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Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?

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Begonnen von Hildegard, 31. August 2014, 20:28:00

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Hildegard

Zitat von: Davos am 03. Oktober 2014, 11:20:17
Um das vorwegzunehmen: Ich bin für Sterbehilfe. Im Prinzip auch bei psychischen Krankheiten, wenn sie zu einem großen Leidensdruck führen und nicht therapierbar sind (wobei das sicher schwer zu beurteilen ist). Ich habe allerdings vor einigen Tagen auf Spiegel-Online gelesen, dass einem belgischen Sexualstraftäter das Recht auf Sterbehilfe zugestanden wurde. Lest das am besten selbst: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gerichtsurteil-belgischer-sexualstraftaeter-frank-van-den-bleeken-darf-sterben-a-994469.html. Er hat argumentiert, dass er keine ausreichenden Therapieangebote erhalten habe. Angenommen, er hat tatsächlich nicht genügend Angebote erhalten und angenommen das hat zu einem sehr hohen Leidensdruck geführt: Dann lässt sich Sterbehilfe als Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür interpretieren.
Schwere sexuelle Abweichungen sind genausowenig therapierbar wie Homosexualität. Sein Irrtum war nur, dies auf mangelnde Versorgung zurückzuführen. Insofern verstehe ich sowohl den Wunsch als auch die Genehmigung.
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

Davos

Die Therapie muss aber nicht notwendigerweise zum Ziel haben, die sexuelle Abweichung zu korrigieren. Sie könnte auch darauf abzielen, dass der Patient sie akzeptiert. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, das Bedürfnis nach sexueller Gewalt durch ein Angebot von Ersatzhandlungen, die keine Opfer fordern, befriedigen zu helfen. Klingt zugegebenermaßen ekelig. Aber bei jemandem, der ohnehin den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen wird, z. B. jemandem, der sich an Kindern vergangen hat -- Warum soll man dem nicht bespielsweise helfen, sich selbst zu befriedigen, indem man ihm Zugang zu entsprechender Pornografie verschafft, die ganz und gar virtuell und damit opferlos ist. Keine Ahnung, ob das funktionieren könnte. Und in Deutschland wäre es auch illegal. In diesem Fall bestünde die Therapie also darin, dass der Patient lernt, sein Bedürfnis nach Macht, Gewalt, Sex u. s.w. auf eine Weise zu befriedigen, die niemandem schadet. Ich finde die Frage vor dem Hintergund, dass die Alternative (oder die einzige Möglichkeit) die Erfüllung des Todeswunsches ist, recht interessant.

Hawkeye

Wobei sich ja in Deutschland in den letzten Jahren so einiges in der Palliativmedizin getan hat. Unter anderem dürfen Opiate Sterbenden mittlerweile in potentiell tödlichen Dosierungen verabreicht werden, wenn dies das Leiden lindert. Bei SPON gab es zu einem solchen Fall vor ein paar Monaten einen ebenso bemerkenswerten wie erschütternden Artikel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126830928.html
Es ist nicht schlimm, Fehler zu machen. Aus ihnen nicht zu lernen, ist dumm. Sie immer wieder zu machen, ist töricht.

Conina

Wenn die Realität auf Amt und Überzeugungen trifft:

ZitatDer Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sagte laut der Augsburger Allgemeinen, dass er seine krebskranke Frau wohl für Sterbehilfe in die Schweiz begleiten würde, obwohl dies "völlig" seiner Überzeugung widerspreche.

http://www.feuerbringer-magazin.de/2014/10/12/moralische-ueberzeugung/



Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

Hildegard

Es gibt auch ein neues Buch zum Thema, "Letzte Hilfe" von  Uwe-Christian Arnold. Parallel läuft eine möglicherweise unterstützenswerte Kampagne.
https://hpd.de/artikel/10171

[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

Groucho

Zitat von: Conina am 13. Oktober 2014, 08:15:48
Wenn die Realität auf Amt und Überzeugungen trifft:

