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Radioaktive Strahlung und deren Gefahren

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Begonnen von Scipio, 02. Dezember 2018, 14:08:13

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Scipio

Nur mal ganz kurz, es heißt ja immer, es gäbe bei radioaktiver Strahlung keine untere Grenze bei der sie unschädlich wird. Daher auch kleinste Dosen sind gefährlich. Da Frage ich mich aber wieso uns dann nicht schon die natürliche Strahlung umbringt bzw. krank macht, die zum Teil ja auch schon erheblich sein kann?

LaDeesse

Zitat von: Scipio am 02. Dezember 2018, 14:08:13
Nur mal ganz kurz, es heißt ja immer, es gäbe bei radioaktiver Strahlung keine untere Grenze bei der sie unschädlich wird. Daher auch kleinste Dosen sind gefährlich. Da Frage ich mich aber wieso uns dann nicht schon die natürliche Strahlung umbringt bzw. krank macht, die zum Teil ja auch schon erheblich sein kann?

Die Frage kann m.W. nicht als abschließend geklärt gelten.
Die Strahlenschutzkommission meint zu wissen:
ZitatViele der strahlenbiologischen Effekte auf molekularer, zellulärer oder geweblicher Ebene weisen im Bereich kleiner Dosen nicht-lineare Dosis-Wirkungs-Beziehungen auf.

Das Thema war Steckenpferd meines Vaters gewesen. Ich meine mich zu erinnern, dass viele Mediziner der SSK in diesem Punkt vehement widersprechen und der Meinung sind, dass auch kleine Dosen Wirkung zeigen.
Konsens ist aber wohl, dass die Folgen der natürlichen Strahlung so gering sind, dass dieser Parameter hierzulande keine besondere Aufmerksamkeit verdient:
ZitatAuf der Basis des gegenwärtigen  Kenntnisstandes ergibt sich für die Strahlenschutzkommission keine Evidenz, dass eine sinnvolle epidemiologische Studie zu Krebsrisiken in Deutschland durch terrestrische Strahlenexpositionen durchgeführt werden kann. Die großen analytischen Studien in Gebieten anderer Länder mit sehr hohen terrestrischen Strahlenexpositionen sollten allerdings mit Aufmerksamkeit weiter verfolgt werden.
https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2007/NatuerlicheStrahlexposition_Krebsentstehung.pdf?__blob=publicationFile

RainerO

Es sagt zwar nichts zu den Gefahren aus, aber zum Einsortieren halte ich die Grafik von Randall Munroe
doch für recht wertvoll:
https://xkcd.com/radiation/


Daggi

Es gibt Gebiete auf der Welt mit deutlich höherer Belastung durch ionisierende Strahlung und durch radioaktive Isotope mit kurzer Reichweite (Alpha-Strahlung) aus natürlichen Quellen als der weltweite oder europäische Durchschnitt. Beispiele sind einige Gegenden in Iran, Brasilien und in Indien. Auf Anhieb fällt mir Guarapi in Brasilien ein, mit den thriumhaltigen Sänden am Strand. Im Iran (Ramsar) kann man sich eine extra-Dosis von über 0,8 Sv/Jahr holen, in Kerala (Indien) 0,08 SV/a, in Brasilien 0,17 Sv/a und an einigen Orten in Deutschland und Österreich etwa 0,02 Sv/a. (Bad Gastein, Merzenschwand). In Deutschland und Österreich kommen die natürlichen Belastungen oft vom Radongas.

Es gibt retrospektive Studien die zeigen daß der Aufenthalt in diesen Gebieten negative Folgen hat. Eine eindeutige untere Grenze konnte man nie definieren, da hier stochastische (Zufalls-)ereignisse eine Rolle spielen. Manchmal werden 20 mSv/a als Untergrenze angenommen (0,02 Sv/a). Auf der anderen Seite hat man die akute Strahlenkrankheit bei der man mehrere Sv auf einmal braucht und die tödlich ist.

