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Identitätspolitik - Allgemeiner Thementhread

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Begonnen von RPGNo1, 25. Januar 2023, 13:52:20

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Peiresc

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 16. August 2023, 20:56:22Ich weiß nicht, ob das in diesen Faden passt, aber ich vermute es hat identitätspolitische Gründe:

Die WHO(!) auf Twitter:

ZitatFor millions of people around the world #TraditionalMedicine is their first stop for health and well-being.

Which of these have you used?
🖐� Acupuncture
🥣Ayurveda
🌿Herbal medicine
💊 Homeopathy
🍃 Naturopathy
💆�♀️ Osteopathy
🍵 Traditional Chinese medicine
☀️ Unani medicine
https://twitter.com/WHO/status/1690353139004674048?t=Ovw_D4AEapYQ2MKW-6eiqQ&s=19

:o

Es ist ein bisschen die Frage, was man unter dem vergleichsweise neuen Etikett verstehen will. Wir hatten uns dazu mal Gedanken gemacht.

ZitatEs mag ein paar klarblickende Zyniker in der WHO geben, aber einigen Vertretern in der Weltgesundheitsversammlung wird eine illusionäre Strategie recht sein, die einerseits dem jeweiligen Nationalstolz, andererseits den real begrenzten Möglichkeiten entgegenkommt.
https://blog.psiram.com/2014/12/die-who-und-die-paramed-aeh-traditionelle-medizin/
https://blog.psiram.com/2018/06/who-tcm-ins-icd-traditionelle-chinesische-heilkunde-die-lichte-zukunft-der-medizin/

Gefährliche Bohnen

Zitat von: Peiresc am 16. August 2023, 21:18:23Es ist ein bisschen die Frage, was man unter dem vergleichsweise neuen Etikett verstehen will. Wir hatten uns dazu mal Gedanken gemacht.

ZitatEs mag ein paar klarblickende Zyniker in der WHO geben, aber einigen Vertretern in der Weltgesundheitsversammlung wird eine illusionäre Strategie recht sein, die einerseits dem jeweiligen Nationalstolz, andererseits den real begrenzten Möglichkeiten entgegenkommt.
https://blog.psiram.com/2014/12/die-who-und-die-paramed-aeh-traditionelle-medizin/
https://blog.psiram.com/2018/06/who-tcm-ins-icd-traditionelle-chinesische-heilkunde-die-lichte-zukunft-der-medizin/

Ach, das hatte ich nicht auf dem Schirm, danke. Ist also keine so neue Entwicklung. Macht es natürlich nicht weniger  :o
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

eLender

Zitat von: RPGNo1 am 16. August 2023, 15:07:34Das klingt mir doch nach einer fairen vernünftigen Lösung.
Das ist meinem gendergetriggerten Auge heute schon bei der Morgenlektüre aufgefallen. Es stand aber nicht dabei, wie das konkret ausgestaltet wird. Sollen da alle gegeneinander antreten können, die nicht im Einklang mit ihrem Bademeistergeschlecht stehen? Transfrau gegen Transmann. Transfrau gegen Transfrau. Nichtbinär gegen nicht binär. Alle gegen alle? Abgesehen davon, dass das natürlich eine massive Diskriminierung wäre (dem Selbstverständnis nach), kann das doch nicht wirklich ein Problem lösen. Wer von den Transfrauen (das wird die Hauptzielgruppe sein, die Gegenseite wird da - wie immer - kaum einen Vorteil haben) wird denn gegen das biologisch gleiche Geschlecht antreten. Es ist doch ein Vorteil für Leute wie Thomas, dass man seinen biologischen Rohbau genderfluid einsetzen kann. Oda habsch was verpasst?
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Gefährliche Bohnen

