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Deutsch => Unzufrieden mit einem Psiram-Artikel? => Thema gestartet von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10

Titel: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10
Der Artikel wurde zwar in der jüngeren Vergangenheit etwas verbessert, ist aber weiterhin ein Graus.
Das betrifft sowohl die Bequellung, die Struktur und nicht zuletzt auch den Stil.

Inhaltlich wäre zu ergänzen:
Wie ist die Phytotherapie vor gut 100 Jahren aus der traditionellen Pflanzenheilkunde entstanden und wie sind diese voneinander abzugrenzen?
Seit wann gibt es standardisierte Phytopharmaka?
Wie ist der rechtliche Status von Phytopharmaka in der EU und wie sind diese bspw. von pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln abzugrenzen?
Was sind die Stärken der Phytotherapie (typische Anwendungsgebiete) und wo sind Phytopharmaka isolierten oder (teil-)synthetischen Wirkstoffen überlegen?

Vergleiche hierzu den wesentlich besseren und sachlicheren Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenheilkunde
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Groucho am 06. Oktober 2015, 22:23:04
Hallo Lonicerus,

wilkommen hier!

Zitat von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10
Der Artikel wurde zwar in der jüngeren Vergangenheit etwas verbessert, ist aber weiterhin ein Graus.
Das betrifft sowohl die Bequellung, die Struktur und nicht zuletzt auch den Stil.

Ohne da noch eine Meinung zu Deiner Aussage zu haben: Mag sein. Wir kümmern uns hauptsächlich um Dinge, zu denen nicht offensichtlich gute Infos im Netz zu finden sind, und solch allgemeine Artikel durchaus nicht der Hit sind. Wie wäre es, wenn Du konkrete Verbesserungsvorschläge machst? Bisschen Unterstützung ist immer willkommen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 06:09:25
Guten Morgen Lonicerus,

Zitat von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10
Inhaltlich wäre zu ergänzen: [...]
Das sehe ich jetzt nicht so wirklich. Wer das wissen will, kann ja bei Wikipedia nachsehen.

Zitat von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10
Was sind die Stärken der Phytotherapie (typische Anwendungsgebiete)
Zunächst ist ,,Stärke" nicht dasselbe wie ,,typisches Anwendungsgebiet". Letzteres wäre in den entwickelten Ländern: jegliche Krankheit/Unpässlichkeit, die entweder von selber weggeht oder für die keine geprüfte Therapie zur Verfügung steht. Meinst Du so etwas?
Über den Rest der Welt würde ich auch noch was sagen, falls Du da Aufklärungsbedarf hast.

Zitat von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10und wo sind Phytopharmaka isolierten oder (teil-)synthetischen Wirkstoffen überlegen?
Das würde mich jetzt auch mal interessieren.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Conina am 07. Oktober 2015, 07:22:38
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 06:09:25
Zitat von: Lonicerus am 06. Oktober 2015, 21:54:10und wo sind Phytopharmaka isolierten oder (teil-)synthetischen Wirkstoffen überlegen?

Das würde mich jetzt auch mal interessieren.

Da, wo es keine reinen Wirkstoffpräparate gibt, bei Gicht zum Beispiel.
http://www.apotheken-umschau.de/do/extern/medfinder/medikament-arzneimittel-information-Colchysat-Buerger-Tropfen-AADHZU.html
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 07:28:59
Zitat von: Conina am 07. Oktober 2015, 07:22:38
Da, wo es keine reinen Wirkstoffpräparate gibt, bei Gicht zum Beispiel.
http://www.apotheken-umschau.de/do/extern/medfinder/medikament-arzneimittel-information-Colchysat-Buerger-Tropfen-AADHZU.html
In manchen Fällen sind sie also klar besser als nichts.

In manchen anderen Fällen sind sie aber auch klar schlechter als nichts.
http://www.aerzteblatt.de/archiv/24313/Urothelkarzinom-durch-chinesische-Heilkraeuter
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Conina am 07. Oktober 2015, 07:59:15
Überraschung: es kommt drauf an.  ;D ;D ;D

Chinesische Heilkräuter würde ich nun nicht gerade als rationale Phytotherapie ansehen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 08:26:30
Zitat von: Conina am 07. Oktober 2015, 07:59:15
Chinesische Heilkräuter würde ich nun nicht gerade als rationale Phytotherapie ansehen.

Wieso nicht? Nobelpreisverdächtig.  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Typee am 07. Oktober 2015, 09:13:09
Zitat von: Conina am 07. Oktober 2015, 07:59:15
Überraschung: es kommt drauf an.  ;D ;D ;D

Chinesische Heilkräuter würde ich nun nicht gerade als rationale Phytotherapie ansehen.

Das ist doch einer der Fälle, die immer wieder beschworen werden: findet man etwas wirksames unter den alten Methoden, dann wird das Medizin. Die Grenzlinie, und das müsste man viel deutlicher machen, verläuft nicht zwischen synthetisch/natürlich oder neu/alt, östlich/westlich oder wie auch immer - sie verläuft zwischen evidenzbasiert und glaubensbasiert.

Ein Heilkraut ist nicht deshalb irrational, weil es im alten China gebräuchlich war, sondern wenn und soweit es sein Wirksamkeit nicht valide belegen kann.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Conina am 07. Oktober 2015, 09:58:39
Klar, da passt Tim Minchin wieder mal.

You know what they call alternative medicine
That's been proved to work?
Medicine.

http://www.lyricsmania.com/storm_lyrics_tim_minchin.html


Die chinesische Kräuterheilkunde ist aber ein abergläubiger Gemischtwarenladen voller Verunreinigungen und Fälschungen.
Die hatte ich gemeint.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Vielstoffgemische haben in der Regel den Vorteil, dass sie weniger Nebenwirkungen verursachen als Einzelwirkstoffe. Ebenso ist die Gefahr von Resistenzen nicht so groß.
Wenn schon der Nobelpreis erwähnt wurde: Artemisinin ist hochwirksam bei Malaria, es gibt jedoch bereits Resistenzen in einem halben Dutzend Ländern. Hier wird erfolgreich ein Vielstoffgemisch eingesetzt, das zwar weiterhin Artemisinin enthält, daneben aber auch andere Inhaltsstoffe aus Artemisia annua. Eine Kombination aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel hilft gleichermaßen gegen Viren, Bakterien und Pilzen, ohne dass bislang Resistenzen beobachtet werden konnten.

Nachteilig bei Vielstoffgemischen ist ggf. die langsamere Entfaltung der Wirkung. So muss Salicin aus der Weidenrinde oder dem Mädesüß erst zu Salicylsäure verstoffwechselt werden. ASS wirkt schneller. Ebenso ist das Wechselwirkungspotenzial größer, wenn auch andere Arzneimittel eingenommen werden. Bei nur fünf Enzymen, die fast alle lebergängigen Arzneimittel verstoffwechseln, dürfte das der wichtigste Grund sein, warum Ärzte gerne panische Angst vor Phytopharmaka haben. (Es könnte aber auch daran liegen, dass sie im Studium so gut wie nichts darüber hören...)

In der Phytotherapie werden Arzneimittel üblicherweise auf einen oder wenige Wirkstoffe standardisiert, so dass von einer Droge auch verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Indikationen erhältlich sein können. Selbst bei Silibinin, dem Standardarzneimittel bei Knollenblätterpilzvergiftungen, sind noch weitere Stoffe aus den Mariendistelfrüchten enthalten. Thymol wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen, wird aber eher selten isoliert eingesetzt.

Der Artikel macht schon im ersten, etwas ungelenken Satz mit dem Begriff "Pseudomedizin" auf. Phytopharmaka sind Arzneimittel, die in der EU einer Zulassung durch die EMA bedürfen. Dafür muss Wirkung und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. Es gelten die gleichen Richtlinien wie für andere Arzneimittel auch (Ausnahme: Anthroposophie und Homöopathie). Davon abzugrenzen sind pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel, die unter das Lebensmittelrecht fallen. Das sollte im Artikel deutlich herausgestellt werden.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 12:16:33
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Vielstoffgemische haben in der Regel den Vorteil, dass sie weniger Nebenwirkungen verursachen als Einzelwirkstoffe. Ebenso ist die Gefahr von Resistenzen nicht so groß.
Das stelle ich jetzt einfach mal völlig in Abrede, zumindest in dieser globalen Formulierung. Es ist nicht einmal plausibel, denn die möglichen Interaktionen sind unüberschaubar. Wenn man sich nicht bemüht, die Wirkprinzipien zu erfassen, dann bleibt es beim empirischen Kuddelmuddel. Darf es durchaus geben, aber kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluss bleiben. Der wirkliche Fortschritt in Kerngebieten der Medizin wird auf diese Weise inzwischen kaum noch zu erzielen sein, dazu benötigt man doch etwas klarere Vorstellungen von Pathogenese.

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Bei nur fünf Enzymen, die fast alle lebergängigen Arzneimittel verstoffwechseln, dürfte das der wichtigste Grund sein, warum Ärzte gerne panische Angst vor Phytopharmaka haben. (Es könnte aber auch daran liegen, dass sie im Studium so gut wie nichts darüber hören...)
Man hört immer so viel von den vielen tausend Toten jährlich, die durch Arzneimittel verursacht werden. Du meinst, wenn die Ärzte nicht mehr so panisch auf Wechselwirkungen schauen, dann werden auch diese Meldungen dereinst der Vergangenheit angehören?

Im Ernst: Ich zweifle daran, dass ,,Ärzte gerne panische Angst vor Phytopharmaka" haben. Kein Arzt wird Colchysat gegen den Gichtanfall ablehnen, weil es ein Pflanzenextrakt ist. Bei den vernünftigen Ärzten haben aber Pflanzen und ihre Teile keinen Bonus, nur weil sie aus der ,,Natur" stammen. Wenn es überzeugende Wirksamkeitsnachweise gibt, wäre es ja bescheuert, solche Sachen nicht einzusetzen. Da wären wir doch gleich beim Thema:
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25Thymol wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen
Welche Atemwegserkrankungen? Bronchialkarzinom? Mukoviszidose? Asthma bronchiale? Oder Husten und Schnupfen? Kannst Du mal den Evidenzlevel des ,,Wirksamkeitsnachweises" schildern? Gibt's da RCT's?

