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Die Genderdebatte

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Begonnen von Scipio 2.0, 07. Juli 2022, 12:59:49

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Gefährliche Bohnen

Zitat von: eLender am 04. November 2023, 23:05:13Intersexualität (Störungen der geschlechtlichen Entwicklung) hat wenig bis gar nichts mit Transsexualität zu tun. Der "Geschlechtseintrag" divers wurde für die Fälle eingeführt, wo man nach der Geburt nicht eindeutig bestimmen kann, welches Geschlecht der Neuankömmling hat. Es gab schon länger Anzeichen, dass das nur sehr wenig Fälle sind. Aber scheinbar hat das nichts damit zu tun, dass es so wenige davon gibt. Die Ärzteschaft ist scheinbar von Menschenhassern durchsetzt, die einfach mal nach Gusto herumschnipseln, um bloß die "natürlich"Geschlechterordnung zu erhalten. So ließt sich zumind. der Text.

ZitatIm Jahr 2013 hält der Gesetzgeber mit einer Änderung des Personenstandsrechts Eltern dazu an, den Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde offenzulassen, wenn Kinder nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Zehn Jahre später passiert das immer noch erstaunlich selten.
...
Der erste rechtliche Schritt in Richtung der Anerkennung intergeschlechtlicher Menschen jährt sich nun zum zehnten Mal. Dennoch bezweifeln Betroffenenverbände einen Einfluss auf die medizinische Praxis: Laut Charlotte Wunn von Intergeschlechtliche Menschen e.V. ging die Zahl geschlechtszuweisender Operationen nach der Gesetzesänderung nicht zurück. Der Bundestag beschloss deshalb im März 2021 ein Verbot aufschiebbarer Behandlungen von intergeschlechtlichen Kindern.

Petra Weitzel von der deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intergeschlechtlichkeit aber beklagt ntv.de gegenüber, dieses Verbot werde leider immer wieder umgangen. Ihr zufolge nutzen manche Ärzte ein Schlupfloch im Gesetz, indem sie die Intergeschlechtlichkeit der Kinder unterschlagen: "Die sagen dann, das Kind ist nicht intergeschlechtlich und operieren trotzdem, nur weil zum Beispiel die Harnröhre am Penis nicht an der üblichen Stelle endet", klagt Weitzel. "So eine Operation kann lebenslange Beschwerden verursachen".
https://www.n-tv.de/panorama/Warum-der-offene-Geschlechtseintrag-die-Ausnahme-bleibt-article24500299.html

Das mit der Harnröhre nennt sich Hypospadie. Wir hatten hier irgendwo ja schonmal, dass das Hinzuzählen von Hypospadie zu Intersexualität eine ... ähm... sehr kreative Auslegung des Begriffs "Intersexualität" ist. Die Häufigkeit der Hypospadie liegt übrigens bei etwa 300/100.000 männlichen Neugeborenen.

ZitatLaut Statistischem Bundesamt wurden 2022 nur acht Neugeborene mit unbestimmtem oder "diversem" Geschlecht gemeldet. In den Jahren zuvor lag die Zahl nie über 20. Daten aus deutschen Kinderkliniken und Schätzungen der Bundesärztekammer aber legen nahe, dass in Deutschland pro Jahr rund 280 bis 300 Kinder mit uneindeutigen Genitalien geboren werden.

Also ja, da drängt sich der Verdacht auf: die Überzeugung, dass ein Neugeborenes mit Penis und funktionierenden Hoden ein männliches Neugeborenes ist, hält sich einfach sehr hartnäckig  >:(

Und dieser Übergang ist fast kriminell:

ZitatIhr zufolge nutzen manche Ärzte ein Schlupfloch im Gesetz, indem sie die Intergeschlechtlichkeit der Kinder unterschlagen: "Die sagen dann, das Kind ist nicht intergeschlechtlich und operieren trotzdem, nur weil zum Beispiel die Harnröhre am Penis nicht an der üblichen Stelle endet", klagt Weitzel. "So eine Operation kann lebenslange Beschwerden verursachen".