Zitat von: eLender am 16. August 2023, 23:06:34
Zitat von: RPGNo1 am 16. August 2023, 15:07:34Das klingt mir doch nach einer fairen vernünftigen Lösung.
Das ist meinem gendergetriggerten Auge heute schon bei der Morgenlektüre aufgefallen. Es stand aber nicht dabei, wie das konkret ausgestaltet wird. Sollen da alle gegeneinander antreten können, die nicht im Einklang mit ihrem Bademeistergeschlecht stehen? Transfrau gegen Transmann. Transfrau gegen Transfrau. Nichtbinär gegen nicht binär. Alle gegen alle? Abgesehen davon, dass das natürlich eine massive Diskriminierung wäre (dem Selbstverständnis nach), kann das doch nicht wirklich ein Problem lösen. Wer von den Transfrauen (das wird die Hauptzielgruppe sein, die Gegenseite wird da - wie immer - kaum einen Vorteil haben) wird denn gegen das biologisch gleiche Geschlecht antreten. Es ist doch ein Vorteil für Leute wie Thomas, dass man seinen biologischen Rohbau genderfluid einsetzen kann. Oda habsch was verpasst?

Nun ja. Natürlich ist das nicht, was Leute wie Veronica Ivy oder Lia Thomas wollen und es wird höchstwahrscheinlich scheitern. Aber es adressiert zumindest ein Argument: dass es doch sowieso egal sei, ob sie einen Vorteil haben, weil ja interindividuelle Faktoren und Variationen auch Vorteile verschaffen. Zumindest diesbezüglich kann man sie durch eine offene Kategorie beim Wort nehmen. Natürlich würde sich die offene Kategorie bei genügend Teilnehmern in eine Kategorie derer verwandeln, die die auf kleine Gameten ausgerichtete Pubertät durchlaufen haben (früher sogenannte "Männer"), aber das ist dann zumindest nicht mein Problem bzw. das der Frauen.
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

RPGNo1

ZitatBradley Cooper spielt in »Maestro« den legendären Komponisten Leonard Bernstein – und trägt dabei eine Nasenprothese. Das sorgt teils für harsche Kritik. Nun melden sich die Nachkommen des Künstlers zu Wort.
https://www.spiegel.de/panorama/leute/familie-von-dirigent-bernstein-verteidigt-bradley-coopers-kuenstliche-nase-im-film-maestro-a-cde5d8e5-de0e-4012-91d5-a4ca7308fd65

Kritiker echauffieren sich über Bradley Cooper, weil er im Film "Maestro", einem Biopic über Leonard Bernstein, eine Nasenprothese trägt. Bernsteins Kinder verteidigen Cooper und loben den Film sowie Coopers sensiblen Zugang zum Thema.

Liebe identitätspolitische Aktivisten: Big Fail!

RPGNo1

Richard Dawkins spricht mit Peter Boghossian. Absolut sehenswert.

ZitatIs white privilege the modern day Original Sin? How is mass denial about the truth of gender, any different from Catholic transubstantiation? Is woke culture today's dogmatic religious mob?


Gefährliche Bohnen

Zitat von: RPGNo1 am 18. August 2023, 11:34:51Richard Dawkins spricht mit Peter Boghossian. Absolut sehenswert.

ZitatIs white privilege the modern day Original Sin? How is mass denial about the truth of gender, any different from Catholic transubstantiation? Is woke culture today's dogmatic religious mob?


Danke, sehr interessant.
Ich persönlich glaube nicht so wirklich an die Substitutionshypothese, jedenfalls nicht in einer Form, aus der sich ableiten ließe, Aufklärung wäre zwecklos.
Meine (nicht voll ausgereiften) Gedanken dazu:

