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Deutsch => Unzufrieden mit einem Psiram-Artikel? => Thema gestartet von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31

Titel: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31
"Die Antipsychiatrie ist eine weltanschauliche Strömung verschiedener Gruppierungen, die die Existenz psychischer Krankheiten bzw. die biologische Basis deren Entstehung leugnet und die Psychiatrie abschaffen will. Es wird u.a. behauptet, dass die "Seele" bzw. der "Geist" kein Bestandteil des Körpers ist und daher auch nicht medizinisch behandelt werden kann"

Ich bin überrascht, so etwas auf Psiram zu lesen. Besonders der Absatz über "Seele" & "Geister" verwundert mich.
Einige werden hier wohl das Buch von Bunge & Mahner 'Über die Natur der Dinge' gelesen haben. Meiner Meinung nach läßt sich eine materialistische Weltsicht nicht mit der Psychiatrie als medizinischer Fachdisziplin vereinbaren.
Wo nichts ist, da kann auch nichts behandelt werden.
Krankheiten haben gemeinhin einen empirischen und einen normativen Aspekt.
Bis jetzt, wurde keine biologische Basis für Störungen wie Schizophrenie, Depressionen, Schüchternheit oder Angst gefunden.

Es wäre vielleicht angemessen, valide Kritik an der Psychiatrie zu trennen, von Kritik die von Organisationen wie 'Scientology' kommt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 10:17:19
Und Deine Ansicht hältst Du für "valide Kritik"?  ;D
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 10:44:45
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 10:17:19Und Deine Ansicht hältst Du für "valide Kritik"?  ;D

Casting a cold eye on the psychiatric neuroimaging literature invites a conclusion that despite 30 years of intense research and considerable technological advances, this enterprise has not delivered a neurobiological account (i.e., a mechanistic explanation) for any psychiatric disorder, nor has it provided a credible imaging-based biomarker of clinical utility.

https://www.cell.com/neuron/pdf/S0896-6273(22)00647-X.pdf

"Despite years of research, we cannot explain or directly observe the pathophysiologies of major mental health disorders that we could use to define essential features."

https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/2786972
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 10:44:51
Wir hatten mal eine Kurzkritik an Christoph Bördlein aus psychiatrisch-historischer Sicht, hier:
https://forum.psiram.com/index.php?topic=12864.msg167038#msg167038

Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31Bunge & Mahner 'Über die Natur der Dinge'
Dieses Buch haben wir mal besprochen, hier:
https://blog.psiram.com/2018/12/lesereise-3-ueber-die-natur-der-dinge/
Von Psychiatrie ist darin nach meiner Erinnerung mit keiner Silbe die Rede.

Mario Bunge hat sich in einem Aufsatz am Ende seines Lebens explizit zur Psychiatrie geäußert, hier:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28660744/

Dieser Text ist auch im Volltext zu kriegen, wenn man ein bisschen herumklickt im Internet. Es ist die schwächste Leistung, die der große Philosoph jemals abgeliefert hat, behaupte ich jetzt mal: voller Missverständnisse und Fehldeutungen. Ich könnte das im Detail begründen, aber ich setze nicht voraus, dass daran allgemeines Interesse besteht. Bezeichnend, dass er keinem Psychiater, sondern einem Psychologen fürs Gegenlesen dankt - das ist ein Fachfremder.

Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 10:54:55
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 10:44:45nor has it provided a credible imaging-based biomarker of clinical utility.

Finde ich schon irgendwie komisch, wie dieser antiwissenschaftliche physikalistische Unsinn immer wieder tradiert wird. Weil kein Biomarker gefunden ist, gibt es die Krankheit nicht? Ich zitiere mal Bunge/Mahner, Natur der Dinge:

ZitatMit dieser szientistischen These ist nicht die Behauptung verbunden, dass auch tatsächlich alles wissenschaftlich erforscht werden muss oder dass etwas nur dann real ist, wenn es erforscht worden ist. Schon gar nicht damit verbunden ist die von antiwissenschaftlich eingestellten Personen oft gemachte oder implizierte Behauptung, dass etwas wegerklärt oder entwertet ist, sobald man es wissenschaftlich erklärt hat. Auch wenn völlig erklärt sein sollte, wie und warum ich jemanden liebe oder hasse, warum ich lieber Rotwein trinke als Bier oder was in mir vorgeht, wenn ich Musik höre: All dies ändert nichts an der Qualität oder Intensität dieser Gefühle oder Empfindungen.
(S. 209)

Natürlich gilt dann auch: die Qualität/Intensität, d. h. die Behandlungsbedürftigkeit, einer psychischen Störung/Erkrankung ist unabhängig davon, ob Biomarker existieren.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 07. April 2023, 12:10:21
Biomarker für Depression sind zwar noch nicht breitflächig im Einsatz, ich hatte dazu aber vor einiger Zeit was gelesen. 


Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 07. April 2023, 12:14:16
Ja, da ist es:
https://www.nature.com/articles/s41380-021-01399-1

War grade nicht mehr sicher, obs da um Biomarker für die Wirksamkeit von Andidepressiva ging und ich da eben nur was durcheinandergebracht hatte.

Zumindest sind die Biomarker jetzt nicht als Kuriosum vom Himmel gefallen; es gibt sie wirklich :)



noch ein Nachtrag:
https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/129-biomarker-depressionen

"Blutmetabolom" ist auch mal ein ... interessantes Wort.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 15:11:17
Zitat von: zimtspinne am 07. April 2023, 12:14:16Ja, da ist es:
https://www.nature.com/articles/s41380-021-01399-1

War grade nicht mehr sicher, obs da um Biomarker für die Wirksamkeit von Andidepressiva ging und ich da eben nur was durcheinandergebracht hatte.

Zumindest sind die Biomarker jetzt nicht als Kuriosum vom Himmel gefallen; es gibt sie wirklich :)



noch ein Nachtrag:
https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/129-biomarker-depressionen

"Blutmetabolom" ist auch mal ein ... interessantes Wort.

Das ist alles noch im entstehen. Diese Surrogat-Endpunkte, die da erforscht werden, liefern uns noch keine eindeutigen Hinweise darauf, ob es den Patienten langfristig besser geht.
Auch hatte die eine Studie nur ne begrenzte Teilnehmerzahl.

Das ist ein gängiges Problem in der Medizin: Es ist z.b einfacher nachzuweisen, dass ein Medikament den Blutdruck senkt, als zu zeigen, dass dadurch weniger Menschen einen Herzinfarkt erleiden.
Oder im Fall von schweren Depressionen, es evtl. weniger Suizide gibt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 10:54:55
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 10:44:45nor has it provided a credible imaging-based biomarker of clinical utility.

Finde ich schon irgendwie komisch, wie dieser antiwissenschaftliche physikalistische Unsinn immer wieder tradiert wird. Weil kein Biomarker gefunden ist, gibt es die Krankheit nicht? Ich zitiere mal Bunge/Mahner, Natur der Dinge:

ZitatMit dieser szientistischen These ist nicht die Behauptung verbunden, dass auch tatsächlich alles wissenschaftlich erforscht werden muss oder dass etwas nur dann real ist, wenn es erforscht worden ist. Schon gar nicht damit verbunden ist die von antiwissenschaftlich eingestellten Personen oft gemachte oder implizierte Behauptung, dass etwas wegerklärt oder entwertet ist, sobald man es wissenschaftlich erklärt hat. Auch wenn völlig erklärt sein sollte, wie und warum ich jemanden liebe oder hasse, warum ich lieber Rotwein trinke als Bier oder was in mir vorgeht, wenn ich Musik höre: All dies ändert nichts an der Qualität oder Intensität dieser Gefühle oder Empfindungen.
(S. 209)

Natürlich gilt dann auch: die Qualität/Intensität, d. h. die Behandlungsbedürftigkeit, einer psychischen Störung/Erkrankung ist unabhängig davon, ob Biomarker existieren.


Sagt ja niemand, dass es diese Gefühle nicht gibt. Aber sich nur auf die normative bzw. subjektive Seite einer Krankheit zu fokkusieren, lädt eben ein zu Scharlatanerie.
Manche nehmen Globuli gegen ihre Depressionen und fühlen sich danach sichtlich besser. Lag die Besserung dann am Placebo Effekt oder tatsächlich an der magischen Wirkung dieser Pillen? Wir werden es nicht rausfinden, wenn man nur nach individuellen Befindlichkeiten fragt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 16:01:49
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53Wir werden es nicht rausfinden
Ich weiß nicht, wen Du mit "wir" meinst: mich jedenfalls nicht. Hast Du Dich schon einmal mit den Anfangsgründen klinischer Forschung befasst?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 16:11:55
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 16:01:49
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53Wir werden es nicht rausfinden
Ich weiß nicht, wen Du mit "wir" meinst: mich jedenfalls nicht. Hast Du Dich schon einmal mit den Anfangsgründen klinischer Forschung befasst?

Darum geht es nicht.
Es geht darum, das man subjektiven Einschätzungen misstrauen sollte - ob von Ärzten oder Patienten selbst.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 16:36:40
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 16:11:55Darum geht es nicht.
Oh doch. Deine Selbstgewissheit würde in Erstaunen setzen, wenn sie nicht so verbreitet wäre. Hast Du schon mal was von vergleichenden Untersuchungen gehört? Warum sollten sie bei psychischen Störungen nicht möglich sein?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 16:42:55
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 16:36:40
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 16:11:55Darum geht es nicht.
Oh doch. Deine Selbstgewissheit würde in Erstaunen setzen, wenn sie nicht so verbreitet wäre. Hast Du schon mal was von vergleichenden Untersuchungen gehört? Warum sollten sie bei psychischen Störungen nicht möglich sein?

Unmöglich nicht.
Aber es gibt große Probleme bei der Standardisierung von Messungen und eine allgemeine Heterogenität der Störungen etc.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 16:53:06
Ich will Dir jetzt nicht zu nahe treten, aber irgendwie scheinst Du selten die Mitte zwischen Banalität und Absurdität zu treffen.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 07. April 2023, 17:37:38
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:11:17Das ist ein gängiges Problem in der Medizin: Es ist z.b einfacher nachzuweisen, dass ein Medikament den Blutdruck senkt, als zu zeigen, dass dadurch weniger Menschen einen Herzinfarkt erleiden.

da hast du dir ja gerade einen guten Vergleich rausgesucht...
Blutdruck und Herz sind eine dermaßen komplexe Sache, dass mir gleich ganz blümerant wird (musste mich mit dem Thema mal näher befassen bzw eigentlich nur mit einer speziellen Herzerkrankung, automatisch kommt man dann aber vom Baum zum Ast zum Zweig und Blättchen... und hier landen meine Gedanken sogar am Ende noch bei Ozempic, gerade eben, beim Stichwort BlutHOCHdruck, tztz.)


Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 17:44:10
Zitat von: zimtspinne am 07. April 2023, 17:37:38
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:11:17Das ist ein gängiges Problem in der Medizin: Es ist z.b einfacher nachzuweisen, dass ein Medikament den Blutdruck senkt, als zu zeigen, dass dadurch weniger Menschen einen Herzinfarkt erleiden.
da hast du dir ja gerade einen guten Vergleich rausgesucht...
Nein, das ist völlig korrekt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 07. April 2023, 19:39:34
Der Wiki-Artikel ist lange nicht mehr bearbeitet worden (seit 2013) und es finden sich mittlerweile ganz gute Beiträge zum Thema (der WP-Artikel wird zu recht bemängelt, er stellt nur eine sehr einseitige Sicht dar).

https://www.psiram.com/de/index.php/Antipsychiatrie

Besser als WP fasst es Spektrum zusammen:

ZitatAntipsychiatrie, gegen die Ausgrenzung und Hospitalisierung psychisch Kranker gerichtete radikale Bewegung Ende der 60er Jahre, wie dies in der traditionellen Psychiatrie üblich war (und ist). Ausgangspunkt dieser vor allem von R. D. Laing, Cooper, Szasz und Foucault initiierten Bewegung gegen die Anstaltsverwahrung war die Sicht, daß die Umwelt, und hier vor allem die Familie, die Agenten der Entfremdung, und die Gesellschaft die Ursachen psychischer Erkrankung seien. "Mental illness" sei ein Mythos, eine satanische Erfindung inhumaner, verbrecherischjer Agenten der Gesellschaft, um mißliebige Mitglieder zu etikettieren und auszustoßen. Krank sei die Gesellschaft, nicht der einzelne Leidende. Der einzelne sei völlig durch die Gesellschaft determiniert. So begann in der Kingsley Hall in London das zum Scheitern verurteilte Experiment einer therapeutischen Gemeinschaft, wo Hilfesuchende und Helfer ohne professionellen Anspruch sich zusammentaten, an einem ein Ort, wo man sich "verlieren" und eine "Reise nach innen", "in den Schoß aller Dinge", durch den Wahnsinn antreten könne, um in eine neue Freiheit zurükzukehren. Aus der Vielzahl antipsychiatrischer Bewegungen entwickelte sich schließlich das Konzept der gemeindenahen Psychiatrie.
https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/antipsychiatrie/1124

Ein grundsätzlicher Artikel aus der Zeit, der das Problem gut zusammenfasst. Ich zitiere nur selektiv:
ZitatSzasz hielt Geisteskrankheiten für eine Art modernen Aberglauben: Ursprünglich hätten psychiatrische Diagnosen als "sprachliche Abkürzung" gedient, um bestimmte problematische Verhaltensweisen zusammenzufassen. Doch inzwischen sähen Kliniker die Störungen selbst für die Ursache des Problems an – für Szasz ein fataler Denkfehler. "Statt die Aufmerksamkeit auf miteinander in Konflikt stehende menschliche Bedürfnisse, Bestrebungen und Werte zu lenken, liefert der Begriff der Geisteskrankheit ein amoralisches und unpersönliches 'Ding' (...) als Erklärung für Lebensprobleme", schrieb der Wissenschaftler 1960 im American Psychologist und legte nach: "Wir sollten uns daran erinnern, dass es vor noch gar nicht so langer Zeit Teufel und Hexen waren, die für die Probleme des menschlichen Zusammenlebens verantwortlich gemacht wurden."

Trotz seiner fundamentalen Kritik an der psychiatrischen Diagnostik sah sich Szasz selbst nie als Antipsychiater: Einen kritischen Augenarzt nenne man ja auch kaum "Antiaugenarzt", meinte er. Obwohl Szasz' kämpferische  Texte bei einem breiten Publikum Anklang fanden, fiel er bei vielen seiner Mitstreiter bald in Ungnade: Er war 1969 Mitbegründer der "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte" – einer Untergruppierung der Scientology-Sekte, welche die Psychiatriekritik für ihre ganz eigenen Zwecke instrumentalisierte und auch heute noch in einigen deutschen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-01/antipsychiatrie-psychiatrien-psychologie-patienten/komplettansicht

Der Verweis auf Scientology ist gut begründet, das sind alles außerwissenschaftliche Ansätze, die nur noch von Fanatikern vertreten werden (aber historisch durchaus eine gewisse Rechtfertigung haben). Als wäre das alles so einfach einzuordnen. Wundert mich kaum, das das auch auf Foucault zurückgeht und Sozialisten von dem "Ansatz" hellauf begeistert waren.

ZitatDas SPK betrachtete die kapitalistische Leistungsgesellschaft als Ursache psychischer Leiden. "Es darf keine therapeutische Tat geben, die nicht zuvor klar und eindeutig als revolutionäre Tat ausgewiesen worden ist", forderte Huber. Folgerichtig lasen die Patienten in seinen "Einzel- und Gruppenagitationen" Texte von Hegel und Marx und schulten sich in revolutionärem Denken. Ein kleiner Kreis experimentierte gar mit Schusswaffen und selbst gebauter Sprengtechnik.

Ähnlichkeiten mit anderen Veranstaltungen sind rein zufällig ::)

ZitatSeit 2013 findet in Deutschland jährlich die Mad-Pride-Parade statt – unter dem Motto "behindert und verrückt feiern".

ZitatDie Antipsychiatrie befindet sich in einer paradoxen Lage: Zwar sind ihre Thesen inzwischen sogar bei Menschen populär, die von der Bewegung noch nie gehört haben. Gleichzeitig spielen ihre radikalen und teils ungeschickten Aktionen in der Öffentlichkeit aber kaum eine Rolle.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 07. April 2023, 19:47:50
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31Bis jetzt, wurde keine biologische Basis für Störungen wie Schizophrenie...
Echt? Wie kann es dann sein, dass das - sehr gut belegt - eine hohe Erblichkeit hat? Es gibt mittlerweile jede Menge Daten zur genetischen Begründung dieser Erkrankung.

ZitatHunderte von Forschenden in 45 Ländern haben dafür die DNA von 76.755 Menschen mit Schizophrenie sowie von 243.649 Menschen ohne Schizophrenie analysiert. Dafür haben sie eine genomweite Assoziationsstudie durchgeführt. Eine solche untersucht die Genome – die DNA-Baupläne des menschlichen Körpers – von tausenden Personen in Hinblick auf ein spezifisches Merkmal, zum Beispiel eine Krankheit. Ziel ist es, Korrelationen abzuleiten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten nach Abschnitten auf der DNA, die in Verbindung mit Schizophrenie stehen, also mit der Anfälligkeit für diese Erkrankung ,,assoziiert" sind. Sie fanden in 287 verschiedenen Regionen des Genoms genetische Assoziationen zur Schizophrenie. Vorherige Studien zeigten bislang 100 Regionen auf. Durch die Verwendung moderner Analysemethoden innerhalb dieser Regionen entdeckten sie dann 120 spezifische Gene, die wahrscheinlich zu der psychischen Störung beitragen.
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/die_biologie_der_schizophrenie_besser_verstehen/

So funktioniert nun mal Forschung und Wissenschaft: es ist längst nicht alles ge- und erklärt, aber man bewegt sich in die richtige Richtung. Kein Mensch kann heute sagen, dass wir alle Krankheiten in den Griff bekommen, aber so zu tun, als wäre Medizin eine statische Veranstaltung, geht an der Realität vorbei.