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Phytopharmaka sind Arzneimittel, die in der EU einer Zulassung durch die EMA bedürfen.
Was ist denn nun das ,,Besondere" der Phytopharmakotherapie, das sie von anderer Pharmakotherapie unterscheidet – abgesehen von ihrem ideologischen Ballast?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 12:44:32
Konkretes Beispiel: Präparate mit Hypericin im Vergleich zu Sertralin. In Vergleichsstudien wurde gezeigt, dass Hypericin ebenso gut wirken kann wie Sertralin. Die Liste der Nebenwirkungen von Sertralin ist sehr umfangreich, bis hin zu Suizid. Hypericin wird, wie ein Großteil der lebergängigen Arzneimittel, über CYP3A4 verstoffwechselt. Hier gibt es also ein großes Wechselwirkungspotenzial, das man vor der Gabe abklären muss. Das ist eine Kernaufgabe des Therapeuten. Ähnliche Interaktionen kann man aber auch mit dem Konsum von Grapefruit hervorrufen, das ist also kein exklusives Problem von Hypericin. Es wäre daher töricht, Präparate mit Hypericin pauschal auszuschließen, weil es Phytotherapie ist. Vielmehr sollte eine Nutzen-Risiko-Bewertung stattfinden und der Patient das für ihn beste Mittel bekommen. Das findet in der Praxis oft nicht statt.

Wir müssen hier natürlich auch scharf zwischen Phytopharmaka und biogenen Arzneistoffen trennen und nicht nur zwischen traditioneller Pflanzenheilkunde und der rationalen Phytotherapie. Genau das macht der Artikel in der aktuellen Fassung in beiden Fällen nicht.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Conina am 07. Oktober 2015, 13:20:40
Für Johanniskraut gibt es wegen der ganzen Wechselwirkungen echt viele Kontraindikationen und photosensibilisierend ist das Zeug auch noch.

Wenn das nicht den Nimbus der Heilpflanze hätte, würde das wahrscheinlich kein Mensch freiwillig schlucken.

Es ist aber kein Quack und auch in Leitlinien aufgenommen.



Eigentlich ist es doch grob so, dass inzwischen bei den ganzen Granaten / Giftpflanzen der Hauptinhaltsstoff pur verwendet wird und bei den schwächer wirksamen Pflanzen blieb man beim Extrakt oder Tee. Sicher gelten pflanzliche Arzneimittel auch deswegen als nebenwirkungsarm und mild.

Der Herbstzeitlosenextrakt ist allerdings eine drastische (http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Drastika) (durchaus wörtlich zu verstehen) Ausnahme.  ;D
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 13:37:47
Die Photosensibilisierung durch Hypericin wird gerne überschätzt. Beim Menschen ist lediglich ein einziger Fall dokumentiert und das war vor gut 20 Jahren. Bei Millionen Tagesdosen jährlich kann man hier also nicht wirklich von einer echten Gefahr sprechen. Das Hauptproblem ist CYP3A4.

Und wie ich schon dargelegt habe, wird der Hauptinhaltsstoff eben nicht immer pur verwendet. Silibinin, Hypericin und eben auch zumindest teils auch Artemisinin werden zwar standardisiert, aber nicht isoliert eingesetzt. Isolierte Stoffe findet man eher in der Chemotherapie, also bei den Antibiotika und den Zytostatika. Das sind dann keine Phytopharmaka, sondern biogene Arzneistoffe.

Was dem Artikel komplett abgeht, sind die wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für Phytopharmaka in der EU.
Die EMA hat bislang mehr als 150 Drogen-Monographien erstellt und arbeitet derzeit an Dutzenden weiteren:
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/herbal_search.jsp&mid=WC0b01ac058001fa1d
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 14:24:57
Jetzt bin ich ein wenig verwirrt. Die Frage war:
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 12:16:33
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25Thymol wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen
Welche Atemwegserkrankungen? Bronchialkarzinom? Mukoviszidose? Asthma bronchiale? Oder Husten und Schnupfen? Kannst Du mal den Evidenzlevel des ,,Wirksamkeitsnachweises" schildern? Gibt's da RCT's?
Und die Antwort:
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 12:44:32
Konkretes Beispiel: Präparate mit Hypericin im Vergleich zu Sertralin. In Vergleichsstudien wurde gezeigt, [...]
:gruebel

Die Frage war:
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 12:16:33
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Phytopharmaka sind Arzneimittel, die in der EU einer Zulassung durch die EMA bedürfen.
Was ist denn nun das ,,Besondere" der Phytopharmakotherapie, das sie von anderer Pharmakotherapie unterscheidet – abgesehen von ihrem ideologischen Ballast?
Und die Antwort:
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 12:44:32
Wir müssen hier natürlich auch scharf zwischen Phytopharmaka und biogenen Arzneistoffen trennen und nicht nur zwischen traditioneller Pflanzenheilkunde und der rationalen Phytotherapie.
Warum sollten wir das trennen müssen? Sind Stoffgemische ein Wert an sich, an den andere klinische Maßstäbe anzulegen sind als an isolierte Wirkstoffe?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 14:31:47
Es geht nicht um unterschiedliche Maßstäbe (diese gibt die EMA vor), sondern um die korrekte Beschreibung von Lemmata in einer Enzyklopädie.
Phytotherapie ist per Definition keine Pseudomedizin, denn Phytopharmaka sind zugelassene Arzneimittel mit Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.

Für den interessierten Laien kann man dann in einem solchen Artikel zu anderen Lemmata abgrenzen, bspw. zur traditionellen Pflanzenheilkunde, zu pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln oder zu biogenen Arzneistoffen. Um mehr geht's mir hier gar nicht.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 14:44:49
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 14:31:47
Phytotherapie ist per Definition keine Pseudomedizin, denn Phytopharmaka sind zugelassene Arzneimittel mit Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Nein, das ist falsch; leider. Die ,,Phytopharmaka" gehören in Deutschland zu den ,,besonderen Therapierichtungen". Ein Wirksamkeitsnachweis ist nicht erforderlich. Es genügt die ,,Binnenanerkennung"; das ist als Nachweis unbrauchbar.

ZitatArzneimittelrechtlich besteht in Deutschland ein Binnenkonsens die zulassungspflichtigen Arzneimittel der Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophische Medizin betreffend. Für sie sieht das deutsche Arzneimittelgesetz vor, dass in der Entscheidung über die Erteilung bzw. Verlängerung einer Vermarktungserlaubnis die ,,medizinischen Erfahrungen" bzw. ,,die Besonderheiten" dieser Therapierichtungen zu berücksichtigen sind.
https://de.wikipedia.org/wiki/Binnenkonsens
Blabla. Ein Einfallstor der Spinner und Geschäftemacher, das seit Jahrzehnten offen steht.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 15:25:48
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 14:44:49
Die ,,Phytopharmaka" gehören in Deutschland zu den ,,besonderen Therapierichtungen". Ein Wirksamkeitsnachweis ist nicht erforderlich. Es genügt die ,,Binnenanerkennung"; das ist als Nachweis unbrauchbar.
Es gilt EU-Recht, in diesem Falle die Direktive 2001/83/EC und dort explizit die Artikel 10 und 16. Außerdem gibt es die 2004/24/EC.
In der EU werden seit Jahren keine Phytopharmaka ohne Wirksamkeitsnachweis mehr verkauft. Die Zulassung erfolgt wie bereits erwähnt durch die EMA.
Drogen bzw. deren Zubereitung werden durch das Europäische Arzneibuch definiert. Dort ist auch festgelegt, welche Wirkstoffanteile vorhanden sein müssen.
Wenn ich mir in einer Apotheke Frauenmantelkraut kaufe, so kann ich davon ausgehen, dass da 6 bis 8 Prozent Gerbstoffe drin sind, die für die angestrebte Wirkung benötigt werden.

Was Sie ansprechen, ist graue Vergangenheit:
Vor dem Contergan-Skandal gab es im gesamten Arzneimittelbereich keinerlei Nachweispflicht bzgl. Wirkung oder Unbedenklichkeit.
Durch das AMG wurden Richtlinien geschaffen, die 1968 dazu geführt haben, dass mehr als 90 Prozent der Drogen und Drogenzubereitungen aus dem DAB verschwanden (von 867 auf 77). Dies sollte mit dem zweiten AMG in den 70ern wieder etwas ausgeglichen werden: Die Kommission E hat im Auftrag des heutigen BfArM Monographien auf wissenschaftlicher Basis erstellt, darunter auch zahlreiche Negativ-Monographien. Diese Arbeit wurde in den 1990ern auf europäischer Ebene von der ESCOP fortgeführt und liegt nun seit 2004 in den Händern des HMPC bei der EMA. Das HMPC erstellt Metaanalysen auf Basis der verfügbaren Studien und genehmigt nachfolgend Anwendungsgebiete für eine bestimmte Droge. Andere Indikationen dürfen von den Herstellern nicht angegeben werden. Ebenso müssen für Phytopharmaka die gleichen Qualitätsnachweise vorgelegt werden wie für andere Arzneimittel auch.
Einen Sonderstatus haben auf europäischer Ebene heute also nur noch Anthroposphika und Homöopathika. Hier müssen weder Wirkung, noch Unbedenklichkeit nachgewiesen werden. Es gelten lediglich die allgemeinen Qualitätsstandards für Arzneimittel.

Sie erinnern sich an das angebliche Heilpflanzenverbot der EU? Da ging es genau um dieses Thema: Durch die Direktive von 2004 durften nach einer Übergangsfrist bestimmte Produkte in der EU nicht mehr als Arzneimittel verkauft werden, weil eben kein Nachweis bzgl. der Wirksamkeit vorliegt. Das hat unseriöse Pharmaunternehmen aus u. a. Großbritannien dann dazu verleitet, dieses wilde Gerücht zu streuen. Durch die sg. "Health Claims"-Verordnung dürfen diese Firmen aber nun auch bei als Nahrungsergänzungsmitteln deklarierten Produkten nicht mehr mit erfundenen Wirkungen werben.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 07. Oktober 2015, 15:50:05
Ich habe den Wiki-Artikel nicht aktuell gelesen, halte es jedoch aus der Erinnerung her für durchaus möglich, dass er (genau wie viele andere auch) verbesserungswürdig und -fähig ist. Wiki-Artikel sind ja ohnehin schon von der Bequellung her immer ein work in progress - es muß sich nur jemand finden, der das auch angeht. *Insofern* ist bestimmt jeder *konkrete* Vorschlag hochwillkommen.

