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Atomkraft: Kann man darüber rational diskutieren?

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Begonnen von Groucho, 12. Mai 2013, 20:24:04

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Groucho

Zufällig bin ich kürzlich über diesen alten Artikel beim Florian Freistetter gestolpert:
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/11/14/wie-spricht-man-uber-radioaktivitat/

Es scheint tatsächlich fast unmöglich, Emotionen und bis ins Irrationale gehende Ängste da außen vor zu halten. Eine Seite, die ich illustrierend dazu fand:

http://100-gute-gruende.de/index.xhtml

Das beginnt auf der Startseite gleich mit einer fetten Lüge: Atomenergie macht Kinder krank!
Auch wird gerade "Jetzt mit Bonusgründen" geworben.
Dahinter steht die ElektrizitätsWerke Schönau Vertriebs GmbH, die natürlich gleich zum Wechsel auffordert.

Anscheinend hat das ein paar wissenschaftlich Gebildeten dermaßen gestunken, dass sie eine Gegenseite ins Netz gestellt haben:

http://100-gute-antworten.de/lesen/

Dort werden die Gründe, warum Kernkraft mindestens des Teufels ist, ziemlich glaubhaft auseinander genommen.

Und gleich vorab: Ich glaube schon, dass man aus vernünftigen Gründen gegen Kernkraft sein kann, bzw. genauer gesagt gegen bestimmte Technologien.

Belbo zwei

Das die Gefahr "unsichtbar" ist und der wenn auch unbewusste Gleichschluss mit der "Bombe" unterstützt die Tendenz zur unbegründeten Paranoia, das mit der Halbwertszeit und der Strahlungsstärke ist mir auch erst hier......*schäm*......ausserdem ist es immer blöd zu behaupten etwas sei absolut sicher und dann reiht sich ein Unfall an den anderen, wenn man von Anfang an gesagt hätte klar kann mal was passieren, dass ist aber nicht so schlimm, dann wäre die Fallhöhe nicht so gross gewesen....

Bartimaeus

Dass so emotional Argumentiert wird, hat mich auch schon immer gestört. Insbesondere die Behauptung, es gäbe mehr Leukämiefälle in der Umgebung von Kernkraftwerken, hat mich immer aufgeregt. Fragen die Leute sich denn nicht, wie radioaktive Stoffe unbemerkt aus Kernkraftwerken austreten können? Wie kann es zu mehr Fällen kommen, obwohl keine erhöhte Radioaktivität gemessen wurde? Irrationaler geht's kaum noch.
Danke für Links. Die 100 guten Antworten haben mir gefallen. Im gleichen Stil gibt es so etwas auch als Android App für den Klimawandel. Gibt es eigentlich eine Zusammenfassung von (wirklich) guten Argumenten gegen Kernenergie im Internet? Das interessiert mich mal.

Groucho

Zitat von: Belbo am 12. Mai 2013, 23:35:54
Das die Gefahr "unsichtbar" ist und der wenn auch unbewusste Gleichschluss mit der "Bombe" unterstützt die Tendenz zur unbegründeten Paranoia,

Durchaus. Viele meinen wirklich, dass ein AKW nur eine gezähmte A-Bombe ist, die man nur mit viel Aufwand vor dem Explodieren schützen kann. Freilich, die älteren AKWs hängen mit der Bombe zusammen, dass man damit Energie erzeugen kann, war ursprünglich eher ein Nebeneffekt, man wollte angereichertes Plutonium. Insofern ist diese Paranoia schon ein bisschen verständlich, allerdings nicht mehr in diesem übersteigenden Ausmaß, es gleicht einer Massenhysterie, man denkt nicht mehr, man will nicht wissen, es hat ein religiöses Element bekommen. Man stelle sich nur vor, man sagt auf einer Party, man finde Kernkraft interessant  8)

Zitat
das mit der Halbwertszeit und der Strahlungsstärke ist mir auch erst hier......*schäm*......

Immerhin, manche begreifen es nie :)

Zitat
ausserdem ist es immer blöd zu behaupten etwas sei absolut sicher und dann reiht sich ein Unfall an den anderen, wenn man von Anfang an gesagt hätte klar kann mal was passieren, dass ist aber nicht so schlimm, dann wäre die Fallhöhe nicht so gross gewesen....

Naja, ein Unfall nach dem anderen ist nun wirklich übertrieben. In einem AKW gilt schon der Ausfalls des Telefons des Pförtners als Störfall. Aber es stimmt freilich, die Kommunikation war über die Jahre völlig beschissen. "Es kann nichts passieren" ist nun mal eine dumme Aussage. Und sich Jahrzehnte um die Endlagergeschichte zu drücken war ebenso ziemlich dämlich.