Zitat,,Unsere Erkenntnisse könnten nun als Grundlage für weitere Studien zur Entwicklung neuer Medikamente dienen." Vor allem könnten Genvarianten, die zu veränderten Aktivitäten von Synapsen, die den Botenstoff Glutamat nutzen, oder von Calciumkanälen führen, als Biomarker für die künftige Diagnose von Schizophrenie dienen oder ein besseres Verständnis der molekularen Ursachen ermöglichen.

Solche Assoziationen mit Genen, die im zentralen Nervensystem eine entscheidende Rolle spielen, sind besonders wichtig für die Entwicklung künftiger Behandlungsstrategien. In der neuen Studie konnte auch der bereits bekannte Zusammenhang zwischen Schizophrenie und dem Gen für das Typ-2 dopaminerge Rezeptor-Protein (DRD2) bestätigt werden. ,,Alle derzeit vorhandenen anti-psychotischen Medikamente wirken vermutlich dadurch, dass sie DRD2 blockieren", erklärt Bertram Müller-Myhsok. ,,Seitdem dieser Mechanismus vor über 60 Jahren entdeckt worden ist, sind keine weiteren wirksamen anti-psychotischen Medikamente mehr entwickelt worden, die auf andere Moleküle abzielen."

Der Stillstand in der Medikamentenentwicklung beruht also größtenteils darauf, dass die krankheitsverursachenden Mechanismen bisher noch unbekannt sind. Folglich wäre die Erforschung der eigentlichen Ursachen der Schizophrenie ein entscheidender Schritt hin zu einer Optimierung von Therapie und Behandlungsergebnis.
https://www.mpg.de/8316066/gene-schizophrenie
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 20:55:20
Zitat von: eLender am 07. April 2023, 19:47:50
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31Bis jetzt, wurde keine biologische Basis für Störungen wie Schizophrenie...
Echt? Wie kann es dann sein, dass das - sehr gut belegt - eine hohe Erblichkeit hat? Es gibt mittlerweile jede Menge Daten zur genetischen Begründung dieser Erkrankung.

ZitatHunderte von Forschenden in 45 Ländern haben dafür die DNA von 76.755 Menschen mit Schizophrenie sowie von 243.649 Menschen ohne Schizophrenie analysiert. Dafür haben sie eine genomweite Assoziationsstudie durchgeführt. Eine solche untersucht die Genome – die DNA-Baupläne des menschlichen Körpers – von tausenden Personen in Hinblick auf ein spezifisches Merkmal, zum Beispiel eine Krankheit. Ziel ist es, Korrelationen abzuleiten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten nach Abschnitten auf der DNA, die in Verbindung mit Schizophrenie stehen, also mit der Anfälligkeit für diese Erkrankung ,,assoziiert" sind. Sie fanden in 287 verschiedenen Regionen des Genoms genetische Assoziationen zur Schizophrenie. Vorherige Studien zeigten bislang 100 Regionen auf. Durch die Verwendung moderner Analysemethoden innerhalb dieser Regionen entdeckten sie dann 120 spezifische Gene, die wahrscheinlich zu der psychischen Störung beitragen.
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/die_biologie_der_schizophrenie_besser_verstehen/

So funktioniert nun mal Forschung und Wissenschaft: es ist längst nicht alles ge- und erklärt, aber man bewegt sich in die richtige Richtung. Kein Mensch kann heute sagen, dass wir alle Krankheiten in den Griff bekommen, aber so zu tun, als wäre Medizin eine statische Veranstaltung, geht an der Realität vorbei.

Zitat,,Unsere Erkenntnisse könnten nun als Grundlage für weitere Studien zur Entwicklung neuer Medikamente dienen." Vor allem könnten Genvarianten, die zu veränderten Aktivitäten von Synapsen, die den Botenstoff Glutamat nutzen, oder von Calciumkanälen führen, als Biomarker für die künftige Diagnose von Schizophrenie dienen oder ein besseres Verständnis der molekularen Ursachen ermöglichen.

Solche Assoziationen mit Genen, die im zentralen Nervensystem eine entscheidende Rolle spielen, sind besonders wichtig für die Entwicklung künftiger Behandlungsstrategien. In der neuen Studie konnte auch der bereits bekannte Zusammenhang zwischen Schizophrenie und dem Gen für das Typ-2 dopaminerge Rezeptor-Protein (DRD2) bestätigt werden. ,,Alle derzeit vorhandenen anti-psychotischen Medikamente wirken vermutlich dadurch, dass sie DRD2 blockieren", erklärt Bertram Müller-Myhsok. ,,Seitdem dieser Mechanismus vor über 60 Jahren entdeckt worden ist, sind keine weiteren wirksamen anti-psychotischen Medikamente mehr entwickelt worden, die auf andere Moleküle abzielen."

Der Stillstand in der Medikamentenentwicklung beruht also größtenteils darauf, dass die krankheitsverursachenden Mechanismen bisher noch unbekannt sind. Folglich wäre die Erforschung der eigentlichen Ursachen der Schizophrenie ein entscheidender Schritt hin zu einer Optimierung von Therapie und Behandlungsergebnis.
https://www.mpg.de/8316066/gene-schizophrenie

Ja, ist toll wenn das was wird.
Ansonsten isses halt nur weitere Geldverschwendung wie frühere Forschung dieser Art.

https://www.theatlantic.com/science/archive/2019/05/waste-1000-studies/589684/
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 21:45:50
Zitat von: eLender am 07. April 2023, 19:47:50
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31Bis jetzt, wurde keine biologische Basis für Störungen wie Schizophrenie...
Echt? Wie kann es dann sein, dass das - sehr gut belegt - eine hohe Erblichkeit hat? Es gibt mittlerweile jede Menge Daten zur genetischen Begründung dieser Erkrankung.

ZitatHunderte von Forschenden in 45 Ländern haben dafür die DNA von 76.755 Menschen mit Schizophrenie sowie von 243.649 Menschen ohne Schizophrenie analysiert. Dafür haben sie eine genomweite Assoziationsstudie durchgeführt. Eine solche untersucht die Genome – die DNA-Baupläne des menschlichen Körpers – von tausenden Personen in Hinblick auf ein spezifisches Merkmal, zum Beispiel eine Krankheit. Ziel ist es, Korrelationen abzuleiten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler suchten nach Abschnitten auf der DNA, die in Verbindung mit Schizophrenie stehen, also mit der Anfälligkeit für diese Erkrankung ,,assoziiert" sind. Sie fanden in 287 verschiedenen Regionen des Genoms genetische Assoziationen zur Schizophrenie. Vorherige Studien zeigten bislang 100 Regionen auf. Durch die Verwendung moderner Analysemethoden innerhalb dieser Regionen entdeckten sie dann 120 spezifische Gene, die wahrscheinlich zu der psychischen Störung beitragen.
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/die_biologie_der_schizophrenie_besser_verstehen/

So funktioniert nun mal Forschung und Wissenschaft: es ist längst nicht alles ge- und erklärt, aber man bewegt sich in die richtige Richtung. Kein Mensch kann heute sagen, dass wir alle Krankheiten in den Griff bekommen, aber so zu tun, als wäre Medizin eine statische Veranstaltung, geht an der Realität vorbei.

Zitat,,Unsere Erkenntnisse könnten nun als Grundlage für weitere Studien zur Entwicklung neuer Medikamente dienen." Vor allem könnten Genvarianten, die zu veränderten Aktivitäten von Synapsen, die den Botenstoff Glutamat nutzen, oder von Calciumkanälen führen, als Biomarker für die künftige Diagnose von Schizophrenie dienen oder ein besseres Verständnis der molekularen Ursachen ermöglichen.

Solche Assoziationen mit Genen, die im zentralen Nervensystem eine entscheidende Rolle spielen, sind besonders wichtig für die Entwicklung künftiger Behandlungsstrategien. In der neuen Studie konnte auch der bereits bekannte Zusammenhang zwischen Schizophrenie und dem Gen für das Typ-2 dopaminerge Rezeptor-Protein (DRD2) bestätigt werden. ,,Alle derzeit vorhandenen anti-psychotischen Medikamente wirken vermutlich dadurch, dass sie DRD2 blockieren", erklärt Bertram Müller-Myhsok. ,,Seitdem dieser Mechanismus vor über 60 Jahren entdeckt worden ist, sind keine weiteren wirksamen anti-psychotischen Medikamente mehr entwickelt worden, die auf andere Moleküle abzielen."

Der Stillstand in der Medikamentenentwicklung beruht also größtenteils darauf, dass die krankheitsverursachenden Mechanismen bisher noch unbekannt sind. Folglich wäre die Erforschung der eigentlichen Ursachen der Schizophrenie ein entscheidender Schritt hin zu einer Optimierung von Therapie und Behandlungsergebnis.
https://www.mpg.de/8316066/gene-schizophrenie

Szasz und die Sozialisten haben in gewisser Weise recht. Wenn man psychische "Krankheiten" im evolutionären Kontext betrachtet, erkennt man eine Diskrepanz zwischen der modernen Welt und dem evolutionären Erbe des Menschen. Dies zeigt sich auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise der zunehmenden Fettleibigkeit in großen Teilen der Bevölkerung. Früher hätte Fettleibigkeit vermutlich einen Überlebensvorteil geboten, jedoch wird sie heutzutage als Krankheit eingestuft.

Ob nun unbedingt der Sozialismus uns das Heil bringt, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 21:46:01
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 20:55:20Ansonsten isses halt nur weitere Geldverschwendung wie frühere Forschung dieser Art.

https://www.theatlantic.com/science/archive/2019/05/waste-1000-studies/589684/ (https://www.theatlantic.com/science/archive/2019/05/waste-1000-studies/589684/)

Mir fällt auf, dass Du gelegentlich Links bringst, die etwas zum Thema beitragen könnten, aber erfahren werden wir das nie, weil der Volltext nicht verfügbar ist. Es ensteht der Verdacht, dass Du selber nicht mehr als die Abstracts oder Überschriften kennst. Was sind denn die "nonexistent foundations", auf die sich Yong beruft? Und gesetzt den Fall, er hätte Recht: ist es nicht reichlich billig, hinterher zu sagen, "ich hab's ja gleich gewusst"?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 21:51:04
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 21:45:50Szasz und die Sozialisten haben in gewisser Weise recht.
Vergiss es.

Zitat von: Peiresc am 22. Januar 2018, 07:27:38Abschließend noch zum antipsychiatrischen Scheiß:
ZitatDer Schutz von Freiheit und Eigentum vor all jenen, die diese Werte mißachten oder zerstören, sollte die Aufgabe von Richtern, Strafkammern und Gefängniswärtern, nicht von Psychiatern, Psychologen und Sozialarbeitern sein.
- Thomas Szasz, Grausames Mitleid, S. 292
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 21:55:46
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 21:46:01
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 20:55:20Ansonsten isses halt nur weitere Geldverschwendung wie frühere Forschung dieser Art.

https://www.theatlantic.com/science/archive/2019/05/waste-1000-studies/589684/ (https://www.theatlantic.com/science/archive/2019/05/waste-1000-studies/589684/)

Mir fällt auf, dass Du gelegentlich Links bringst, die etwas zum Thema beitragen könnten, aber erfahren werden wir das nie, weil der Volltext nicht verfügbar ist. Es ensteht der Verdacht, dass Du selber nicht mehr als die Abstracts oder Überschriften kennst. Was sind denn die "nonexistent foundations", auf die sich Yong beruft? Und gesetzt den Fall, er hätte Recht: ist es nicht reichlich billig, hinterher zu sagen, "ich hab's ja gleich gewusst"?


Wikipedia fasst die Debatte schön zusammen.

https://en.wikipedia.org/wiki/5-HTTLPR
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 07. April 2023, 22:06:02
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 21:46:01weil der Volltext nicht verfügbar ist
Bittschön:

https://12ft.io/proxy?q=https%3A%2F%2Fwww.theatlantic.com%2Fscience%2Farchive%2F2019%2F05%2Fwaste-1000-studies%2F589684%2F

Und man muss schon den ganzen Text lesen, um das überhaupt einordnen zu können. Das ist eine Position, die nicht in der Form sicher nicht mehrheitsfähig ist. Es ist aber auch ein Beispiel, wie Forschung und Wissenschaft funktionieren. Man kann immer einem falschen Ansatz hinterherlaufen (ja, auch weil er vll. zu vielversprechedn klingt oder weil er gerade in "Mode" ist). Aber ganz so einfach ist es nicht. Auch ein "Mißerfolg" bzw. eine Nicht-Bestätigung ist ein Fortschritt: man weiß jetzt, dass der Zusammenhang nicht so einfach sein kann. Und man lernt weiter hinzu: man muss sich halt nur fragen, warum das so ist. Und es ist nicht so, dass das niemand tut. Ich zitieren mal aus dem Atlantic:

ZitatNor, he says, should his work be taken to mean that genes don't affect depression. They do, and with newer, bigger studies, researchers are finally working out which ones do. If anything, the sordid history of the candidate-gene approach propelled the development of better methods. "I feel like the field of psychiatric genetics felt really burned coming out of the candidate-gene era, and took strides to make sure it won't happen again." That includes sharing data openly, and setting standards for how large and powerful studies need to be.

Dorothy Bishop of the University of Oxford argues that institutions and funders that supported candidate-gene work in depression should also be asking themselves some hard questions. "They need to recognize that even those who think they are elite are not immune to poor reproducibility, which leads to a huge amount of waste," she says.

"We have got to set up a system, or develop a culture, that rewards people for actually trying to do it right," adds Keller. "Those who don't learn from the past are doomed to repeat it."

Wir irren uns empor, aber wer keine Fehler macht, kann auch nicht lernen. Dabei ist es auch nicht so, dass man total daneben liegt, die Forschung geht weiter, auch die methodischen Ansätze werden komplexer (der Artikel ist von 2019, die Entwicklung bleibt nicht stehen). In 2021 scheint man den Ansatz nicht verworfen zu haben, man sieht das nur etwas differenzierter (der erste Hinweis stammt aus 1996, in der Genomforschung ist das Steinzeit). Man kann mittlerweile auch epigenetische Einflüsse untersuchen.

ZitatTaken together, we provide further evidence that age at depression onset is associated with SLEs, personality and depression severity. However, we found no associations between age at onset and SLC6A4 methylation. The joint investigation of variables originating in biology, psychology and psychiatry could make an important contribution to understanding the development of depressive disorders by elucidating potential subtypes of depression.
https://bmcpsychiatry.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12888-021-03166-6
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 07. April 2023, 22:11:36
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 21:45:50Früher hätte Fettleibigkeit vermutlich einen Überlebensvorteil geboten, jedoch wird sie heutzutage als Krankheit eingestuft.
Nö, das ist heute noch das gleiche. Es gab nur damals keine so hohe Verfügbarkeit an kalorienreichen Lebensmitteln. Adipositas wäre auch in der Steinzeit ein Problem gewesen, nix Überlebensvorteil. Du machst es dir zu einfach, das sind gedankliche Kurzschlüsse, die nur aussehen wie Argumente.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 22:26:09
Zitat von: eLender am 07. April 2023, 22:11:36
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 21:45:50Früher hätte Fettleibigkeit vermutlich einen Überlebensvorteil geboten, jedoch wird sie heutzutage als Krankheit eingestuft.
Nö, das ist heute noch das gleiche. Es gab nur damals keine so hohe Verfügbarkeit an kalorienreichen Lebensmitteln. Adipositas wäre auch in der Steinzeit ein Problem gewesen, nix Überlebensvorteil. Du machst es dir zu einfach, das sind gedankliche Kurzschlüsse, die nur aussehen wie Argumente.

Der biologische Mechanismus zur Fetteinlagerung dient natürlich dazu, Hungerperioden zu überstehen. Ich rede auch nicht von Adipositas sondern von Fettleibigkeit.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 07. April 2023, 22:28:13
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 22:26:09Ich rede auch nicht von Adipositas sondern von Fettleibigkeit.
Ich korrigiere: "Ich rede auch nicht von Fettleibigkeit sondern von Fettleibigkeit." :crazy
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 22:33:28
Zitat von: eLender am 07. April 2023, 22:06:02Bittschön:
Thx. Aber das sind Scheinargumente. Mit der Frage, ob unser Antipsychiatrie-Artikel richtig ist, hat das nix zu tun. Er mag alt sein, aber ich sehe auch keine grundsätzlich neuen Entwicklungen.

Laing ist ein esoterischer Spinner, und Szasz ein Menschenfeind.

ZitatAngelockt zum Lesen und Besprechen dieses Buches [Thomas Szasz' »Grausames Mitleid«] wurde ich von dem in seiner Widersprüchlichkeit so wunderbar stimmigen Titel und von einem Autor, der – ebenso widersprüchlich und konsequent – seit Jahrzehnten die Antipsychiatrie mit fundierten Theorien versorgt, gleichzeitig aber niemanden unflätiger beschimpft als die legendären linken Vertreter eben dieser Bewegung, Laing und Cooper.