Leute wie Bodo Manstein und Ernest Sternglass warnen vor geringer Strahlenbelastung und berufen sich auf eine LNT-Hypothese (kein unterer Grenzwert und lineare Dosis-Effektkurve). Andere sind der Meinung daß man sehr schwacher Strahlung nie entgehen kann, alleine durch Höhenstrahlung (Alpenbewohner) usw. Wiederum andere glauben an eine gesundheitsfördernde Wirkung schwacher Strahlung und als Hormesis-Prinzip. Demnach wäre ein Aufenthalt in Radonbädern in Bad-Gastein gesundheitsfördernd. Dahinter steht ein Prinzip einer Art Reiztherapie. Der eigentlich krankmachende Reiz durch Radon (und die Zerfallsprodukte, darunter Alphastrahler) soll praktisch den Mensch "stärken" und somit resistenter machen. Wissenschaftlich aber nicht nachgewiesen. Das BGA warnt explizit Schwangere und Kinder davor.

Der menschliche Körper hat eigene Schutzmechanismen gegen schwache Strahlung: so genannte Reparaturenzyme beispielsweise.

Ich glaube hier im Forum sind mindestens ein Experte zum Thema.

Was man zusammenfassend vielleicht sagen kann:

1. Es gibt tatsächliche keine Untergrenze für Strahlung. Daher ist jeder vermeidbaren Exposition auszuweichen, auch die aus technischen Quellen (Personal in Flugzeugen, Radiologie..)
2. Es gibt keinen Ort auf der Welt ohne ionisierende Strahlung. Der Mensch kann nicht in einem Bunker leben. Eine gewisse Belastung war stets Begleiterscheinung in der Geschichte des Menschen. Bis zu einem bestimmten Maß kann man mit ihr gut leben und muss nicht in Panik geraten. Ab wann man sich Sorgen machen muss ist nicht exakt an einem bestimmten Schwellenwert festzumachen.
3. Strahlenbelastung ist nicht Strahlenbelastung. Besondere Gefahren gehen von inkorporierten (zum Beispiel eingeatmeten) Alphastrahlern aus.
4. Man kann sich nur bedingt schützen. Vor radioaktivem Jod kann man im Einzelfall Jodtabletten nehmen. Ansonsten bleibt nur das Ausweichen und nur kurze Aufenthalte in belasteten Gegenden. Oder Belüften von Kellerräumen gegen aus der Erde aufsteigendes Radon.

Ladislav Pelc

Zitat von: Daggi am 02. Dezember 2018, 15:23:21
1. Es gibt tatsächliche keine Untergrenze für Strahlung. Daher ist jeder vermeidbaren Exposition auszuweichen, auch die aus technischen Quellen (Personal in Flugzeugen, Radiologie..)

Wobei man auch da meiner Meinung nach nicht in Panik verfallen sollte. Man muss das Risiko in Beziehung setzten sollte mit den übrigen Gefahren, die das Leben so mit sich bringt. Zum Beispiel kann man auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall haben. Das ist kein bloß theoretisches Risiko; tödliche Unfälle kommen gar nicht mal so selten vor. Dennoch setzen sich die meisten von uns tagtäglich diesem Risiko aus, und das bei weitem nicht nur, wenn es wirklich absolut lebensnotwendig ist.

Das heißt natürlich nicht, dass man das mit der Radioaktivität verbundene Risiko auf die leichte Schulter nehmen und damit unvorsichtig umgehen sollte, ebenso wenig, wie man im Straßenverkehr zu schnell oder sonst unvorsichtig fahren sollte. Ich kann auch nicht sagen, wie vielen km Autobahn ein mS entspricht und bezweifle, dass es sinnvoll wäre, eine solche Größe zu berechnen. Aber ich denke, beim Thema Radioaktivität einen Null-Risiko-Ansatz zu verfolgen, ist ähnlich unrealistisch, wie in allen anderen Bereichen des Lebens. Leben ist immer lebensgefährlich.