Ja, vermutlich ist Rationalität nicht unbedingt der Default-Modus des Menschen, aber meiner Erfahrung bzw. Beobachtung nach spielt etwas anderes evtl. eine größere Rolle: ich denke, die meisten Menschen (normale Intelligenz vorausgesetzt) sind durchaus zu Rationalität in der Lage. Die Frage ist aber, was und wie viel man in eine Überzeugung investiert hat und was es für bedeuten würde, sie aufzugeben. Die meisten Menschen sind m.E. sehr wohl in der Lage, einen Irrtum einzugestehen oder rational zu denken/argumentieren, wenn für sie nichts auf dem Spiel steht bzw. wenn die Einsicht keinen Gesichtsverlust o.ä. bedeutet.
Irgendwo hörte ich mal den schönen Satz: "Logic is not the reason they believe in it, so logic will not be the reason they dismiss it." Da ist was dran. Ich denke, entscheidend ist, welchen Grund man hat, eine bestimmte Überzeugung zu haben. In dem Gespräch klang das durch, als Boghossian die Frage gestellt hat, ob es vielleicht eine richtige Strategie wäre jemanden mit einem moralischen Argument zu überzeugen. Oder bei der Beobachtung, dass Menschen häufig aus Gruppenzugehörigkeitsgründen bestimmte Positionen einnehmen.
Also meine Hypothese wäre: Substitution - ja in gewisser Weise schon, aber was und womit? Ich denke nicht, dass eine Irrationalität (bzw. Religion) zwangsläufig mit einer anderen Irrationalität/Religion substituiert werden muss (obwohl das natürlich der Fall sein kann). Es kommt drauf an, was die Aufgabe einer Überzeugung für jemanden bedeuten würde und dann kann man überlegen, ob dieses Loch auf eine mit Rationalität vereinbare Art und Weise gestopft werden kann.

"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

RPGNo1

Zitat"Holladihiti!": Mit diesem von Otto Waalkes geprägten Ausruf kündigte der WDR kürzlich an, den 75. Geburtstag des Komikers mit der Ausstrahlung zweier alter Shows feiern zu wollen, "und zwar ungekürzt und friesisch-derb", wie es in der Pressemitteilung heißt.

Offenbar glaubt der WDR allerdings, dass einige der Inhalte der 1973 und 1974 aufgezeichneten zu "friesisch-derb" sind für heutige Ohren. Und so setzte der Sender vor die Ausstrahlung der beiden Shows einen kurzen Warnhinweis: "Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden."

https://www.stern.de/kultur/tv/otto-waalkes--wdr-zeigt-warnhinweise-vor-alter-sendung-33747408.html

Der WDR glaubt sich in Wokistan. Er macht die US-amerikanischen Sender nach.  $)

Max P

Na immerhin werden die Sendungen noch gezeigt...

eLender

Zitat von: RPGNo1 am 18. August 2023, 11:34:51Richard Dawkins spricht mit Peter Boghossian. Absolut sehenswert.

Ja, das fand ich auch gut. Boghassian habe ich noch nicht live gesehen, spezieller Typ. Irrationale Überzeugungssysteme (Religionen, Esoterik, Verschwörungsideologie) haben merkwürdige Ähnlichkeiten (Sünde, Befreiung, Egoerhöhung etc.), von daher ist das prinzipiell austauschbar. Ich möchte nochmal auf das "moralische Argument" kommen, da ich aktuell dazu ein Beispiel habe. Es brennt überall, u.a. auch auf Hawaii. Das Feuer kann man dort ja nicht mit Bier löschen, weils dort keins gibt. Aber mit Wasser. Und das sollte da eigentlich reichlich vorhanden sein, man zählt sich ja zu den Tropen (in denen es auch nicht immer regnet, aber man hat eine positive Bilanz). Aber gewisse irrationale Überzeugungen, die direkt auch mit dem Threadthema zu tun haben, leiten das Wasser nicht unbedingt dahin, wo es in der Not gebraucht wird. Hat was mit altem Wissen zu tun.
(ich kenne Hawaii ein wenig, war schonmal da. Ist aber länger her)

ZitatA letter sent by the West Maui Land Company to an official at the Hawaii Commission on Water Resource Management (CWRM) highlights a delay in releasing water that may have hampered firefighters' efforts to tame a raging blaze in west Maui.

Maui was devastated by a series of fires last week that killed an estimated 110 people, as per the latest estimates, with the western area of Lahaina most affected.