Abgestoßen hat mich bei der Lektüre von Seite zu Seite mehr das grausame Desinteresse an den »Unproduktiven«, die tiefe Verachtung, die badness (Schlechtigkeit) mit madness (Verrücktheit) gleichsetzt, und die brutale Konsequenz einer von allem Sozialen bereinigten purkapitalistischen Weltanschauung. In bezug auf die Psychiatrie basiert diese auf den »bekannten Grundtatsachen der Existenz, nämlich, dass manche Menschen arbeiten und andere nicht und dass das Geschäft der Psychiatrie darin besteht, Armenfürsorge (getarnt als medizinische Versorgung) an erwachsenen Abhängigen zu betreiben (deren Faulheit und Zügellosigkeit sich als Krankheit tarnt)«.
http://www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/recht/szasz-rez.htm
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 07. April 2023, 22:35:36
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 22:33:28Mit der Frage, ob unser Antipsychiatrie-Artikel richtig ist, hat das nix zu tun
So ist es, es sind Nebelkerzen. Unser Artikel ist solide, er könnte nur etwas ausgebaut und aktualisiert werden. Mögen die Autoren die Hinweise verwursten ;)
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 22:36:57
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 22:26:09Ich rede auch nicht von Adipositas sondern von Fettleibigkeit.
:rofl2
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 22:42:23
Zitat von: eLender am 07. April 2023, 22:28:13
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 22:26:09Ich rede auch nicht von Adipositas sondern von Fettleibigkeit.
Ich korrigiere: "Ich rede auch nicht von Fettleibigkeit sondern von Fettleibigkeit." :crazy

Ist es wirklich so schwer zu verstehen...

https://www.klinikum-stuttgart.de/kliniken-institute-zentren/adipositas-zentrum/uebergewicht-und-adipositas#:~:text=Der%20BMI%20kann%20mit%20Hilfe,Schweregrade%20eingeteilt%20(siehe%20Tabelle).
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 07. April 2023, 22:46:41
Zitat von: eLender am 07. April 2023, 22:35:36
Zitat von: Peiresc am 07. April 2023, 22:33:28Mit der Frage, ob unser Antipsychiatrie-Artikel richtig ist, hat das nix zu tun
So ist es, es sind Nebelkerzen. Unser Artikel ist solide

Es fehlen aber immer noch eindeutige Belege über die biologischen Ursachen psychischer Krankheiten.
Wenn es diese vielleicht erst in 100 Jahren gibt, sollte man sich in der Zwischenzeit vielleicht etwas zurückhalten..
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 07. April 2023, 23:11:55
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 22:46:41Es fehlen aber immer noch eindeutige Belege über die biologischen Ursachen psychischer Krankheiten.

1. Na und? Wieso sollte der Antipsychiatrie-Artikel deshalb falsch sein? 2. Es gibt eine Reihe psychischer Erkrankungen, bei denen organische Ursachen völlig unumstritten sind, genauso wie es somatische Erkrankungen gibt, für die kein Substrat aufgedeckt ist, und 3. und vor allem, zurück zum Start:
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 08:25:31Meiner Meinung nach läßt sich eine materialistische Weltsicht nicht mit der Psychiatrie als medizinischer Fachdisziplin vereinbaren.
Das ist ein grotesker Unfug. Ich versichere Dir, es ist vereinbar.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 08. April 2023, 06:30:32
Noch eine Nachlese:
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53Manche nehmen Globuli gegen ihre Depressionen und fühlen sich danach sichtlich besser. Lag die Besserung dann am Placebo Effekt oder tatsächlich an der magischen Wirkung dieser Pillen? Wir werden es nicht rausfinden, wenn man nur nach individuellen Befindlichkeiten fragt.

Was ist eigentlich mit den Psychotherapeuten? Bei denen kommt niemand auf die Idee, nach Biomarkern zu fragen. Womit befassen die sich eigentlich, wenn nicht mit ,,Befindlichkeiten"? Gehören die auch alle abgeschafft?

Mit psychotherapeutischer Forschung haben wir uns mal ausführlicher beschäftigt, hier:
Kritik an "esoterischen" Therapien und der Stand der Psychotherapieforschung (https://forum.psiram.com/index.php?topic=16154.0)
Aspekte der Beziehung von Psychotherapie zu Psychiatrie in der Fortsetzung dieses Fadens,
Fragen zur Moderation (https://forum.psiram.com/index.php?topic=16167.0)

Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 08. April 2023, 13:15:50
Zitat von: Peiresc am 08. April 2023, 06:30:32Noch eine Nachlese:
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 15:41:53Manche nehmen Globuli gegen ihre Depressionen und fühlen sich danach sichtlich besser. Lag die Besserung dann am Placebo Effekt oder tatsächlich an der magischen Wirkung dieser Pillen? Wir werden es nicht rausfinden, wenn man nur nach individuellen Befindlichkeiten fragt.

Was ist eigentlich mit den Psychotherapeuten? Bei denen kommt niemand auf die Idee, nach Biomarkern zu fragen. Womit befassen die sich eigentlich, wenn nicht mit ,,Befindlichkeiten"? Gehören die auch alle abgeschafft?

Mit psychotherapeutischer Forschung haben wir uns mal ausführlicher beschäftigt, hier:
Kritik an "esoterischen" Therapien und der Stand der Psychotherapieforschung (https://forum.psiram.com/index.php?topic=16154.0)
Aspekte der Beziehung von Psychotherapie zu Psychiatrie in der Fortsetzung dieses Fadens,
Fragen zur Moderation (https://forum.psiram.com/index.php?topic=16167.0)



Der Behaviorismus befasst sich mit beobachtbaren Verhalten. Auch das ist logisch, wenn dem ganzen eine materialistische und realistisch Weltanschauung zugrundelegt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 08. April 2023, 16:22:22
Ich kann jetzt nicht sehen, inwieweit das irgendeinen Bezug zu den aufgeworfenen Fragen hat, aber gerne folge ich Dir auf Deiner Flucht.
;)

Zitat von: Endgegner am 08. April 2023, 13:15:50Der Behaviorismus befasst sich mit beobachtbaren Verhalten. Auch das ist logisch, wenn dem ganzen eine materialistische und realistisch Weltanschauung zugrundelegt.

Dann fragen wir doch gleich mal einen Philosophen, dem wir wohl eine materialistische und realistische Weltanschauung unterstellen dürfen - Mario Bunge. Sicher, sagt er, der Behaviorismus ist naturalistisch und realistisch, aber:

ZitatHowever, this epistemology is primitive because it shuns hypothetical constructs such as "desire" and "reasoning", and thus does not allow one to even pose the problem of whether such constructs represent objective properties, states, or processes of the organism. Behaviorism can make do with a primitive epistemology because it avoids deep (nonphenomenological) hypotheses and theories, which are the ones that pose the toughest problems in the theory of knowledge. [...] It deals with whole events and makes no reference to mental states: it feigns that the latter do not exist or holds that they cannot be studied scientifically. [...] radical behaviorism has no use for neuroscience because it treats the organism as a black box. In this regard behaviorist psychology is a highly anomalous science - or rather an ordinary protoscience.

Treatise on Basic Philosophy, Vol. 7 Epistemology & Methodology III: Philosophy of Science and Technology Part II: Life Science, Social Science and Technology, 1985 Reidel, Dordrecht
S. 65-69

Behaviorismus ist eine primitive Protowissenschaft.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 08. April 2023, 17:37:46
Zitat von: Peiresc am 08. April 2023, 16:22:22Ich kann jetzt nicht sehen, inwieweit das irgendeinen Bezug zu den aufgeworfenen Fragen hat, aber gerne folge ich Dir auf Deiner Flucht.
;)

Zitat von: Endgegner am 08. April 2023, 13:15:50Der Behaviorismus befasst sich mit beobachtbaren Verhalten. Auch das ist logisch, wenn dem ganzen eine materialistische und realistisch Weltanschauung zugrundelegt.

Dann fragen wir doch gleich mal einen Philosophen, dem wir wohl eine materialistische und realistische Weltanschauung unterstellen dürfen - Mario Bunge. Sicher, sagt er, der Behaviorismus ist naturalistisch und realistisch, aber:

ZitatHowever, this epistemology is primitive because it shuns hypothetical constructs such as "desire" and "reasoning", and thus does not allow one to even pose the problem of whether such constructs represent objective properties, states, or processes of the organism. Behaviorism can make do with a primitive epistemology because it avoids deep (nonphenomenological) hypotheses and theories, which are the ones that pose the toughest problems in the theory of knowledge. [...] It deals with whole events and makes no reference to mental states: it feigns that the latter do not exist or holds that they cannot be studied scientifically. [...] radical behaviorism has no use for neuroscience because it treats the organism as a black box. In this regard behaviorist psychology is a highly anomalous science - or rather an ordinary protoscience.

Treatise on Basic Philosophy, Vol. 7 Epistemology & Methodology III: Philosophy of Science and Technology Part II: Life Science, Social Science and Technology, 1985 Reidel, Dordrecht
S. 65-69

Behaviorismus ist eine primitive Protowissenschaft.


Erinnert ein bißchen an die ABA Kritik:
https://moin.pp.ua/positionspapier-aba

Ich frage mich, ob er vollumfänglich verstanden hat, was der Behaviorismus ist. Eine Stärke des Behaviorismus besteht darin, dass er menschliches Verhalten ohne Verwendung von unbeobachtbaren mentalen Konstrukten untersuchen kann. Diese Konstrukte sind schwer zu messen und zu quantifizieren.

Es ist falsch zu behaupten, dass der Behaviorismus interne Vorgänge leugnet, oder von einer 'Black Box' ausgeht.

Insgesamt besteht die Stärke des Behaviorismus darin, dass er objektiv überprüfbare (falsifizierbare) Hypothesen generieren kann, was ihn zu einer wissenschaftlichen Methode macht.

Ich kenne mich ehrlich gesagt, nicht gut genug damit aus, um mir ein eindeutiges Urteil zu bilden.
Bezüglich Deiner Frage womit sich Psychotherapeuten befassen, war die Antwort natürlich menschliches erleben und verhalten. Letzteres besonders in der Verhaltenstherapie welche behavioristich geprägt ist.

Egal, ist ein anderes Thema.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 08. April 2023, 18:35:22
Zitat von: Endgegner am 08. April 2023, 17:37:46Ich frage mich, ob er vollumfänglich verstanden hat, was der Behaviorismus ist. [...] Ich kenne mich ehrlich gesagt, nicht gut genug damit aus
:grins
Und ich denke, ich kann Dich jetzt mal wieder alleine lassen. Tschüss und winkewinke. 
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 08. April 2023, 19:29:39
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 22:46:41Es fehlen aber immer noch eindeutige Belege über die biologischen Ursachen psychischer Krankheiten.
Auch wenns vergebens ist: es geht im Artikel um eine ideologische Bewegung*, nicht um deinen Eiertanz. Wenn ich mir das genauer ansehe, dann würde ich das unter postmodernen BS einordnen, denn genau das ist es. Der Hinweis auf Foucault alleine reicht schon, aber da sind viel mehr Indizien. Psychische Krankheiten würden - an sich - gar nicht existieren, es wären nur soziale Konstrukte irgendwelcher dunklen Mächte. Passend dazu die Einordnung in die marxistische Weltsicht: alles wäre nur als ein Diskurs zwischen Herrschenden und Unterdrückten zu verstehen.

Der Vergleich mit der Fettleibigkeit (als etwas "normales" bzw. unproblematisches) passt dann auch. Es ist wie mit dem Fat-Pride: Adipositas gäbe es nicht, wäre nur eine Erfindung der allmächtigen Unterdrücker zwecks Unterdrückung, und Krankheit sowieso nur ein Konstrukt ohne Realitätsbezug. Das passt thematisch auch in die Neurodiveritäts-Spinnerei: Alles nur Normvarianten ohne Krankheitswert. Schwere autistische Störungen als Bereicherung des Regenbogens. ABA nur Mittel der Mächtigen zwecks ...ähm... Machtdemonstration. Hoaxilla wäre begeistert.

(und der Hinweis, man hätte gar keine "Biomarker" für jede auch nur denkbare Krankheit, ist der typische antiwissenschaftliche / zynische Denkschwachsinn, den man braucht, um an den BS zu glauben)

*die natürlich von Spinnern aller Art gerne vereinnahmt wird, siehe Scientology. Aber auch der zeitgeistige Konstruktivist nimmt so einen BS gerne in seinen Überzeugungskatalog auf.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 08. April 2023, 23:45:28
Zitat von: eLender am 08. April 2023, 19:29:39
Zitat von: Endgegner am 07. April 2023, 22:46:41Es fehlen aber immer noch eindeutige Belege über die biologischen Ursachen psychischer Krankheiten.
Auch wenns vergebens ist: es geht im Artikel um eine ideologische Bewegung*, nicht um deinen Eiertanz. Wenn ich mir das genauer ansehe, dann würde ich das unter postmodernen BS einordnen, denn genau das ist es. Der Hinweis auf Foucault alleine reicht schon, aber da sind viel mehr Indizien. Psychische Krankheiten würden - an sich - gar nicht existieren, es wären nur soziale Konstrukte irgendwelcher dunklen Mächte. Passend dazu die Einordnung in die marxistische Weltsicht: alles wäre nur als ein Diskurs zwischen Herrschenden und Unterdrückten zu verstehen.

Der Vergleich mit der Fettleibigkeit (als etwas "normales" bzw. unproblematisches) passt dann auch. Es ist wie mit dem Fat-Pride: Adipositas gäbe es nicht, wäre nur eine Erfindung der allmächtigen Unterdrücker zwecks Unterdrückung, und Krankheit sowieso nur ein Konstrukt ohne Realitätsbezug. Das passt thematisch auch in die Neurodiveritäts-Spinnerei: Alles nur Normvarianten ohne Krankheitswert. Schwere autistische Störungen als Bereicherung des Regenbogens. ABA nur Mittel der Mächtigen zwecks ...ähm... Machtdemonstration. Hoaxilla wäre begeistert.

(und der Hinweis, man hätte gar keine "Biomarker" für jede auch nur denkbare Krankheit, ist der typische antiwissenschaftliche / zynische Denkschwachsinn, den man braucht, um an den BS zu glauben)

*die natürlich von Spinnern aller Art gerne vereinnahmt wird, siehe Scientology. Aber auch der zeitgeistige Konstruktivist nimmt so einen BS gerne in seinen Überzeugungskatalog auf.

Marxisten sind in der Regel Materialisten. Wenn also Foucault, oder die Sozialisten die Psychiatrie und ihre sozialen Konstrukte von Krankheiten kritisieren, dann tun sie das, aus einer materialistischen und ideologiekritischen Position heraus.
Ich bin kein Marxist, und ich halte es auch für Unsinn psychische Krankheiten allein dem Kapitalismus anzulasten. Wer sowas macht, interessiert sich nicht wirklich für psychische Leiden deren Entstehung oder das Schicksal der Betroffenen.
Nebenbei angemerkt findet man in jedem VWL Lehrbuch, den Hinweis, dass wir in eine Marktwirtschaft haben, in der es Kapital und Arbeit gibt. Was an solchen Banalitäten eine Verschwörungstheorie sein soll, versteh ich nicht.

Die Frage nach eindeutigen empirischen Belegen für obskure Krankheiten ist auch nicht anti-wissenschaftlich, sondern  einfacher Skeptizismus.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 09. April 2023, 05:47:31
Was meinst Du, auf welchem Punkt der Kurve befindest Du Dich?

(https://karrierebibel.de/wp-content/uploads/2020/02/Dunning-Kruger-Effekt-Kurve-Grafik.jpg)
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 09. April 2023, 18:13:34
Zitat von: Endgegner am 08. April 2023, 23:45:28Die Frage nach eindeutigen empirischen Belegen für obskure Krankheiten ist auch nicht anti-wissenschaftlich, sondern  einfacher Skeptizismus.
Ja, aber so, wie ihn die Leerdenker verstehen. Oder wie ihn dir geistig ebenbürtige, selbst definierte "Wissenschaftler" vertreten, z.B. der hier: Stefan Lanka (https://www.psiram.com/de/index.php/Stefan_Lanka)

"Querdenker" (von "Querulant") ist doch eigentlich die Selbstbezeichnung, die dir eher passen dürfte, oder?

Zitat von: Peiresc am 09. April 2023, 05:47:31Was meinst Du, auf welchem Punkt der Kurve befindest Du Dich?
Er wird nach "Biomarkern für eine Diagnose fragen. Dabei muss man nur hier lesen, was er so absondert. Textmarker tuns da auch.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 09. April 2023, 18:37:18
zimtspinne hatte ja mal nach einer "Geschichte der Psychiatrie" gefragt. Nicht mich, aber ich haben bei der Suche nach dem Thema hier eine kurze Zusammenfassung gefunden. Das heißt es:

ZitatAls wichtigste Vertreter dieser Strömung gelten der südafrikanische Psychiater David Cooper, der britische Psychiater Ronald D. Laing und der US-amerikanische Psychiater Thomas Szasz. Relevante Impulse bekam die Bewegung unter anderem durch den französischen Soziologen und Philosophen Michel Foucault (1926-1984). Foucault, der selbst eine Zeitlang als Psychiater praktizierte, formulierte in seinem 1961 erschienen Werk ,,Wahnsinn und Gesellschaft: Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft" vielerlei theoretisch-kritische Fragen: Inwiefern sind medizinische Definitionen von psychischen Krankheiten zulässig? Sind Diagnosen nicht ein Ergebnis politischer, sozialer und juristischer Prozesse, historisch bedingt und verändern sich im Laufe der Zeit? Die Klassifizierung/Stigmatisierung von Menschen als ,,psychisch krank" und die daraus abgeleitete Umgangsweise mit ihnen sah Foucault in Machtstrukturen begründet, die auf die Ausgrenzung und Verdrängung dieser Menschen abzielen. Die Psychiatrie diene lediglich der wissenschaftlichen Legitimation dieser Ausgrenzung und sei letztendlich ein Instrument zur Disziplinierung unliebsamer Individuen, so der Soziologe. Schließlich sei mittlerweile auch die psychiatrische Diagnose ,,Homosexualität" aus den Lehrbüchern verschwunden.
https://www.geschichte-lernen.net/kurze-geschichte-psychiatrie-antike-bis-moderne/

Das scheint ein eher laienhafter geschichtlicher Überblick zu sein, die Antipsychiatrie wird heldenhaft dargestellt. Die Reformen kamen bestimmt nicht (nur) aus dem Bereich, aber man hat es geschickt verstanden, das so zu verkaufen. Die Revolution müsste aber doch weitergehen, das Ende der Geschichte ist doch noch gar nicht erreicht...
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 11. April 2023, 16:55:53
Hier sind 2 Beispiele für eine zeitgemäße Kritik an der Psychiatrie.

https://www.youtube.com/watch?v=aUpj374i-og

https://www.youtube.com/watch?v=RgowdH2WNZk

Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 11. April 2023, 17:39:08
Endgegner mit endlosen Quasseleien am Ende des Tages....

hab ins erste Video mittenrein geklickt und lande ausgerechnet direkt mitten im Wort "normalizing" (ca 1:07) - hatte ich nicht kürzlich noch gesagt, falls einer demnächst mit "NOrmalisierung" von Depressionen ankommt, gibts Saures. Und schon ist er da, der Endgegner, mit Normalisierungs- und Entpathologisierungsgedöns.



Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 11. April 2023, 17:55:13
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 16:55:53Hier sind 2 Beispiele für eine zeitgemäße Kritik an der Psychiatrie.

Witzloses Gelaber. Wir haben diese Thesen schon bis zum Erbrechen durchgehechelt. Such' Dir was davon raus, und ich verlinke Dir die Posts, wo das Thema gewesen ist.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 11. April 2023, 18:00:28
Für mich zeugt es von mangelnder Reife und intellektueller Arroganz, wenn man jede Kritik pauschal als ungerechtfertigt oder überflüssig abtut.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 11. April 2023, 18:07:12
"Zeitgemäße Kritik" ist aber kein Beleg für oder gegen "Antipsychiatie" (da gibts auch nix zu wiederlegen, das ist postmoderner Unsinn, der hat keine empirisch Basis). Das erste Video von Wakefield (super Name, da kommen einem gleich mal Assoziationen). Der sagt u.a. das:

ZitatDr. Wakefield rejects both the anti-psychiatric critique that holds that there is no such thing as mental disorder other than as a label for socially disvalued conditions, and the standard psychiatric position that any well-defined syndromal set of symptoms can define a disorder. He argues for a middle ground position in which the concept of a physical or mental medical disorder is a hybrid value and scientific concept requiring both harm, assessed according to social values, and dysfunction, anchored in facts about evolutionary design. Unlike the anti-psychiatric view, Dr. Wakefield's "harmful dysfunction" analysis offers a position from which to mount meaningful and constructive criticism of standard psychiatric diagnostic criteria based on assumptions about disorder that, he argues, lie at the foundation of psychiatry itself.
https://socialwork.nyu.edu/faculty-and-research/our-faculty/jerome-c-wakefield.html

Das ist noch mal was ganz anderes, einfach ein anders Verständnis, ob das allgemein anerkannt ist, kann ich nicht sagen*

Das scheinen beide Sozialwissenschaftler zu sein...


*nuja, wenn er (echte, diagnostizierte, schwere) Depris mit schlechter Laune gleichsetzt, dann hat er wohl ein sehr eigenes Verständnis :o
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 11. April 2023, 18:10:18
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 18:00:28Für mich zeugt es von mangelnder Reife und intellektueller Arroganz, wenn man jede Kritik pauschal als ungerechtfertigt oder überflüssig abtut.
Von "mangelnder Reife und intellektueller Arroganz" zeugt es, wenn man nur irgendwelches Zeugs postet, das man selbst nicht mal einordnen kann. Was soll das denn alles im Zusammenhang mit dem Artikel im Wiki bedeuten?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 11. April 2023, 18:33:51
Zitat von: eLender am 11. April 2023, 18:10:18
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 18:00:28Für mich zeugt es von mangelnder Reife und intellektueller Arroganz, wenn man jede Kritik pauschal als ungerechtfertigt oder überflüssig abtut.
Von "mangelnder Reife und intellektueller Arroganz" zeugt es, wenn man nur irgendwelches Zeugs postet, das man selbst nicht mal einordnen kann. Was soll das denn alles im Zusammenhang mit dem Artikel im Wiki bedeuten?

Gern erkläre ich es dir, allerdings solltest du aufhören, alles, was dir nicht passt, pauschal als 'postmodern' abzustempeln, ohne tatsächlich zu verstehen, was dieser Begriff bedeutet. Wenn wir schon von 'Postmoderne' sprechen, könnte man eher die Psychiatrie als Beispiel nennen, da sie aufgrund bestimmter theoretischer Konzepte Krankheiten konstruiert, ohne dass es dafür empirische Belege gibt.

Wakefield nimmt die Kritik der Antipsychiatrie teilweise in seine Betrachtungen mit auf, ohne das natürlich explizit zu machen.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 11. April 2023, 18:44:39
Zitat von: eLender am 09. April 2023, 18:37:18https://www.geschichte-lernen.net/kurze-geschichte-psychiatrie-antike-bis-moderne/ (https://www.geschichte-lernen.net/kurze-geschichte-psychiatrie-antike-bis-moderne/)

Dieser Text mischt manches Richtige mit viel Falschem; ab in die Tonne. Ich greife nur mal heraus:
ZitatEine Konsequenz dieser Anschauung war, dass viele psychisch Kranke im Rahmen des Wütens der Inquisition während der Hexenprozesse in der Frühen Neuzeit verfolgt, gefoltert und verbrannt wurden.

Welcher Laie wird auf die Idee kommen, das zu hinterfragen. Es ist aber unbelegt und unbelegbar. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit gab es keine Begrifflichkeit zur Beschreibung psychopathologischer Phänomene, und aus unverstandenen Gründen gibt es auch kaum hinreichend differenzierte Fallgeschichten, die retrospektiv eine Art Diagnose ermöglichen würden (zumindest was Psychosen angeht). Ein Beispiel: Jean d'Arc gilt als psychopathologisch auffällig, wahnhaft oder ähnlich, und es gibt einen Haufen Leute, die heute ganz genau wissen, was ihr gefehlt hat. Aber wenn man die alten Quellen wirklich intensiv und sorgfältig studiert, dann wird ihr Verhalten ganz ohne Geisteskrankheit verständlich. Und man wusste immer, dass Verrücktsein in gewisser Weise entschuldigt. Noch ein anderes Beispiel, aus einer Primärquelle (Stefano Infessura, 1435-1500, Römisches Tagebuch):
ZitatUnd am gleichen Tage geschah es auch, daß in Rom ein junger Maler, der noch einen Vater besaß und auf Monte Giordano wohnte, auf einen großen Karton das Gebiet von Cave malte, so wie es damals im Kriege aussah. [...] Von diesem Gemälde erfuhr auch der Papst [Sixtus IV] und weil er sehen wollte, was sich zugetragen und wie die Dinge in Cave und im Lager stünden, schickte er nach diesem Karton und sah ihn an und die Zeichnung gefiel ihm. Aber als er dann sah, wie im Kampfe die Leute der Kirche immer den kürzeren zogen und nur der Signor Antonello und die anderen sich sehr mutig zeigten, während die Leute der Kirche immer verloren, ärgerte er sich sehr darüber. Einige sagen auch, er habe sich geärgert über das schmähliche Treiben der Frau und des Ordensbruders, der sich mit ihr zu schaffen machte. Und da er annahm, es könne mit dieser Frau vielleicht die Gemahlin des Grafen Girolamo [Catarina Sforza] gemeint sein, befahl er, sofort den jungen Maler gefangen zu nehmen, einzukerkern und ihm zehn Züge mit der Strickfolter zu geben und dann am anderen Morgen ihn aufzuknüpfen und sein Haus der Plünderung zu übergeben. Und so tat man ihm auch, nur wurde er nicht gehängt, weil man ihn als einen Narren entschuldigte.
(meine Hervorhebung)

Oder das hier:
ZitatBleuler prägte auch zahlreiche andere Begriffe der Psychiatrie wie Tiefenpsychologie, Autismus oder Ambivalenz und führte die Psychoanalyse nach Sigmund Freud in die Psychiatrie ein. Das vermehrte Interesse an der Psychiatrie als Wissenschaft ist sicherlich auch auf die Theorien des österreichischen Neurologen und Tiefenpsychologen Sigmund Freud (1856-1939) zurückzuführen.
Der Autismus Bleulers ist etwas anderes als das, was heute mit der Diagnose ,,Autismus" bezeichnet wird. Er interessierte sich initial für die Psychoanalyse, aber nach ein, zwei Jahren Beschäftigung mit ihr hat er sie als unbrauchbar beiseite gelegt. Und umgekehrt: der ,,Neurologe und Tiefenpsychologe" Freud hatte sich immer zurückgehalten, was das Kerngebiet der Psychiatrie, die Psychosen angeht: er hielt sie für nicht analysierbar.

Crews über Bleuler:
ZitatAnd Bleuler earnestly set out to apply the Interpretation [Freuds Traumdeutung], just as it was, to the understanding of his own dreams. He soon discovered, however, that the book provided no method at all. So many avenues of possible analysis were available to every dream, without any guidelines for choosing some and rejecting others, that the whole apparatus was useless. That realization transformed the empirically conscientious Bleuler from an advocate into an opponent of psychoanalysis.

Was die Psychiater tatsächlich von der Psychoanalyse hielten, kann man bei Oswald Bumke (Lehrstuhlinhaber, Handbuchautor usw. usf.) nachlesen:
ZitatAber FREUDS Dogmen lehne ich ab, und noch mehr als den Inhalt seiner Lehre bekämpfe ich seine Methode, weil sie allem ins Gesicht schlägt, was für mich exakte und damit nachprüfbare wissenschaftliche Forschung bedeutet.
Die Psychoanalyse. Eine Kritik, 1931

Oder das hier:
ZitatVorläufer dieses Gedankenguts [der Eugenik] finden sich bereits bei Charles Darwin (1809-1882, ,,struggle vor life", Kampf ums Dasein)
Es ist bisher niemandem gelungen, ein Darwin-Zitat aufzutreiben, in dem er der Eugenik das Wort redet – vielleicht irre ich mich, aber in der Bringepflicht ist der Autor von solchem Geschwafel.

Oder das hier:
ZitatMaßgeblich bis heute ist der ,,International Code of Deseases" (ICD)
Diseases.

Oder das hier:
Zitathatte doch die Pharmaindustrie versprochen, dass sich im Zuge der neuen Generation von Medikamenten die Psychiatrien leeren würden.
Ein repräsentatives Zitat "der" Pharmaindustrie bitte; ansonsten ist das eine belegfreie Erfindung der Hobby-Historikerin.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 11. April 2023, 21:11:33
Zitat von: eLender am 11. April 2023, 18:07:12Das scheinen beide Sozialwissenschaftler zu sein...

Zitat von: pelacani am 26. Juni 2014, 09:52:51Wenn es eine Erkenntnis in der Psychiatrie gibt, die dem Laien a priori, mangels eigener Kenntnis und Erfahrung, verschlossen ist, dann ist es diese: die Symptomatik des Kernbereichs der Psychosen ist nicht aus dem Erleben des Kranken ableitbar. (Zu den Laien müssen hier die Sozialpsychologen und Behavioristen hinzugezählt werden, die es entweder nicht mit Kranken zu tun haben oder die die Psychiatrie nicht kennen). Der anklagende Verweis auf die ,,fehlenden Biomarker" ist ein bloßes Geschwätz, er taugt nicht zur Definition oder zum Ausschluss von Krankheit.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 11. April 2023, 21:24:58
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 18:00:28Für mich zeugt es von mangelnder Reife und intellektueller Arroganz, wenn man jede Kritik pauschal als ungerechtfertigt oder überflüssig abtut.

Eine Frage, die einfach zu beantworten sein sollte: Hattest Du jemals mit einem Psychosekranken im akuten Schub zu tun?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 11. April 2023, 21:41:54
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 21:24:58
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 18:00:28Für mich zeugt es von mangelnder Reife und intellektueller Arroganz, wenn man jede Kritik pauschal als ungerechtfertigt oder überflüssig abtut.

Eine Frage, die einfach zu beantworten sein sollte: Hattest Du jemals mit einem Psychosekranken im akuten Schub zu tun?

Nö.
Einige Menschen mit Psychosen können in der Lage sein, ihre Erfahrungen und Symptome zu beschreiben und damit dazu beitragen, das Verständnis der Psychiatrie zu erweitern. Zudem gibt es auch verschiedene Methoden der psychologischen und psychotherapeutischen Behandlung, die darauf abzielen, dass Patienten ihre Symptome besser verstehen und damit besser umgehen lernen können.
Was Du hier bringst, ist ein Autoritätsargument, das behauptet die Psychiatrie wäre die einzige Fachdisziplin, in Bezug auf Diagnose und Behandlung von Psychosen.
Individuelle Erfahrungen von Patienten werden gleich mit ignoriert, sowie sozialwissenschaftliche und biologische Ansätze.

Diese Macht sollte die Gesellschaft der Psychiatrie nicht zugestehen, siehe z.B den Skandal um den Kinderpsychiater Winterhoff.

Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 11. April 2023, 21:51:07
Kurz: nein. Nächste Frage: hattest Du jemals ein stinknormales Lehrbuch für Psychiatrie in der Hand?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 11. April 2023, 22:21:10
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 21:51:07Kurz: nein. Nächste Frage: hattest Du jemals ein stinknormales Lehrbuch für Psychiatrie in der Hand?

Auf Kritik scheinst Du nicht gern einzugehen? Lieber ganzen Wissenschaftsgebieten pauschal die Kompetenz absprechen, wa.  ;)
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 11. April 2023, 22:35:02
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 18:33:51Gern erkläre ich es dir, allerdings solltest du aufhören, alles, was dir nicht passt, pauschal als 'postmodern' abzustempeln, ohne tatsächlich zu verstehen, was dieser Begriff bedeutet.
Nein danke, du würdest nur versuchen zu erklären, was DU darunter verstehst. Und das verstehst eh nur du. Rede doch einfach mit dir selbst, dann hast du jemanden, der dich versteht. Ich kann deinem Gerede überhaupt nichts ab, es ist wirr und ohne konkrete Bezüge. Dir kommen Dinge komisch und unerklärlich vor, das ist dein Problem. Und du benutzt dieses Forum nur dafür, das anderen mitzuteilen. Wir sind aber kein Selbsthilfeverein.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 11. April 2023, 22:38:40
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 18:44:39Dieser Text mischt manches Richtige mit viel Falschem; ab in die Tonne. Ich greife nur mal heraus:
Das habe ich - auch ohne die Details der Entwicklung Psychiatrie zu kennen - auch schnell gemerkt. Spätestens mit Darwin hat sie sich verraten. Ist halt auch nur Sozialwiss, was soll man da erwarten. Immerhin hat sie die Antipsychiatrie richtig in den Postmodernismus eingeordnet, ist ja auch nicht schwierig. Das können Sozialwissenschaftler immerhin.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 11. April 2023, 22:45:10
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 22:21:10
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 21:51:07Kurz: nein. Nächste Frage: hattest Du jemals ein stinknormales Lehrbuch für Psychiatrie in der Hand?

Auf Kritik scheinst Du nicht gern einzugehen? Lieber ganzen Wissenschaftsgebieten pauschal die Kompetenz absprechen, wa.  ;)

Also auch nicht. Hast Du mal ein Pflegepraktikum in einer psychiatrischen Klinik gemacht?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 11. April 2023, 22:55:27
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 22:45:10
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 22:21:10
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 21:51:07Kurz: nein. Nächste Frage: hattest Du jemals ein stinknormales Lehrbuch für Psychiatrie in der Hand?

Auf Kritik scheinst Du nicht gern einzugehen? Lieber ganzen Wissenschaftsgebieten pauschal die Kompetenz absprechen, wa.  ;)

Also auch nicht. Hast Du mal ein Pflegepraktikum in einer psychiatrischen Klinik gemacht?

Nein.
Ich war auch noch nie im Knast. Allerdings führen einem diese Einrichtungen in gewisser Hinsicht das Versagen der Gesellschaft vor Augen, was evtl. lehrreich sein könnte.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 12. April 2023, 06:37:58
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 17:55:13
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 16:55:53Hier sind 2 Beispiele für eine zeitgemäße Kritik an der Psychiatrie.

Witzloses Gelaber. Wir haben diese Thesen schon bis zum Erbrechen durchgehechelt. Such' Dir was davon raus, und ich verlinke Dir die Posts, wo das Thema gewesen ist.

Moin Peiresc,

verlinkst du das noch oder wartest du auf Endgegners Aussuchen?
Mich würden diese Theman auch interssieren.

Das hatte ich gestern schon angefragt, ist scheinbar im Nirwana verschwunden.


@ Endgegener

Strafvollzugsanstalten sind sicher nicht gerade die schönsten und durchoptimiertesten Errungenschaften der Menschheit und das Potential einiger Gruppen der Insassen wird verschenkt.
Auf der anderen Seite gibt es einen Teil Menschen, die einfach nicht resozialisierbar sind bzw gar nicht sozialisierbar. Leider landen viele davon gar nicht mal hinter geschlossenen Toren, sondern treiben samt ihrer antisozialen Persönklichkeitsstrukturen (usw) Unheil, manchmal im Verborgenen, oftmals aber sogar recht offen. Nein, ich denke dabei nicht an gewisse Berühmtheiten in Politik und Co  ::)

Dazu fallen mir gleich als nächstes all die Täter und Mittäterinnen im Spektrum "Kindesmissbrauch" ein, die auch kaum jemals verurteilt werden und die sich irgendwie sehr geschickt in ihrem System einrichten, so dass sie im Alltag nicht mal auffällig sind. Jeder von uns kennt wahrscheinlich einige davon, ohne es zu wissen oder ahnen.
Ich habe aber sehr viele ihrer Opfer leider kennengelernt und mich dann auch mal näher mit diesem Abgrund befasst und tja.... alles sehr trostlos und aussichtslos.
Ich beneide da echt nicht Leute, die sich professionell damit beschäftigen müssen - mir haben schon die Einblicke gereicht für ein ganzes Leben.

