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Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?

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Begonnen von Hildegard, 31. August 2014, 20:28:00

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Peiresc

Und die aktuelle Musterberufsordnung für Ärzte:
Zitat§ 16 Beistand für Sterbende
Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/MBO_02.07.2015.pdf
Straffrei, aber verboten. Man darf gespannt sein auf die Gerichtsentscheidungen.

ajki

Die sz zitiert indirekt die schon vor der parlamentarischen Beratung kursierende Problematisierung des "aussichtsreichsten" und durchgegangenen Entwurfs:

Zitat... Einige Politiker, Mediziner und Juristen hatten bemängelt, dass nicht klar ist, was genau unter "geschäftsmäßiger" Suizidbeihilfe zu verstehen sei. Die Autoren des Gesetzentwurfs hatten im Vorfeld erklärt, dass sie mit dem Begriff ein "auf Wiederholung angelegtes, organisiertes Handeln" meinen. ...

Ergänzen kann man im Kontext der Absichten des Entwurfs die Phrase "auf Wiederholung angelegtes, organisiertes Handeln" um "mit offengelegter oder verborgener Gewinnerzielungsabsicht von Dritten, oder mindestens der angelegten Möglichkeit von abschöpfbaren Restmitteln durch Dritte inklusive von als Gebühr erhobenen Kosten, die den Aufwand eines Erfüllungsgehilfen deutlich übersteigen".

Näheres regeln dann die Gerichte anhand konkreter Fälle. Die Intention des CDU/CSU-Entwurfs (+ Dritter) war in dieser Sache jedoch ziemlich klar (und deckte sich in der Intention auch mit den anderen drei Entwürfen soweit es die dubiosen "Vereine" anging).

Es ist im Zusammenhang übrigens sehr wohl möglich, dass "idealistisch" handelnde Gruppen aus rein politischen/sozialen/"mitmenschlichen" Erwägungen/Zielstellungen und mit klarer Non-Profit-Struktur weiterhin agieren können im Umfeld der "Sterbehilfe". Das wird man abwarten müssen.
every time you make a typo, the errorists win

Groucho

Zitat von: Peiresc am 06. November 2015, 20:00:42
Straffrei, aber verboten. Man darf gespannt sein auf die Gerichtsentscheidungen.

Mal gespannt, was der Fischer dazu schreiben wird, im Vorab hat er sich ja schon geäußert:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-09/bundestag-gesetzentwuerfe-sterbehilfe

Conina

Zitat von: ajki am 06. November 2015, 21:08:34
Es ist im Zusammenhang übrigens sehr wohl möglich, dass "idealistisch" handelnde Gruppen aus rein politischen/sozialen/"mitmenschlichen" Erwägungen/Zielstellungen und mit klarer Non-Profit-Struktur weiterhin agieren können im Umfeld der "Sterbehilfe". Das wird man abwarten müssen.

Und für welche Klientel wäre so ein Hobby attraktiv?

Die Idee ist für mich gruseliger, als jemandem für so eine Dienstleistung zu bezahlen.
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

Belbo


Conina

Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.


Wolleren

Zitat von: Groucho am 06. November 2015, 19:48:45
Zitat von: Peiresc am 06. November 2015, 19:00:01
Und keiner weiß, was "gewerbsmäßig" genau heißt.

Genau das ist das Problem.
Jede Art von "Energieausgleich" reicht, um ein Gewerbe vermuten zu lassen.

Für Scheinaltruisten bietet Sterbehilfe eine echte Chance auf Profilierung, wo doch Altenpflege viel arbeitsreicher und schmutziger ist. Da wird psiram was zu tun kriegen: Nette Leute, die aus lauter Dummheit Druck auf andere aufbauen, sich selbst umzubringen. Das gibt bei den Baby-Boomern ein Riesengeschäft, eine Art GNM 4.0, kein schlecht verhohlenes Verreckenlassenprogramm, sondern das Angebot eines ganz bequemen Verreckens.

ajki

Zitat von: Conina am 06. November 2015, 22:13:21
Und für welche Klientel wäre so ein Hobby attraktiv?