Hinsichtlich prinzipieller Fragestellungen in bezug auf die sogenannte "Phytotherapie" habe ich persönlich nur eine einzige, die sich aus einer Art "offiziellen" Quelle herleitet (http://phytotherapy.org/index.php/download_file/view/1427/103/) [Kraft K, März R. Die wissenschaftliche Basis der Phytotherapie. Zeitschrift für Phytotherapie 2006; 27: 279–283., pdf], die ich mal gefunden habe. Sie stammt u.a. aus der Feder von Frau Prof. Dr. Karin Kraft, die aus anderen Zusammenhängen her z.B. aus dem sogenannten "Dialogforum Pluralismus in der Medizin (http://www.dialogforum-pluralismusindermedizin.de/initiativkreis)" [Achtung, Witten-Herdecke GmbH] hier schon Erwähnung fand. Vorgehalten wird die Quelle auf der Seite der "Gesellschaft für Phytotherapie e.V. (http://phytotherapy.org/de/publikationen/publikationen/)" (drum: irgendwie "offiziell") und ist wohl mittlerweile relativ veraltet (von 2006 - drum könnte meine Frage nunmehr vielleicht valide beantwortet werden). Ich habe absichtlich nicht nach mehr esoterisch angehauchten Webseiten gesucht, obwohl es die zu Dutzenden gibt, sondern halte mich hinsichtlich dieses Themas weiterhin strikt an das "Beste", was es gibt. Daraus die Zusammenfassung:

ZitatDie Phytotherapie versteht sich als naturwissenschaftliche Therapierichtung, deren Arzneimittel Vielstoffgemische sind [..]. Daraus ergibt sich, dass die Gesamtaktivität eines Phytopharmakons als Summe der Aktionen und Interaktionen seiner Inhaltsstoffe bestimmt wird, wobei die Aktivitäten dieser Inhaltsstoffe pharmakologischer oder biopharmazeutischer Natur sein können. Implizit kann von einem Synergieeffekt immer dann ausgegangen werden, wenn eine Wirkung oder Wirksamkeit nicht mit dem gleichen Nutzen-Risiko-Verhältnis durch einen einzelnen Inhaltsstoff ausgelöst werden kann; auch die Existenz negativer Interaktionen ist möglich. Erste explizite Nachweise von Synergieeffekten liegen vor und bestätigen das Konzept des »Gesamteffektes« bei pflanzlichen Arzneimitteln. Diese naturwissenschaftliche Auffassung des Vielstoffgemisches ist eine explizite Abkehr von der Vorstellung der »quinta essentia« als dem (singulären) Wirkprinzip in Arzneipflanzen. Synergistische Effekte müssen gezielt beforscht werden, in ihrer Nutzung liegt eine große Chance zur Weiterentwicklung der medikamentösen Therapie.

Aus dem Text geht dann hervor, dass essentiell für diese "Therapieform" gilt, dass der Stoff immer aus einer gewachsenen Pflanze/einem Pflanzenteil gewonnen sein *muss* um die angestrebten, angeblich messbaren "Synergie"-Effekte zu erzielen. Im weiteren Text wird dann verklausuliert geschrieben, dass dadurch bedingt bei Wuchs und Herstellungsprozessen nur bedingte Homogenität erzielt werden kann, Evidenz schwer bezeugbar ist, praktisch keine Studienlage besteht (schon gar nicht gesichert replizierte) und so weiter. Aber das ist ja der Altstand von 2006.

Also: ist der angestrebte "Synergie"-Effekt nunmehr oder zwischenzeitlich durch valide und replizierte Studien belegt?

(Ich gehe davon aus, dass solche Studien auch nachvollziehbar erklären würden, warum keine Kombination aus nicht-"natürlich" hergestellten Reinstoffen diese "besondere" Wirksamkeit hat)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 16:18:22
So tief würde ich beim Artikel gar nicht gehen, weil das derzeit noch erforscht wird und kaum pauschale Aussagen zulässt. Gut belegt ist, dass verschiedene Kombinationen, bspw. Baldrian und Hopfen, Kapuzinerkresse und Meerrettich oder Myrrhe, Kamille und Kaffekohle, besser wirken als die jeweiligen Einzeldrogen. Bei anderen Drogen, bspw. Artemisia annua, kann man Resistenzen umgehen oder, noch einmal Kapuzinerkresse und Meerrettich, das Anwendungsgebiet deutlich erweitern. Sowas kann man in einem solchen Artikel durchaus erwähnen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 16:55:32
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 15:25:48
Was Sie ansprechen, ist graue Vergangenheit:
§ 135 SGB V ist geltendes Recht. Sehen Sie's mir nach, dass ich als Laie davon irritiert bin.

ZitatDie Kommission E ist eine selbständige wissenschaftliche Kommission des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA), das heutige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In den Jahren von 1980 bis 1994 bestand die Aufgabe der Kommission E darin, wissenschaftliches und erfahrungsheilkundliches Material zu erwünschten und unerwünschten Wirkungen pflanzlicher Drogen zusammenzutragen, auszuarbeiten und zu bewerten. Daraus entstanden die bis heute gültigen Monographien, die als Grundlage für die Neuzulassung und Nachzulassung pflanzlicher Arzneimittel gelten.
http://www.medizinfo.de/arzneimittel/recht/kommission_e.shtml
Diese steinalten Monografien (welche Rolle spielten randomisierte Doppelblindstudien bei ihrer Erstellung?) sind also weiterhin Grundlage der heutigen Anwendung.

Ich nehme mal einen wahllos herausgegriffenen Text aus einer seriösen Quelle (Bundesärztekammer (http://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/aus-weiter-fortbildung/fortbildung/baek-veranstaltungen/interdisziplinaeres-forum/30-interdisziplinaeres-forum/referate/thema-i/bernhard-uehleke-phytotherapie-und-ausleitende-verfahren/)):
ZitatSicherheit und Wirksamkeit der in Deutschland üblichen Phytotherapie unterscheidet sich wesentlich von der Heilpflanzenanwendung anderer traditioneller Medizinsysteme, wie z. B. der Traditionellen Chinesischen Medizin oder der Ayurveda. Dennoch lohnt sich der Rückblick auf die medizinhistorische Entwicklung unserer Phytotherapie im Kontext einer Traditionellen Europäischen Medizin und der Klostermedizin. damals wurden die Heilpflanzen nach ihren humoralpathologischen Wirkungen eingeteilt.
Beruhigend. Aber wie geht es weiter?
ZitatHeilpflanzen mit ausleitender Wirkung könnten zukünftig wieder eine größere Rolle spielen. In der Naturheilkunde spielen ausleitende Heilpflanzen und andere ausleitende Verfahren eine wichtige Rolle; es gibt verschiedene Interpretationsmöglichkeiten des Wirkmechanismus (Stoffwechselanregungen, reflektorische Wirkungen) und bei einigen Verfahren (Blutegel, blutiges Schröpfen) sogar eine erstaunlich gute Evidenz der klinischen Wirksamkeit.
Beunruhigendes Geschwätz.

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 15:25:48
Wenn ich mir in einer Apotheke Frauenmantelkraut kaufe, so kann ich davon ausgehen, dass da 6 bis 8 Prozent Gerbstoffe drin sind, die für die angestrebte Wirkung benötigt werden.
In Ordnung, aber was ist die angestrebte Wirkung?

Pubmed: alchemilla: 62 Treffer. Gefiltert nach ,,clinical trial": 1 (in Worten: ein) Treffer. War besser als Placebo bei der Behandlung von Wundheilungsstörungen. Das würde wohl für eine gewöhnliche Arzneimittelzulassung noch nicht reichen.

Suche beim BfArM:
ZitatIhre Suche ergab wenig Treffer. Meinten Sie: ischemia
Nein, meinte ich nicht.

Welche Wirkungen hat es denn nun?
ZitatWirkung  des Frauenmantel gemäss TCM (kalt):

Klärt Leber-Feuer und -Hitze in der Blut-Schicht
Hilft bei äusseren und inneren Wunden
Stoppt Blutungen
Klärt Feuchte Hitze im Dickdarm
Löst Leber-Blut-Stagnationen auf
Klärt Feuchte Hitze in der Blase
Tonisiert das Milz-Qi bei Milz-Qi-Mangel
http://www.naturheilkunde-berlin.eu/frauenmantel_alchemilla_vulgaris/
Ich bitte um Hilfe. Wo kann ich nachlesen, wie die Wirkung von Frauendingsda geprüft worden ist?

Wenn ich auch nur ein bisschen herumgugele so im Internet, dann finde ich, dass der einleitende Satz im Psiram-Wiki
ZitatPhytotherapie (Pflanzenheilkunde) ist die Anwendung von pflanzlichen Teilen oder Extrakten in der Medizin, aber auch in der Pseudomedizin zur Therapie von Krankheiten.
völlig gerechtfertigt ist.

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 16:18:22
So tief würde ich beim Artikel gar nicht gehen, weil das derzeit noch erforscht wird und kaum pauschale Aussagen zulässt. Gut belegt ist, dass verschiedene Kombinationen, bspw. Baldrian und Hopfen, Kapuzinerkresse und Meerrettich oder Myrrhe, Kamille und Kaffekohle, besser wirken als die jeweiligen Einzeldrogen. Bei anderen Drogen, bspw. Artemisia annua, kann man Resistenzen umgehen oder, noch einmal Kapuzinerkresse und Meerrettich, das Anwendungsgebiet deutlich erweitern. Sowas kann man in einem solchen Artikel durchaus erwähnen.
Man könnte es vielleicht erwähnen, sofern es dafür zitierfähige Belege gäbe.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 17:19:46
Ich hatte doch geschrieben, dass die Kommission E auf europäischer Ebene von der ESCOP und ab 2004 vom HMPC abgelöst wurde. Natürlich ist das nicht mehr der aktuelle wissenschaftliche Stand. Beim Frauenmantel gilt aktuell die Monographie der ESCOP als einschlägig, weil es noch keine HMPC-Monographie gibt:
http://www.koop-phyto.org/arzneipflanzenlexikon/frauenmantel.php

Ein paar mehr Studien gibt's dann aber schon dazu:
https://scholar.google.de/scholar?q=Alchemilla+vulgaris+clinical&btnG=&hl=de&as_sdt=0%2C5
(Nicht alle Suchergebnisse sind wirkliche Treffer.)

Und Wundheilung ist passenderweise keine anerkannte Indikation. Da ist bspw. Birkenkork sehr viel interessanter, wie neueste Studien eindrucksvoll belegen.

Sie können das ja gerne alles als Pseudomedizin, Voodoo, Zauberei oder Esoterik empfinden - besonders wissenschaftlich ist das dann aber nicht von Ihnen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 07. Oktober 2015, 18:01:56
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 17:19:46
Sie können das ja gerne alles als Pseudomedizin empfinden

Möglicherweise liegt da der Hund begraben.

Die "Synergie"-Klamotte ist dann eine Hypothese, wenn sie zumindest in Einzelstudien schon Null-geprüft wurde *oder* es dazu mindestens eine theoretisch plausible Ursache-Wirkungs-Verkettung gäbe. Obacht: Nicht wie im zitierten Text aus den Hekatomben von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu pflanzlichen Wirkstoffen diejenigen cherrypicken, die vermeintlich irgendwas Gewünschtes "zeigen" (und das dann damit entschuldigen, dass die großen Pharmakonzerne ja kein Geld für eigene Studien ausspucken).

Wenn das nicht der Fall ist, haben wir eine Behauptung. Eine unbelegte Behauptung. *UND* eine unplausible Behauptung. Und zwar von der Klasse des Verdünnens und Verschüttelns und Klopfen auf Leder mit bestimmter Kadenz wie bei der Homöopathie.