Wie wäre es,, wenn du zu diesen ganz konkreten und realen Theman mal einen Vorschlag zur Verbesserung der Lage machen würdest?
Ich ahne aber schon, dass du dich mit konkreten, realen Dingen gar nicht befassen willst, sondern dich viel lieber in wischiwaschi Schwurbeleien verfängst.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 08:35:16
Zitat von: zimtspinne am 12. April 2023, 06:37:58verlinkst du das noch oder wartest du auf Endgegners Aussuchen?
Es steht doch im Satz davor, welche Voraussetzung erfüllt sein muss: die These muss wenigstens genannt werden, die kommentiert werden soll. Es gibt falsche Auffassungen auf einer hochabstrakten Ebene, deren Widerlegung nur verständlich wird, wenn man in Grundzügen Kenntnis davon hat, worum es eigentlich geht. Der Unterschied zwischen hohler Phrase und Argument ist: letzteres könnte mit interpretierbaren Beispielen unterlegt werden. Nicht umsonst kann ein Narr in 10 Minuten mehr Unsinn erfinden, als in 14 Tagen richtig gestellt werden kann.

Hast Du die Fäden gelesen, die ich schon verlinkt habe (in #3 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg268982#msg268982), #33 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg269025#msg269025))?

Von den jüngeren Fäden vielleicht noch dieser (eher schlicht, abhängig vom Eingangspost)
https://forum.psiram.com/index.php?topic=16711.0
oder der, etwas gehaltvoller (der Eingangsposter war ein Soziologe):
https://forum.psiram.com/index.php?topic=12864.0


Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 22:55:27
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 22:45:10
Zitat von: Endgegner am 11. April 2023, 22:21:10
Zitat von: Peiresc am 11. April 2023, 21:51:07Kurz: nein. Nächste Frage: hattest Du jemals ein stinknormales Lehrbuch für Psychiatrie in der Hand?
Auf Kritik scheinst Du nicht gern einzugehen? Lieber ganzen Wissenschaftsgebieten pauschal die Kompetenz absprechen, wa.  ;)
Also auch nicht. Hast Du mal ein Pflegepraktikum in einer psychiatrischen Klinik gemacht?
Nein. [...] in gewisser Hinsicht das Versagen der Gesellschaft
Ich habe keine weiteren Fragen.

ZitatAnruf einer besorgten Mutter. Diese berichtet, dass sich ihr 22-jähriger Sohn seit etwa zwei Monaten zunehmend verändert habe. Er sei sehr misstrauisch, fühle sich schnell angegriffen und rede stellenweise wirr durcheinander. Seit ca. drei Tagen habe er kaum geschlafen. Er berichte, dass er Botschaften von fremden Mächten bekomme und dass er Dinge tun müsse, die man ihm befehle. Er fühle sich ferngesteuert. Vor zwei Jahren habe er eine ähnliche Symptomatik gehabt, die jedoch nur zwei Wochen angehalten habe. Damals habe er von einem niedergelassenen Psychiater Haldol ® erhalten, worunter sich die Symptomatik sehr schnell zurückgebildet habe. Er habe Haldol ® jedoch sehr schlecht vertragen, er sei ganz ,,steif" geworden, habe ausgesehen wie ein Mensch mit Parkinson-Erkrankung und habe deshalb die Medikation schnell abgesetzt.
Der Sohn befinde sich jetzt im 6. Studiensemester für Maschinenbau, habe aber erst zwei Fachsemester abgeschlossen. In der jetzigen Phase sei er noch nicht beim Arzt gewesen.

Lieb et al: 50 Fälle Psychiatrie und Psychotherapie. Typische Fallgeschichten aus der Praxis, 5. Aufl. 2016
(meine Hervorhebung)
Das ist eine prototypische Geschichte (derart prototypisch, dass ich nicht sicher bin, ob sie nicht ein Destillat aus verschiedenen Einzelfällen ist), die allerdings hier nur angerissen ist. Die Mutter war nicht in der Lage, ihn zu verstehen – wahrscheinlich ist sie von den Psychiatern verbildet worden.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 12. April 2023, 09:37:32
@ Peiresc

mein Fehler, hatte mich auf Endgegners Themengehoppse und vermeintliche Inhalte der Videos bezogen, die ich nur angestippt hatte und wegen red flags (normalize, acceptance, blabla) gleich wieder verlassen hatte.

Habe die nebenbei nun stückweise gehört und finde an sich einige diskussionswürdige Ansätze, aber hat alles gar nichts mit Antipsychiatrie zu tun.

Ich hatte mich auf Endgegners Interpretationen und eingestreuten Schnipsel bezogen, in den Videos (was ich bisher hörte) gehts aber im Kern um ganz andere Fragen.

Übersehe ich etwas? Ich bin nicht sensibilisiert für Antipsychiatrie-Themen und erkenne daher vielleicht verdächtige Satzschlingen gar nicht.

In deinen links gehts wiederum klar und unmissverständlich um Antipsychiatrie - muss ich aber erst lesen. Zumindest die Titel sind klar, was ja noch nichts über die Richtungen sagt, die die Diskussionen nehmen oder welche Haken einzelne Kommentatoren da wieder schlagen.

Trotzdem schwillt mir gerade schon am frühen Morgen wieder der Kamm bei dieser Diskussion über die Kombi: Depression-Bewältigung-coping-Vorschläge!? Kann ja nicht wahr sein, kann nur jemand so herumfabulieren, der davon nicht wirklich so viel Ahnung hat.

Außerdem fällt mir da auch wieder verstärkt auf, was schon immer ein Kernproblem mit Soziologen und idealistischen Linksabgedrifteten war: Die sehen die Menschen, wie sie sein sollten (ihrer Meinung nach) und nicht wie sie sind. Die sehen die Welt, sie sie sein sollte (ihrer Meinung nach), aber nicht, wie sie ist.

dass man das Prinzip Wolkenkuckucksheim auch auf Krankheiten anwenden kann, war mir neu, aber andererseits auch wieder nicht.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 09:57:40
PS: hier noch eine Fallgeschichte, die auf mich weniger stilisiert, realer, wirkt:
ZitatEin 21-jähriger Patient kommt mit seiner Mutter zur Erstaufnahme auf Station. Er wirkt ängstlich und angespannt, blickt immer wieder misstrauisch im Zimmer umher. Als eine Tür im Nachbarzimmer zufällt, schreckt er nervös auf und wird auch durch andere Geräusche leicht abgelenkt. Nach seinen Beschwerden befragt, antwortet er verzögert, führt seine Gedanken häufig nicht zu Ende und bricht ohne erkennbaren Grund mitten im Satz ab. Nachdem er aus seinem Indienurlaub zurückgekehrt sei. hätten sich die Dinge verändert. Seit er die Passkontrolle durchschritten habe, sei ihm die Polizei auf den Fersen. Er werde verdächtigt, mit islamistischen Terroristen in Kontakt zu stehen, das hätte ihm der Grenzbeamte durch ein verschwörerisches Kopfnicken zu verstehen gegeben. Er werde in seiner Wohnung abgehört und man versuche ihn durch Laserstrahlen ,,weich" zu kriegen, bis er alles zugebe. Bereits in der Tagesschau hätte der Moderator Andeutungen gemacht, dass man ihn bald festnehmen werde. Weil der Patient Angst habe, dass auch seine Mutter, mit der er zusammenwohnt, in die Geschichte hineingezogen werde, habe er sich auf ihr Drängen bereit erklärt, zeitweise in der Klinik ,,unterzutauchen".

Frieboes et al, Psychiatrie in Frage und Antwort, 7. Aufl. 2008

Und man kann von Glück sagen, dass er bereit ist "unterzutauchen", denn eine Krankheitseinsicht besteht nicht; ihr Fehlen ist geradezu konstituierend. Das sind keine Fälle, in denen sozialpsychologische ,,Einsichten" über Machtmissbrauch u. ä. weiterhelfen, und da kannst Du hundertmal wiederholen, dass das DSM keine Krankheiten abbilde.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 12. April 2023, 12:05:34
Sind solche schillernden Krankengeschichten/-verläufe nicht eine Ausnahme?

Auch weil sie junk science auf die Spitze treiben und alles einsammeln, was der Pseudohimmel so anbietet?

Während Depressive aller Grade und Schattierungen zu viel und zu gerne Medikamente einnehmen, (mit löchriger Wirksankeit oder auch gar keiner, nicht mal auf den guten alten Placebo kann man sich dort verlassen) tendenziell zumindest in den USA offenbar(?), scheint das wiederum bei psychotischen, schizophrenen u.ä Krankheitsbildern -krankheitsbedingt- das Gegenteil zu sein.

Die (ihre Erziehungsberechtigten und rechtl Betreuer) vermeiden wirksame Medikamente, wo es geht.
Die Angehörigen vielleicht auch, weil sie Angst vor der Realität und den Konsequenzen haben.

Und manchmal ist das auch schwierig. Thema Ruhigstellen, um Personal zu entlasten.
Habe im engeren Freundinnenkreis so einen Fall.
Meine Freundin ist komplett überfordert, will aber auch keine Verantwortung abgeben, die sie ohnehin gar nicht trägt, aber aus Gründen übernommen hat.
Einerseits betreut sie rechtlich und am WE auch organisatorisch ihren schwerbehinderten Sohn (der wochentags in einer Einrichtung ist), was schon absolut krass ist in den Einzelheiten, die ich da immer so mitbekomme und weiterhin betreut sie ihren schizophrenen, hochgradig aggressiven und glaube auch geistig behinderten Bruder, wobei ich nicht weiß, was er genau hat, das ist ein schwieriges Thema, da sie offenbar auch die familiäre Häufung sehr belastet (man darf da um Himmels Willen niemals Wörter wie "erblich" gebrauchen oder auch nur andeuten, da rastet sie aus, nur sie selbst darf sowas im Kontext mal andeuten).
Der Bruder ist dauerhaft auf einem umfangreichen Medikamentencocktail, es gibt aber immer wieder Stress, weil ohne sie zu informieren oder einzubeziehen, die Medikation häufig mal geändert wird und nun wohl einiges dazu gekommen ist, das zu noch stärkeren Nebenwirkungen führt, so dass er nur noch rumsabbert, gar nicht mehr ansprechbar ist und eher einem Zombie gleicht als einem Menschen. So ihre Schilderung. Ich hatte ihn einmal (schon vor 2 Jahren) kennengelernt, als ich in der Psychiatrie jemanden anderes besuchte und sie mich mitgenommen hatte... das war ein sehr guter Tag und ich möchte da echt nicht wissen, wie schlechte Tage früher und heute aussehen.

Die Frage ist nun, ob es ein anderes Behandlungskonzept geben könnte, das menschenwürdiger ist, für alle Beteiligten? Ist das nur zu teuer oder sind auch einfach nicht alle Patienten dafür geeignet?

ok, ich hab eben mal nachgeschaut, Psychose ist der Regenschirm/Oberbegriff.

Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 12:31:10
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 09:57:40PS: hier noch eine Fallgeschichte, die auf mich weniger stilisiert, realer, wirkt:
ZitatEin 21-jähriger Patient kommt mit seiner Mutter zur Erstaufnahme auf Station. Er wirkt ängstlich und angespannt, blickt immer wieder misstrauisch im Zimmer umher. Als eine Tür im Nachbarzimmer zufällt, schreckt er nervös auf und wird auch durch andere Geräusche leicht abgelenkt. Nach seinen Beschwerden befragt, antwortet er verzögert, führt seine Gedanken häufig nicht zu Ende und bricht ohne erkennbaren Grund mitten im Satz ab. Nachdem er aus seinem Indienurlaub zurückgekehrt sei. hätten sich die Dinge verändert. Seit er die Passkontrolle durchschritten habe, sei ihm die Polizei auf den Fersen. Er werde verdächtigt, mit islamistischen Terroristen in Kontakt zu stehen, das hätte ihm der Grenzbeamte durch ein verschwörerisches Kopfnicken zu verstehen gegeben. Er werde in seiner Wohnung abgehört und man versuche ihn durch Laserstrahlen ,,weich" zu kriegen, bis er alles zugebe. Bereits in der Tagesschau hätte der Moderator Andeutungen gemacht, dass man ihn bald festnehmen werde. Weil der Patient Angst habe, dass auch seine Mutter, mit der er zusammenwohnt, in die Geschichte hineingezogen werde, habe er sich auf ihr Drängen bereit erklärt, zeitweise in der Klinik ,,unterzutauchen".

Frieboes et al, Psychiatrie in Frage und Antwort, 7. Aufl. 2008

Und man kann von Glück sagen, dass er bereit ist "unterzutauchen", denn eine Krankheitseinsicht besteht nicht; ihr Fehlen ist geradezu konstituierend. Das sind keine Fälle, in denen sozialpsychologische ,,Einsichten" über Machtmissbrauch u. ä. weiterhelfen, und da kannst Du hundertmal wiederholen, dass das DSM keine Krankheiten abbilde.

Das klingt für mich nach dem typischen Verschwörungstheoretiker, wie man ihn z.B. aus dem QAnon-Umfeld kennt, der überall feindliche Mächte am Werk sieht. Man könnte sich hier fragen, ob dies nicht ein Ausdruck eines realen Problems in der Gesellschaft bzw. Politik ist, wenn Menschen generell jedem und allem misstrauen.

Evolutionär gesehen stellten unsere Mitmenschen vermutlich eine größere Gefahr für unser Leben dar als die Tiere in unserer Umwelt. Vorsicht im Bezug auf andere Menschen, ist also in gewissen Maße rational. Auch aus evolutionärer Perspektive könnten sich Erklärungsansätze für so ein Verhalten ergeben.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 12:35:36
Zitat von: zimtspinne am 12. April 2023, 12:05:34Sind solche schillernden Krankengeschichten/-verläufe nicht eine Ausnahme?
Nein, sie sind exemplarisch. Sie sind nicht die Mehrheit, aber sie sind auch nicht selten. Geschildert wird hier die Akutphase (je plötzlicher der Beginn, um so besser die Prognose). Die Schizophrenie hat eine Prävalenz von 1%, aber das Hauptproblem dieser Erkrankung ist eher das dauerhaft reduzierte soziale Funktionsniveau.

Zitat von: zimtspinne am 12. April 2023, 12:05:34Auch weil sie junk science auf die Spitze treiben und alles einsammeln, was der Pseudohimmel so anbietet?
Verstehe ich nicht. Geschildert wird zunächst ein dürrer Fakt. Was soll das mit junk science zu tun haben?

edit.
Vielleicht meinst Du die Wahninhalte mit "Pseudohimmel". Aber die Inhalte sind austauschbar, die formale Struktur, das Erleben des Gemachten, die Beeinflussungserfahrung, ist dagegen personübergreifend. Dies ist der Kern des (schizophrenen) Wahns. Wahninhalte sind nicht ihre Ursachen.

Zitat von: zimtspinne am 12. April 2023, 12:05:34Während Depressive aller Grade und Schattierungen [meine Hervorhebung - P.] zu viel und zu gerne Medikamente einnehmen,
Auch das ist nicht richtig. Der schwerst Depressive fühlt sich wahnhaft schuldig oder gelähmt von der Katastrophe, die die Welt für ihn bedeutet. Er fühlt sich nicht krank.

Edit: und auch für viele der leicht Depressiven stimmt das nicht: "Ham'se nicht was Pflanzliches?" Zum Medikamentenübergebrauch (insbesondere von Benzodiazepinen) neigen eher die Angstpatienten (klar, es gibt fließende Übergänge).
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 12:42:57
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 12:31:10Das klingt für mich nach dem typischen Verschwörungstheoretiker
Thema verfehlt, siehe meinen vorherigen Post. Zieh' Dir die Definition der Schizophrenie nach DSM oder ICD rein.

Edit. Ich vermute, dass Du mit den Definitionen ebenso nichts anfangen kannst. Wenn Du verstehen willst, was damit gemeint ist: Der Klassiker dazu ist Klaus Conrad, ,,Die beginnende Schizophrenie. Versuch einer Gestaltanalyse des Wahns" (1958). Wird immer mal wieder aufgelegt, weil es halt ein Klassiker ist.

https://psychiatrie-verlag.de/product/die-beginnende-schizophrenie/
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 12:55:30
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 12:35:36
Zitat von: zimtspinne am 12. April 2023, 12:05:34Während Depressive aller Grade und Schattierungen [meine Hervorhebung - P.] zu viel und zu gerne Medikamente einnehmen,
Auch das ist nicht richtig. Der schwerst Depressive fühlt sich wahnhaft schuldig oder gelähmt von der Katastrophe, die die Welt für ihn bedeutet. Er fühlt sich nicht krank.


Und was soll das sein, außer verkappte Existenzphilosophie ala Heidegger?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 13:03:28
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 12:55:30Und was soll das sein, außer verkappte Existenzphilosophie ala Heidegger?

Quark. Das ist schlichte Psychopathologie. Kein Mensch liest Heidegger, bevor ihm solche Gedanken einkommen.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 13:15:51
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 13:03:28
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 12:55:30Und was soll das sein, außer verkappte Existenzphilosophie ala Heidegger?

Quark. Das ist schlichte Psychopathologie. Kein Mensch liest Heidegger, bevor ihm solche Gedanken einkommen.