Die Idee ist für mich gruseliger, als jemandem für so eine Dienstleistung zu bezahlen.

Meine Anmerkung bezieht sich nicht auf eine Idee - sie bezieht sich auf die Möglichkeit einer Kriminalisierungsumgehung unter der neuen Gesetzeslage (einer derzeit noch völlig unklaren). Was alle Entwürfe einte war die Absicht, privatisierte Profitorientierung auf diesem Feld zu verunmöglichen. Sie unterschieden sich (marginal und in jedem Fall aus bürgerlicher Sicht unzureichend) in den Angeboten im Rahmen der öffentlichen Versorgung. Von den vier Entwürfen ist derjenige durchgegangen, der außer vagen Absichtserklärungen im Palliativbereich (der mit dem eigentlichen Problem überhaupt nichts zu tun hat) keinerlei öffentliche Unterstützung anbietet (also alles so beläßt auf diesem Feld, wie es in Dtschl. seit jeher ist). Was jemand am absoluten Ende der Fahnenstange will, ist die Verfügungsmacht über den Zeitpunkt unter "technisch" optimalen Bedingungen und abrechenbar über die regulierten Versorgungsmethoden - sprich: eine normale Einbindung in öffentliche Versorgungsmechanismen. Das bleibt verwehrt, obwohl eine "graue" Form privat zu finanzierender "Hilfe" in den letzten Jahren entstand und durch die neue Lage absichtsvoll abgewehrt wird. Das eigentlich Anzustrebende wurde also weiterhin auf politischer Bühne abgebügelt, während die politische Seite klar die Mittel installiert, private "Alternativen" verfolgungsfähig zu machen. Das hätte man dann begrüßen können, wenn eben ein Weg in die Versorgungssysteme geöffnet worden wäre. So ist es nur ein weiterer Staatspaternalismus (obwohl man aus anderen Gründen durchaus gegen "Vereine mit Gewinnerzielungsabsicht" auf diesem Feld sein kann).

Warum einzelne Leutchen jeweils genau irgendwelche öffentlich einwirkende Dinge tun (den "Wachturm" verteilen, als tribalistischer Vereinsfan Unsummen für die Teilhabe am Geschehen ausgeben, für die vegane Rettung der Welt kämpfen uswusf...) ist oft nicht entschlüsselbar. Wenn keine Kohle auf dem Aktivistenkonto landet oder vor allem, wenn Kohle deshalb davon abfließt, nennt man solche Aktivitäten traditionell "idealistisch". Dass jede Menge anderer Leute solche Aktivisten nicht "verstehen" können, hat noch nie etwas daran geändert, dass es derartige (wo)men on a mission in durchaus erheblichen Größenordnungen gab/gibt/geben wird.
every time you make a typo, the errorists win

Conina

Das ist ein regelrechter Rant, der in der Taz steht:
http://www.taz.de/Kommentar-Sterbehilfe/!5249048/
Zitat...Bald 150 Jahre lang waren sich Politik wie Zivilgesellschaft in Deutschland darüber einig, dass dies zwar in jedem Einzelfall zu bedauern, aber als individuelle Entscheidung mündiger Bürger auszuhalten und zu respektieren sei. Konsens war: Weil der Suizid straffrei ist, konnte die Beihilfe zum Suizid auch nichts anderes als straffrei sein.

Ende, aus, vorbei. Diesen Konsens hat eine Mehrheit der Parlamentarier am Freitag ohne Not aufgekündigt: Künftig wird die Beihilfe zum Suizid in Deutschland strafbar sein, sobald sie geschäftsmäßig stattfindet, also auf Wiederholung ausgerichtet ist. Egal, ob Angehörige, Ärzte oder Sterbehelfer aus Vereinen die Beihilfe leisten – sie alle laufen Gefahr, strafverfolgt zu werden. Das Abstimmungsergebnis ist eine Zäsur. Es ist ein bewusster Bruch mit einer Rechtslage, die seit 1871 in Deutschland gegolten und gut funktioniert hat....
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.