Also von der Klasse: magisches Denken. Und das heißt: Pseudomedizin at it's core.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 18:20:24
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 17:19:46Ein paar mehr Studien gibt's dann aber schon dazu:
https://scholar.google.de/scholar?q=Alchemilla+vulgaris+clinical&btnG=&hl=de&as_sdt=0%2C5
Eine noch präzisere Quellenangabe wäre: Internet. Aber gut.

Treffer 1: unkontrollierte Beobachtung an 48 Patienten – unbrauchbar.
Treffer 2:
ZitatA Double Blinded- Randomized Clinical Study with "Weighlevel", a Combination of Four Medicinal Plants Used in Traditional Greco-Arab and Islamic Medicine
...
Weight and BMI changes for the placebo group were not statistically significant.
Beim Abnehmen hilft es schon mal nicht.
Treffer 3: ein Tierversuch. Wievielen Ratten je Gruppe sie bei der Wundheilung zugeschaut haben, wird aus dem Abstract nicht klar.
Treffer 4: testet antimicrobial activity in vitro von mehreren Tannin-Extrakten. ,,S. jambos extracts" waren besser.
Treffer 5: nicht anklickbar, vielleicht eine Erwähnung in einem Buch (scheint italienisch zu sein).
Treffer 6 ein Patentschrift.
...
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 17:19:46(Nicht alle Suchergebnisse sind wirkliche Treffer.)
Ich kann Ihnen nicht widersprechen.

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 17:19:46Und Wundheilung ist passenderweise keine anerkannte Indikation. Da ist bspw. Birkenkork sehr viel interessanter, wie neueste Studien eindrucksvoll belegen.
Aber scheint die einzige zu sein, zu der sich überhaupt was finden lässt. Wir können ja jetzt durch die ganze Pflanzenheilkunde jagen, wenn wir bei Thymol und bei Frauenmantel nun doch nicht fündig werden.

Aus Ihrer für einschlägig erklärten Quelle (http://www.koop-phyto.org/arzneipflanzenlexikon/frauenmantel.php):
ZitatAnerkannte medizinische Anwendung
ESCOP: Unterstützend bei unspezifischen Durchfällen, bei gastrointestinalen Beschwerden und bei Menstruationsschmerzen

Ist das nicht genau die eingangs erwähnte Indikation?
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 06:09:25
,,typisches Anwendungsgebiet". Letzteres wäre in den entwickelten Ländern: jegliche Krankheit/Unpässlichkeit, die entweder von selber weggeht oder für die keine geprüfte Therapie zur Verfügung steht.

Und wie ist sie empirisch abgesichert, diese Indikation?
alchemilla + diarrhea, hat genau einen Treffer in Pubmed:
ZitatEthnoveterinary medicines used for ruminants in British Columbia, Canada
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1831764/
[Volltext verfügbar] Was die Viecher zu fressen kriegen. Ich würde das nicht für eine kontrollierte Studie halten.

Mir wird langsam kribbelig. Wo ich auch hingreife bei diesen  ,,wirkungsvollsten" Stoffen mit den ,,eindrucksvollen" Belegen: vor Tisch las man's anders.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 18:24:32
Zitat von: ajki am 07. Oktober 2015, 18:01:56
Also von der Klasse: magisches Denken. Und das heißt: Pseudomedizin at it's core.
Nun schreibt Frau Prof. Kraft in dem von Ihnen verlinkten Artikel ja selbst: "Die Evidenzbasis für synergistische Effekte in pflanzlichen Arzneimitteln ist noch nicht sehr groß." Nachfolgend bringt sie mehrere Beispiele und immerhin ein ganzes Dutzend Einzelnachweise.

Das würde ich jetzt also nicht gerade als "unplausible Behauptung" bezeichnen. Ich sehe auch nicht, wie das der grundsätzlichen Pharmakologie widersprechen sollte. Wenn zwei Wirkstoffe von unterschiedlichen Rezeptoren gebunden werden, so kann das durchaus die Wirkung verstärken. Das ist auch bei Baldrian-Hopfen-Kombinationen der Fall, wo die beiden Drogen über einen unterschiedlichen Wirkmechanismus verfügen.

Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 18:20:24
Mir wird langsam kribbelig. Wo ich auch hingreife bei diesen  ,,wirkungsvollsten" Stoffen mit den ,,eindrucksvollen" Belegen: vor Tisch las man's anders.
Das Frauenmantelkraut war ein Beispiel für eine Droge mit garantiertem Wirkstoffgehalt, wie sie in jeder Apotheke erhältlich ist. Das hatte ich zufällig im Gedächtnis.
AFAIK gibt es derzeit keine Phytopharmaka auf Basis dieser Droge, sondern allenfalls Anthroposophika und/oder Homöopathika.

Bzgl. Thymol können Sie gerne die HMPC-Monographie und die dort erwähnten Studien lesen:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/12/WC500100054.pdf
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_List_of_references_supporting_the_assessment_report/2010/12/WC500100057.pdf
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 18:49:29
Ich darf nochmal?
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25Thymol wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen

Und wenn ich hartnäckig nach dem Beleg frage, erfahre ich:
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 18:24:32Bzgl. Thymol können Sie gerne die HMPC-Monographie und die dort erwähnten Studien lesen:

Machen wir doch glatt.
Zitat4.3. Overall conclusions on clinical pharmacology and efficacy
There are no clinical data available which would support the well-established use of thyme oil.
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/12/WC500100054.pdf

Wie war das nochmal mit dem Wirksamkeitsnachweis, der für Phytotherapeutika vorgeschrieben sei? Mein Eindruck, der natürlich nicht erst heute entstanden ist: da laufen eine Menge ungedeckter Schecks um.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 19:05:21
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 18:49:29
Mein Eindruck, der natürlich nicht erst heute entstanden ist: da laufen eine Menge ungedeckter Schecks um.
Herzlichen Glückwunsch, Sie haben eindrucksvoll bewiesen, dass Sie selektives Lesen beherrschen! Merken Sie selbst, oder?

Nehmen wir Ihre bevorzugte Suchmaschine und Suchmethode, so erhalten wir für Thymol 137 Treffer:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=thymol+clinical+trial

Beachten wir das Datum der HMPC-Monographie bzw. deren Redaktionsschluss, so fällt auf: Seitdem ist eine ganze Menge passiert.

Nun haben Sie aber anscheinend auch noch nicht den Unterschied der Artikel 10 und 16 aus der 2001/83/EC bzw. deren Sinn verstanden.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 19:13:05
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 19:05:21
Nehmen wir Ihre bevorzugte Suchmaschine und Suchmethode, so erhalten wir für Thymol 137 Treffer:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=thymol+clinical+trial

Beachten wir das Datum der HMPC-Monographie bzw. deren Redaktionsschluss, so fällt auf: Seitdem ist eine ganze Menge passiert.

Was soll das jetzt werden. Der Hase ist genug gelaufen. Der Igel hat jetzt die Pflicht, eine bibliografisch korrekte Quellenangabe über zwei unabhängige klinische Studien (kontrolliertes Design, doppelblind) anzubieten und nicht den eigenen Beleg mit den Worten "April, April!" zu kommentieren.

ZitatNun haben Sie aber anscheinend auch noch nicht den Unterschied der Artikel 10 und 16 aus der 2001/83/EC bzw. deren Sinn verstanden.
Nein. Und er ist mir auch egal. Wo sind die Studien? Ersatzweise Meta-Analysen, vorzugsweise Cochrane.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 19:27:29
Ich sagte ja: Selektives Lesen.
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Thymol wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen, wird aber eher selten isoliert eingesetzt.
Grund: Ist nicht ganz ungefährlich.
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Thymol

Zu Thymol gibt es von Cochrane vier Treffer:
http://www.evidence.nhs.uk/Search/Search?om=[{%22srn%22:[%22Cochrane%20Database%20of%20Systematic%20Reviews%22]}]&q=thymol (http://bit.ly/1Ru1FHr)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 20:40:35
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 19:27:29
Ich sagte ja: Selektives Lesen.
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25
Thymol wiederum gilt als einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen, wird aber eher selten isoliert eingesetzt.
Grund: Ist nicht ganz ungefährlich.
Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Thymol
Was hat das mit dem Wirkungsnachweis zu tun? Nichts.

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 19:27:29
Zu Thymol gibt es von Cochrane vier Treffer:
http://www.evidence.nhs.uk/Search/Search?om=[{%22srn%22:[%22Cochrane%20Database%20of%20Systematic%20Reviews%22]}]&q=thymol
Aha. Und hast Du Dir auch die Mühe gemacht, diese Treffer anzuklicken? Na gut, dann rennt der Hase mal wieder los, weil er's nicht lassen kann. 1) Karies ist eine Atemwegserkrankung? Hab ich so noch nicht gesehen, in einem weiteren Sinne vielleicht; und es geht eigentlich um ,,chlorhexidine-containing oral products". 2) ,,On the basis of this meta-analysis, there is no evidence to support the use of either topical or systemic antifungal treatment in the management of CRS." 3) handelt von Fluoridisierung zur Verhinderung von Zahndemineralisierung und 4) handelt von Mundpflege bei Schlaganfallpatienten und ,,found little evidence of how this care is best delivered".

Lieber Selektives Lesen als gar nicht lesen.

Ich habe natürlich trotzdem mal selber in den Thymol-Quellen gebadet.
ZitatMMW Fortschr Med. 2013 Oct 10;155(17):62-3.
[Guidelines recommend herbal phytotherapy for acute cough].
[Article in German]
[No authors listed]
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24340392
Aber wenn man auf der website der MMW sucht: es gibt die Seite 61 und die Seite 64, aber keine Seiten 62/3; oder ich war zu blöd, die zu finden. Außerdem scheint sich das in der Ecke ,,Pharma-Forum" abgespielt zu haben. Da würde ich jetzt nicht unbedingt die peer-reviewed Beiträge vermuten; und bei 2 Seiten Länge kann es höchstens ein kurzes Referat sein. Aber das bringt mich auf die Idee, gleich eine Stufe höher zu suchen:
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/053-013l_S3_Husten_2014-02.pdf
ZitatAuch für ein Thymian-Efeu-Präparat wurde in einem RCT eine etwas bessere Linderung von Hustensymptomen demonstriert: Unter dem pflanzlichen Präparat wurden an Tag 9 die Hustenanfälle um 77,6% vs. 55,9% unter Placebo reduziert. Eine Verkürzung bzw. Linderung von Hustensymptomen bei akuter Bronchitis wurde ebenso für ein Thymian/Primelwurzel-Präparat in einem RCT nachgewiesen: Unter Verum nahm der BSS (Bronchitis Severity Score) an Tag 3 bis 5 von 12,0±4,4 Punkte auf 6,6±3,0 Punkte ab (Tag 7 bis 9: 1,0±2,1), unter Placebo von 11,7±4,3 Punkte auf 10,2±4,2 Punkte (Tag 7 bis 9: 6,5±4,8). Für Thymian-/Primelwurzel- bzw. Thymian-/Efeu-Präparate liegen keine Berichte über schwere Nebenwirkungen vor (T Ia / A [64]; T Ib / A [65-67]).