Das ist schlechte Philosophie im medizinischen Gewand.

Für Heidegger ist die Welt nicht nur ein physischer Ort, sondern vielmehr der Rahmen, in dem wir existieren und handeln. Die Welt ist ein Raum, in dem wir als menschliche Wesen unser Leben führen und uns mit anderen Dingen und Wesen um uns herum auseinandersetzen.

"In-der-Welt-sein" bedeutet Vertrautsein mit Welt, Sich-zurechtfinden in ihr.
Im Johannesevangelium heißt es "In der Welt habt ihr Angst". Allein das in-der-Welt-sein macht Angst, weil in der Welt das Feindliche, Dämonische und Dunkle herrscht.

Heidegger hat auch über den Begriff der Schuld geschrieben, der eng im Zusammenhang damit steht, Existenzmöglichkeiten zu realisieren.


Natürlich wird niemand depressiv wenn er Heidegger oder die Bibel ließt. Aber diese Bücher beschreiben allgemein menschliches Verhalten und Erleben, ohne auf pseudowissenschaftliche Erklärungsversuche, wie  Genetik oder ein chemisches Ungleichgewicht in der Hirnphysiologie zurückzugreifen.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 13:19:13
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:15:51Das ist schlechte Philosophie im medizinischen Gewand.

Nochmal: das ist schlicht Unsinn. Es handelt sich nicht um abgehobenes oder tragikkomisches Gewäsch, sondern um wirkliches Erleben. Solche Patienten stehen morgens nicht mehr auf, sie bedienen nicht mehr ihre vitalen Bedürfnisse, Einkaufen, soziale Kontakte und so was, von Miete zahlen oder Briefkasten leeren, geschweige denn Amtspost lesen, rede ich gar nicht erst.

Der Klassiker hierzu ist Hubertus Tellenbach: "Melancholie. Problemgeschichte, Endogenität, Typologie, Pathogenese, Klinik", 1961. Auch der ist in jüngeren Auflagen zu kriegen.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Schwuppdiwupp am 12. April 2023, 13:36:09
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 12:35:36Auch das ist nicht richtig. Der schwerst Depressive fühlt sich wahnhaft schuldig oder gelähmt von der Katastrophe, die die Welt für ihn bedeutet. Er fühlt sich nicht krank.

Edit: und auch für viele der leicht Depressiven stimmt das nicht:

Ich habe den subjektiven Eindruck, dass zumindest in meinem Umfeld Depression als "echte" Krankheit wahrgenommen wird, die unter Umständen lebensbedrohlich - nicht wegen der Suizidgefahr - sein kann. Deshalb wird Betroffenen auch als "Erste Hilfe" der Besuch beim Hausarzt angeraten.

Das ist natürlich nur eine anekdotische Sichtweise.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Gefährliche Bohnen am 12. April 2023, 13:43:48
Zitat von: Schwuppdiwupp am 12. April 2023, 13:36:09
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 12:35:36Auch das ist nicht richtig. Der schwerst Depressive fühlt sich wahnhaft schuldig oder gelähmt von der Katastrophe, die die Welt für ihn bedeutet. Er fühlt sich nicht krank.

Edit: und auch für viele der leicht Depressiven stimmt das nicht:

Ich habe den subjektiven Eindruck, dass zumindest in meinem Umfeld Depression als "echte" Krankheit wahrgenommen wird, die unter Umständen lebensbedrohlich - nicht wegen der Suizidgefahr - sein kann. Deshalb wird Betroffenen auch als "Erste Hilfe" der Besuch beim Hausarzt angeraten.

Das ist natürlich nur eine anekdotische Sichtweise.

Was das Umfeld (und mitunter auch der Betroffene) weiß und was der Betroffene fühlt, sind zwei Paar Schuhe.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 13:19:13
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:15:51Das ist schlechte Philosophie im medizinischen Gewand.

Nochmal: das ist schlicht Unsinn. Es handelt sich nicht um abgehobenes oder tragikkomisches Gewäsch, sondern um wirkliches Erleben. Solche Patienten stehen morgens nicht mehr auf, sie bedienen nicht mehr ihre vitalen Bedürfnisse, Einkaufen, soziale Kontakte und so was, von Miete zahlen oder Briefkasten leeren, geschweige denn Amtspost lesen, rede ich gar nicht erst.

Der Klassiker hierzu ist Hubertus Tellenbach: "Melancholie. Problemgeschichte, Endogenität, Typologie, Pathogenese, Klinik", 1961. Auch der ist in jüngeren Auflagen zu kriegen.

Heidegger benutzt hier den Begriff der Entschlossenheit. Die Entschlossenheit bezieht sich darauf, wie der Mensch in Anbetracht seiner Endlichkeit und der damit einhergehenden Verantwortung für sein Leben und Handeln eine Entscheidung trifft und in die Tat umsetzt.

Dieser Herausforderung muss sich jeder Mensch stellen. Manchen gelingt das besser als anderen.

Wie gesagt, liefert die psychiatrische Psychopathologie nicht unbedingt neue Erkenntnisse. Wenn ich gehässig wäre, würde ich vielleicht sagen, dass es der Psychiatrie nicht einmal gelingt, auf das Niveau von Philosophie und Geisteswissenschaften zu kommen, geschweige denn auf das von Medizin an sich.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 14:54:12
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Heidegger benutzt hier den Begriff der Entschlossenheit.
Zum dritten Mal. Heidegger ist vollkommen irrelevant. Die Symptomatik wäre gleich, auch wenn Heidegger nie gelebt oder was Vernünftiges zu sagen gehabt hätte. Sie ist unabhängig davon, dass die Psychiater versucht haben, sich mittels Existenzphilosophie einen Vers darauf zu machen.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Wie gesagt, liefert die psychiatrische Psychopathologie nicht unbedingt neue Erkenntnisse.
Psychopathologie ist die systematische Beschreibung von Symptomen psychischer Erkrankungen. Der Klassiker dazu ist Jaspers, Allgemeine Psychopathologie, 1913, auch das in Abständen wieder aufgelegt. Heideggers ,,Sein und Zeit" ist von 1926. Mit dem gleichen Recht kann man sagen, dass die Beschreibung von Symptomen der Leberzirrhose ,,nicht unbedingt neue Erkenntnisse" bringt.

In #18 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=16167.msg221427#msg221427) war das schon mal Thema. Wenn Du Dir die geringe Mühe gemacht hättest, die Fäden zu lesen, die ich verlinkt habe, würdest Du möglicherweise nicht ebenso hartnäckig wie sinnfrei daherschwadronieren. Aber sicher bin ich nicht.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Wenn ich gehässig wäre, würde ich vielleicht sagen, dass es der Psychiatrie nicht einmal gelingt, auf das Niveau von Philosophie und Geisteswissenschaften zu kommen, geschweige denn auf das von Medizin an sich.

dunning.jpg
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 15:36:06
Edit - Doppelter Eintrag.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 15:36:33
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 14:54:12
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 13:44:47Heidegger benutzt hier den Begriff der Entschlossenheit.
Zum dritten Mal. Heidegger ist vollkommen irrelevant. Die Symptomatik wäre gleich, auch wenn Heidegger nie gelebt oder was Vernünftiges zu sagen gehabt hätte. Sie ist unabhängig davon, dass die Psychiater versucht haben, sich mittels Existenzphilosophie einen Vers darauf zu machen.

Ist das so?
Hat Jaspers nicht die Phänomenologie in die psychiatrische Diagnostik und Behandlung miteinbezogen? Betonte Jaspers nicht die subjektive Wahrnehmung der Patienten?
Unterscheidet sie sich daher nicht von der traditionellen psychiatrischen Psychopathologie (Kraeplin), die sich hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 16:11:42
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 15:36:33Ist das so?
Ja.

Zum vierten Mal. Die Beschreibung der psychopathologischen Symptomatik ist unabhängig vom philosophischen Hinterland des Beschreibers. Wenn Hippokrates den Ikterus beschrieben hat, dann ist das unabhängig von der Säftelehre.

ZitatUnterscheidet sie sich daher nicht von der traditionellen psychiatrischen Psychopathologie (Kraeplin), die sich hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert?
Der Satz hat keinen eindeutigen Inhalt. Die Begrifflichkeit der Psychopathologie hat sich nach Kraepelin weiterentwickelt (inzwischen ist sie relativ abgeschlossen, "endausgebaut", wie Kisker formuliert). Aber es ist Unfug, dass Kraepelin sich ,,hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert" habe. Ich zitiere aus dem Inhaltsverzeichnis seines Lehrbuchs der Psychiatrie (6. Aufl., 1899), Bd. 1:

ZitatII.    Die Erscheinungen des Irreseins.       
A.    Störungen des Wahrnehmungsvorganges   
Sinnestäuschungen       
Elementare Trugwahrnehmungen — Wahrnehmungstäuschungen (Hallucination und Illusion) — Reperception — Einbildungstäuschungen (Doppeldenken) — Auffassungstäuschungen — Reflexhallucinationen — Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlstäuschungen.
Trübungen des Bewusstseins       
Störungen der Auffassung.       
Unbesinnlichkeit — Desorientirtheit — Ablenkbarkeit (Zerstreutheit) — Fesselung der Aufmerksamkeit.
B.    Störungen der Verstandesthätigkeit   
Störungen des Gedächtnisses           
Störungen der Merkfähigkeit — Erinnerungslosigkeit (Retrograde Amnesie) — Gedächtnissschwäche — Partielle Amnesie (Amnestische Aphasie) — Störungen der zeitlichen Ordnung — Erinnerungsfälschungen (Paramnesien, Erinnerungshallucinationen).

usw. Das sind alles genuin psychopathologische, subjektive Symptome. Natürlich hat er Verhaltensauffälligkeiten nicht außen vor gelassen, warum sollte er. Und ebenso natürlich hat Jaspers Verhaltensauffälligkeiten nicht weggelassen.

Edit: inzwischen sind wir von der Existenzphilosophie zur Phänomenologie übergegangen. Alles irgendwie eine Soße. Irgendwer muss schuld sein, Hauptsache nicht die Beobachtung. Maxwell hat auch an den lieben Gott geglaubt, aber in den Maxwellschen Gleichungen kommt er nicht vor (Bunge/Mahner).
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 16:11:42
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 15:36:33Ist das so?
Ja.

Zum vierten Mal. Die Beschreibung der psychopathologischen Symptomatik ist unabhängig vom philosophischen Hinterland des Beschreibers. Wenn Hippokrates den Ikterus beschrieben hat, dann ist das unabhängig von der Säftelehre.

ZitatUnterscheidet sie sich daher nicht von der traditionellen psychiatrischen Psychopathologie (Kraeplin), die sich hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert?
Der Satz hat keinen eindeutigen Inhalt. Die Begrifflichkeit der Psychopathologie hat sich nach Kraepelin weiterentwickelt (inzwischen ist sie relativ abgeschlossen, "endausgebaut", wie Kisker formuliert). Aber es ist Unfug, dass Kraepelin sich ,,hauptsächlich auf beobachtbare Verhaltenssymptome und physiologische Veränderungen konzentriert" habe. Ich zitiere aus dem Inhaltsverzeichnis seines Lehrbuchs der Psychiatrie (6. Aufl., 1899), Bd. 1:

ZitatII.    Die Erscheinungen des Irreseins.       
A.    Störungen des Wahrnehmungsvorganges   
Sinnestäuschungen       
Elementare Trugwahrnehmungen — Wahrnehmungstäuschungen (Hallucination und Illusion) — Reperception — Einbildungstäuschungen (Doppeldenken) — Auffassungstäuschungen — Reflexhallucinationen — Gesichts-, Gehörs-, Geruchs-, Geschmacks-, Gefühlstäuschungen.
Trübungen des Bewusstseins       
Störungen der Auffassung.       
Unbesinnlichkeit — Desorientirtheit — Ablenkbarkeit (Zerstreutheit) — Fesselung der Aufmerksamkeit.
B.    Störungen der Verstandesthätigkeit   
Störungen des Gedächtnisses           
Störungen der Merkfähigkeit — Erinnerungslosigkeit (Retrograde Amnesie) — Gedächtnissschwäche — Partielle Amnesie (Amnestische Aphasie) — Störungen der zeitlichen Ordnung — Erinnerungsfälschungen (Paramnesien, Erinnerungshallucinationen).

usw. Das sind alles genuin psychopathologische, subjektive Symptome. Natürlich hat er Verhaltensauffälligkeiten nicht außen vor gelassen, warum sollte er. Und ebenso natürlich hat Jaspers Verhaltensauffälligkeiten nicht weggelassen.

Edit: inzwischen sind wir von der Existenzphilosophie zur Phänomenologie übergegangen. Alles irgendwie eine Soße. Irgendwer muss schuld sein, Hauptsache nicht die Beobachtung. Maxwell hat auch an den lieben Gott geglaubt, aber in den Maxwellschen Gleichungen kommt er nicht vor (Bunge/Mahner).

Jaspers war Philosoph und Psychiater und hatte einen immensen Einfluss auf Heidegger und die gesamte Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dass dies nicht seine Interpretation und Erklärung von Symptomen beeinflusst haben soll, glaube ich nicht.

In seiner Arbeit über Dementia Praecox folgte Kraepelin einem traditionellen medizinischen Ansatz, um die Syndrome zu beschreiben. Seine Kapitel umfassen psychische Symptome, das allgemeine klinische Bild, körperliche Symptome, klinische Formen, den Verlauf, das Ergebnis, Neuroanatomie, mögliche Ursachen und Differentialdiagnose.

Diese Kategorien definieren einen klassischen Ansatz zur Diagnose.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 12. April 2023, 16:49:54
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 16:11:42Alles irgendwie eine Soße. Irgendwer muss schuld sein, Hauptsache nicht die Beobachtung.
Gut zusammengefasst! Mehr wird da auch nicht kommen, das haben wir schon an anderer Stelle beobachten können. Das ist ja auch die Denke der Querfurzer, weshalb ich den Endfurzer genau so einordne. Da ist auch weiteres Diskutieren fruchtlos, es dient nur seiner Unterhaltung. Irgend einen verwertbaren Ansatz sehe ich nicht, weil er keine greifbaren Aussagen macht und munter durch die Themen springt. Wenn es ihm gefällt, soll er doch in der Bibel lesen. Da hat man ja auch Kompetenz im Umgang mit "auffälligen Personen". Und das nicht nur bei Wiederkäuern.

(https://de.web.img3.acsta.net/r_654_368/newsv7/22/10/17/13/56/0333926.jpg)
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Schwuppdiwupp am 12. April 2023, 16:58:37
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 12. April 2023, 13:43:48Was das Umfeld (und mitunter auch der Betroffene) weiß und was der Betroffene fühlt, sind zwei Paar Schuhe.

Keine Frage! Das habe ich als bekannt vorausgesetzt.


Zitat von: eLender am 12. April 2023, 16:49:54Da ist auch weiteres Diskutieren fruchtlos, es dient nur seiner Unterhaltung

Yepp!  :troll
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 17:00:45
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater und hatte einen immensen Einfluss auf Heidegger und die gesamte Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dass dies nicht seine Interpretation und Erklärung von Symptomen beeinflusst haben soll, glaube ich nicht.
Die ,,Interpretation und Erklärung von Symptomen" ist nicht so wichtig. Schließlich gibt es den Ikterus immer noch, aber von der Viersäftelehre hat man seit 150 Jahren nichts mehr gehört. Erklärungen wandeln sich. Die Existenzphilosophie in der Psychiatrie ist vor mehreren Jahrzehnten eines natürlichen Todes gestorben, aber die Psychopathologie is alive and well. Wie kommt das? Du wirst mal wieder langweilig.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Seine Kapitel umfassen psychische Symptome, das allgemeine klinische Bild, körperliche Symptome, klinische Formen, den Verlauf, das Ergebnis, Neuroanatomie, mögliche Ursachen und Differentialdiagnose.

Diese Kategorien definieren einen klassischen Ansatz zur Diagnose.
Den modernen auch, oder kennst Du irgendeine Lehre (abgesehen vom Behaviorismus oder von sozialwissenschaftlichen/konstruktivistischen Psychiatrie-Debunkings), die davon abweicht?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 17:00:45
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater und hatte einen immensen Einfluss auf Heidegger und die gesamte Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts. Dass dies nicht seine Interpretation und Erklärung von Symptomen beeinflusst haben soll, glaube ich nicht.
Die ,,Interpretation und Erklärung von Symptomen" ist nicht so wichtig. Schließlich gibt es den Ikterus immer noch, aber von der Viersäftelehre hat man seit 150 Jahren nichts mehr gehört. Erklärungen wandeln sich. Die Existenzphilosophie in der Psychiatrie ist vor mehreren Jahrzehnten eines natürlichen Todes gestorben, aber die Psychopathologie is alive and well. Wie kommt das? Du wirst mal wieder langweilig.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Seine Kapitel umfassen psychische Symptome, das allgemeine klinische Bild, körperliche Symptome, klinische Formen, den Verlauf, das Ergebnis, Neuroanatomie, mögliche Ursachen und Differentialdiagnose.

Diese Kategorien definieren einen klassischen Ansatz zur Diagnose.
Den modernen auch, oder kennst Du irgendeine Lehre (abgesehen vom Behaviorismus oder von sozialwissenschaftlichen/konstruktivistischen Psychiatrie-Debunkings), die davon abweicht?


Modern bedeutet in diesem Zusammenhang Neo-Kraepelinismus. Dann muss man sich dann auch die Kritik gefallen lassen, das man sehr wenig über den Gegenstand seiner Disziplin, nämlich das menschliche Gehirn weiß.