Groucho

Zitat von: Bartimaeus am 12. Mai 2013, 23:38:44
Dass so emotional Argumentiert wird, hat mich auch schon immer gestört. Insbesondere die Behauptung, es gäbe mehr Leukämiefälle in der Umgebung von Kernkraftwerken, hat mich immer aufgeregt. Fragen die Leute sich denn nicht, wie radioaktive Stoffe unbemerkt aus Kernkraftwerken austreten können?
Wie kann es zu mehr Fällen kommen, obwohl keine erhöhte Radioaktivität gemessen wurde? Irrationaler geht's kaum noch.

Selbst die Autoren entsprechender Studien meinen ja, dass es eigentlich nicht die Radioaktivität die Ursache sein kann. So denn das Ergebnis aufgrund der geringen Fallzahlen nicht sowieso ein Artefakt ist.

Zitat
Gibt es eigentlich eine Zusammenfassung von (wirklich) guten Argumenten gegen Kernenergie im Internet? Das interessiert mich mal.

Ich kenne keine, wäre auch interessiert. Man kann gegen bestimmte Technologien sein, wie z.B. Reaktoren vom Typ Tschernobyl - sehr zurecht. Gegen Systeme, die nicht passiv sicher sind.

Eine sichere und günstige Energieversorgung ist nun mal das absolute Rückgrat einer entwickelter Gesellschaft. Das Prinzip, Energie aus Kernspaltung zu gewinnen, aus grundsätzlicher Überzeugung abzulehnen, ist nicht klug. Klug ist, Vor- und Nachteile aller Energieerzeuger sinnvoll, mit ihren Risiken und Chancen abzuwägen.

gesine2

ZitatGibt es eigentlich eine Zusammenfassung von (wirklich) guten Argumenten gegen Kernenergie
Sehe ich ähnlich wie Groucho, Bartimaeus: Es gibt Argumente gegen diverse Teilschritte, Methoden, Techniken jedoch keine allgemeingültigen, sinnvoll gegen jedwege Form der Kernkraft einsetzbaren Argumente und daher auch keine Listen davon.

Und das gilt auch erdlokal, schon vor dem exoplanetaren NIMBY: Sonnen-, Wind- und Wasserenergie sind ja letztlich nur die leicht ausschöpfbaren Seitenkanäle des Fusionsreaktors Sonne.
_____________________
ne schöne jrooß, gesine2

Omikronn

Um die Frage des Postings zu beantworten: Ich denke, dass man in einer durchschnittlichen Gesprächsrunde mit Diskutanten die nicht in dieses Thema eingelesen sind, leider nicht mehr rational diskutieren kann.

Die meisten haben aus meiner Sicht keine Ahnung warum z.B. sowas wie Tschernobyl passiert ist (menschliches Versagen), und wissen noch weniger über die Technologie bescheid. Dass ein RBMK Reaktor z.B. nichts mit einem Reaktor eines heutigen AKW in Westeuropa zu tun hat, und dass es verschiedene Typen gibt die teilw. völlig anders funktionieren, ist offenbar überhaupt nicht klar. Ich mutmasse mal ein wenig, und behaupte mal dass die bereits erwähnte, sehr schlechte Kommunikation, das nichtverstehen der zusammenhänge der Komplexen Technik, sowie die Berichterstattung und entsprechende Illustrationen von Katastrophen (Tschernobyl, Fukushima), über die Zeit in den Köpfen der Menschen ein diffuses, negatives Bild, der Atomenergie zementiert hat.

Dazu kommt m.a. nach noch ein Faktor: Im Normalfall, bei welchem alles gut läuft, kriegt man absolut nichts von den Vorgängen in einem AKW mit. Der Strom kommt aus der Dose und gut ist. Nur wenns knallt siehts anders aus...
Don't try to argue with idiots, first they tear you down to their level, then they beat you with their experience.

The Doctrix

Das Erschweren des Zugangs zu guten Informationen hat ja mittlerweile Methode, siehe die Einstellung des Projekts "HannoverGen". In diesem Zusammenhang ist der hohe Anteil an Lehrern bei den Grünen wirklich bedenklich.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

MrSpock

Erschwerend kommt hinzu, dass seitens der Politik die Rationalität vollkommen vernachlässigt wurde, weil es in Japan einen Tsunami gegeben hat. War schon blöd, ein AKW in einem Erdbeben gefährdeten Gebiet direkt an die Küste zu bauen. Darüber wurde ja auch bei Psiram bereits genug geschrieben.

Die über Nacht eingeläutete Energiewende seitens der Regierung trägt nicht gerade zu einer rationalen Diskussion bei.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

Groucho

Zitat von: The Doctor am 13. Mai 2013, 14:48:34
Das Erschweren des Zugangs zu guten Informationen hat ja mittlerweile Methode, siehe die Einstellung des Projekts "HannoverGen". In diesem Zusammenhang ist der hohe Anteil an Lehrern bei den Grünen wirklich bedenklich.