Die im Bericht des Ethikrates zitierte intergeschlechtliche Person etwa berichtet mehr als 40 Jahre nach ihrer Kastration, die durch den Eingriff nötig gewordene Hormonersatztherapie führte vermehrt zu Gelenkschmerzen, Schwindel, Hitzewallungen und Müdigkeit.
(Hervorhebung von mir)

Operation an der Harnröhre oder Entfernung der Hoden, kein nennenswerter Unterschied. Bzw. noch schlimmer: der unbedarfte Leser nimmt womöglich sogar an, nur weil die Harnröhre nicht an der üblichen Stelle endet, wird eine Kastration durchgeführt...  :facepalm
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

RPGNo1

ZitatDiskurs über Gender und Sexualität: Bin ich nicht queer genug?

Unsere Autorin diskutierte öffentlich über Gender-Themen. Ein paar Tage danach wurde sie von ihren Freundinnen aus ihrer WG geschmissen. Von Emily Lau
[...]
Kaum ein anderes Thema schafft es derzeit, die breite Öffentlichkeit so aufzuwühlen. Gendern, geschlechtliche Zugehörigkeiten und wen man wie zu lieben hat: All das kann Familienfeste sprengen. Aber auch unter dem Regenbogen, also innerhalb der Community, die sich jenseits der Heteronorm bewegt, knallt es zuweilen ordentlich in Sachen Identitätspolitik. In meinem Fall knallte es sogar so sehr, dass ich aus meiner WG geschmissen wurde und ausziehen musste. Menschen, die ich für sehr wichtig in meinem Leben gehalten hatte, erkannte ich plötzlich nicht wieder. Und sie mich wahrscheinlich auch nicht.

Alles begann damit, dass ich im Herbst vergangenen Jahres zu einer Buchvorstellung eingeladen wurde – von einem, hier wieder der Hinweis: schwulen, taz-Redakteur. Vorher hatte ich mich eigentlich nur im Rahmen meines Psychologiestudiums und in Lesekreisen mit queeren Themen beschäftigt. Nun sollte ich zwei queere Texte vorstellen und meine Meinung sagen, die Texte stammen aus dem Jahrbuch Sexualitäten. Die Veranstaltung wurde beworben mit den Worten: "garantiert linienuntreu".
[...]
Heute ahne ich: Es ging während des gesamten Streits nie um Inhalte, sondern um Formalitäten. Für meine WG war es egal, dass ich auf besagtem Podium auch Kritik geäußert hatte. Interessant war nur, wer der Veranstalter war. Und dass ich überhaupt dort saß. Es ging im Grunde um Kontaktschuld. Anstatt die Ressentiments besser zu verstehen, von denen wir alle nicht frei sind, wurde ein Sündenbock gesucht, und wenn dieser nicht brav Besserung gelobt, tja, dann ist man im Grunde Faschist.

Dabei finde ich es ja richtig, dass Betroffene ihre Erfahrungen jetzt mehr in den öffentlichen Diskurs einbringen können. Dass diskriminierte Personen aufgrund ihrer schlimmen Erfahrungen spezifisches Wissen in die Debatte bringen. Genauso einleuchtend sollte aber auch sein, dass Betroffene Konfliktsituationen nicht per se besser handhaben, insbesondere wenn sie keine Argumente für die attestierte Feindlichkeit liefern. Auch wer Opfer ist, hat nicht automatisch recht. Doch meine WG vertrat ebendiese Haltung, nach der diejenige Person die Autorität innehat, die in die gesellschaftliche Kategorie fällt, die im Moment im Fokus steht. Da der Vorwurf der Transfeindlichkeit im Raum stand, waren also Thea und alle, die als ihre Verbündeten agierten, automatisch tonangebend. Das erklärt auch, warum es für meine WG klar war, dass nicht sie inhaltliche Beweise für ihre Anklage bringen mussten, sondern ich meine Unschuld darzulegen hatte.
https://archive.ph/vXS3o#selection-2553.171-2553.258