Edit: Hatte doch recht mit meiner Annahme über Jaspers.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/59298/Karl-Jaspers-Psychopathologie-und-Existenzphilosophie
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 17:57:52
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06Dann muss man sich dann auch die Kritik gefallen lassen, das man sehr wenig über den Gegenstand seiner Disziplin, nämlich das menschliche Gehirn weiß.
Sind die Kasuistiken in #61 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg269113#msg269113), in #63 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg269115#msg269115) oder die schwere Depression mit psychotischen Symptomen ,,Heideggersche Existenzanalyse", oder sind sie Realität?

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06Hatte doch recht mit meiner Annahme über Jaspers.
Da kannst Du Dir mal richtig auf die Schulter klopfen mit einer Behauptung, die nie jemand Grund hatte zu bestreiten. Psychopathologisch nennt man das übrigens Vorbeireden (https://flexikon.doccheck.com/de/Vorbeireden) (unter der Voraussetzung, dass Du nicht bewusst trollst).

Wie gesagt, sie ist alive and well, die Psychopathologie. :grins 

Ein bisschen erinnert das in der Tat an die wagenknechtischen Russlandfreunde, die tausend Vorwürfe an die NATO haben, und die man fragen möchte: Wo und von wem werden Städte dem Erdboden gleichgemacht und Kriegsverbrechen begangen? In einer Regionalzeitung kann man heute diesen Leserbrief finden:
ZitatDas war aber ein Aufschrei wegen Putins Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Natürlich auch die Polen. Aber wo blieb der Aufschrei, als Millionen tote Fische in der Oder schwammen, verursacht durch dieses Land. Und warum empört sich niemand darüber [...]

Zitat von: eLender am 12. April 2023, 16:49:54Das ist ja auch die Denke der Querfurzer
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 19:15:57
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 12. April 2023, 13:43:48
Zitat von: Schwuppdiwupp am 12. April 2023, 13:36:09
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 12:35:36Auch das ist nicht richtig. Der schwerst Depressive fühlt sich wahnhaft schuldig oder gelähmt von der Katastrophe, die die Welt für ihn bedeutet. Er fühlt sich nicht krank.

Edit: und auch für viele der leicht Depressiven stimmt das nicht:

Ich habe den subjektiven Eindruck, dass zumindest in meinem Umfeld Depression als "echte" Krankheit wahrgenommen wird, die unter Umständen lebensbedrohlich - nicht wegen der Suizidgefahr - sein kann. Deshalb wird Betroffenen auch als "Erste Hilfe" der Besuch beim Hausarzt angeraten.

Das ist natürlich nur eine anekdotische Sichtweise.

Was das Umfeld (und mitunter auch der Betroffene) weiß und was der Betroffene fühlt, sind zwei Paar Schuhe.

Noch eine Ergänzung. Eine schwere Depression ist nicht, wenn der Betroffene die ganze Zeit heult (kann aber vorkommen). Er ist eher nicht auslenkbar, kann nicht lächeln, und wenn er über seine Gefühle berichtet, dann vielleicht über das Gefühl der Gefühllosigkeit, dass alles tot ist. Der schwer gehemmt Depressive klagt nicht mal, jedenfalls nicht darüber, krank zu sein.
ZitatSchwere depressive Episode: Diese Diagnose wird gestellt, wenn der Betroffene durch die Krankheit nicht mehr in der Lage ist. Alltägliches wie Beruf, soziale Aufgaben oder häusliche Arbeiten zu verrichten. Die Patienten sind meist krankgeschrieben. Sie beschreiben oft eine absolute Lähmung, können kaum mehr aus dem Bett aufstehen und sich nicht mehr selbst versorgen: andererseits können auch eine quälende Unruhe und innere Anspannung (Agitiertheit) im Vordergrund stehen. Selbstzweifel bis hin zu Suizidgedanken sind in diesem Stadium meist vorhanden.
Frieboes
ZitatDie Patientin Emma B. (59/281) kam in einer schweren Hemmungsmelancholie zur Aufnahme. Sie gab an, in der letzten Zeit sei "alles so fern, so wie verschlossen", sie habe immer "danach gesucht, wo sie etwas unrecht oder falsch getan" habe, "daß Gott sie so verlassen" würde. Während sie nach den Angaben des Ehemannes daheim sich vorgeworfen hatte, sie habe nicht genug für die Angehörigen vorgesorgt, den Kindern nicht rechtzeitig Kleider beschafft, warf sie sich in der Klinik vor, im Kriege die Kleider ihrer 1947 an Diphtherie gestorbenen Tochter aufgehoben zu haben, statt diese in der damaligen Notzeit wegzuschenken, wo die Leute so froh um Kleider gewesen seien.
Tellenbach
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 21:51:03
Noch eine Ergänzung.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater

Die Reihenfolge war umgekehrt, erst Psychiater, dann (ab 1913) Philosoph. Die alten Psychiater konnten nicht therapieren, sie konnten nur beobachten. Sie füllten Regalkilometer mit Krankenakten und verfügten somit über eine riesige empirische Basis. Jaspers schreibt, nachdem er kurz auf die Bedeutung der Statistik eingegangen ist:

Zitatb) Konkret logische Methoden der Auffassung und Forschung.
[...]
aa) Der erste Schritt zum wissenschaftlichen Erfassen des Seelischen ist ein Aussondern, Begrenzen, Unterscheiden und Beschreiben bestimmter erlebter Phänomene, die dadurch klar vergegenwärtigt und mit einem bestimmten Ausdruck regelmäßig benannt werden. So beschreiben wir die Arten von Trugwahrnehmungen, Wahnerlebnissen, Zwangsvorgangen, die Weisen des Personlichkeitsbewußtseins, der Triebe usw. Hierbei sehen wir noch ganz ab von der Entstehung der Phänomene, dem Auseinanderhervorgehen seelischer Phanomene, von theoretischen Vorstellungen über Zugrundeliegendes, wir wenden uns rein dem wirklich Erlebten zu.

Allgemeine Psychopathologie, 9. Auflage 1973, S. 22.

Nichts von Wesensschau und Intuition, übrigens ein krasser Gegensatz zur Freudschen Methodik. Maxwell war ein frommer Christ, und vermutlich schrieb er seine Ideen der göttlichen Inspiration zu. Entwertet das seine Gleichungen?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 21:54:39
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 17:57:52
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 17:16:06Dann muss man sich dann auch die Kritik gefallen lassen, das man sehr wenig über den Gegenstand seiner Disziplin, nämlich das menschliche Gehirn weiß.
Sind die Kasuistiken in #61 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg269113#msg269113), in #63 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg269115#msg269115) oder die schwere Depression mit psychotischen Symptomen ,,Heideggersche Existenzanalyse", oder sind sie Realität?


Heidegger führte keine Existenzanalyse durch, sondern behandelte die Seinsfrage im Rahmen der Fundamentalontologie. Ich hoffe, das hilft weiter.

Außerdem hast du zuvor bestritten, dass philosophische Ansichten die Psychopathologie irgendwie beeinflusst haben. Bei Jaspers war das jedoch nicht der Fall.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 12. April 2023, 21:54:58
Nur noch mal eine Erinnerung, worum es hier eigentlich geht. Kurz, knapp und richtig. Die Videos von Denkgegner wollen davon nur ablenken:

ZitatAntipsychiatrie
Femininum, Singular
Englisch: antipsychiatry
Politische und soziale Bewegung (ca. 1965–1975), die Kritik an offenkundigen Missständen in psychiatrischen Institutionen (Anstaltspsychiatrie) übte und die herrschenden Theorien über die Entstehung und Behandlung psychischer Störungen grundsätzlich ablehnte.

Vertreter
R. Laing, Th. Szasz, D. Cooper, M. Foucault.

Geschichte
Psychische Störungen wurden aufgrund ideologischer Überlegungen mystifiziert und als Ergebnis eines fehlgeleiteten gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses interpretiert; die institutionelle Psychiatrie wurde als Stätte staatlicher Repression diskreditiert, psychisches Kranksein z. T. geleugnet; psychische Störungen, insbes. Schizophrenie, seien Folge unerträglicher gesellschaftlicher Bedingungen und daraus resultierender Fehlentwicklungen; der Psychiatrie wurde vorgeworfen, sie legitimiere die Isolierung und Vernichtung von Individuen, die von sozialen Normen abweichen.

Hinweis
Die antipsychiatrische Bewegung legte kein schlüssiges, wissenschaftliches und therapeutisches Gegenkonzept vor. Die Psychiatrie-Reform der vergangenen Jahrzehnte trug wesentlich zum Abklingen der antipsychiatrischen Bewegung bei.
vgl. Labeling-Theorie.
https://www.pschyrembel.de/Antipsychiatrie/P04HX

Das Ding ist so tot wie der Kommunismus. Ewiggestrige gibt es immer, die sind einfach hängen geblieben. Oder bei Scientology.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 22:05:15
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 21:51:03Noch eine Ergänzung.

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 16:47:41Jaspers war Philosoph und Psychiater

Die Reihenfolge war umgekehrt, erst Psychiater, dann (ab 1913) Philosoph. Die alten Psychiater konnten nicht therapieren, sie konnten nur beobachten. Sie füllten Regalkilometer mit Krankenakten und verfügten somit über eine riesige empirische Basis. Jaspers schreibt, nachdem er kurz auf die Bedeutung der Statistik eingegangen ist:

Zitatb) Konkret logische Methoden der Auffassung und Forschung.
[...]
aa) Der erste Schritt zum wissenschaftlichen Erfassen des Seelischen ist ein Aussondern, Begrenzen, Unterscheiden und Beschreiben bestimmter erlebter Phänomene, die dadurch klar vergegenwärtigt und mit einem bestimmten Ausdruck regelmäßig benannt werden. So beschreiben wir die Arten von Trugwahrnehmungen, Wahnerlebnissen, Zwangsvorgangen, die Weisen des Personlichkeitsbewußtseins, der Triebe usw. Hierbei sehen wir noch ganz ab von der Entstehung der Phänomene, dem Auseinanderhervorgehen seelischer Phanomene, von theoretischen Vorstellungen über Zugrundeliegendes, wir wenden uns rein dem wirklich Erlebten zu.

Allgemeine Psychopathologie, 9. Auflage 1973, S. 22.

Nichts von Wesensschau und Intuition, übrigens ein krasser Gegensatz zur Freudschen Methodik. Maxwell war ein frommer Christ, und vermutlich schrieb er seine Ideen der göttlichen Inspiration zu. Entwertet das seine Gleichungen?


Auch das ist falsch.
1912 veröffentliche Jaspers den Aufsatz
"Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie".

Seine "Allgemeine Psychopathologie" trug wesentlich zur Begründung einer geisteswissenschaftlich orientierten Richtung innerhalb der Psychiatrie bei. Philosophisch-methodologische Impulse erhielt er von Husserl und Dilthey.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 22:12:57
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:05:15Auch das ist falsch.
1912 veröffentliche Jaspers den Aufsatz
"Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie".
Wie jetzt, was er in der Allgemeinen Psychopathologie geschrieben hat zum ersten, grundlegenden Schritt seiner Methodik, ist falsch? Was steht denn da drin, in diesem Aufsatz?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 22:22:02
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 22:12:57
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:05:15Auch das ist falsch.
1912 veröffentliche Jaspers den Aufsatz
"Die phänomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie".
Wie jetzt, was er in der Allgemeinen Psychopathologie geschrieben hat zum ersten, grundlegenden Schritt seiner Methodik, ist falsch? Was steht denn da drin, in diesem Aufsatz?

Ob das falsch oder richtig ist, will ich nicht beurteilen. Jaspers galt aber als Kritiker des naturwissenschaftlichen Reduktionismus, der seelische Phänomene auf ihr organisches Substrat, also das Gehirn zurückführt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 22:25:55
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:22:02Ob das falsch oder richtig ist, will ich nicht beurteilen.

Ich entnehme dem, dass Du nicht weißt, was er da schreibt.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 22:36:32
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 22:25:55
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:22:02Ob das falsch oder richtig ist, will ich nicht beurteilen.

Ich entnehme dem, dass Du nicht weißt, was er da schreibt.

Du weißt das anscheinend nicht, sonst wär Dir der philosophische Hintergrund eines der Begründer der Psychopathologie wohl bewußt.

Es gibt zahlreiche Sekundärliteratur zum Thema.
Siehe: Burkhard Gäbler - Karl Jaspers als Initiator des geistewissenschaftlichen Denkens in der Psychiatrie.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 12. April 2023, 22:56:09
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:36:32Du weißt das anscheinend nicht, sonst wär Dir der philosophische Hintergrund eines der Begründer der Psychopathologie wohl bewußt.
:rofl2

(https://y.yarn.co/369477f2-323a-42f8-9224-8b6800bf807b_text.gif)

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:22:02Jaspers galt aber als Kritiker des naturwissenschaftlichen Reduktionismus
Von der Absurdität zurück zur Banalität. Da hättest Du gar nicht so lange Schlangenlinien laufen müssen, das hatte ich schon in #3 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg268982#msg268982) verlinkt.

Zitat von: pelacani am 26. Juni 2014, 09:52:51Der Streit zwischen ,,Psychikern" und ,,Organikern" ist so alt wie die wissenschaftliche Psychiatrie selbst. Sie begann Mitte des 19. Jhd. (z. B. Heinroth, Ideler), die eine romantische Psychiatrie vertraten. Die Griesinger-These ,,Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten" war demgegenüber ein Fortschritt. Ihren großen Erfolg feierte sie mit der Aufklärung der Progressiven Paralyse (prominenter Patient z. B. Nietzsche) als Manifestation der Syphilis. Im frühen 20. Jhd. wurde aber zunehmend klarer, dass der Optimismus, das Substrat ,,der" Geisteskrankheiten aufdecken zu können, nicht so einfach einzulösen ist. Selbst Jaspers, einer der Begründer der klassischen deutschen Psychiatrie, hatte sich in seiner psychopathologischen Spätphase von der Vorstellung psychiatrischer Krankheitsentitäten verabschiedet.

Aber gut, wenn einfaches Nachlesen für Dich zu schmuddelig ist und du von den ,,Argumenten", die Du apportierst, nur die Überschriften benötigst, dann übernehme ich die Drecksarbeit. Jaspers schreibt in dem von Dir angeführten Aufsatz:
ZitatDie Mittel der phänomenologischen Analyse und Festlegung dessen, was Kranke wirklich erleben, sind dreierlei Art: erstens die Versenkung in Gebaren, Benehmen, Ausdrucksbewegungen; zweitens die Exploration mit ihrer Befragung und der von uns geleiteten Auskunft der Kranken über sieh selbst; drittens die sehriftlich niedergelegten Selbstschilderungen, die selten gut, dann aber immer sehr wertvoll und eventuell benutzbar sind auch ohne persönliche Kenntnis der Verfasser. In allen diesen Fällen treiben wir Phänomenologie, insofern wir auf das Seelisehe dabei eingestellt sind, und nicht auf die objektiven Erseheinungen, die hier vielmehr nur Durehgangspunkt, nur Mittel, nicht selbst Untersuchungsgegenstand sind.
Was macht er falsch? Und wenn er da nur Schrott geschrieben hätte, dann wäre das immer noch an unserem Thema vorbeigeredet.


Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 12. April 2023, 23:08:06
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 22:56:09
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:36:32Du weißt das anscheinend nicht, sonst wär Dir der philosophische Hintergrund eines der Begründer der Psychopathologie wohl bewußt.
:rofl2

(https://y.yarn.co/369477f2-323a-42f8-9224-8b6800bf807b_text.gif)

Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 22:22:02Jaspers galt aber als Kritiker des naturwissenschaftlichen Reduktionismus
Von der Absurdität zurück zur Banalität. Da hättest Du gar nicht so lange Schlangenlinien laufen müssen, das hatte ich schon in #3 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=18193.msg268982#msg268982) verlinkt.

Zitat von: pelacani am 26. Juni 2014, 09:52:51Der Streit zwischen ,,Psychikern" und ,,Organikern" ist so alt wie die wissenschaftliche Psychiatrie selbst. Sie begann Mitte des 19. Jhd. (z. B. Heinroth, Ideler), die eine romantische Psychiatrie vertraten. Die Griesinger-These ,,Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten" war demgegenüber ein Fortschritt. Ihren großen Erfolg feierte sie mit der Aufklärung der Progressiven Paralyse (prominenter Patient z. B. Nietzsche) als Manifestation der Syphilis. Im frühen 20. Jhd. wurde aber zunehmend klarer, dass der Optimismus, das Substrat ,,der" Geisteskrankheiten aufdecken zu können, nicht so einfach einzulösen ist. Selbst Jaspers, einer der Begründer der klassischen deutschen Psychiatrie, hatte sich in seiner psychopathologischen Spätphase von der Vorstellung psychiatrischer Krankheitsentitäten verabschiedet.

Aber gut, wenn einfaches Nachlesen für Dich zu schmuddelig ist und du von den ,,Argumenten", die Du apportierst, nur die Überschriften benötigst, dann übernehme ich die Drecksarbeit. Jaspers schreibt in dem von Dir angeführten Aufsatz:
ZitatDie Mittel der phänomenologischen Analyse und Festlegung dessen, was Kranke wirklich erleben, sind dreierlei Art: erstens die Versenkung in Gebaren, Benehmen, Ausdrucksbewegungen; zweitens die Exploration mit ihrer Befragung und der von uns geleiteten Auskunft der Kranken über sieh selbst; drittens die sehriftlich niedergelegten Selbstschilderungen, die selten gut, dann aber immer sehr wertvoll und eventuell benutzbar sind aueh ohne persönliche Kenntnis der Verfasser. In allen diesen Fällen treiben wir Phänomenologie, insofern wir auf das Seelisehe dabei eingestellt sind, und nicht auf die objektiven Erseheinungen, die hier vielmehr nur Durehgangspunkt, nur Mittel, nicht selbst Untersuchungsgegenstand sind.
Was macht er falsch? Und wenn er da nur Schrott geschrieben hätte, dann hätte das keinerlei Bedeutung für unser Thema.