Und um den ohnehin schon hinkenden Vergleich endgültig überzustrapazieren: Der Gesetzgeber setzt Grenzwerte für die Strahlenexposition fest, bei denen er das Risiko noch für vertretbar hält, wie er auch Höchstgeschwindigkeiten festsetzt, bei denen die Unfallgefahr noch als akzeptabel angenommen wird. Über die Höhe der Grenzwerte (und damit rein statisch betrachtet die Anzahl der Todesfälle, die inkauf genommen wird) lässt sich sicherlich trefflich streiten. Aber Null ist denke ich in beiden Fällen keine realistische Option.

LaDeesse

Zitat von: Ladislav Pelc am 02. Dezember 2018, 17:21:22
... wie er auch Höchstgeschwindigkeiten festsetzt, bei denen die Unfallgefahr noch als akzeptabel angenommen wird.

Kann es sein, dass Du nicht in Deutschland wohnst?

Scipio

Erstmal danke für die Antworten.

Ich hatte meine Eingangsfrage vom Smartphone aus geschrieben, deshalb war sie etwas knapp. Die Frage tauschte bei mir in der Diskussion um Pro und Contra Kernkraft/Kernenergie auf. Die Kernkraftbefürworter sind recht... optimistisch, was die Auswirkungen von niedrigdosiger Strahlung angeht. Die Gegner gehen davon aus dass Niedrige Dosen radioaktiver Strahlung (sehr) gefährlich sind und es keinen Schwellwert gibt.

Im Skeptiker hatte ich dazu mal einen Artikel gelesen, dessen Kernaussage wahr, dass man noch nicht genug über die Wirkung niedriger Dosen radioaktiver Strahlung wisse.

Sollte es allerdings so sein, dass es wirklich keinen Schwellwert gibt bzw. auch von niedrigen Dosen radioaktiver Strahlung eine signifikante Gefahr ausgeht, wäre dies ein gewichtiges Argument gegen die Nutzung von Kernenergie.

LaDeesse

Zitat von: Scipio am 02. Dezember 2018, 17:53:10
Sollte es allerdings so sein, dass es wirklich keinen Schwellwert gibt bzw. auch von niedrigen Dosen radioaktiver Strahlung eine signifikante Gefahr ausgeht, wäre dies ein gewichtiges Argument gegen die Nutzung von Kernenergie.

Schade nur, dass auch Kohlekraftwerke die Strahlenbelastung erhöhen ... daher fürchte ich die Atomkraftwerke in dieser Hinsicht nicht wirklich. Die Radioaktivität in deren Umgebung ist wenigstens bekannt.

Meine Einwände gegen Kernenergie betreffen vor allem die ungelöste Aufgabe, die strahlenden Abfälle langfristig sicher zu verwahren. Schon dieses Risiko allein erscheint mir nicht vertretbar.
Sicherere Kraftwerkstypen mit inhärenter Leistungsverringerung im Störungsfall, die auch noch viel weniger Abfälle dieser Art produzieren, wurden leider aus den unterschiedlichsten Gründen nicht weiterentwickelt. Mag sein, dass dies ein sinnvoller Weg der Nutzung von Kernenergie gewesen wäre.
Auch mit diesem Thema habe ich mich aber schon lange nicht mehr beschäftigt. Meine Meinung kann also auf teilweise obsoletem Wissen beruhen.


Herkulini

Als Fachkundiger im Strahlenschutz versuche ich mal zu entwirren:
Man unterscheidet stochastische Strahlenschäden von deterministischen Schäden.
Deterministische Schäden treten ab bestimmten Dosen auf: Es gibt z.B. Dosen, bei denen jeder Mensch die Strahlenkrankheit bekommt und es gibt Dosen, die kein Mensch überlebt.
Stochastische Schäden entstehen dadurch, dass radioaktive Strahlung durch eine Kette von Reaktionen die Zellen schädigen und Krebs auslösen kann. Je mehr Strahlung man abbekommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür. Theoretisch kann ein einzelnes Gammaquant Krebs auslösen, so dass es tatsächlich keine völlig ungefährliche Strahlendosis gibt (außer null).
Wie andere hier ja auch schon erklärt haben, ist das alleine aber noch kein gewichtiges Argument gegen die Nutzung der Kernkraft.