In der (abgelaufenen) Leitlinie von 2010 heißt es, mit Bezug auf die gleichen Studien:
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-003l_2010-abglaufen.pdf
ZitatAllerdings wurde die Wirksamkeit einer kombinierten Phytotherapie (Thymian und Efeu, bzw. Thymian und Primel) auf den akuten Husten in zwei randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen [273;274].

Nur sind beide Studien von der gleichen Arbeitsgruppe (Kemmerich et al) und haben eine identische Patientenzahl.
In der Studie von 2006: (Bronchipret® Saft; N = 182) or placebo syrup (N = 179).
In der Studie von 2007: (Bronchipret® TP FCT; N = 183) or placebo (N = 178)

Ok. Aber das wäre Ihr Job gewesen, Wertester. Und es rettet die Phytotherapie nicht vor der Vereinnahmung durch die Paramedizin.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Sauropode am 07. Oktober 2015, 20:47:01
ZitatVereinnahmung durch die Paramedizin

Genau das ist hier das Thema.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:06:48
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 20:40:35
Aber das wäre Ihr Job gewesen, Wertester.
Nope. Sie haben einen Halbsatz aus dem Zusammenhang gerissen und sind nachfolgend sehr bereitwillig über jedes Stöckchen gesprungen. Sorry, couldn't resist. Ihr ziemlich aggressives Auftreten hier tat ein Übriges.

Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 21:08:53
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:06:48
Halbsatz aus dem Zusammenhang gerissen
Das war kein Zusammenhang, sondern eine Ausrede.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:13:58
Dann lesen Sie doch bitte den kompletten Absatz, in dem dieser Halbsatz gegen Ende vorkommt. Vielleicht verstehen Sie dann den Zusammenhang. Die Aussage dieses Absatzes können Sie auch in sehr ähnlicher Form in dem verlinkten Artikel von Prof. Kraft finden.

Aber zurück zum Thema:
Gegen Ende Eures Artikels verlinkt Ihr zu scinexx. Dort steht:
ZitatAnfang des 20. Jahrhunderts wurde schließlich von Henri Leclerc (1870-1955) der Begriff Phytotherapie eingeführt, darunter versteht man die Wissenschaft, die sich mit der Anwendung von pflanzlichen Heilmitteln beim kranken Menschen befasst.

Bei Prof. Kraft steht:
ZitatPhytotherapie ist die Anwendung von Pflanzen oder Pflanzenteilen sowie deren Zubereitungen zur Heilung oder Linderung von Krankheiten, krankhaften Funktionszuständen oder Beschwerden. Im medizinischen Verständnis von Gesundheit und Krankheit basiert sie ohne Einschränkungen auf der (natur-)wissenschaftlichen Medizin, sie hat also keine eigenen Theorien oder Lehren hinsichtlich des menschlichen Körpers (Anatomie, Histologie), seiner Funktionsweise (Physiologie, Biochemie), der Entstehung und Erkennung von Krankheiten (Pathologie, Pathophysiologie, Pathobiochemie, Diagnostik) und der Art und Weise, wie Wirkstoffe Körperfunktionen beeinflussen (Pharmakologie, Toxikologie).

Und weiter:
ZitatDer Zusammenhang von Dosis und Wirkung wird in der Phytotherapie als pharmakologisch charakterisierbar aufgefasst. Die betreffenden Arzneimittel werden als Phytopharmaka (synonym für »pflanzliche Arzneimittel«, im europäischen Sprachgebrauch »Herbal Medicinal Products«) bezeichnet. Die pharmakologische, toxikologische und klinische Prüfung von Phytopharmaka erfolgt mit den gleichen Verfahren, mit denen chemisch definierte Wirkstoffe geprüft werden.

So in etwa findet sich das auch in jedem einschlägigen Lehrbuch der Phytotherapie, bspw. von den Professoren Max Wichtl, Heinz Schilcher und Rudolf Fritz Weiss.

Und was ist daran jetzt Pseudomedizin oder Paramedizin?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 21:26:28
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:13:58
Dann lesen Sie doch bitte den kompletten Absatz, in dem dieser Halbsatz gegen Ende vorkommt. Vielleicht verstehen Sie dann den Zusammenhang. Die Aussage dieses Absatzes können Sie auch in sehr ähnlicher Form in dem verlinkten Artikel von Prof. Kraft finden.

Sie haben da eine empirisch prüfbare Aussage gemacht. Auf so was bin ich scharf. Wenn Sie wolkig bleiben, haben Sie's leichter mit mir.  8)

Kennen Sie die Geschichten vom Herrn Keuner?  edit. das Buch der Wendungen?
ZitatSätze von Systemen hängen aneinander wie Mitglieder von Verbrecherbanden. Einzeln überwältigt man sie leichter.

Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:53:29
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 21:26:28
Sie haben da eine empirisch prüfbare Aussage gemacht.
Haben Sie schon einmal Thymian aus der Nähe gesehen und daran gerochen? Thymol hat nicht umsonst eine Gefahrstoffkennzeichnung. Und letztendlich ging es mir genau darum: Der Einzelstoff ist medizinisch kaum einsetzbar, auch wenn durch präklinische Untersuchungen seine Wirkung gegen Pilze und Bakterien gut belegt ist (das findet sich übrigens sehr ausführlich in der HMPC-Monographie). Thymol wird also in Kombinationen eingesetzt und nur hierzu gibt es dann auch klinische Studien. War das jetzt so schwer zu verstehen?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 21:58:17
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:13:58
Bei Prof. Kraft steht:
ZitatPhytotherapie ist die Anwendung von Pflanzen oder Pflanzenteilen sowie deren Zubereitungen zur Heilung oder Linderung von Krankheiten, krankhaften Funktionszuständen oder Beschwerden. Im medizinischen Verständnis von Gesundheit und Krankheit basiert sie ohne Einschränkungen auf der (natur-)wissenschaftlichen Medizin, sie hat also keine eigenen Theorien oder Lehren hinsichtlich des menschlichen Körpers (Anatomie, Histologie), seiner Funktionsweise (Physiologie, Biochemie), der Entstehung und Erkennung von Krankheiten (Pathologie, Pathophysiologie, Pathobiochemie, Diagnostik) und der Art und Weise, wie Wirkstoffe Körperfunktionen beeinflussen (Pharmakologie, Toxikologie).

So in etwa findet sich das auch in jedem einschlägigen Lehrbuch der Phytotherapie, bspw. von den Professoren Max Wichtl, Heinz Schilcher und Rudolf Fritz Weiss.

Und was ist daran jetzt Pseudomedizin oder Paramedizin?

Das ist wie mit dem Manifest der 2000 Worte. Es war, oberflächlich betrachtet, nicht antisozialistisch, aber dennoch sind die Kommunisten voll darauf abgefahren; zu Recht.
Nicht die unverfänglichen Formulierungen sind das Problem, sondern der Rattenschwanz, der da dran hängt. Ein Beispiel hatten wir schon, #20 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=14538.msg190394#msg190394), Mitte, und es ist ein Klacks, dutzende weitere beizubringen.

Vielleicht sollten auch Sie mal das Skotom Ihrer selektiven Wahrnehmung etwas erweitern. Die Frage ist nun schon mehrfach gestellt worden: Was unterscheidet die so definierte Pharmakotherapie von jeder anderen Pharmakotherapie, außer den unbelegbaren ,,Synergismen", die statistisch gesehen mindestens von einer gleichen Anzahl Antagonismen begleitet werden? Wir jedenfalls haben dazu eine Hypothese.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 07. Oktober 2015, 22:02:05
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:53:29
Thymol wird also in Kombinationen eingesetzt und nur hierzu gibt es dann auch klinische Studien. War das jetzt so schwer zu verstehen?

Erstens musste Ich Ihnen diese Studien hinterhertragen und zweitens: wenn ich nur Kombinationen prüfe, dann habe hinterher keine Ahnung, welche Bestandteile die eigentlich wirksamen waren. Wie kommen Sie also dazu zu behaupten, Thymol wäre "einer der wirkungsvollsten Stoffe bei bestimmten Atemwegserkrankungen"? Und Sie haben sich noch immer nicht herabgelassen zu sagen, welche Atemwegserkrankungen Sie eigentlich meinen. 

War das jetzt so schwer zu verstehen?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 22:55:12
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 21:58:17
Was unterscheidet die so definierte Pharmakotherapie von jeder anderen Pharmakotherapie
Das steht bereits auf der ersten Seite dieses Threads: In der Phytotherapie werden Vielstoffgemische eingesetzt und nicht isolierte Wirkstoffe. Das hat Vorteile und Nachteile, die es im Einzelfall abzuwägen gilt. Die wissenschaftlichen Grundlagen sind aber identisch. Ob nun bspw. ein Präparat mit Hypericin oder aber Sertralin für den Patienten besser ist, das muss der Therapeut in der Praxis entscheiden.

Interessanter wäre die Frage, was die Phytotherapie von Hömopathie und Anthroposophie oder den von Ihnen verwendeten Begriffen Pseudomedizin und Paramedizin unterscheidet.
Das ist nämlich der springende Punkt.

Auf Ihre Herumreiterei auf dem Thymol werde ich nicht weiter reagieren, denn ich springe im Gegensatz zu Ihnen nicht über jedes Stöckchen. Lesen Sie die HMPC-Monographie oder lassen Sie es bleiben. Ihr Problem, nicht meines.  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 06:12:51
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 22:55:12
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 21:58:17
Was unterscheidet die so definierte Pharmakotherapie von jeder anderen Pharmakotherapie
Das steht bereits auf der ersten Seite dieses Threads: In der Phytotherapie werden Vielstoffgemische eingesetzt und nicht isolierte Wirkstoffe. Das hat Vorteile und Nachteile, die es im Einzelfall abzuwägen gilt.
Das ist überhaupt kein Unterscheidungsmerkmal, denn auch außerhalb der Pflanzenwelt ist eine Kombinationstherapie vollkommen gewöhnlich (z. B. Hypertonie-Therapie). Nur, dass man bei der Pflanze eben nehmen muss, was da ist, während man sich ansonsten die Komponenten aussuchen kann; höchstens dass man den empirischen Kuddelmuddel mit einer Pflanzenkombination noch undurchsichtiger machen kann. Es handelt sich also a priori um einen Malus und nicht um einen Bonus.

Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 22:55:12Auf Ihre Herumreiterei auf dem Thymol werde ich nicht weiter reagieren, denn ich springe im Gegensatz zu Ihnen nicht über jedes Stöckchen. Lesen Sie die HMPC-Monographie oder lassen Sie es bleiben. Ihr Problem, nicht meines.  ;)
Es war ja nun schon zu bemerken, dass das Beibringen von empirischen Belegen für behauptete Effekte eher mein Problem ist als Ihres; richtig. Aber Sie sind da kein Einzelfall. Das ist der tiefere Grund, warum wir uns hier zu diesem Thema versammelt haben.