Ich denke, bei dem schwulen taz-Redakteur geht es um Jan Feddersen. Er ist bekannt dafür, dass er dem identitätspolitischen Aktivismus sehr kritisch gegenüber steht und wurde deswegen von dieser Szene scharf attackiert.
(At Bhaal Temple)
Karlach: What a pesthole! Can't wait to clear this place out.
Minsc: There will be much trading of threats and insults, no doubt. But Minsc will be ready when it is time for boot to meet butt.
Karlach: You and me both, pal.

eLender

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 05. November 2023, 00:18:24Wir hatten hier irgendwo ja schonmal, dass das Hinzuzählen von Hypospadie zu Intersexualität eine ... ähm... sehr kreative Auslegung des Begriffs "Intersexualität" ist.
Hat mich spontan auch gewundert, was das mit Intersex zu tun haben soll. Das ist ja ein weites Spektrum und nicht immer kann man das spontan erkennen, denke ich. Das AIS kann man doch auch schnell übersehen, es kann ggf. nur im Labor festgestellt werden. Ich denke eher, die Ärzte wissen schon, mit was sie es zu tun haben, sollte das Geschlecht anhand der morphologischen Merkmale nicht eindeutig bestimmbar sein. Daher halte ich die niedrige Zahl auch für keinen Artefakt, es werden sicherlich auch keine Entscheidungen ohne die Zustimmung der Eltern getroffen. Eine Transperson (also echte Transsexualität) wird sich eh erst im späteren Leben zeigen, das biologische Geschlecht steht in den allermeisten Fälle ziemlich eindeutig fest.

Es ist ärgerlich, dass man ständig versucht, die Begriffe neu zu besetzen bzw. Definitionen einfach zu umgehen (man kennt es auch von hier ::) ). Es gab doch Berichte, dass man sich schon als intersexuell hat diagnostizieren lassen, weil man eine GD oder Inkongruenz verspürt, und das dann der leichtere Weg war, das auch rechtlich anerkannt zu bekommen. Es gibt aber keinen Zusammenhang zwischen Intersexualität und Gender (Geschlechtsidentität), soweit mir bekannt. Die am AIS erkrankten Personen wachsen (meist) weiblich auf und können später aber eine andere (den Chromosomen entsprechende) Identität entwickeln.

Nur in solchen Fällen macht es überhaupt Sinn, von den "verschiedenen" Geschlechtern, also chromosomales, hormonelles etc., zu sprechen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Gefährliche Bohnen

Zitat von: eLender am 05. November 2023, 23:54:14
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 05. November 2023, 00:18:24Wir hatten hier irgendwo ja schonmal, dass das Hinzuzählen von Hypospadie zu Intersexualität eine ... ähm... sehr kreative Auslegung des Begriffs "Intersexualität" ist.
Hat mich spontan auch gewundert, was das mit Intersex zu tun haben soll. Das ist ja ein weites Spektrum und nicht immer kann man das spontan erkennen, denke ich.

Also das hat insofern mit Intersex zu tun, dass es im Prinzip eine nicht ganz vollständige Entwicklung des äußeren Genitales ist. Hypospadie kann auch im Zusammenhang mit anderen Intersex-Störungen (im engeren Sinne) auftreten, besonders bei starker Ausprägung (dann liegt die Harnröhrenöffnung besonders weit von der Penisspitze weg) und gleichzeitigem Hodenhochstand. Aber das ist natürlich um Größenordnung seltener als eine einfache Hypospadie.
Die Frage ist ja aber, in welchen Fällen denn ein Offenlassen des Geschlechtseintrags tatsächlich in Frage kommt - das ist ja nicht automatisch sinnvoll, nur weil eine Intersex-Störung vorliegt. Und es ist dann eben irreführend, jede noch so kleine Abweichung als Intersex-Störung zu verkaufen.
Wenn sich die Hoden beispielsweise an ihrem Platz im Scrotum befinden, besteht eigentlich kein Zweifel daran, dass es sich um ein männliches Neugeborenes handelt, auch wenn es sonstige Abweichungen in der Geschlechtsentwicklung geben sollte. Tatsächlich kann man bei den allermeisten Intersex-Störungen das Geschlecht bestimmen, im Falle von uneindeutigen äußeren Genitalien braucht man dafür ggf. weiterführende Diagnostik wie Bildgebung (innere Geschlechtsorgane?), Hormonlevel und ggf. Karyogramm.
Die nächste Frage ist dann, was genau denn für unser Selbstverständnis, zu welchem Geschlecht wir gehören, entscheidend ist. Und welche Relevanz das bloße Geschlechtszugehörigkeitsgefühl, losgelöst von der Biologie, überhaupt für den Geschlechtseintrag haben sollte.