Jaspers' Dualismus von Verstehen und Erklären entspringt einem letztlich cartesianischen Dualismus von Seelischem und Körperlichem.
Damit ist seine Psychopathologie nicht vereinbar mit einer materialistischen Weltanschauung.

P.s: Ich lese hier keine Querverweise zu alten Threads von 2014. Sorry, das kann man mir als Faulheit anlasten, ich finde es aber mühselig die Diskussionen von damals noch mal in einem separaten Fenster lesen und einordnen zu müssen.
Darum beschränke ich mich darauf, was hier geschrieben wird.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 13. April 2023, 04:00:31
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 23:08:06Jaspers' Dualismus von Verstehen und Erklären entspringt einem letztlich cartesianischen Dualismus von Seelischem und Körperlichem.
Damit ist seine Psychopathologie nicht vereinbar mit einer materialistischen Weltanschauung.

So ein Quatsch. Seine Psychopathologie ist empirisch begründet, sonst würde heute kein Hahn mehr nach ihr krähen. Diesen Widerspruch kennst Du seit 5 Minuten. Du ignorierst nicht nur, was in alten Fäden steht, sondern auch das, was Du direkt vor der Nase hast:
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 22:56:09Und wenn er da nur Schrott geschrieben hätte, dann wäre das immer noch an unserem Thema vorbeigeredet.
Nu is gutt. Troll.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 13. April 2023, 06:18:23
Zitat von: Peiresc am 13. April 2023, 04:00:31
Zitat von: Endgegner am 12. April 2023, 23:08:06Jaspers' Dualismus von Verstehen und Erklären entspringt einem letztlich cartesianischen Dualismus von Seelischem und Körperlichem.
Damit ist seine Psychopathologie nicht vereinbar mit einer materialistischen Weltanschauung.

So ein Quatsch. Seine Psychopathologie ist empirisch begründet, sonst würde heute kein Hahn mehr nach ihr krähen. Diesen Widerspruch kennst Du seit 5 Minuten. Du ignorierst nicht nur, was in alten Fäden steht, sondern auch das, was Du direkt vor der Nase hast:
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 22:56:09Und wenn er da nur Schrott geschrieben hätte, dann wäre das immer noch an unserem Thema vorbeigeredet.
Nu is gutt. Troll.

»Die Medizin ist nur eine der Wurzeln der Psychopathologie ... wo immer der Gegenstand der Mensch und nicht der Mensch als eine Art der Tiere ist, da zeigt sich, dass die Psychopathologie ihrem Wesen nach nicht nur eine Gestalt der Biologie, sondern auch Geisteswissenschaft ist«

Auf was läßt dieses Zitat anderes schließen, als eine dualistische Weltanschauung?
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 13. April 2023, 07:57:16
Zitat von: Peiresc am 12. April 2023, 22:56:09
Zitat von: pelacani am 26. Juni 2014, 09:52:51Der Streit zwischen ,,Psychikern" und ,,Organikern" ist so alt wie die wissenschaftliche Psychiatrie selbst. Sie begann Mitte des 19. Jhd. (z. B. Heinroth, Ideler), die eine romantische Psychiatrie vertraten. Die Griesinger-These ,,Geisteskrankheiten sind Gehirnkrankheiten" war demgegenüber ein Fortschritt. Ihren großen Erfolg feierte sie mit der Aufklärung der Progressiven Paralyse (prominenter Patient z. B. Nietzsche) als Manifestation der Syphilis. Im frühen 20. Jhd. wurde aber zunehmend klarer, dass der Optimismus, das Substrat ,,der" Geisteskrankheiten aufdecken zu können, nicht so einfach einzulösen ist. Selbst Jaspers, einer der Begründer der klassischen deutschen Psychiatrie, hatte sich in seiner psychopathologischen Spätphase von der Vorstellung psychiatrischer Krankheitsentitäten verabschiedet.

Dann kommt heute endlich die psychiatrische Genetik-Forschung dazu und beschäftigt sich mit den biologischen bzw genetischen Wurzeln alter und neuer (?) 'Geisteskrankheiten', also psychiatrischer Krankheiten.
Gibt es überhaupt neue? Oder sind das nur angepasste Neuauflagen uralter Geisteskrankheiten?
Smartphone-Abhängigkeit (früher Internet- oder Zocksucht), Pornosucht, Bulimie - gabs das vor 1000 Jahren, nur anders aufgestellt? Womit sind diese Störungen medizinisch psychopathologisch verwandt oder sind die neu?

Das sind Themen, die mich jetzt hier zB interessieren würden....

Ja, und es gibt noch die Evolutionionäre Psychiatrie, sollte ein Zweig der evolutionären Medizin sein - deshalb hatte ich mir auch überhaupt Endgegners Videos angeschaut, da ich annahm, nachdem dort evolutinonär-begründete Ursachen für Depressionen angesprochen wurden, dass es dort darum ging.
Aber nein, das wurde irgendwie verschwurbelt, statt mal die von unterschiedlichen (wissenschaftlichen) Forschungsdisziplinen angesammelten Thesen/Hypothesen/Theorien aufzuzählen und sich eigene Gedanken dazu zu machen.

Es gibt da auch so ein konstruktivistisch anmutendes Konzept, ähnlich wie bei Krebs, das mir schon wieder auf den Wecker geht wie alles aus der Ecke. In diese Richtung ein bisschen driftete dann auch der Mann ab.

Peiresc,

Fachärzte können sich niemals in die Gedankenwelt und Verhaltensmotivationen Depressiver vollständig eindenken, sie nachvollziehen - außer, sie wären selbst dort gewesen.

Interessant wird das aber, wenn man mit zeitlichem und entwicklungsgeschichtlichem (weiß grad kein besseres Wort für Entwicklungsschritte) Abstand auf diese Dinge schaut, aus einer Außenperspektive, aber doch auch Innenperspektive.
Teilweise schaut sogar der Schwerdepressive nur noch "von außen" auf sich und kann es gar nicht fassen und fängt dann manchmal an zu dissoziieren, weil das alles gar nicht mehr fassbar ist.
Problem ist ja, dass in solchen Akutzuständen und Akutphasen (vor allem vor ED) kaum ein Psychiater Zugang zu dem Patienten findet, da die dann gar nicht zu ihm kommen und noch nicht mal überhaupt auf so eine Idee kämen, außer sie wird von außen gefordert und forciert.
(bei Selbstgefährdung, Fremdgefährdung, Straftaten oder wenn der Hausarzt auch mal Druck macht oder die Ehefrau).

Also ist die Beobachtung eines Psychiaters erstens retrospektiv (im Fall Akutphase Depression oder sagen wir mal bei Dekompensation, bevor überhaupt Krankheit wahrgenommen wird, von Diagnostik und Behandlung gar nicht zu reden, außer Selbstbehandlung und -regulation) und zweitens.. ja eben immer nur eine Außenpersepktive.

musste mich mal etwas kurz fassen und habe auch gerade keine Zeit, alles nochmal zu überarbeiten.


Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 15. April 2023, 09:25:28
Ich belese mich grad noch ein bisschen zur Antipsychiatrie, eine kurze Zwischenbemerkung. Antipsychiatrie ist ein Sammelbegriff; die einzelnen Vertreter konnten sich durchaus spinnefeind sein, wie bei Sekten. Es fällt also schwer, die Übersicht zu erreichen. Natürlich hat die Öffentlichkeit das nicht so mitmachen können und sie in einen Topf gesteckt, ähnlich wie heute bei den Trans-Spezialitäten.

Ich habe ein hübsches Zitat von Cooper gefunden:
ZitatIn August 1967 a South African psychiatrist addressed an excited audience in a disused Victorian engine-shed in North London. He told them:
ZitatDuring the Paris Commune, before they started shooting at people, the communards shot at the clocks, at all the clocks in Paris, and they broke them. And they did this because they were putting an end to the time of the Others, the time of their rulers, and they were going to invent their own time.
    As I look around me now I see a vista beyond your sea of faces, going way out there I see a vista of broken clocks. And I think, it is our time!¹
With these words David Cooper summed up the optimism and revolutionary fervour of the day.

Oisain Wall, The British Anti-Psychiatrists. From Institutional Psychiatry to the Counter-Culture, 1960-1971, 2017

Aber die Phänomenologie ist da überhaupt kein Unterscheidungsmerkmal, im Gegenteil, die Antipsychiatrie ist durchaus antimaterialistisch, (insbesondere antipositivistisch). Wo kommt Laing her, der später ,,das Tor zu inneren Räumen" (Dt. Ärztebl.) aufschloss?

Zitat"It is to the existential tradition that I acknowledge my main intellectual indebtedness"⁵⁴ - this clear statement of Laing's is backed up by the mention of Kierkegaard. Jaspers, Heidegger, Sartre, Binswanger, and Tillich. But there are also occasional references to Minkowski, who provided the motto for Laing's first book, and to Merleau-Ponty, Medard Boss, and other phenomenological existentialists.

Spiegelberg: Phenomenology in Psychology and Psychiatry. A Historical Introduction, 1972

Und Basaglia?
ZitatBasalgia verband zunächst Konzepte aus der frühen phänomenologischen Psychiatrie (u. a. von Eugène Minkowski, Ludwig Binswanger) mit seinen eigenen praktischen Erfahrungen und einer entschiedenen Kritik des Positivismus in der Medizin (Basaglia-Ongaro 1981). Anstatt vermeintlich objektive Symptome als Krankheitseinheiten zu klassifizieren, bevorzugte er die phänomenologische Deskription des Erlebens der Betroffenen, um den Sinngehalt in Psychosen zu erkennen und diese als eine besondere Möglichkeit menschlichen Daseins anzuerkennen. Basaglia (2002, S. 83) stellte kritisch fest, ,,wie sich die Medizin die Psychiatrie langsam einverleibt. Wenn die Krankheit eine Sache von Organen ist, hat die Psychiatrie mit der Medizin nichts gemein. Die Psychiatrie war immer die Wissenschaft vom Wahnsinn. Man könnte vielleicht sagen, dass sie eine eher 'philosophische' Vision des Wahnsinns hatte, zumindest solange sie nicht das Spiel des Positivismus mitmachte, das heißt bis zu der Zeit, als Psychiater begannen, Modelle zu entwickeln, in denen der Geist nicht mehr vorkommt."
https://biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/104-basaglia-franco

Aber wie schon von eLender gesagt, eigentlich ist das abgelegt und gerahmt. Die heutige Antipsychiatrie scheint sich deutlich außerhalb der Psychiatrie abzuspielen, mehr bei den Soziologen, die messerscharf unentwegt Machtstrukturen erkennen und anprangern aber für die psychiatrische Praxis irrelevant sind. Das ist bisher natürlich mehr eine Vermutung, und ich weiß nicht, ob ich mich da dauerhaft bei der Stange halten kann.




Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: zimtspinne am 15. April 2023, 10:23:28
Ich finde den Begriff Antipsychiatrie schon für sich allein schizophren.

Wenn Geisteskrankheiten ein Mythos sind und gar nicht existieren, muss man sich damit auch gar nicht beschäftigen.

"Anti" drückt ja eine ablehende gegnerische Haltung gegen etwas oder jemanden aus, das auch tatsächlich existiert.

Ein Antifaschist kämpfte gegen Faschismus, ein Antibiotikum bekämpft Bakterien etc.

Würde also bedeuten, Antipsychiatrie bekämpft Psychiatrie?

Was aber wirr ist, weil die Psychiatrie ja nur eine leere Hülle ist, die sich selbst konstruiert hat, aber keinen Inhalt hat, da Geisteskrankheiten ja nur ein Mythos sind.
Da muss also aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch nichts bekämpft werden.

Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 15. April 2023, 13:32:38
Zitat von: zimtspinne am 15. April 2023, 10:23:28Ich finde den Begriff Antipsychiatrie schon für sich allein schizophren.

Wenn Geisteskrankheiten ein Mythos sind und gar nicht existieren, muss man sich damit auch gar nicht beschäftigen.

"Anti" drückt ja eine ablehende gegnerische Haltung gegen etwas oder jemanden aus, das auch tatsächlich existiert.

Ein Antifaschist kämpfte gegen Faschismus, ein Antibiotikum bekämpft Bakterien etc.

Würde also bedeuten, Antipsychiatrie bekämpft Psychiatrie?

Was aber wirr ist, weil die Psychiatrie ja nur eine leere Hülle ist, die sich selbst konstruiert hat, aber keinen Inhalt hat, da Geisteskrankheiten ja nur ein Mythos sind.
Da muss also aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch nichts bekämpft werden.



Man kann sich schon damit beschäftigen, was in den Gehirnen von Menschen falsch läuft, die z.B. in Amerika Menschen in einer Schule, Kirche oder in einem Supermarkt erschießen.
Man kann auch mehr Psychiater und Psychologen fordern, die sich um diese Personen kümmern.
Letztendlich ist das aber nur Palliativmedizin, und die Frage bleibt unbeantwortet, warum eine Gesellschaft soetwas in diesem Umfang braucht.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Peiresc am 15. April 2023, 14:47:07
Zitat von: Endgegner am 15. April 2023, 13:32:38Man kann sich schon damit beschäftigen, was in den Gehirnen von Menschen falsch läuft, die z.B. in Amerika Menschen in einer Schule, Kirche oder in einem Supermarkt erschießen.
Man kann auch mehr Psychiater und Psychologen fordern, die sich um diese Personen kümmern.
Letztendlich ist das aber nur Palliativmedizin, und die Frage bleibt unbeantwortet, warum eine Gesellschaft soetwas in diesem Umfang braucht.

Das ist eine Gleichsetzung von psychischer Erkrankung mit Delinquenz, nach Art von Szasz. Zu Deiner Entschuldigung lässt sich einzig vorbringen, dass Dir als ahnungslosem Laien selber nicht klar ist, was Du sagst.

Zieh Leine.  :rotekarte:
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Endgegner am 15. April 2023, 18:35:21
Zitat von: Peiresc am 15. April 2023, 14:47:07
Zitat von: Endgegner am 15. April 2023, 13:32:38Man kann sich schon damit beschäftigen, was in den Gehirnen von Menschen falsch läuft, die z.B. in Amerika Menschen in einer Schule, Kirche oder in einem Supermarkt erschießen.
Man kann auch mehr Psychiater und Psychologen fordern, die sich um diese Personen kümmern.
Letztendlich ist das aber nur Palliativmedizin, und die Frage bleibt unbeantwortet, warum eine Gesellschaft soetwas in diesem Umfang braucht.

Das ist eine Gleichsetzung von psychischer Erkrankung mit Delinquenz, nach Art von Szasz. Zu Deiner Entschuldigung lässt sich einzig vorbringen, dass Dir als ahnungslosem Laien selber nicht klar ist, was Du sagst.

Zieh Leine.  :rotekarte:


Es geht nicht darum, diese Menschen als Deliquenten zu kategorisieren.
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: eLender am 16. April 2023, 18:55:25
Apropos, man würde das "Erleben" der Störung gar nicht berücksichtigen und nur von "außen" eine Diagnose "konstruieren", die die Störung nur erschafft:

ZitatWie sich eine Depression anfühlt, ist Außenstehenden schwer zu vermitteln. Meist werden in der Beschreibung eine Reihe von austauschbar genutzten Adjektiven verwendet wie »antriebslos« oder »niedergeschlagen«. Jedoch spielt die Frage, wie man die vorherrschenden Gefühle genau bezeichnet, durchaus eine Rolle für den Verlauf der Erkrankung. Darauf weisen Fachleute um den Psychologen Qimin Liu von der Vanderbilt University in Nashville in einer neuen Arbeit hin.
https://www.spektrum.de/news/psychische-erkrankungen-depressiv-aber-was-heisst-das-genau/2124531
Titel: Re: Artikel 'Antipsychiatrie'
Beitrag von: Yadgar am 06. Mai 2023, 11:45:56
Hi(gh)!

Zitat von: eLender am 08. April 2023, 19:29:39Auch wenns vergebens ist: es geht im Artikel um eine ideologische Bewegung*, nicht um deinen Eiertanz. Wenn ich mir das genauer ansehe, dann würde ich das unter postmodernen BS einordnen, denn genau das ist es. Der Hinweis auf Foucault alleine reicht schon, aber da sind viel mehr Indizien. Psychische Krankheiten würden - an sich - gar nicht existieren, es wären nur soziale Konstrukte irgendwelcher dunklen Mächte. Passend dazu die Einordnung in die marxistische Weltsicht: alles wäre nur als ein Diskurs zwischen Herrschenden und Unterdrückten zu verstehen.

Der Vergleich mit der Fettleibigkeit (als etwas "normales" bzw. unproblematisches) passt dann auch. Es ist wie mit dem Fat-Pride: Adipositas gäbe es nicht, wäre nur eine Erfindung der allmächtigen Unterdrücker zwecks Unterdrückung, und Krankheit sowieso nur ein Konstrukt ohne Realitätsbezug. Das passt thematisch auch in die Neurodiveritäts-Spinnerei: Alles nur Normvarianten ohne Krankheitswert. Schwere autistische Störungen als Bereicherung des Regenbogens. ABA nur Mittel der Mächtigen zwecks ...ähm... Machtdemonstration. Hoaxilla wäre begeistert.

[joe flametti]
'realität', das ist diese bürgerlich-reaktionäre zuchtrute, mit der man uns kleinhalten will! wer an 'realität' glaubt, der wirft auch zyklon b in gaskammern!

freiheit für adelheid streidel!
[/joe flametti]