The August 10 letter to CWRM deputy director M. Kaleo Manuel describes the events and communication problems that resulted in a delay in diverting streams to fill reservoirs being made available to firefighters. The CWRM operates within the state of Hawaii's Department of Land and Natural Resources (DLNR).
https://www.newsweek.com/who-kaleo-manuel-hawaii-official-delayed-water-release-maui-fire-1820405

Ich fasse kurz zusammen: es hat auf Maui (einer der Inseln) gebrannt, und zwar heftig und böse, es starben über 100 Menschen. Es gib dort Löschteiche, aber die waren schnell leer gepumpt, da es einen sehr hohen Bedarf gab. Es wurde gebeten, etwas mehr Wasser aus den Flüsschen abzuzweigen, um die Löschteiche wieder aufzufüllen. Aber man kam der Bitte nicht nach bzw. wollte erst mal abchecken, was das denn sonst für Auswirkungen haben könnte.

ZitatWest Maui Land Co. manages three of West Maui's water providers. As the fire was ravaging the island, the company said that firefighters had used what little water they had in their reservoirs and tanks, so they asked the CWRM to divert water from streams to enable them to "store as much water as possible for fire control."

But instead of approving the request, the commission—according to the letter sent by the company to Manuel—had asked them if the Maui Fire Department (MFD) had requested permission to dip into the reservoirs and told them to inquire with a local farmer first to check how a diversion of the water supply would affect him.

The company said "communications were spotty" and the commission's approval to divert water from the streams came too late, some five hours after their first request.

Der Manuel ist ein postmodern gebildeter Indigener, der halt ganzheitlich denkt und altes Wissen weit vor rationalen Denken setzt.

ZitatManuel graduated in Hawaiian Studies at the University of Hawaii at Manoa and followed up with a master's in urban and regional planning at the same college, according to his profile. For about a decade, he worked as planning program manager at the state's Department of Hawaiian Home Lands.
...
"My motto has always been: let water connect us, not divide us," he says in the clip, adding that water should be looked at as something to be revered rather than just used.

"We can share it, but it requires true conversations about equity," he adds.

Man muss halt altes indigenes Wissen (oder das, was dafür hält) anwenden und auch auf die postkoloniale Diskriminierung verweisen. Das muss alles erst mal langsam durchdacht und ausdiskutiert werden. Westliches Wissen und Rationalität werden uns sowieso nicht retten, sie sind unser Untergang ::)
Wollte ich nur mal gesagt haben!

RPGNo1

Zitat von: RPGNo1 am 18. August 2023, 15:08:36
Zitat"Holladihiti!": Mit diesem von Otto Waalkes geprägten Ausruf kündigte der WDR kürzlich an, den 75. Geburtstag des Komikers mit der Ausstrahlung zweier alter Shows feiern zu wollen, "und zwar ungekürzt und friesisch-derb", wie es in der Pressemitteilung heißt.

Offenbar glaubt der WDR allerdings, dass einige der Inhalte der 1973 und 1974 aufgezeichneten zu "friesisch-derb" sind für heutige Ohren. Und so setzte der Sender vor die Ausstrahlung der beiden Shows einen kurzen Warnhinweis: "Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden."

https://www.stern.de/kultur/tv/otto-waalkes--wdr-zeigt-warnhinweise-vor-alter-sendung-33747408.html

Der WDR glaubt sich in Wokistan. Er macht die US-amerikanischen Sender nach.  $)

WDR zum Zweiten

ZitatAchtung, es folgt eine Humordurchsage: Der WDR warnt nun auch vor alten Witzen aus der Comedyshow "Schmidteinander". Harald Schmidt äußert sich dazu.

Harald Schmidt selbst reagierte bereits auf die Maßnahme des WDR und sagte der "Bild"-Zeitung: "Weltklasse! Ein echter Schmidteinander-Gag. Nur schade, dass der selige Feuerstein das nicht mehr erlebt hat." Herbert Feuerstein verstarb im Jahr 2020 im Alter von 83 Jahren.

https://www.t-online.de/unterhaltung/tv/id_100228092/wdr-warnt-auch-vor-harald-schmidt-der-entertainer-reagiert.html

Dazu ein Kommentar:
ZitatKein Witz: Der WDR versieht alte Otto-Waalkes-Shows mit einem Warnhinweis. Sie enthielten ,,Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden". Auch Harald Schmidt ist betroffen. Die WDR‑Witzpolizei will das Volk vor Humor schützen? Das ist überdrehter Tugendfuror, kommentiert Imre Grimm.

https://www.rnd.de/medien/otto-waalkes-dass-der-wdr-vor-ihm-warnt-ist-laecherlich-ein-kommentar-22V7GTMOJBFWBDMJ72FDPMI3VQ.html

Gurkerl

Dieser Beitrag hat jedenfalls meine volle Zustimmung!
Mal schaun, ob das mit dem Einbetten funzt, schaut komisch aus!