Zitat von: eLender am 05. November 2023, 23:54:14Daher halte ich die niedrige Zahl auch für keinen Artefakt, es werden sicherlich auch keine Entscheidungen ohne die Zustimmung der Eltern getroffen.

Sicherlich nicht. Wobei das ja kritisiert wird - dass operiert werde, weil die Eltern lieber einen Jungen bzw. ein Mädchen hätten und nicht irgendwas dazwischen. Weil die böse Welt einfach nicht von der Binarität des Geschlechts ablassen will.

Zitat von: eLender am 05. November 2023, 23:54:14Eine Transperson (also echte Transsexualität) wird sich eh erst im späteren Leben zeigen, das biologische Geschlecht steht in den allermeisten Fälle ziemlich eindeutig fest.

Richtig. Der Geschlechtseintrag bezeichnet nun mal das biologische Geschlecht, nicht eine wie auch immer geartete Geschlechtsidentität. Das mag in ganz, ganz wenigen Fällen tatsächlich dazu führen, dass es da zu relevanten Diskrepanzen kommt - wir hatten ja das Beispiel CAIS: biologisch männlich, aber gesellschaftlich wäre es Quatsch, so jemanden in den meisten relevanten Bereichen stur den Männern zuzuordnen (Sport, Umkleiden, Gefängnis). Aber das hat dann ganz klare, nachvollziehbare, objektiv bestimmbare Ursachen - nämlich, dass ab dem Zeitpunkt der Embryonalentwicklung im Uterus keine Entwicklung hin zum männlichen Phänotyp durchlaufen wurde, trotz Hoden. Also kein wirksamer Einfluss des Testosterons, weder in den "Mini-Pubertäten" während der Embryonalentwicklung und kurz nach der Geburt, noch in der tatsächlichen Pubertät. Damit ist z.B. nicht davon auszugehen, dass es eine körperliche Überlegenheit zw. einer CAIS-Person und einer durchschnittlichen Frau gibt.

Zitat von: eLender am 05. November 2023, 23:54:14Es ist ärgerlich, dass man ständig versucht, die Begriffe neu zu besetzen bzw. Definitionen einfach zu umgehen (man kennt es auch von hier ::) ). Es gab doch Berichte, dass man sich schon als intersexuell hat diagnostizieren lassen, weil man eine GD oder Inkongruenz verspürt, und das dann der leichtere Weg war, das auch rechtlich anerkannt zu bekommen. Es gibt aber keinen Zusammenhang zwischen Intersexualität und Gender (Geschlechtsidentität), soweit mir bekannt. Die am AIS erkrankten Personen wachsen (meist) weiblich auf und können später aber eine andere (den Chromosomen entsprechende) Identität entwickeln.

Beim CAIS (also der kompletten Androgenresistenz mit weiblichem Phänotyp) ist meines Wissens/Vermutens nach nicht davon auszugehen, dass sich standardmäßig eine männliche Geschlechtsidentität entwickelt, weil dafür wahrscheinlich eher die Hormone entscheidend sind als direkt die Chromosomen, v.a. wenn sie seit der Embryonalentwicklung ihre Wirkung nicht entfalten können.
Beim 5-Alpha-Reduktase-Mangel ist das schon anders: da sehen die Neugeborenen zwar auch oft weiblich aus, weil das Testosteron nicht in die für die Entwicklung der äußeren Genitalien wichtige Form umgewandelt wird, aber das Testosteron wirkt spätestens in der Pubertät dann doch und führt zu einer Virilisierung und dem Durchlaufen einer männlichen Pubertät (das sind z.B. die "Guevedoces"; meines Wissens nach hat auch Caster Semenya diese Störung).
Das sind dann die Fälle, in denen es Sinn macht, wenn Betroffene ihren Geschlechtseintrag ändern dürfen, ggf. auch in ein "divers", oder auch Einzelfallentscheidungen nötig sind bei der Zuteilung zu männlich/weiblich in den relevanten Bereichen. Aber das ist eben meilenweit entfernt von einer einfachen Hypospadie, und noch viel weiter entfernt von einer Transsexualität.