ZitatDer Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sagte laut der Augsburger Allgemeinen, dass er seine krebskranke Frau wohl für Sterbehilfe in die Schweiz begleiten würde, obwohl dies "völlig" seiner Überzeugung widerspreche.

http://www.feuerbringer-magazin.de/2014/10/12/moralische-ueberzeugung/

Ich kann dem Feuerbringer in seinen Schlussfolgerungen nicht ganz folgen. Ein entdramatisiertes Beispiel: Mein (volljähriges) Kind will sich ein Tatoo stechen lassen. Ich finde das Quatsch und daneben. Trotzdem würde ich ihm helfen, ein möglichst gutes Tatoostudio ausfindig zu machen.

Ein "Ich finde es nicht richtig, helfe Dir aber trotzdem" ist doch keine moralische Dissonanz essentieller Art.
Zudem, der Vorwurf, er würde es von seinen Schäfchen einfordern und sich selber nicht daran halten, stimmt doch so auch nicht, m.W. ist er ja deswegen zurückgetreten.

Conina

Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

ajki

Groucho hat im Interessante-Links-thread einen Link zu einem Law-Blogger zum Stand der Dinge (Vorlagen für Sterbehilfe-Regulierungen) gepostet. Ich will den Dauer-thread nicht mit Kram kontaminieren.

Aus relativ aktuellem Anlaß fiel/fällt es mir schwer, über das Thema einigermaßen gesittet nachzudenken/zu reden. Neulich bei der Fahrt zur Beisetzung meines Vaters habe ich mich in Kenntnis der derzeitigen politischen Vorhaben so in Wut geredet (unabsichtlich), dass meine Tochter meinte, ich wäre auf meinen Vater wütend bzw. die Art, wie er entschied zu sterben (da er *wegen* des regulativen Unsinns der Vergangenheit und wohl auch der Zukunft NULL Chance hatte, anders zu entscheiden).

Daher ist der ansonsten sicher ordentliche Beitrag im Zeit-Blog derzeit für mich nicht das Richtige, da zu "polemisch". Ich kann auch die richtige Form von Sarkasmus im Zusammenhang nicht recht ertragen.
every time you make a typo, the errorists win

Groucho

Zitat von: ajki am 01. Oktober 2015, 17:10:03
Daher ist der ansonsten sicher ordentliche Beitrag im Zeit-Blog derzeit für mich nicht das Richtige, da zu "polemisch". Ich kann auch die richtige Form von Sarkasmus im Zusammenhang nicht recht ertragen.

Naja, so arg polemisch ist der gar nicht, der Fischer beugt nur bisschen vor. Die rabulistischen Auslegungen, die er bekrittelt, sind tatsächlich nur albern, bzw. offenbaren eine furchtbare Hilflosigkeit, etwas in Gesetze fassen zu wollen, was man zurecht eben nicht in Gesetze fassen kann, bzw. der grobe Rahmen für die Ahndung übler Vorkommnisse längst da ist und völlig ausreicht.

Zu Deiner Befindlichkeit: Halte die Ohren steif. Ich kenne das alles. Lässt sich meistern. Das Schwierigste am Tod ist das Sterben. Danach ist es für die "Hinterbliebenen" umgekehrt. Life is a bitch.

Wiesodenn1

Zitat von: GrouchoDas Schwierigste am Tod ist das Sterben. Danach ist es für die "Hinterbliebenen" umgekehrt.

Ist genau meine Meinung.

Und zwar auch weil in meinem Alter die Todesfälle gleichaltriger und jüngerer Menschen zunehmen. Und das auch in der eigenen Familie. Es hat sich zwar in meiner Familie noch keiner zu Sterbehilfe geäussert (wobei ich sagen muss, dass ich zu meinen Geschwistern keinen regen Kontakt habe, da ich bei Pflegeeltern aufgewachsen bin); aber der letzte Todesfall war ein Selbstmord eines Neffen. Da macht man sich mehr Gedanken über das Sterben. Nicht über das was nach dem Tod ist. Als Agnostiker lasse ich mich überraschen, oder auch nicht...
Bernhard Hoëcker: "Homöophatie ist, wenn Du über ein Feld läufst, furzt und sagst es ist gedüngt."

