemeine Psychopathologie, 1913, auch das in Abständen wieder aufgelegt. Heideggers ,,Sein und Zeit" ist von 1926. Mit dem gleichen Recht kann man sagen, dass die Beschreibung von Symptomen der Leberzirrhose ,,nicht unbedingt neue Erkenntnisse" bringt.

In #18 war das schon mal Thema. Wenn Du Dir die geringe Mühe gemacht hättest, die Fäden zu lesen, die ich verlinkt habe, würdest Du möglicherweise nicht ebenso hartnäckig wie sinnfrei daherschwadronieren. Aber sicher bin ich nicht.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Wenn ich gehässig wäre, würde ich vielleicht sagen, dass es der Psychiatrie nicht einmal gelingt, auf das Niveau von Philosophie und Geisteswissenschaften zu kommen, geschweige denn auf das von Medizin an sich.

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Endgegner


Endgegner

Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 14:54:12
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Heidegger benutzt hier den Begriff der Entschlossenheit.
Zum dritten Mal. Heidegger ist vollkommen irrelevant. Die Symptomatik wäre gleich, auch wenn Heidegger nie gelebt oder was Vernünftiges zu sagen gehabt hätte. Sie ist unabhängig davon, dass die Psychiater versucht haben, sich mittels Existenzphilosophie einen Vers darauf zu machen.

Ist das so?
Hat Jaspers nicht die Phänomenologie in die psychiatrische Diagnostik und Behandlung miteinbezogen? Betonte Jaspers nicht die subjektive Wahrnehmung der Patienten?
Unterscheidet sie sich daher nicht von der traditionellen psychiatrischen Psychopathologie (Kraeplin), die sich hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert?

Peiresc

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 15:36:33Ist das so?
Ja.

Zum vierten Mal. Die Beschreibung der psychopathologischen Symptomatik ist unabhängig vom philosophischen Hinterland des Beschreibers. Wenn Hippokrates den Ikterus beschrieben hat, dann ist das unabhängig von der Säftelehre.

ZitatUnterscheidet sie sich daher nicht von der traditionellen psychiatrischen Psychopathologie (Kraeplin), die sich hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert?
Der Satz hat keinen eindeutigen Inhalt. Die Begrifflichkeit der Psychopathologie hat sich nach Kraepelin weiterentwickelt (inzwischen ist sie relativ abgeschlossen, "endausgebaut", wie Kisker formuliert). Aber es ist Unfug, dass Kraepelin sich ,,hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert" habe. Ich zitiere aus dem Inhaltsverzeichnis seines Lehrbuchs der Psychiatrie (6. Aufl., 1899), Bd. 1:

ZitatII.    Die Erscheinungen des Irreseins.       
A.    Störungen des Wahrnehmungsvorganges   
Sinnestäuschungen       
Elementare Trugwahrnehmungen — Wahrnehmungstäuschungen (Hallucination und Illusion) — Reperception — Einbildungstäuschungen (Doppeldenken) — Auffassungstäuschungen — Reflexhallucinationen — Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlstäuschungen.
Trübungen des Bewusstseins       
Störungen der Auffassung.       
Unbesinnlichkeit — Desorientirtheit — Ablenkbarkeit (Zerstreutheit) — Fesselung der Aufmerksamkeit.
B.    Störungen der Verstandesthätigkeit   
Störungen des Gedächtnisses           
Störungen der Merkfähigkeit — Erinnerungslosigkeit (Retrograde Amnesie) — Gedächtnissschwäche — Partielle Amnesie (Amnestische Aphasie) — Störungen der zeitlichen Ordnung — Erinnerungsfälschungen (Paramnesien, Erinnerungshallucinationen).

usw. Das sind alles genuin psychopathologische, subjektive Symptome. Natürlich hat er Verhaltensauffälligkeiten nicht außen vor gelassen, warum sollte er. Und ebenso natürlich hat Jaspers Verhaltensauffälligkeiten nicht weggelassen.

Edit: inzwischen sind wir von der Existenzphilosophie zur Phänomenologie übergegangen. Alles irgendwie eine Soße. Irgendwer muss schuld sein, Hauptsache nicht die Beobachtung. Maxwell hat auch an den lieben Gott geglaubt, aber in den Maxwellschen Gleichungen kommt er nicht vor (Bunge/Mahner).

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 16:11:42
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 15:36:33Ist das so?
Ja.