"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

eLender

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. November 2023, 11:54:56Also das hat insofern mit Intersex zu tun, dass es im Prinzip eine nicht ganz vollständige Entwicklung des äußeren Genitales ist.
Danke für die Erklärung, so ist es verständlicher. Das zeigt um so mehr, dass "Intersex" ein weites Spektrum ist und dass es zu den unscharfen Rändern immer schwieriger wird, da von einer echten Störung (insb. was die geschlechtliche Identität angeht) zu sprechen.

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. November 2023, 11:54:56Beim 5-Alpha-Reduktase-Mangel ist das schon anders
Mein Fehler, ich hatte das mit CAIS verwechselt. Das "Interessante" an solchen Entwicklungsstörungen ist ja, dass man dadurch studieren kann, wie die "normale" geschlechtliche Entwicklung abläuft. Es sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen und nicht - wie die Aktivisten gerne behaupten - die Regel widerlegen. Es sind ja auch keine anderen Geschlechter, nur Entwicklungsstörungen, die meist mit anderen Komplikationen verbunden sind. Bei Trisomie 21 spricht man ja auch nicht von einem anderen "Menschengeschlecht".

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. November 2023, 11:54:56die "Guevedoces"

Das hatten wir schon mal früh im Faden hier. Das zeigt eben nicht, dass die geschlechtliche Identität (ich verstehe das jetzt mal als Präferenz für eine Geschlechterrolle) beliebig ist, sondern sehr von den biologischen Faktoren abhängt. Also nicht nur der Körperbau, auch gewisse neuronale Verknüpfungen scheinen durch Hormone geprägt zu werden. Deswegen finde ich es immer paradox, wenn man sich die Intersexualität zum Beleg hernehmen will, dass das Geschlecht nur einen soziale Konstruktion ist bzw. das es beliebig viele Geschlechter gibt. Selbst echter  Hermaphroditismus (der beim Menschen - soweit ich weiß* - nie beobachtet wurde) bestätigt die Binarität.


*das sagt nicht nur Kutschera, auch A. Meyer fand dafür keine echten Belege
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 05. November 2023, 00:18:24Hypospadie. Wir hatten hier irgendwo ja schonmal, dass das Hinzuzählen von Hypospadie zu Intersexualität eine ... ähm... sehr kreative Auslegung des Begriffs "Intersexualität" ist.

Kreativ, aber leicht zu toppen. Das mit der Oligospermie als Intersex damals in dem Nature-Artikel fand ich noch viel kreativer.
8)

Peiresc

Nochmal Dt. Ärzteblatt. Ich zitiere ausschnittsweise aber ausführlich, weil der Artikel viele der Einwände, die in unserem Faden zu Sprache gekommen sind, aktualisiert und bekräftigt.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/234841/Pubertaetsblocker-Debatte-um-Transitionstherapie

ZitatPubertätsblocker: Debatte um Transitionstherapie
Dtsch Arztebl 2023; 120(42): A-1741 / B-1482

Anfang September sah sich die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA mit einer Petition konfrontiert, die den Off-Label-Gebrauch von Pubertätsblockern rügt (1). Unter den Petenten sind Ärzte, Eltern und Betroffene. Sie bemängeln, die FDA habe bisher nie die Sicherheit und den Nutzen von Pubertätsblockern für deren Einsatz bei Kindern geprüft.

Denn, so lassen sich zahlreiche der Begründungen auf einen Nenner bringen, die wissenschaftliche Evidenz dafür, dass diese Therapien eher nützten als dass sie schadeten, sei nicht so robust, wie lange proklamiert worden sei.

