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Artikel 'Antipsychiatrie'

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Begonnen von Endgegner, 07. April 2023, 08:25:31

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Endgegner

"Die Antipsychiatrie ist eine weltanschauliche Strömung verschiedener Gruppierungen, die die Existenz psychischer Krankheiten bzw. die biologische Basis deren Entstehung leugnet und die Psychiatrie abschaffen will. Es wird u.a. behauptet, dass die "Seele" bzw. der "Geist" kein Bestandteil des Körpers ist und daher auch nicht medizinisch behandelt werden kann"

Ich bin überrascht, so etwas auf Psiram zu lesen. Besonders der Absatz über "Seele" & "Geister" verwundert mich.
Einige werden hier wohl das Buch von Bunge & Mahner 'Über die Natur der Dinge' gelesen haben. Meiner Meinung nach läßt sich eine materialistische Weltsicht nicht mit der Psychiatrie als medizinischer Fachdisziplin vereinbaren.
Wo nichts ist, da kann auch nichts behandelt werden.
Krankheiten haben gemeinhin einen empirischen und einen normativen Aspekt.
Bis jetzt, wurde keine biologische Basis für Störungen wie Schizophrenie, Depressionen, Schüchternheit oder Angst gefunden.

Es wäre vielleicht angemessen, valide Kritik an der Psychiatrie zu trennen, von Kritik die von Organisationen wie 'Scientology' kommt.

Peiresc

Und Deine Ansicht hältst Du für "valide Kritik"?  ;D

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 10:17:19Und Deine Ansicht hältst Du für "valide Kritik"?  ;D

Casting a cold eye on the psychiatric neuroimaging literature invites a conclusion that despite 30 years of intense research and considerable technological advances, this enterprise has not delivered a neurobiological account (i.e., a mechanistic explanation) for any psychiatric disorder, nor has it provided a credible imaging-based biomarker of clinical utility.

https://www.cell.com/neuron/pdf/S0896-6273(22)00647-X.pdf

"Despite years of research, we cannot explain or directly observe the pathophysiologies of major mental health disorders that we could use to define essential features."

https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/2786972

Peiresc

Wir hatten mal eine Kurzkritik an Christoph Bördlein aus psychiatrisch-historischer Sicht, hier:
https://forum.psiram.com/index.php?topic=12864.msg167038#msg167038

Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31Bunge & Mahner 'Über die Natur der Dinge'
Dieses Buch haben wir mal besprochen, hier:
https://blog.psiram.com/2018/12/lesereise-3-ueber-die-natur-der-dinge/
Von Psychiatrie ist darin nach meiner Erinnerung mit keiner Silbe die Rede.

Mario Bunge hat sich in einem Aufsatz am Ende seines Lebens explizit zur Psychiatrie geäußert, hier:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28660744/

Dieser Text ist auch im Volltext zu kriegen, wenn man ein bisschen herumklickt im Internet. Es ist die schwächste Leistung, die der große Philosoph jemals abgeliefert hat, behaupte ich jetzt mal: voller Missverständnisse und Fehldeutungen. Ich könnte das im Detail begründen, aber ich setze nicht voraus, dass daran allgemeines Interesse besteht. Bezeichnend, dass er keinem Psychiater, sondern einem Psychologen fürs Gegenlesen dankt - das ist ein Fachfremder.


Peiresc

Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 10:44:45nor has it provided a credible imaging-based biomarker of clinical utility.

Finde ich schon irgendwie komisch, wie dieser antiwissenschaftliche physikalistische Unsinn immer wieder tradiert wird. Weil kein Biomarker gefunden ist, gibt es die Krankheit nicht? Ich zitiere mal Bunge/Mahner, Natur der Dinge:

ZitatMit dieser szientistischen These ist nicht die Behauptung verbunden, dass auch tatsächlich alles wissenschaftlich erforscht werden muss oder dass etwas nur dann real ist, wenn es erforscht worden ist. Schon gar nicht damit verbunden ist die von antiwissenschaftlich eingestellten Personen oft gemachte oder implizierte Behauptung, dass etwas wegerklärt oder entwertet ist, sobald man es wissenschaftlich erklärt hat. Auch wenn völlig erklärt sein sollte, wie und warum ich jemanden liebe oder hasse, warum ich lieber Rotwein trinke als Bier oder was in mir vorgeht, wenn ich Musik höre: All dies ändert nichts an der Qualität oder Intensität dieser Gefühle oder Empfindungen.
(S. 209)

Natürlich gilt dann auch: die Qualität/Intensität, d. h. die Behandlungsbedürftigkeit, einer psychischen Störung/Erkrankung ist unabhängig davon, ob Biomarker existieren.

zimtspinne

Biomarker für Depression sind zwar noch nicht breitflächig im Einsatz, ich hatte dazu aber vor einiger Zeit was gelesen. 


Reality is transphobic.

zimtspinne

Ja, da ist es:
https://www.nature.com/articles/s41380-021-01399-1

War grade nicht mehr sicher, obs da um Biomarker für die Wirksamkeit von Andidepressiva ging und ich da eben nur was durcheinandergebracht hatte.

Zumindest sind die Biomarker jetzt nicht als Kuriosum vom Himmel gefallen; es gibt sie wirklich :)



noch ein Nachtrag:
https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/129-biomarker-depressionen

"Blutmetabolom" ist auch mal ein ... interessantes Wort.
Reality is transphobic.