Zum vierten Mal. Die Beschreibung der psychopathologischen Symptomatik ist unabhängig vom philosophischen Hinterland des Beschreibers. Wenn Hippokrates den Ikterus beschrieben hat, dann ist das unabhängig von der Säftelehre.

ZitatUnterscheidet sie sich daher nicht von der traditionellen psychiatrischen Psychopathologie (Kraeplin), die sich hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert?
Der Satz hat keinen eindeutigen Inhalt. Die Begrifflichkeit der Psychopathologie hat sich nach Kraepelin weiterentwickelt (inzwischen ist sie relativ abgeschlossen, "endausgebaut", wie Kisker formuliert). Aber es ist Unfug, dass Kraepelin sich ,,hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert" habe. Ich zitiere aus dem Inhaltsverzeichnis seines Lehrbuchs der Psychiatrie (6. Aufl., 1899), Bd. 1:

ZitatII.    Die Erscheinungen des Irreseins.       
A.    Störungen des Wahrnehmungsvorganges   
Sinnestäuschungen       
Elementare Trugwahrnehmungen — Wahrnehmungstäuschungen (Hallucination und Illusion) — Reperception — Einbildungstäuschungen (Doppeldenken) — Auffassungstäuschungen — Reflexhallucinationen — Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlstäuschungen.
Trübungen des Bewusstseins       
Störungen der Auffassung.       
Unbesinnlichkeit — Desorientirtheit — Ablenkbarkeit (Zerstreutheit) — Fesselung der Aufmerksamkeit.
B.    Störungen der Verstandesthätigkeit   
Störungen des Gedächtnisses           
Störungen der Merkfähigkeit — Erinnerungslosigkeit (Retrograde Amnesie) — Gedächtnissschwäche — Partielle Amnesie (Amnestische Aphasie) — Störungen der zeitlichen Ordnung — Erinnerungsfälschungen (Paramnesien, Erinnerungshallucinationen).

usw. Das sind alles genuin psychopathologische, subjektive Symptome. Natürlich hat er Verhaltensauffälligkeiten nicht außen vor gelassen, warum sollte er. Und ebenso natürlich hat Jaspers Verhaltensauffälligkeiten nicht weggelassen.

Edit: inzwischen sind wir von der Existenzphilosophie zur Phänomenologie übergegangen. Alles irgendwie eine Soße. Irgendwer muss schuld sein, Hauptsache nicht die Beobachtung. Maxwell hat auch an den lieben Gott geglaubt, aber in den Maxwellschen Gleichungen kommt er nicht vor (Bunge/Mahner).

Jaspers war Philosoph und Psychiater und hatte einen immensen Einfluss auf Heidegger und die gesamte Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dass dies nicht seine Interpretation und Erklärung von Symptomen beeinflusst haben soll, glaube ich nicht.

In seiner Arbeit über Dementia Praecox folgte Kraepelin einem traditionellen medizinischen Ansatz, um die Syndrome zu beschreiben. Seine Kapitel umfassen psychische Symptome, das allgemeine klinische Bild, körperliche Symptome, klinische Formen, den Verlauf, das Ergebnis, Neuroanatomie, mögliche Ursachen und Differentialdiagnose.

Diese Kategorien definieren einen klassischen Ansatz zur Diagnose.

eLender

Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 16:11:42Alles irgendwie eine Soße. Irgendwer muss schuld sein, Hauptsache nicht die Beobachtung.
Gut zusammengefasst! Mehr wird da auch nicht kommen, das haben wir schon an anderer Stelle beobachten können. Das ist ja auch die Denke der Querfurzer, weshalb ich den Endfurzer genau so einordne. Da ist auch weiteres Diskutieren fruchtlos, es dient nur seiner Unterhaltung. Irgend einen verwertbaren Ansatz sehe ich nicht, weil er keine greifbaren Aussagen macht und munter durch die Themen springt. Wenn es ihm gefällt, soll er doch in der Bibel lesen. Da hat man ja auch Kompetenz im Umgang mit "auffälligen Personen". Und das nicht nur bei Wiederkäuern.

Wollte ich nur mal gesagt haben!

Schwuppdiwupp

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 12. April 2023, 13:43:48Was das Umfeld (und mitunter auch der Betroffene) weiß und was der Betroffene fühlt, sind zwei Paar Schuhe.

Keine Frage! Das habe ich als bekannt vorausgesetzt.


Zitat von: eLender am 12. April 2023, 16:49:54Da ist auch weiteres Diskutieren fruchtlos, es dient nur seiner Unterhaltung

Yepp!  :troll
Ach, was weiß denn ich ...