ZitatWeil Leute debattieren (meist konstruktiv und respektvoll, gut!) und mich fragen, warum ich Warnhinweise vor Sendungen von Otto Waalkes und Harald Schmidt kritisiere: Natürlich finde ich das "N-Wort", das darin vorkommt, nicht gut, auch wenn mir das ein paar "woke" Ideologen jetzt wieder so auslegen. Und selbstverständlich ist gut, dass wir über Sprache nachdenken und Diskriminierungen und rassistische Bezeichnungen nicht mehr widerspruchlos hinnehmen. Manche tun auch so, als wäre das alles "kein echtes Problem", "Hast du Sorgen!!!", ich ginge "den Rechten auf den Leim".
Doch, es ist ein echtes Problem, ja, die Sorgen und der Ärger sind berechtigt und nein, ich gehe nicht "den Rechten auf den Leim", sondern ich sehe all das aus eigener Überzeugung kritisch. Nein, es ist kein "Kulturkampf", den "die Rechten" uns "aufzwängen", sondern hier finden tatsächlich Veränderungen statt, die vielleicht wie kleine, vernünftige Schritte aussehen (und Veränderung ist notwendig!), tatsächlich aber nichts anderes sind als der Versuch einiger Gruppen, die Deutungshoheit zu erlangen und sich vor Kritik, Spott und Witzen zu schützen.
Mich stört das aus zwei Gründen.
1. Niemand ist frei davon, zum Ziel von Kritik, Spott und Witzen zu werden. Niemand. Natürlich sind Witze, die auf rassistischem Boden gemacht werden, die antisemitisch sind, sexistisch, menschenverachtend, homophob etc. kritikwürdig. Nur nutzen das heute alle möglichen Gruppen dafür, um sich zu schützen. Da behaupten Taliban wie Erdogan-Anhänger gleichermaßen, Kritik an ihnen oder Witze über sie seien "Rassismus".
Und dann findet die groteske Haltung Verbreitung, man dürfe "nie Witze nach unten machen". Wie bitte? Wer entscheidet, wer oben und wer unten ist? Selbstverständlich darf - und manchmal: muss! - man Witze über Minderheiten machen. Noch einmal: Niemand ist frei davon, zum Ziel von Kritik, Spott, Witzen zu werden!
Aber nach dieser Lesart sind also Menschen, die nicht weiß sind, immer "unten" und man sollte keine Witze über sie machen - was ist das bitte für ein Blödsinn? Ich möchte nicht "unten" sein und bin es auch nicht! Wenn dann aber weiße "Woke" sich über mich lustig machen (dürfen sie!) und ich anmerke, ich sei doch nach ihrer Ideologie "unten", habe ich allen Ernstes schon mehrmals den Satz gehört: "Du wirst aufgrund deiner Machtposition weiß gelesen!" Aha, ,,weiß gelesen" also. Zu solch einem Unsinn fällt mir nichts mehr ein.
2. Ich habe islamische Wurzeln, ich habe lange Zeit in islamischen Ländern gelebt und kenne diese "Warnhinweise" nur zu gut und reagiere aus guten Gründen allergisch auf sie: "Das ist unislamisch!" "Das solltest du nicht sagen, es ist gegen unsere Religion/Kultur!" "Anderswo mag man das so sehen, aber bei uns sieht man das anders!" "Das ist blasphemisch!" Und wehe, man schaut sich bestimmte Filme an, wehe, man liest bestimmte Bücher, wehe, man sagt, dass man Salman Rushdie eigentlich ganz gut findet. Dann ist man "Blasphemist", ein "Verräter", "vom Glauben abgefallen", "Ungläubiger", bla bla bla.
Und auch da kommt bisweilen: "Wir wollen doch gar nichts verbieten! Wir wollen nur darauf hinweisen, dass das nicht in Ordnung ist!" Okay. Nur dass es dann in Wahrheit nicht bei "nur einem Hinweis" bleibt. Dann wächst, wie hier, der gesellschaftliche Druck, was grundsätzlich nicht falsch sein muss, aber absurde Formen annimmt. Es folgen Ausgrenzung, Ächtung und, siehe Salman Rushdie, viel Schlimmeres. Nicht, dass ich das den Neu-"Woken" unterstelle. Aber ihre Methoden sind ähnlich, nein, identisch.