Die Vermutung, hier drückten politisch konservative Kräfte ihre Ansichten durch, bietet indes für die Entwicklung in Europa keine griffige Erklärung. Denn Schweden – lange eine Pionierland in Bezug auf die Rechte der Queergruppen – hat die ,,Gender-affirming-Care" der Jüngsten ebenfalls und aus ähnlichen Gründen eingeschränkt (10). In Norwegen und Frankreich sollen in Expertengremien aktualisierte Leitlinien erstellt werden.

Der norwegische Bericht stellte fest, dass es ,,ungenügende Evidenz für den Einsatz von Pubertätsblockern und Cross-Sex-Hormon-Behandlungen gebe", insbesondere bei Teenagern, die in immer größerer Zahl mit solchen Wünschen vorstellig würden (11). Zweifel am ,,Weiter so" haben inzwischen selbst das Mutterland der affirmativen Therapie erreicht – die Niederlande (12). Denn das sogenannte ,,Dutch Protocol" aus dem Center of Expertise on Gender Dysphoria in Amsterdam gilt bis heute als Goldstandard zur Therapie der Genderdyphorie.

Im Wesentlichen sind es zwei Entwicklungen, die die neue Besorgnis hervorrufen. Erstens wird die Qualität der Studien aus der niederländischen Forschergruppe um Dr. med. Annelou L. C. de Vries kritisiert. Sie ist die führende Fachfrau aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die am Amsterdam Academic Center of Child and Adolescent Psychiatry unter anderem die Pubertätsblockertherapie groß gemacht hat. Zweitens finden jetzt immer mehr Betroffene medial Gehör, die ihre Transition bereuen, mit der Therapie hadern, Nebenwirkungen beklagen und eine Re- oder Detransition anstreben.

In einer weit ausholenden Analyse widmen sich mehrere US-amerikanische Autorinnen und Autoren den beiden wichtigsten Studien von de Vries (17). Kritisiert werden unter anderem das Studiendesign und die Auswahl der Teilnehmenden. Nur die ausgesprochen geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten seien schließlich ausgewertet worden. Die Ergebnisse seien weder robust noch aufgrund veränderter Praxis auf die aktuelle Situation übertragbar. In ihrem jüngsten Editorial hat de Vries selbst eingeräumt, dass die Befunde aus so einem Einzelzentrum wie dem ihrem repliziert werden müssten (18). Generell seien die ,,drop out"-Raten sehr hoch.

Skeptisch in Bezug auf die Studienqualität ist auch das National Institute for Health and Care Excellence (NICE), das dazu ein Review vorgelegt hat (19). Dieser NICE-Review hält als ernüchterndes Fazit fest: Bedeutsame positive Effekte der Therapien seien rar, ein Einfluss auf die Genderdysphorie und die Lebensqualität nicht erkennbar. Die Depressivität der Jugendlichen, nicht aber deren Angst oder Wut wurde reduziert, der Grad der Evidenz sei gering. Was die Nebenwirkungen angeht, so stehen ungünstige Einflüsse auf die Knochendichte, metabolische und kardiovaskuläre Risiken und Infertilität im Raum, außerdem ungeklärte Beobachtungen in Bezug auf neurologische Phänomene.

Zudem bröckeln alte, beruhigende Aussagen: Lange hieß es, PB erhöhten die geistige Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen. 2021 attestierte ihnen eine Auswertung der ,,Early Intervention Study" aus England zumindest, sie würden weder schaden noch nützen. Jetzt zeigt jedoch ein Preprint mit der Reevaluation von 44 Kinderschicksalen: Bei 34% verschlechterte sich der Zustand, bei 29% verbesserte er sich (20). ,,Wir können derzeit nur feststellen, dass es keine verlässliche Evidenz in Bezug auf die Auswirkungen der Therapien gibt. Der Ruf nach besseren Studien kommt daher nicht von ungefähr und ist mehr als berechtigt", bekräftigt auch Banaschewski.