Peiresc

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater und hatte einen immensen Einfluss auf Heidegger und die gesamte Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dass dies nicht seine Interpretation und Erklärung von Symptomen beeinflusst haben soll, glaube ich nicht.
Die ,,Interpretation und Erklärung von Symptomen" ist nicht so wichtig. Schließlich gibt es den Ikterus immer noch, aber von der Viersäftelehre hat man seit 150 Jahren nichts mehr gehört. Erklärungen wandeln sich. Die Existenzphilosophie in der Psychiatrie ist vor mehreren Jahrzehnten eines natürlichen Todes gestorben, aber die Psychopathologie is alive and well. Wie kommt das? Du wirst mal wieder langweilig.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Seine Kapitel umfassen psychische Symptome, das allgemeine klinische Bild, körperliche Symptome, klinische Formen, den Verlauf, das Ergebnis, Neuroanatomie, mögliche Ursachen und Differentialdiagnose.

Diese Kategorien definieren einen klassischen Ansatz zur Diagnose.
Den modernen auch, oder kennst Du irgendeine Lehre (abgesehen vom Behaviorismus oder von sozialwissenschaftlichen/konstruktivistischen Psychiatrie-Debunkings), die davon abweicht?

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 17:00:45
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater und hatte einen immensen Einfluss auf Heidegger und die gesamte Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dass dies nicht seine Interpretation und Erklärung von Symptomen beeinflusst haben soll, glaube ich nicht.
Die ,,Interpretation und Erklärung von Symptomen" ist nicht so wichtig. Schließlich gibt es den Ikterus immer noch, aber von der Viersäftelehre hat man seit 150 Jahren nichts mehr gehört. Erklärungen wandeln sich. Die Existenzphilosophie in der Psychiatrie ist vor mehreren Jahrzehnten eines natürlichen Todes gestorben, aber die Psychopathologie is alive and well. Wie kommt das? Du wirst mal wieder langweilig.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Seine Kapitel umfassen psychische Symptome, das allgemeine klinische Bild, körperliche Symptome, klinische Formen, den Verlauf, das Ergebnis, Neuroanatomie, mögliche Ursachen und Differentialdiagnose.

Diese Kategorien definieren einen klassischen Ansatz zur Diagnose.
Den modernen auch, oder kennst Du irgendeine Lehre (abgesehen vom Behaviorismus oder von sozialwissenschaftlichen/konstruktivistischen Psychiatrie-Debunkings), die davon abweicht?


Modern bedeutet in diesem Zusammenhang Neo-Kraepelinismus. Dann muss man sich dann auch die Kritik gefallen lassen, das man sehr wenig über den Gegenstand seiner Disziplin, nämlich das menschliche Gehirn weiß.

Edit: Hatte doch recht mit meiner Annahme über Jaspers.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/59298/Karl-Jaspers-Psychopathologie-und-Existenzphilosophie

Peiresc

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06Dann muss man sich dann auch die Kritik gefallen lassen, das man sehr wenig über den Gegenstand seiner Disziplin, nämlich das menschliche Gehirn weiß.
Sind die Kasuistiken in #61, in #63 oder die schwere Depression mit psychotischen Symptomen ,,Heideggersche Existenzanalyse", oder sind sie Realität?

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06Hatte doch recht mit meiner Annahme über Jaspers.
Da kannst Du Dir mal richtig auf die Schulter klopfen mit einer Behauptung, die nie jemand Grund hatte zu bestreiten. Psychopathologisch nennt man das übrigens Vorbeireden (unter der Voraussetzung, dass Du nicht bewusst trollst).

Wie gesagt, sie ist alive and well, die Psychopathologie. :grins 

Ein bisschen erinnert das in der Tat an die wagenknechtischen Russlandfreunde, die tausend Vorwürfe an die NATO haben, und die man fragen möchte: Wo und von wem werden Städte dem Erdboden gleichgemacht und Kriegsverbrechen begangen? In einer Regionalzeitung kann man heute diesen Leserbrief finden:
ZitatDas war aber ein Aufschrei wegen Putins Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Natürlich auch die Polen. Aber wo blieb der Aufschrei, als Millionen tote Fische in der Oder schwammen, verursacht durch dieses Land. Und warum empört sich niemand darüber [...]

Zitat von: eLender am 12. April 2023, 16:49:54Das ist ja auch die Denke der Querfurzer

Peiresc

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 12. April 2023, 13:43:48
Zitat von: Schwuppdiwupp am 12. April 2023, 13:36:09
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 12:35:36Auch das ist nicht richtig. Der schwerst Depressive fühlt sich wahnhaft schuldig oder gelähmt von der Katastrophe, die die Welt für ihn bedeutet. Er fühlt sich nicht krank.