Endgegner

Zitat von: zimtspinne am 07. April 2023, 12:14:16Ja, da ist es:
https://www.nature.com/articles/s41380-021-01399-1

War grade nicht mehr sicher, obs da um Biomarker für die Wirksamkeit von Andidepressiva ging und ich da eben nur was durcheinandergebracht hatte.

Zumindest sind die Biomarker jetzt nicht als Kuriosum vom Himmel gefallen; es gibt sie wirklich :)



noch ein Nachtrag:
https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/129-biomarker-depressionen

"Blutmetabolom" ist auch mal ein ... interessantes Wort.

Das ist alles noch im entstehen. Diese Surrogat-Endpunkte, die da erforscht werden, liefern uns noch keine eindeutigen Hinweise darauf, ob es den Patienten langfristig besser geht.
Auch hatte die eine Studie nur ne begrenzte Teilnehmerzahl.

Das ist ein gängiges Problem in der Medizin: Es ist z.b einfacher nachzuweisen, dass ein Medikament den Blutdruck senkt, als zu zeigen, dass dadurch weniger Menschen einen Herzinfarkt erleiden.
Oder im Fall von schweren Depressionen, es evtl. weniger Suizide gibt.

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 10:54:55
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 10:44:45nor has it provided a credible imaging-based biomarker of clinical utility.

Finde ich schon irgendwie komisch, wie dieser antiwissenschaftliche physikalistische Unsinn immer wieder tradiert wird. Weil kein Biomarker gefunden ist, gibt es die Krankheit nicht? Ich zitiere mal Bunge/Mahner, Natur der Dinge:

ZitatMit dieser szientistischen These ist nicht die Behauptung verbunden, dass auch tatsächlich alles wissenschaftlich erforscht werden muss oder dass etwas nur dann real ist, wenn es erforscht worden ist. Schon gar nicht damit verbunden ist die von antiwissenschaftlich eingestellten Personen oft gemachte oder implizierte Behauptung, dass etwas wegerklärt oder entwertet ist, sobald man es wissenschaftlich erklärt hat. Auch wenn völlig erklärt sein sollte, wie und warum ich jemanden liebe oder hasse, warum ich lieber Rotwein trinke als Bier oder was in mir vorgeht, wenn ich Musik höre: All dies ändert nichts an der Qualität oder Intensität dieser Gefühle oder Empfindungen.
(S. 209)

Natürlich gilt dann auch: die Qualität/Intensität, d. h. die Behandlungsbedürftigkeit, einer psychischen Störung/Erkrankung ist unabhängig davon, ob Biomarker existieren.


Sagt ja niemand, dass es diese Gefühle nicht gibt. Aber sich nur auf die normative bzw. subjektive Seite einer Krankheit zu fokkusieren, lädt eben ein zu Scharlatanerie.
Manche nehmen Globuli gegen ihre Depressionen und fühlen sich danach sichtlich besser. Lag die Besserung dann am Placebo Effekt oder tatsächlich an der magischen Wirkung dieser Pillen? Wir werden es nicht rausfinden, wenn man nur nach individuellen Befindlichkeiten fragt.

Peiresc

Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53Wir werden es nicht rausfinden
Ich weiß nicht, wen Du mit "wir" meinst: mich jedenfalls nicht. Hast Du Dich schon einmal mit den Anfangsgründen klinischer Forschung befasst?

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 16:01:49
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53Wir werden es nicht rausfinden
Ich weiß nicht, wen Du mit "wir" meinst: mich jedenfalls nicht. Hast Du Dich schon einmal mit den Anfangsgründen klinischer Forschung befasst?

Darum geht es nicht.
Es geht darum, das man subjektiven Einschätzungen misstrauen sollte - ob von Ärzten oder Patienten selbst.

Peiresc

Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 16:11:55Darum geht es nicht.
Oh doch. Deine Selbstgewissheit würde in Erstaunen setzen, wenn sie nicht so verbreitet wäre. Hast Du schon mal was von vergleichenden Untersuchungen gehört? Warum sollten sie bei psychischen Störungen nicht möglich sein?

Endgegner

Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 16:36:40
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 16:11:55Darum geht es nicht.
Oh doch. Deine Selbstgewissheit würde in Erstaunen setzen, wenn sie nicht so verbreitet wäre. Hast Du schon mal was von vergleichenden Untersuchungen gehört? Warum sollten sie bei psychischen Störungen nicht möglich sein?

Unmöglich nicht.
Aber es gibt große Probleme bei der Standardisierung von Messungen und eine allgemeine Heterogenität der Störungen etc.

Peiresc

Ich will Dir jetzt nicht zu nahe treten, aber irgendwie scheinst Du selten die Mitte zwischen Banalität und Absurdität zu treffen.

zimtspinne

Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:11:17Das ist ein gängiges Problem in der Medizin: Es ist z.b einfacher nachzuweisen, dass ein Medikament den Blutdruck senkt, als zu zeigen, dass dadurch weniger Menschen einen Herzinfarkt erleiden.

da hast du dir ja gerade einen guten Vergleich rausgesucht...
Blutdruck und Herz sind eine dermaßen komplexe Sache, dass mir gleich ganz blümerant wird (musste mich mit dem Thema mal näher befassen bzw eigentlich nur mit einer speziellen Herzerkrankung, automatisch kommt man dann aber vom Baum zum Ast zum Zweig und Blättchen... und hier landen meine Gedanken sogar am Ende noch bei Ozempic, gerade eben, beim Stichwort BlutHOCHdruck, tztz.)


Reality is transphobic.