Vor allem die Berichterstattung über unglückliche Transitionierende befeuert derzeit die Debatte (21, 22, 23). Lange galt, dass nur wenige von denen, die eine Transition beginnen, wieder davon Abstand nehmen. Eine Publikation aus Amsterdam zeigte, dass 98 % von 720 Jugendlichen, die PB und Hormone einnahmen, die Therapie über mindestens 4 Jahre fortführten (24).

Nicht alle können die niedrigen Abbruchzahlen bestätigen (26). Laut einer US-Studie fragen 25,6 % all derer, die eine Therapie vor dem 18. Lebensjahr begannen, innerhalb von 4 Jahren keine weiteren einschlägigen Rezepte mehr nach (27). Eine Befragung von 100 ,,Detransitioners" ergab, dass sie zu zwei Dritteln weiblich sind, dass sich mehr als die Hälfte (55 %) nicht genügend aufgeklärt fühlte, fast die Hälfte (49 %) fürchtete Komplikationen, etwa durch Operationen, mehr als ein Drittel (38 %) erklärte, die Genderdysphorie sei eigentlich durch ein Trauma, durch Missbrauch oder wegen einer vorbestehenden psychisch-psychiatrischen Erkrankung entstanden (28).

Auffällig ist, dass nur ein Viertel (24 %) ihre Detransition den Behandelnden kommunizierte. Folglich könnten diese unterschätzen, wie viele sich umentscheiden. Das habe, so klagen Forschende, die das Phänomen untersuchen, auch damit zu tun, dass Menschen, die die negativen Seiten der Transition publik machten, der ,,Transphobie" bezichtigt und mit Sprechverboten belegt würden (29). Sie verlieren die Unterstützung der Queer-Community, erführen von dort plötzlich Feindseligkeit (30).

Dr. Laura Edwards-Leeper hält es dennoch für essenziell, sich mit den Betroffenen zu befassen. Die klinische Psychologin und Co-Autorin der World-Professional-Association-for-Transgender-Health- (WPATH-)Leitlinien zur Therapie der Genderdysphorie, wird in einem in einem Spezialreport mit ihrer Mahnung zu mehr Vorsicht zitiert: ,,Wir können nicht mit Therapien weitermachen, wenn damit permanente Veränderungen von Körpern junger Menschen betroffen sind, wenn wir nicht komplett verstehen, was wir tun, und wir nicht von denen lernen, bei denen wir versagen", lautet ihr Fazit (29).

,,Auch hierzulande können wir diese Sicherheitssignale nicht mehr ignorieren", bestätigt Banaschewski und betont: ,,Ich bin überzeugt, dass all dies eine Rolle spielen wird, wenn es darum geht, sich in der künftigen Leitlinie auf eine bestmögliche Therapie für die Betroffenen festzulegen."

Die eigentliche Frage ist: wie konnte es soweit kommen? Warum haben die Sicherheitssysteme der medizinischen Wissenschaft derart versagt? Dass die Evidenz ungenügend ist, konnte man immer sehen - wenn man es sehen wollte.

Schwuppdiwupp

Solche Fragen "sollte" man wohl nie stellen.

Wie konnte es geschehen, dass das Traktat eines Quacksalbers veröffentlicht wurde und es fortan hieß: "Die MMR-Impfung macht Autismus." :-X
Ach, was weiß denn ich ...

Peiresc

Zitat von: Schwuppdiwupp am 11. November 2023, 16:45:34Wie konnte es geschehen, dass das Traktat eines Quacksalbers veröffentlicht wurde und es fortan hieß: "Die MMR-Impfung macht Autismus." :-X

Ganz einfach: Shit happens. Diese "Daten" haben die Wissenschaft nach meiner Kenntnis nie dominiert, nie den Konsens repräsentiert.

Schwuppdiwupp

Ach, was weiß denn ich ...

Peiresc

Zitat von: Schwuppdiwupp am 11. November 2023, 17:10:41
Zitat von: Peiresc am 11. November 2023, 17:09:48Ganz einfach: Shit happens

Ebendt!