Edit: und auch für viele der leicht Depressiven stimmt das nicht:

Ich habe den subjektiven Eindruck, dass zumindest in meinem Umfeld Depression als "echte" Krankheit wahrgenommen wird, die unter Umständen lebensbedrohlich - nicht wegen der Suizidgefahr - sein kann. Deshalb wird Betroffenen auch als "Erste Hilfe" der Besuch beim Hausarzt angeraten.

Das ist natürlich nur eine anekdotische Sichtweise.

Was das Umfeld (und mitunter auch der Betroffene) weiß und was der Betroffene fühlt, sind zwei Paar Schuhe.

Noch eine Ergänzung. Eine schwere Depression ist nicht, wenn der Betroffene die ganze Zeit heult (kann aber vorkommen). Er ist eher nicht auslenkbar, kann nicht lächeln, und wenn er über seine Gefühle berichtet, dann vielleicht über das Gefühl der Gefühllosigkeit, dass alles tot ist. Der schwer gehemmt Depressive klagt nicht mal, jedenfalls nicht darüber, krank zu sein.
ZitatSchwere depressive Episode: Diese Diagnose wird gestellt, wenn der Betroffene durch die Krankheit nicht mehr in der Lage ist. Alltägliches wie Beruf, soziale Aufgaben oder häusliche Arbeiten zu verrichten. Die Patienten sind meist krankgeschrieben. Sie beschreiben oft eine absolute Lähmung, können kaum mehr aus dem Bett aufstehen und sich nicht mehr selbst versorgen: andererseits können auch eine quälende Unruhe und innere Anspannung (Agitiertheit) im Vordergrund stehen. Selbstzweifel bis hin zu Suizidgedanken sind in diesem Stadium meist vorhanden.
Frieboes
ZitatDie Patientin Emma B. (59/281) kam in einer schweren Hemmungsmelancholie zur Aufnahme. Sie gab an, in der letzten Zeit sei "alles so fern, so wie verschlossen", sie habe immer "danach gesucht, wo sie etwas unrecht oder falsch getan" habe, "daß Gott sie so verlassen" würde. Während sie nach den Angaben des Ehemannes daheim sich vorgeworfen hatte, sie habe nicht genug für die Angehörigen vorgesorgt, den Kindern nicht rechtzeitig Kleider beschafft, warf sie sich in der Klinik vor, im Kriege die Kleider ihrer 1947 an Diphtherie gestorbenen Tochter aufgehoben zu haben, statt diese in der damaligen Notzeit wegzuschenken, wo die Leute so froh um Kleider gewesen seien.
Tellenbach

Peiresc

Noch eine Ergänzung.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater

Die Reihenfolge war umgekehrt, erst Psychiater, dann (ab 1913) Philosoph. Die alten Psychiater konnten nicht therapieren, sie konnten nur beobachten. Sie füllten Regalkilometer mit Krankenakten und verfügten somit über eine riesige empirische Basis. Jaspers schreibt, nachdem er kurz auf die Bedeutung der Statistik eingegangen ist:

Zitatb) Konkret logische Methoden der Auffassung und Forschung.
[...]
aa) Der erste Schritt zum wissenschaftlichen Erfassen des Seelischen ist ein Aussondern, Begrenzen, Unterscheiden und Beschreiben bestimmter erlebter Phänomene, die dadurch klar vergegenwärtigt und mit einem bestimmten Ausdruck regelmäßig benannt werden. So beschreiben wir die Arten von Trugwahrnehmungen, Wahnerlebnissen, Zwangsvorgangen, die Weisen des Personlichkeitsbewußtseins, der Triebe usw. Hierbei sehen wir noch ganz ab von der Entstehung der Phänomene, dem Auseinanderhervorgehen seelischer Phanomene, von theoretischen Vorstellungen über Zugrundeliegendes, wir wenden uns rein dem wirklich Erlebten zu.

Allgemeine Psychopathologie, 9. Auflage 1973, S. 22.

Nichts von Wesensschau und Intuition, übrigens ein krasser Gegensatz zur Freudschen Methodik. Maxwell war ein frommer Christ, und vermutlich schrieb er seine Ideen der göttlichen Inspiration zu. Entwertet das seine Gleichungen?