Man muss sich nur anschauen, was heute Leuten vorgeworfen wird, die sagen, sie fänden Otto Waalkes oder Harald Schmidt lustig. "Rassisten" habe ich heute mehrfach gelesen, Leute, die "im Jahr 2023 cool mit dem N-Wort" seien, und natürlich folgen die abgegriffenen Bezeichnungen "alter weißer Mann" und "Boomer".
Wer dann noch anmerkt, es rede doch niemand dem "N-Wort" das Wort und natürlich sei die Verwendung bestimmter Wörter problematisch und man sollte das heute nicht mehr benutzen, man aber mit Blick auf alte Beiträge nicht so tun solle, als wären das Dinge, die in den Giftschrank gehörten und gefährlich seien, und als wären früher alle plemplem gewesen, wird sofort wegen seiner "Angst um seine lächerliche Freiheit" verhöhnt.
Heute geschehen.
Mein Gott, dann schaut euch halt diese Filme nicht an. Ich gucke das meiste davon auch nicht! Übrigens fanden auch damals nicht alle diese Filme gut, und auch der Satz: "Zum Glück mag man so etwas heute nicht!" ist so nicht korrekt. Dafür habe ich vor ein paar Jahren in einem islamischen Land sämtliche Bücher von Salman Rushdie gekauft, obwohl sie verboten waren. Aus Prinzip! Sehr gute Buchhandlung, die sie mir besorgt hat!
Ich weiß, was Leben in einer unfreien Gesellschaft bedeutet. Manche finden lächerlich, dass man einen Texthinweis übergriffig findet. Nun ja, wenn dort steht, dass "Passagen als diskriminierend betrachtet werden" und so dem Zuschauer, der Zuschauerin unterstellt, das nicht selbst einordnen zu können oder eben "Rassist" zu sein, wenn man sich das anschaut oder möglicherweise darüber lacht, IST das übergriffig, was denn sonst? Aber das ist noch das kleinste Problem, siehe oben. Und es geht ja weiter, es bleibt ja nicht bei der Übergriffigkeit. Man informiere sich nur mal über die Serie "Little Britain". Oder was in "Antirassismus-Ratgebern" inzwischen als "rassistisch" oder ,,problematisch" markiert wird: in einem Buch, das gerade vor mir liegt, allen Ernstes, wenn weiße Menschen sich bräunen und damit "von Schönheitsidealen von PoC profitieren" wollen. Man fragt sich, warum solch ein Schrott gedruckt wird heutzutage, aber klar, auch hier gilt natürlich: Meinungsfreiheit. In Ordnung.
Wer wegen eines Waalkes-Films aus den Siebzigern heute ,,getriggert", ,,beleidigt", "verletzt" oder gar "traumatisiert " ist, genauso wie wegen "Pippi Langstrumpf", "Jim Knopf", "Winnetou" oder Büchern von Otfried Preußler, der oder die, sorry, braucht Hilfe. Aber keine Warnhinweise (und schon gar nicht das Verbannen solcher Bücher und Filme, was ja bei Werken von Astrid Lindgren, Michael Ende etc. gelegentlich gefordert wird).
Das Schlimme ist, dass diese Einschränkungen auf rechter Seite ebenfalls stattfinden. Auch da: Man schaue mal in die USA. Da verschwinden Bücher aus Bibliotheken, weil sie "unchristlich" seien oder die "Moral verderben" würden.
Jeder, jede soll schauen, lesen, hören, was er oder sie mag. Jeder oder jede soll entscheiden, was er oder sie im Bücherregal, in der Mediathek haben, sich anschauen, hören, lesen mag. Mit Warnhinweisen sollten wir sehr, sehr zurückhaltend sein. Kommentierungen bei extremistischen Inhalten, natürlich. Aber bei Witzsendungen aus den Siebzigern und Achtzigern? Bitte nicht. Ich bin jedenfalls dagegen.
https://www.facebook.com/hasnain.kazim/posts/pfbid0TKXVv7j7w7sMbZaZJdnU3vUWXa7TY2VxgisicfHzBcLGUr85hcX191zEC2mqScBbl