Groucho

Zitat von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 21:30:35
Und zwar auch weil in meinem Alter die Todesfälle gleichaltriger und jüngerer Menschen zunehmen.

Die Einschläge kommen näher.

Zitat
Als Agnostiker lasse ich mich überraschen, oder auch nicht...

Ach komm. Agnostiker ist man doch nur, weil man mit Theismus noch nicht mal nichts zu tun haben will. Von der Erklärungsfaulheit mal abgesehen. Muss aber zugeben, eine Höllenvorstellung hätte ich: Wiedergeburt. Oder ewiges Leben.

Wiesodenn1

Zitat von: GrouchoMuss aber zugeben, eine Höllenvorstellung hätte ich: Wiedergeburt. Oder ewiges Leben.

Schwere Entscheidung wenn man auswählen könnte. :-\

Vielleicht geschieht  nach dem Tod einfach nix, niente, nada, nothing, kein Bewusstsein.

Das habe ich als Jugendlicher mal einem Berufsberater gesagt als es mich fragte was ich denke, was vor meiner Geburt gewesen sei.

Auf meine Antwort "nichts" meinte er nur das könne ich ja gar nicht wissen.

Seitdem hüte ich mich irgendwelche Aussagen über das Leben nach dem Tod zu machen.

Mit Religion hatte ich damals schon 2 bis 3 Jahre nichts mehr am Hut.

Bernhard Hoëcker: "Homöophatie ist, wenn Du über ein Feld läufst, furzt und sagst es ist gedüngt."

Typee

Zitat von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 22:45:22
Zitat von: GrouchoMuss aber zugeben, eine Höllenvorstellung hätte ich: Wiedergeburt. Oder ewiges Leben.

Schwere Entscheidung wenn man auswählen könnte. :-\

Vielleicht geschieht  nach dem Tod einfach nix, niente, nada, nothing, kein Bewusstsein.

Das habe ich als Jugendlicher mal einem Berufsberater gesagt als es mich fragte was ich denke, was vor meiner Geburt gewesen sei.

Auf meine Antwort "nichts" meinte er nur das könne ich ja gar nicht wissen.

Seitdem hüte ich mich irgendwelche Aussagen über das Leben nach dem Tod zu machen.

Mit Religion hatte ich damals schon 2 bis 3 Jahre nichts mehr am Hut.

Meine Standardantwort: denkt nicht über den Tod nach, sondern übers Leben. Der Tod ist die gleichgültigste Sache der Welt, niemand kann irgend etwas dazu sagen.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Wiesodenn1

Zitat von: Typee am 01. Oktober 2015, 23:14:20Meine Standardantwort: denkt nicht über den Tod nach, sondern übers Leben. Der Tod ist die gleichgültigste Sache der Welt, niemand kann irgend etwas dazu sagen.

Über das Leben denke ich doch jeden Tag nach sobald ich aufgestanden bin. Muss ja wissen was passiert, welche Rechnungen zu bezahlen sind, was ich noch für Arbeiten zu erledigen habe, was meine Söhne wieder für Wünsche haben, wohin ich mit meiner Frau heute ausgehe...

Das Leben oder Nichtleben nach dem Tod ist mir auch die gleichgültigste Sache der Welt. Ich habe jetzt und hier auf dieser Erde noch meine Aufgaben, Verpflichtungen....uch...die Freuden nicht vergessen  ;D

Aber der Übergang vom irdischen Leben in das Ungewisse sollte ohne grosse Qualen vonstatten gehen.
Bernhard Hoëcker: "Homöophatie ist, wenn Du über ein Feld läufst, furzt und sagst es ist gedüngt."

Groucho

Zitat von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 23:46:28
Aber der Übergang vom irdischen Leben in das Ungewisse sollte ohne grosse Qualen vonstatten gehen.

Es ist doch nicht ungewiss. Es ist nur nichts.