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 17:57:52
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06Dann muss man sich dann auch die Kritik gefallen lassen, das man sehr wenig über den Gegenstand seiner Disziplin, nämlich das menschliche Gehirn weiß.
Sind die Kasuistiken in #61, in #63 oder die schwere Depression mit psychotischen Symptomen ,,Heideggersche Existenzanalyse", oder sind sie Realität?


Heidegger führte keine Existenzanalyse durch, sondern behandelte die Seinsfrage im Rahmen der Fundamentalontologie. Ich hoffe, das hilft weiter.

Außerdem hast du zuvor bestritten, dass philosophische Ansichten die Psychopathologie irgendwie beeinflusst haben. Bei Jaspers war das jedoch nicht der Fall.

eLender

Nur noch mal eine Erinnerung, worum es hier eigentlich geht. Kurz, knapp und richtig. Die Videos von Denkgegner wollen davon nur ablenken:

ZitatAntipsychiatrie
Femininum, Singular
Englisch: antipsychiatry
Politische und soziale Bewegung (ca. 1965–1975), die Kritik an offenkundigen Missständen in psychiatrischen Institutionen (Anstaltspsychiatrie) übte und die herrschenden Theorien über die Entstehung und Behandlung psychischer Störungen grundsätzlich ablehnte.

Vertreter
R. Laing, Th. Szasz, D. Cooper, M. Foucault.

Geschichte
Psychische Störungen wurden aufgrund ideologischer Überlegungen mystifiziert und als Ergebnis eines fehlgeleiteten gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses interpretiert; die institutionelle Psychiatrie wurde als Stätte staatlicher Repression diskreditiert, psychisches Kranksein z. T. geleugnet; psychische Störungen, insbes. Schizophrenie, seien Folge unerträglicher gesellschaftlicher Bedingungen und daraus resultierender Fehlentwicklungen; der Psychiatrie wurde vorgeworfen, sie legitimiere die Isolierung und Vernichtung von Individuen, die von sozialen Normen abweichen.

Hinweis
Die antipsychiatrische Bewegung legte kein schlüssiges, wissenschaftliches und therapeutisches Gegenkonzept vor. Die Psychiatrie-Reform der vergangenen Jahrzehnte trug wesentlich zum Abklingen der antipsychiatrischen Bewegung bei.
vgl. Labeling-Theorie.
https://www.pschyrembel.de/Antipsychiatrie/P04HX

Das Ding ist so tot wie der Kommunismus. Ewiggestrige gibt es immer, die sind einfach hängen geblieben. Oder bei Scientology.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 21:51:03Noch eine Ergänzung.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater

Die Reihenfolge war umgekehrt, erst Psychiater, dann (ab 1913) Philosoph. Die alten Psychiater konnten nicht therapieren, sie konnten nur beobachten. Sie füllten Regalkilometer mit Krankenakten und verfügten somit über eine riesige empirische Basis. Jaspers schreibt, nachdem er kurz auf die Bedeutung der Statistik eingegangen ist:

Zitatb) Konkret logische Methoden der Auffassung und Forschung.
[...]
aa) Der erste Schritt zum wissenschaftlichen Erfassen des Seelischen ist ein Aussondern, Begrenzen, Unterscheiden und Beschreiben bestimmter erlebter Phänomene, die dadurch klar vergegenwärtigt und mit einem bestimmten Ausdruck regelmäßig benannt werden. So beschreiben wir die Arten von Trugwahrnehmungen, Wahnerlebnissen, Zwangsvorgangen, die Weisen des Personlichkeitsbewußtseins, der Triebe usw. Hierbei sehen wir noch ganz ab von der Entstehung der Phänomene, dem Auseinanderhervorgehen seelischer Phanomene, von theoretischen Vorstellungen über Zugrundeliegendes, wir wenden uns rein dem wirklich Erlebten zu.

Allgemeine Psychopathologie, 9. Auflage 1973, S. 22.

Nichts von Wesensschau und Intuition, übrigens ein krasser Gegensatz zur Freudschen Methodik. Maxwell war ein frommer Christ, und vermutlich schrieb er seine Ideen der göttlichen Inspiration zu. Entwertet das seine Gleichungen?


Auch das ist falsch.
1912 veröffentliche Jaspers den Aufsatz
"Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie".

Seine "Allgemeine Psychopathologie" trug wesentlich zur Begründung einer geisteswissenschaftlich orientierten Richtung innerhalb der Psychiatrie bei. Philosophisch-methodologische Impulse erhielt er von Husserl und Dilthey.