RPGNo1

@Gurkerl

Danke! Ein sehr guter Kommentar von Hasnai Kazim, dem ich vollumfänglich zustimmen.

Als Kazim vor einigen Jahren beim Spiegel ausschied, da hatte ich aufgrund verschiedener Kommentare von ihm die Befürchtung, dass er auf die "progressive", sprich "woke" Seite übergewechselt sei. Aber in letzter Zeit bemerke ich immer mehr, dass ich mich geirrt und ihn eventuell missverstanden habe. Seine Kommentare und Feststellungen sind fest in einer freiheitlich-liberalen Tradition verankert, wie sie z.B. auch von Sinan oder Nikil Mukerji vertreten werden.

eLender

Zitat von: Gurkerl am 20. August 2023, 09:36:16Dieser Beitrag hat jedenfalls meine volle Zustimmung!
Mal schaun, ob das mit dem Einbetten funzt, schaut komisch aus!
Meine auch, und er passt hier gerade sehr gut rein.
(ich habe mir mal erlaubt, den Text in deinen Beitrag zu bauen, das mit dem Einbetten funktioniert nicht und evtl. kann man den nur mit FB-Account lesen)

Boghassian hat ja oben bereits behauptet, der Wokismus ist eine Ersatzreligion. Ich würde das auch nicht ganz unterschreiben, aber es sind doch erkennbare Parallelen mit dieser Art der Weltsicht. Kazim kann das wahrscheinlich besser beurteilen als jeder hier, da er das aus eigenem Erleben kennt. Also die tatsächlich religiöse Sittenwächterei und die der woken Moralkeulerei. Meine ganz persönliche Beobachtung ist, dass Leute, die tendenziell religiös sind, auch tendenziell esoaffin sind. Das wird  mit anderen irrationalen Glaubenssystemen, wie man sie beim Wokismus findet, ähnlich sein. Daher auch die aggressive Reaktion auf Kritik. Ich kann ggf. mal einen Zwitscherfaden verlinken, den ich heute gelesen habe. Da wird klar, dass die Denke auch von Leuten Besitz ergreifen kann, die eigentlich davor gefeit sein sollten.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

Hier der Link zu Xitter. Man kann das wahrscheinlich nur lesen, wenn man angemeldet ist. Es ist ein kurzer Austausch zwischen dem Feuerbringer und Ulle Berger. Es geht um das Thema oben: Richard Dawkins und Genderquack. Feuerbringer war mir (oder ggf. uns) ja aufgefallen, als er in der Sache Gwupgate die woke-kritische Position verteidigt hat (an die der Glaubenskrieg entbrannt ist). Er hat aber - zumind. in der Transdebatte - eine totalen Turn hingelegt (oder er war schon immer so unterwegs). Er bezeichnet ALLES, was er als Kritik an der Transideologie wahrnimmt, als transfeindlich, jeder - auch Dawkins - wird pauschal als Transfeind bezeichnet. Berger hat ihn ein wenig mit der Realität konfrontiert...

(Man kann es sich ja immer ganz leicht machen, wenn es um Ideologiekritik geht: man bezeichnet die Kritiker eben auch als Ideologen, sozusagen als Gegenideologen. Geht immer, aber weiter kommt man damit nicht unbedingt.)

https://twitter.com/feuerbringer/status/1691557106896212116
Wollte ich nur mal gesagt haben!