Wenn also dieser Scheck geplatzt ist, wie steht es dann um die Bonität einer weiteren von Ihnen eingangs aufgestellten These?
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25Eine Kombination aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel hilft gleichermaßen gegen Viren, Bakterien und Pilzen, ohne dass bislang Resistenzen beobachtet werden konnten.
Woher stammt der Beleg? Aus der Behandlung der Sepsis, aus der Bepinselung von Aphthen (vgl aber unseren 3. Cochrane-Review) oder aus der Petrischale?

Da Sie nicht nach meiner Hypothese gefragt haben, formuliere ich sie unaufgefordert: Phytotherapie ist Wellness-Medizin, bestenfalls Proto-Medizin (bis es zu einer Wirkstoffisolierung gekommen ist), und ,,Phytotherapie" im landläufigen Sinn hat fließende Grenzen zur Scharlatanerie.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 06:34:30
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 06:12:51
Proto-Medizin (bis es zu einer Wirkstoffisolierung gekommen ist)

Ich nenne mal ein Beispiel: die Behandlung des Morbus Parkinson mit der Juckbohne (Mucuna pruriens). Ein Highlight der ayurvedischen Phytotherapie. Funktioniert, es gibt Studien jüngeren Datums dazu. Allerdings ist die Wirkung ein wenig inkonstant, weil der Wirkstoffgehalt der Juckbohne nicht gut auszutarieren ist.

Der Wirkstoff in der Juckbohne ist Levodopa. Es liegt seit vielen Jahrzehnten in Reinform vor und ist die Hauptsäule der konventionellen Pharmakotherapie beim Parkinson. Die Einführung der Phytotherapie wäre ein glasklarer Rückschritt.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 09:03:26
Nun, hätten Sie sich die HMPC-Monographie wie empfohlen angesehen, dann hätten Sie bspw. eine Muliti-Center-Studie von Edzard Ernst mit knapp 7.800 Teilnehmern gefunden. Von Peter Kardos gibt es recht aktuell das hier:
http://www.clinphytoscience.com/content/pdf/s40816-015-0003-2.pdf
Das findet sich dann auch in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.

Ein anderes Anwendungsgebiet, Vergleichsstudien mit Ibuprofen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3992233/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3685784/

Zu Kapuzinerkresse und Meerrettich finden Sie bspw. eine randomisierte Doppelblindstudie mit mehr als 1.000 Patienten mit Sinusitis, Bronchitis oder Harnwegsinfekten von Uwe Frank. Die Ergebnisse finden Sie auch hier:
https://www.hesse-tierpharma.de/download/sonderdruck_apothekenjournal_reise_medizin_antibakterielle_wirkung_von_senfoelen.pdf

Oder das:
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1185/030079907X233089
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1185/03007995.2012.742048
http://europepmc.org/abstract/med/16618018

Bzgl. Juckbohne (Mucuna pruriens) kann ich nichts sagen. Ayurveda ist keine Phytotherapie und deshalb interessiert mich das nicht sonderlich. Eine HMPC-Monographie gibt es zu der Droge jedenfalls nicht und wird es aufgrund der enthaltenen Alkaloide wohl auch nicht so schnell geben.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 12:01:40
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 09:03:26
Nun, hätten Sie sich die HMPC-Monographie wie empfohlen angesehen, dann hätten Sie bspw. eine Muliti-Center-Studie von Edzard Ernst mit knapp 7.800 Teilnehmern gefunden. Von Peter Kardos gibt es recht aktuell das hier:
http://www.clinphytoscience.com/content/pdf/s40816-015-0003-2.pdf
Das findet sich dann auch in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.
Aber das ist doch längst eingepreist. Die Leitlinienfähigkeit war schon in #29 Thema. 
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 12:16:33
Husten und Schnupfen
, also in der Tat (jedenfalls verglichen mit ernsthaften Erkrankungen):
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 06:09:25
jegliche Krankheit/Unpässlichkeit, die entweder von selber weggeht oder für die keine geprüfte Therapie zur Verfügung steht.
M. a. W: Der Beleg stützt meine These:
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 06:12:51
Phytotherapie ist Wellness-Medizin

Nehmen wir mal dieses Referat einer Studie.
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 09:03:26
Zu Kapuzinerkresse und Meerrettich finden Sie bspw. eine randomisierte Doppelblindstudie mit mehr als 1.000 Patienten mit Sinusitis, Bronchitis oder Harnwegsinfekten von Uwe Frank. Die Ergebnisse finden Sie auch hier:
https://www.hesse-tierpharma.de/download/sonderdruck_apothekenjournal_reise_medizin_antibakterielle_wirkung_von_senfoelen.pdf

Zunächst werden uns Diagramme zur MHK [min. Hemmkonzentration] gezeigt. Weil ich kein Infektiologe bin, habe ich keine Ahnung, ob das bedeutsam ist; vielleicht lassen sich mit Petroleum genau solche Diagramme erzeugen. Jedenfalls gibt es keine Möglichkeit aus dem Referat heraus zu erkennen, ob diese Konzentrationen in vivo erreicht werden können. Dann heißt es:
ZitatAuch ließ sich mit Hilfe der Observational Cohort Study (n = 1.076) nachweisen, dass sich bei Behandlungen von Sinusitis, Bronchitits und HWI mit Angocin gegenüber synthetischen Antibiotika wie Cephalosporinen, Cotrim, Penizillinen, Tetracyclinen und Ciprofloxacin eine äquivalente Wirksamkeit ohne wesentliche Nebenwirkungen erzielen lässt. Gleichzeitig sind beim Einsatz von Angocin im Vergleich zur Gabe eines Antibiotikums weniger Resistenzen bzw. Multi-Reststenzen zu befürchten und Therapien mit pflanzlichen Präparaten erheblich günstiger.

Literatur bei der Verfasserin.
Hier fällt zunächst auf, dass es sich offenbar nicht um ein stringentes Studiendesign gehandelt hat. Es ist nicht zu erwarten, dass das tatsächlich, wie von Ihnen verkündet, eine ,,randomisierte Doppelblindstudie" gewesen ist. Dass es weniger Resistenzen gibt, wird einfach postuliert; es gibt überhaupt keinen Grund, das anzunehmen – sofern die Senföle tatsächlich wirksam sind. Das ist die verkappte Mobilisierung von Ideologie (alle Welt ,,weiß" Bescheid über die Bedrohung durch Resistenzentwicklung); so etwas kennen wir auch von Homöopathen. Was das Ganze mit Pilzen zu tun hat, bleibt völlig unklar. Die Therapievergleich mit der Antibiotika-Therapie einer akuten Sinusitis zeige ,,äquivalente Wirksamkeit": da fühlt man sich doch ein wenig verschaukelt, denn es ist ganz offensichtlich eine äquivalente Unwirksamkeit.

Mit den Angaben ,,Frank" und ,,sinusitis" habe ich die Studie bei Pubmed nicht gefunden, und ich werde die Autorin nicht anschreiben.

Solche Sachen färben dann natürlich auch auf die Literaturangaben ab, bei denen man nicht gleich auf den ersten Blick Merkwürdigkeiten erkennt. Selbst wenn ich gutwillig bliebe: wie die sonstigen Literaturangaben dazu herhalten können, die behauptete panazeenartige Wirkung von Kapuzinerkresse+Meerrettich zu belegen (,,keine Resistenzen!", ,,antiviral, antibakteriell, fungizid!"), ist mir nicht klar geworden.

Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 09:03:26
Bzgl. Juckbohne (Mucuna pruriens) kann ich nichts sagen. Ayurveda ist keine Phytotherapie
Ich bin da nicht so sicher, ob das allgemein so gesehen wird. Ihre Bemühungen zur Verwissenschaftlichung der Pflanzen in Ehren, aber was unterscheidet Ayurveda von der Klostermedizin? Und was meinen sie zu Mistel? Ist sie Phytotherapie, ist sie anthroposophische Medizin, oder ist sie beides?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 08. Oktober 2015, 12:09:00
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 18:24:32
Das würde ich jetzt also nicht gerade als "unplausible Behauptung" bezeichnen. Ich sehe auch nicht, wie das der grundsätzlichen Pharmakologie widersprechen sollte.
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 21:13:58
Und was ist daran jetzt Pseudomedizin oder Paramedizin?

Vorweg ein Wort zu den Quellbezügen aus Frau Prof. Dr. Krafts Übersicht: ich habe sie weiter oben (durchweg) als "Cherrypicking" bezeichnet - das liegt daran, dass, sieht man sich im Detail die genannten paper an, sie andere oder völlig andere Studienziele verfolgen (und entsprechende Null-Hypothesen formulieren und prüfen) als dasjenige, was als "synergistischer" Effekt als existierend behauptet wird für die sogenannte "Phytotherapie". So etwas ist ein untauglicher Taschenspielertrick - damit belegt sich gar nichts zugunsten/zuungunsten der Behauptung. Auch deshalb bleibt die obige eine zentrale Frage bestehen (und weil die Autoren es im Text, wie Sie selbst weiter oben korrekt anführen, ebenfalls indirekt zugeben ["...Evidenzbasis für synergistische Effekte .. ist noch nicht sehr groß", woraufhin dann der nächste Taschenspielertrick mit den Worten folgt, sie seien aber als irgendwie "notwendige Schlussfolgerungen" in den cherrygepickten Studien enthalten - was für die Autoren der genannten Studien wohl eher nicht in irgendeiner Form "notwendig" war, sondern nur für die Behauptenden {Vorsicht übrigens im Zusammenhang: die Originalautoren leben bestimmt in der Mehrzahl noch und können direkt befragt werden und *sind* auch schon z.B. beim PEK befragt worden - da war es komplett Essig mit irgendeiner "notwendigen Schlußfolgerung"}]. Für die Behauptungen, die in diesem und anderen Texten aufgestellt werden, eignen sich die angeführten Quellen als Beleg auf jeden Fall nicht (auch hierzu s. erste Runde PEK, für die übrigens der Kraft-Text ausgeweitet geschrieben wurde).

Schauen wir uns also die "wissenschaftlichen Grundlagen" an der Basis der "Therapie" an:

Zitat... stofflich ist dieser Wirkstoff als mehr oder weniger komplexes Vielstoffgemisch zu charakterisieren, dessen Zusammensetzung durch das Ausgangsmaterial (Ganzpflanze oder Pflanzenteile, meist in getrockneter Form, als »Droge« bezeichnet), .. bestimmt ist ...

1. Ausgangspunkt ist *immer* eine gewachsene Pflanze (komplett oder ein Teil derselben). Mit Blatt, Blüte, Stengel, Borke, Dolde, Wurzel, Überresten von Schäd-/Nützlingen und deren Kot und sonstigen externen Mitnahmen chemischer, biologischer oder mineralischer Art aus der Ernte.