Ich habe ein wenig überlegt, ob ich jetzt kleinlich sein sollte, aber wenigstens das will ich noch sagen: das ganze Gender-Transitioning ist eben genau nicht dasselbe wie Wakefield.

Schwuppdiwupp

Sei ruhig kleinlich! Vielleicht werden die Mechanismen, die jeweils dahinter standen, verständlicher.
Ach, was weiß denn ich ...

Peiresc

Zitat von: Schwuppdiwupp am 11. November 2023, 20:51:39Sei ruhig kleinlich!
okay  ;)

Der Fall Wakefield ist schnell eruiert:
ZitatNachdem alle unabhängigen Versuche, Wakefields Ergebnisse zu reproduzieren, gescheitert waren, wurde 2004 durch die Nachforschungen von Brian Deer bekannt, dass Wakefield vor der Veröffentlichung von Anwälten, die Eltern autistischer Kinder vertraten, 55.000 £ an Drittmitteln erhalten hatte.[3] Diese suchten Verbindungen zwischen Autismus und der Impfung, um Hersteller des Impfstoffes zu verklagen. Die Geldzahlungen waren weder den Mitautoren noch der Zeitschrift bekannt. Daraufhin traten zehn der dreizehn Autoren des Artikels von diesem zurück.[4] Darüber hinaus wurde durch Brian Deer 2006 bekannt, dass die Anwaltskanzlei zwei Jahre vor Veröffentlichung des Lancet-Papers 435.643 £ an Wakefield überwiesen hatte.[5] Im Januar 2010 entschied das General Medical Council, die britische Ärztekammer, dass Wakefield ,,unethische Forschungsmethoden" angewandt habe und seine Ergebnisse in ,,unehrlicher" und ,,unverantwortlicher" Weise präsentiert worden seien. Seine Ergebnisse seien falsch und die Zeitschrift getäuscht worden. The Lancet zog daraufhin Wakefields Veröffentlichung vollständig zurück.[6] In der Folge wurde im Mai 2010 ein Berufsverbot in Großbritannien gegen ihn ausgesprochen.[7]
https://de.wikipedia.org/wiki/Andrew_Wakefield#Ver%C3%B6ffentlichung_und_Kritik
(meine Hervorhebung) Er war ein regelrechter Betrüger, und einen Schutz gegen Betrug kann die Wissenschaft allein nicht leisten. Im Prinzip hat also das System der Wissenschaft funktioniert.

Bei den Transgender-Geschichten dagegen ... vergl. #479, #493, #544, #548, #1082 u. ö.


eLender

Zitat von: Peiresc am 11. November 2023, 13:03:02Die eigentliche Frage ist: wie konnte es soweit kommen? Warum haben die Sicherheitssysteme der medizinischen Wissenschaft derart versagt? Dass die Evidenz ungenügend ist, konnte man immer sehen - wenn man es sehen wollte.
Ja, das fasst nur zusammen, was tatsächlich bekannt ist, inkl. der irrwitzigen Studienlage und der Verwirrung de Vries, die als "Erfinderin" der Pubertätsblockade selbst sagt, es wäre totaler BS. Aber das hindert tatsächlich niemanden aus der völlig aus der Realität gefallenen Gläubigerschaft, das weiter als Wunderwaffe zu betrachten. Es ist wie mit allen irrationalen Überzeugungssystemen: man kommt mit Vernunft und Argumentation nicht dagegen an. Ich hatte es schon prophezeit: nur die Gerichte (und mögliche Schadensersatzforderungen) können das stoppen.

Selbst Menschen, die als warnendes Beispiel öffentlich auftreten, werden als "Verräter" diffamiert. Menschen sind nicht nur in der Lage, trotz besserem Wissen am Irrsinn festzuhalten, sie schalten ihren Verstand aus, wenn es ein "höheres" Ziel zu geben scheint. Wie sagte Groucho so schön: "Die schlimmste Idee ist die von einer besseren Welt" o.ä.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Schwuppdiwupp

:merci: für den reminder. Ich hatte vergessen, dass sich hinter Wakefield ein bewusster Betrug versteckte.
Ach, was weiß denn ich ...