Zum Modell der linearen Abhängigkeit der Strahlenschäden von kleinen Dosen sei klargestellt, das dies keine wissenschaftliche Hypothese oder gar Theorie ist, sondern ein Abschätzungswerkzeug für Strahlenschutzmaßnahmen. Leider wird das manchmal von Lobbyisten absichtlich durcheinandergeworfen, um den Eindruck zu erzeugen, die Wissenschaft habe die Gefährlichkeit radioaktiver Strahlung lange Zeit überschätzt.

Scipio

ZitatMeine Einwände gegen Kernenergie betreffen vor allem die ungelöste Aufgabe, die strahlenden Abfälle langfristig sicher zu verwahren. Schon dieses Risiko allein erscheint mir nicht vertretbar.

Das die Geschichte mit dem Abfall angeht wird gerne auf Transmutation verwiesen.

ZitatSeit den 1990er Jahren werden als Transmutation spezielle Techniken bezeichnet, mit denen radioaktiver Abfall in seiner Gefährlichkeit verringert werden soll, indem durch Kernreaktionen mit freien Neutronen die besonders langlebigen Bestandteile in kürzerlebige verwandelt werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Transmutation

Das schafft das Problem nicht zur Gänze aus der Welt, könnt aber meiner Meinung nach durchaus dazu beitragen das Abfallproblem handhabbar zu machen, in dem man die besonders langlebigen Splatprodukte und kurzlebigere zerlegt.

Typee

Zitat von: Herkulini am 03. Dezember 2018, 18:43:33
Zum Modell der linearen Abhängigkeit der Strahlenschäden von kleinen Dosen sei klargestellt, das dies keine wissenschaftliche Hypothese oder gar Theorie ist, sondern ein Abschätzungswerkzeug für Strahlenschutzmaßnahmen. Leider wird das manchmal von Lobbyisten absichtlich durcheinandergeworfen, um den Eindruck zu erzeugen, die Wissenschaft habe die Gefährlichkeit radioaktiver Strahlung lange Zeit überschätzt.

Na ja, diese Theorie beruht ja ursprünglich auf genau null Datenpunkten. Ihre theoretische Grundlage besteht darin, dass man den Dosis-Wirkungs-Graphen einfach nach unten hin verlängert hat - dorthin, wo es gar keine Daten gab. Ob sich da inzwischen irgend etwas neues ergeben hat, weißt du wahrscheinlich besser als ich.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

sailor

Das Problem bei den kleinen und kleinsten Dosen ist die Zuordnung der Effekte. Bei solchen Dosen kann man Effekte/Erkrankungen eben nur schwer auf die Strahlung als auslösendes Moment zuordnen... es sei denn, man hätte eine Anzahl Menschen (je mehr je besser), die ohne den Einfluss anderer auslösendender Effekte UND gleicher genetischer Disposition solchen Dosen kontrolliert ausgesetzt werden. Das wäre weder besonders angenehm für die Menschen, noch besonders ethisch... und vor allem unmöglich von der Versuchsanordnung.

Im Grunde eignet sich das Thema schwache Dosis nicht für eine Diskussion über Kernspaltungskraftwerke, weil man entweder über Dosen redet, die in der Natur und täglichem Leben vorkommen... oder eben in jenen Bereich kommt, wo Folgen bekannt sich. Bei letzterem ist davon auszugehen, dass das Kraftwerk eben nicht den gesetzl. Anforderungen entspricht.

Scipio

Was ich zu dem Thema noch los werden wollte ist, dass inzwischen Atomkraftwerke als ein Mittel zur Dekarbonisierung der Energieversorgung angepriesen werden.

Ich glaube da aber nicht wirklich dran....

celsus

Zitat von: Scipio am 18. Dezember 2018, 17:57:33
Was ich zu dem Thema noch los werden wollte ist, dass inzwischen Atomkraftwerke als ein Mittel zur Dekarbonisierung der Energieversorgung angepriesen werden.

Ich glaube da aber nicht wirklich dran....

Ist das denn eine Glaubensfrage?
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