Ich habe erst gestern meinem Sohn bei einer Hausaufgabe geholfen, er sollte im Rahmen einer Gruppenarbeit die gesundheitlichen Vorteile einer Vollwert-Ernährung rausarbeiten, ich bin schier ausgeflippt, mit welch völlig unreflektierten Ideologie da Kindern angebliche Tatsachen verkauft werden (Die Intention der gesamten Arbeit war aufgrund der anderen Aufgaben völlig offensichtlich). Natürlich ist seine Klassenlehrerin grün bis in die Haarspitzen. Immerhin weiß Sohn jetzt einigermaßen Bescheid, wie das so mit Ernährung funktioniert. Also so rein biophysikalisch, chemisch, und warum gewisse Behauptungen einfach Schwachsinn sind. Eigentlich war er ziemlich entsetzt und fragte, warum die so einen Quatsch erzählen. Ich meinte nur: Du hast auch Religionsunterricht, sehe es als das Gleiche an.

Robert

Erinnert mich an die Schulafgabe, dass man darzulegen hatte, warum der Sozialismus eine den anderen überlegene Gesellschaftsordnung ist...... Konnte man schön schwurbeln.

Groucho

Zitat von: MrSpock am 13. Mai 2013, 14:56:22
Erschwerend kommt hinzu, dass seitens der Politik die Rationalität vollkommen vernachlässigt wurde, weil es in Japan einen Tsunami gegeben hat.

Eine reine Machtgeschichte von Bundesmutti, den Grünen das Thema weg zu nehmen. Mit dem Preis, dass es jetzt noch irrationaler wird, stürzt man sich jetzt halt auf Kohlekraftwerke. Bald muss der Letzte überhaupt kein Licht mehr ausmachen :)

Zitat
War schon blöd, ein AKW in einem Erdbeben gefährdeten Gebiet direkt an die Küste zu bauen. Darüber wurde ja auch bei Psiram bereits genug geschrieben.

Naja, aufgrund der Geografie in JP hatte das schon seinen Sinn. Bescheuert war halt, hier unbesehen ein Sicherheitskonzept (Notstrom unterirdisch) für einen küstennahen und Tsunami gefährdeten Standort zu übernehmen,  und dann noch nicht mal abgedichtet. Aber hatten wir glaub schon, soll auch nicht in eine Detaildiskussion abgleiten.

Zitat
Die über Nacht eingeläutete Energiewende seitens der Regierung trägt nicht gerade zu einer rationalen Diskussion bei.

Ja, das war irre. Kraftwerke, die am Tag vorher noch als sicher galten, wurden durch ein Erdbeben in Japan innerhalb von Tagen unsicher,  In D., blanke Magie. Auch hier: Da geht es gar nicht darum, ob man AKWs gut oder schlecht findet, es geht um die Irrationalität der Entscheidungen.

Belbo zwei

Zitat....... es geht um die Irrationalität der Entscheidungen.

Und bei solchen Themen sollte das ja einfacher sein als bei Entscheidungen und Diskussionen bei denen z.B. ästhetische Überlegungen dazu kommen.
Interessanter Versuch das zumindest für die Architektur zu rationalisieren ist die Pattern Language von Christopher Alexander

http://de.wikipedia.org/wiki/Christopher_Alexander und seine Mustersprache.......

Da ist zwar vieles überholt und etwas Hippielike die Herangehensweise finde ich aber interessant......

...ich hoffe das ist jetzt nicht zu OT.

The Doctrix

Zitat von: Groucho am 13. Mai 2013, 15:35:43
Ich habe erst gestern meinem Sohn bei einer Hausaufgabe geholfen, er sollte im Rahmen einer Gruppenarbeit die gesundheitlichen Vorteile einer Vollwert-Ernährung rausarbeiten, ich bin schier ausgeflippt, mit welch völlig unreflektierten Ideologie da Kindern angebliche Tatsachen verkauft werden (Die Intention der gesamten Arbeit war aufgrund der anderen Aufgaben völlig offensichtlich). Natürlich ist seine Klassenlehrerin grün bis in die Haarspitzen.

Und? Hast Du die Lehrerin angerufen und gegen den Mumpitz protestiert? Immerhin haben nicht alle Klassenkameraden Deines Sohnes das Glück, einen Vater wie Dich am Start zu haben, der ihnen den Unsinn wieder geraderückt.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Groucho

Zitat von: The Doctor am 13. Mai 2013, 16:09:16
Und? Hast Du die Lehrerin angerufen und gegen den Mumpitz protestiert?

Nein, habe ich nicht. Aber länger darüber nachgedacht. Nenn mich opportunistisch, aber ein entsprechender Anruf würde gar nichts bringen, und dem Sohn womöglich schaden. Wenn, muss man das wohl schriftlich machen, da überlege ich noch.