2. Die Pflanze/der Pflanzenteil wird dann (oft) getrocknet oder sonstwie lager- und handhabbar gemacht. Dann wird das "Stück", dem eine Wirkung zugeschrieben wird, *komplett* (das ist das Wichtige für die behauptete "Synergie") einer Bearbeitung unterzogen (zermahlen, gerissen, erhitzt etc.). Durch die große Anzahl gesammelter Stücke und den hier stattfindenden Mischprozess wird schlussendlich eine Basissubstanz gefertigt, die ungefähr (also mit *kaum* meßbaren Abweichungen) in den Losen "gleichartig" ist. Molekular gesehen gibt es natürlich immer noch erhebliche Unterschiede im fertigen Grundprodukt je nach Herkommensregion, Ernte-Jahreszeit, verschiedenen externen und pflanzeninternen Einflüssen usw.

3. Wie zitiert ist das Endprodukt also der "phytotherapeutische" Wirkstoff und er ist logischerweise *immer* ein "komplexes Vielstoffgemisch" (inklusive Blattlausreste). Danach kann man darüberhinaus auch noch verschiedene "komplexe Vielstoffgemische" miteinander in irgendeinem Verhältnis vermischen (also etwa die weiter oben erwähnten Kresse- und Rettich-Vielstoffgemische).

Die erste Behauptung ist: ein solches Vielstoffgemisch ist wirksam.

Diese Behauptung kann als belegte Tatsache akzeptiert werden (seit den in den sogenannten "Naturheilverfahren" gerne so stolz angeführten tausenden von Jahren). Sie führte zu klaren therapeutischen Erfolgen, die kategorisierbar, systematisierbar und replizierbar sind in großen Massen. Und zwar in der Form von weitergebbarem Erfahrungswissen über Generationen hinweg und als gewinnbares Einzelerfahrungswissen über einen Zeitraum hinweg durch jeden Einzelnen. Wenn "ich" irgendwo in Südostasien wohne, unter Fieberschüben leide und als Tee, Sud, Aufguss oder sonstwas Einjährigen Beifuß an mir appliziere, dann geht's mir unter Umständen besser. Wenn es mir niemand sagt, brauche "ich" vielleicht Ewigkeiten, bis "ich" das herausbekomme, vielleicht schaff' "ich" es auch nie, vielleicht erwische "ich" das zufällig auch bei den ersten Versuchen (und vielleicht schwöre "ich" auch darauf, dass die "beste" Wirkung von einer Mischung mit gestossener Holzkohle und Eichhörnchenfett ausgeht - weil es aus irgendwelchen Gründen das ist, was sich bei "meinen" Experimenten an "mir" so ergab).

Problem: *diese* Wirksamkeit wurde nie von irgendjemandem bestritten. Im Gegenteil liegt genau diese Beobachtung der Wirksamkeit der modernen wissenschaftlich orientierten *und evidenzbasierten* Medizin zugrunde. Diese Behauptung als Beleg für die Wirksamkeit von "Vielstoffgemischen" anzuführen (in dieser Grundform) ist also nichts anderes als ein glasklarer Strohmann.

Die zweite Behauptung ist: ein solches Vielstoffgemisch ist überlegen wirksam. (Also anderen therapeutischen Maßnahmen überlegen)

Hier kommt die "Synergie" ins Spiel:
ZitatDie Wirkung eines pflanzlichen Wirkstoffes (d.h. also des Vielstoffgemisches) ist synergistisch [..], wenn der Gesamteffekt nicht mit gleichem Nutzen-Risiko-Verhältnis durch einen einzelnen Inhaltsstoff des Stoffgemisches erreicht werden kann.

Läßt man das Geschwurbel weg heißt das: Der Einjährige Beifuß (oder irgendein Teil davon wie zum Beispiel die Blätter, der Stengel, die Blüte oder so) mit all seinen tausenden von chemischen, molekularbiologischen und mineralischen Eigenschaften *plus* alles mögliche andere, das bei einer konkreten Ernte mit anfällt, entwickelt einen *überlegenen* Heileffekt gegenüber einem einzeln isolierten Reinstoff. (Im Beispiel das schon anderswo angesprochene Artemisinin)

*Das* ist die Behauptung, die nicht belegt ist. *Und* es ist die Behauptung, die unplausibel ist angesichts der nun rund 400-jährigen Entwicklungs- und Erkenntnisgeschichte der modernen Naturwissenschaften. Diese Behauptung steht zu der Gesamtlage an verfügbarer Evidenz *in Widerspruch*.

Drum: da liegt der Kern der zu belegenden Behauptung. Ist die Behauptung nicht durch außergewöhnlich "gute" Belege stützbar, verbleibt sie gegenüber der ungeheuren Evidenzlage naturwissenschaftlicher Belege für theoretisch beforschte Kausalketten und epidemiologische Massendaten als in klarem Gegensatz. Das ist das Problem an der Basis der sogenannten "Phytotherapie" - nicht der Sud aus Einjährigem Beifuß ist das Problem, sondern die Behauptung, er wäre wirksamer als Artemisinin und im besonderen wirksamer als synthetisch hergestelltes Artemisinin (oder vergleichbare Reinstoffe). Speziell der millionenfach geführte Nachweis, dass synthetisch hergestellte Reinstoffe eine qualifizierbare, quantifizierbare und evaluierbare Wirkung *gesichert* entfalten, macht dem - Achtung, jetzt kommt es wieder, das häßliche Wort - magischen Denken, die "gute" Pflanze im gottgewollten Wuchs wäre der Weg zur wahren(TM) Heilung den klaren und eindeutigen Garaus.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 12:41:49
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 12:01:40
Ihre Bemühungen zur Verwissenschaftlichung der Pflanzen in Ehren, aber was unterscheidet Ayurveda von der Klostermedizin? Und was meinen sie zu Mistel? Ist sie Phytotherapie, ist sie anthroposophische Medizin, oder ist sie beides?
Ayurveda ist eine traditionelle indische Heilkunst, die Klostermedizin eine Epoche der europäischen Medizingeschichte - was soll man da vergleichen?
Mistel ist Anthroposophie, hier wird mit der Signaturenlehre argumentiert. Ähnlich sieht das auch das HMPC in seiner Negativ-Monographie:
ZitatThe evaluation with respect to well-established use is currently not possible because some essential criteria for evaluation are not fulfilled.
Und:
ZitatBased on the above-mentioned concerns the HMPC is of the opinion that no Community herbal monograph on Viscum album L., herba can be established.

Bzgl. Kapuzinerkresse und Meerrettich ist online zumindest das hier verfügbar:
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0031-1296717?device=mobile&lang=de
(Kohortenstudie mit mehr als 1.600 Teilnehmern)

Zitat von: ajki am 08. Oktober 2015, 12:09:00
*Das* ist die Behauptung, die nicht belegt ist. *Und* es ist die Behauptung, die unplausibel ist angesichts der nun rund 400-jährigen Entwicklungs- und Erkenntnisgeschichte der modernen Naturwissenschaften. Diese Behauptung steht zu der Gesamtlage an verfügbarer Evidenz *in Widerspruch*.
Nun ist das ja beileibe keine Exklusivmeinung von Frau Prof. Kraft. Da gibt es bspw. auch noch:
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0944711308002559
bzw.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19211237
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21075177

Ich kann da kein "magisches Denken" erkennen.

Beim Artemisinin geht es vorrangig um Resistenzen:
http://who.int/malaria/media/artemisinin_resistance_qa/en/

Entsprechend gab es dann diesen Ansatz:
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0052746

Ich kann daran nichts Verwerfliches erkennen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 13:54:48
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 12:41:49
Ayurveda ist eine traditionelle indische Heilkunst, die Klostermedizin eine Epoche der europäischen Medizingeschichte - was soll man da vergleichen?
Die Flughöhe.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 08. Oktober 2015, 14:23:18
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 12:41:49
Ich kann da kein "magisches Denken" erkennen. ...
Ich kann daran nichts Verwerfliches erkennen.

Lieber Lonicerus,

ich möchte hier einem evtl. möglichen Mißverständnis gleich im Ansatz begegnen:

mein persönlicher Ansatz der Betrachtung ist weder in Stein gemeißelt noch gilt er für Sie oder sonstjemanden. Was ich mit meiner Betrachtung entlang einer Veröffentlichung aus dem "Herzen" der sogenannten "Phytotherapie" bezweckte war einzig und allein Ihnen darzustellen, *warum* aus einer bestimmten Perspektive heraus die Klassifizierung dieser "Therapie"form als "Pseudomedizin" schlüssig ist und damit auch im hiesigen Wiki als gerechtfertigt angesehen wird. (Also: zumindest von mir, ersichtlich aber auch von mindestens etlichen anderen)

Von einer "Verwerflichkeit" Ihrer Anschauung oder einem Zwang für Sie (oder Dritte), diese Klassifizierung zu teilen, kann zumindest aus meiner persönlichen Sichtweise keine Rede sein. Sie selbst oder wer auch immer kann von mir aus gerne seine diversen (Glaubens-) Überzeugungen beibehalten.

Wie schon weiter oben ausgeführt, bin ich persönlich gerne bereit, auf Grundlage einer validen Darstellung einer neuen Beweislage von meiner Beurteilung abzurücken. Deshalb bleibt es für mich solange bei meiner oben gestellten einen (zentralen) Frage.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 14:42:49
Sie tun so, als wären die von Frau Prof. Kraft angeführten Synergie-Effekte ein Dogma der Phytotherapie. Die Phytotherapie gibt es aber bereits ein paar Jahrzehnte länger als die Erforschung dieser Effekte. Ob da letztendlich etwas dabei herauskommt, das ist erst einmal vollkommen nebensächlich. Oder wollen Sie die Forschung und Diskussion verbieten?

Ich kann auch nicht nachvollziehen, wo zugelassene Phytopharmaka Pseudomedizin sein sollen. Ich stelle aber sehr oft fest, dass nicht sauber zwischen traditioneller Pflanzenheilkunde, der rationalen Phytotherapie sowie biogenen (pflanzlichen) Arzneistoffen differenziert wird. Und genau das ist auch das Problematische am Artikel. Wie soll der interessierte Laie nach der Lektüre des Artikels wissen, worauf er bei pflanzlichen Mitteln (wo ich jetzt auch mal NEM mit einschließe) achten soll? Vielmehr wird suggeriert, das sei alles Scharlatanerie aus längst vergangenen Jahrhunderten. Noch einmal: Die Phytotherapie gibt es erst seit dem 20. Jahrhundert und für Phytopharmaka gibt es klare wissenschaftliche und gesetzliche Vorgaben. Man kann da nicht einfach Zaubereien verkaufen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 08. Oktober 2015, 16:44:27
Das ist anscheinend eine Erwiderung auf meine Darstellung weiter oben.
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 14:42:49
Sie tun so

Nein. Ich zitiere. Vor allem die Zusammenfassung - wie veröffentlicht.

Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 14:42:49
als wären die .. Synergie-Effekte ein Dogma der Phytotherapie

So folgt es für mich aus dieser Übersicht und anderen Quellen (u.a. der ersten Runde PEK zum Teilbereich "Phytotherapie", bei dem u.a. das Teil-Assessment der beauftragten Fachkundigen aus dem Bereich eine ausgeweitete Form des von Kraft et al. hier angeführten Übersichtsartikels darstellt. Wie Sie vielleicht wissen, läuft derzeit bis 2017 die zweite Runde PEK - ich bin gespannt, welche Neuerungen im entsprechenden Assessment angeführt werden. Kraft ist ja wieder dabei - wie die gesamte Witten-Herdecke GmbH). Übrigens schätze ich den Synergie-Effekt nicht als "Dogma der Phytotherapie" ein, sondern als ein Apriori-Postulat der Lehre. Ohne dieses Postulat ergibt sich aus der "Therapie"form überhaupt kein gesonderter Sinn.

Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 14:42:49
Oder wollen Sie die Forschung und Diskussion verbieten?

Das ist abwegig + s.o.

Aber weil das in einem allgemeinen Sinn in diesem Forum in anderen Hinsichten von Belang ist: als Bürger würde ich dafür stimmen, dass öffentliche Mittel und Ressourcen in öffentlichen medizinischen / allgemeinen naturwissenschaftlich orientierten Institutionen solange nicht eingesetzt werden, als der Unplausibilität der behaupteten Effekte nicht durch massive Änderungen der "theoretischen" Basis nicht begegnet wird von seiten ihrer Vertreter. Aber das ist nur eine rein hypothetische Ansicht, da mir und allen anderen hier und anderswo eine Stimme verwehrt bleibt. Vorsicht bei einer Mißdeutung: davon völlig unbetroffen bliebe jede Form von privater/privatwirtschaftlicher "Forschung" oder eine forschende Behandlung des Themas im Bereich nicht-naturwissenschaftlicher Gebiete wie Sozialwissenschaften o.ä.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 17:13:03
Zitat von: ajki am 08. Oktober 2015, 16:44:27Übrigens schätze ich den Synergie-Effekt nicht als "Dogma der Phytotherapie" ein, sondern als ein Apriori-Postulat der Lehre. Ohne dieses Postulat ergibt sich aus der "Therapie"form überhaupt kein gesonderter Sinn.
Das ist der Punkt, um den sich die Diskussion dreht. Und zwar völlig im Kreis. Wenn ich das Gefühl hätte, die diesbetreffenden Posts wären bisher nur übersehen worden, dann würde ich sie noch einmal zitieren. Ich finde es aber unnötig, den Leser mit den Schnittstellen zur Paramedizin zu langweilen.

Nehmen wir mal diese Studie,
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 12:41:49
http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0052746
die ja scheinbar die Position von Frau Kraft, die sie gar nicht hat, und die von Lonicerus, die er auch gar nicht vertritt, unterstützt:
Zitat
We found that a single dose of WP (containing 24 mg/kg artemisinin) reduces parasitemia more effectively than a comparable dose of purified drug. This increased efficacy may result from a documented 40-fold increase in the bioavailability of artemisinin in the blood of mice fed the whole plant, in comparison to those administered synthetic drug. Synergistic benefits [...]

Wenn das so wäre, dass die Pflanze ganzheitlich denkt, dann wäre es doch unausweichlich, sich nicht auf diesem Umstand auszuruhen, sondern sich darum zu bemühen, die Vektoren zu identifizieren, die die Bioverfügbarkeit des Artemisins erhöhen. Und alsbald wird aus der Phytotherapie ein biogenes Arzneimittel, und die Phytotherapie sui generis wird überflüssig.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 19:31:59
Zitat von: ajki am 08. Oktober 2015, 16:44:27
Übrigens schätze ich den Synergie-Effekt nicht als "Dogma der Phytotherapie" ein, sondern als ein Apriori-Postulat der Lehre. Ohne dieses Postulat ergibt sich aus der "Therapie"form überhaupt kein gesonderter Sinn.
Das sehe ich anders und mir fallen zahlreiche Gründe ein, warum Phytotherapie auf absehbare Zeit noch Sinn ergeben wird - Synergie-Effekt hin oder her.
Und eigentlich habe ich die auch schon alle auf der ersten Seite genannt und muss sie hier nicht noch einmal wiederholen.

Wir drehen uns tatsächlich im Kreis, den Artikel weitergebracht hat das bislang aber nicht. Der scheint festbetoniert...
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 20:32:37
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 12:41:49
Bzgl. Kapuzinerkresse und Meerrettich ist online zumindest das hier verfügbar:
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0031-1296717?device=mobile&lang=de
(Kohortenstudie mit mehr als 1.600 Teilnehmern)

Ich zitiere:
ZitatPatienten und Methoden: In einer prospektiv durchgeführten Kohortenstudie wurden aus insgesamt 251 Praxen Deutschlands Patienten im Alter über 4 Jahren erfaßt, die vom 1. 4. 2004 bis 30. 7. 2005 wegen akuter Sinusitis, Bronchitis oder Blasenentzündung behandelt wurden. Ihre Befunde wurden in die Auswertung einbezogen, wenn sie keine Ausschlußkriterien (schwerwiegende Erkrankungen, Notwendigkeit einer Antibiotika-Therapie, Teilnahme an anderer Studie) aufwiesen und zur Untersuchung am Ende der Therapie erschienen waren. Die Patienten wurden nach Maßgabe des Arztes entweder mit dem pflanzlichen Arzneimittel Angocin Anti-Infekt N mit den beiden arzneilich wirksamen Bestandteilen Kapuzinerkressenkraut und Meerrettich (Prüfgruppe, n = 1223) oder mit einer Standard-Antibiotika-Therapie (Kontrollgruppe, n = 426) behandelt. Die Dosierung und Behandlungsdauer wurde vom Arzt im Einzelfall festgelegt. 536 Patienten (408 Prüf-, 128 Kontrollpatienten) hatten eine akute Sinusitis, 634 (469 Prüf- und 165 Kontrollpatienten) eine akute Bronchitis und 479 (346 Prüf- und 133 Kontrollpatienten) eine akute Blasenentzündung. Zu Beginn und am Ende der Behandlung wurde das Beschwerdebild in standardisierter Form erfaßt, die Intensität der einzelnen Symptome mit einem Score (von 0 = keine Beschwerden bis 3 = erhebliche Beschwerden) bewertet. Vom Patienten wurden in einem Tagebuch die Einnahme der Medikamente und Anwendung zusätzlicher Maßnahmen, die Intensität der Beschwerden und das Auftreten von möglichen unerwünschten Ereignissen dokumentiert. Am Ende der Behandlung (bei Beschwerdefreiheit oder nach 7−14 Tagen) wurden vom Arzt der Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit und vom Patienten die Zufriedenheit mit der Behandlung bewertet und dokumentiert. Hauptzielkriterium war die Änderung des Beschwerdebildes, die durch die relative Änderung des mittleren Beschwerde-Score (gemittelt über die bewerteten Symptome) zwischen Anfangs- und Endbefund, bezogen auf den Anfangsbefund, quantifiziert wurde. Ergebnisse: Die mittlere prozentuale Reduktion des Beschwerde-Mittelscore betrug bei akuter Sinusitis in der Prüfgruppe 81,3 % und in der Kontrollgruppe 84,6 %, bei akuter Bronchitis in der Prüfgruppe 78,3 % und in der Kontrollgruppe 80,3 % und bei akuter Blasenentzündung in der Prüfgruppe 81,2 % und in der Kontrollgruppe 87,9 %. Das 95%-Konfidenzintervall für die Differenz der Erwartungswerte zwischen Prüf- und Kontrollgruppe reichte bei Sinusitis von −8,5 % bis 1,8 %, bei Bronchitis von −7,6 % bis 3,6 % und bei Blasenentzündung von −13,1 % bis −0,1 %. Legt man für Nicht-Unterlegenheit der Prüfbehandlung eine Schwelle von −10 % fest, so kann die Prüfbehandlung bei Sinusitis und Bronchitis als der Kontrollbehandlung nicht-unterlegen bezeichnet werden. Zusätzliche Maßnahmen (z. B. Wärmebehandlung und Spülung bei Sinusitis, vermehrte Flüssigkeitszufuhr bei Bronchitis und Blasenentzündung) wurden in der Prüfgruppe seltener durchgeführt als in der Kontrollgruppe. Unerwünschte Ereignisse wurden insgesamt bei 1,5 % der Prüfgruppe und 6.8 % der Kontrollgruppe festgestellt (p < 0,001).
[Hervorhebungen durch mich]

Das sollte man sich mal ganz in Ruhe auf der Zunge zergehen lassen. Die Notwendigkeit einer Antibiotika-Therapie war ein Ausschlusskriterium, die Kontrollbedingung eine ,,Standard-Antibiotika-Therapie", die aber somit per definitionem mindestens zweifelhaft, im Regelfall aber überflüssig gewesen sein muss (was mag das für ein eigentümlicher ,,Standard" sein). Und zwischen dieser überflüssigen, sinnlosen Therapie (Antibiotika bei Erkältung, ein Aufreger für noch den allerletzten Volontär, der jemals 14 Tage im Gesundheitsressort zu Gast gewesen ist) und der Prüfbehandlung war kein Unterschied. Wenn zwei Dinge einem dritten gleich sind, dann sind sie untereinander gleich, weiß die Logik seit Aristoteles. Kapuzinerkressenkraut+Meerrettich sind sinnlos, überflüssig.

Die Studie ist nicht Arzneimittelforschung, sondern Marketing. Lonicerus, bitte mehr Sorgfalt bei der Auswahl der Quellen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Sauropode am 08. Oktober 2015, 20:48:40
Also pelacani, ich weiß gar nicht, was Du hast. Eine ordentliche Ladung Senföle in Form von Wasabi und die Nase ist frei.  Wohingegen Capsaicin die enterale Entgiftung beschleunigt.  8)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 20:50:12
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 20:32:37
Die Notwendigkeit einer Antibiotika-Therapie war ein Ausschlusskriterium, die Kontrollbedingung eine ,,Standard-Antibiotika-Therapie", die aber somit per definitionem mindestens zweifelhaft, im Regelfall aber überflüssig gewesen sein muss (was mag das für ein eigentümlicher ,,Standard" sein).
Stellen Sie sich nicht dümmer als Sie tatsächlich sind. Sie wissen genau, dass es hier um rechtliche Aspekte geht und um nichts anderes.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 08. Oktober 2015, 20:50:22
ZitatKreisdreherei

Ich sehe für meinen (geringen) Part keinen Grund zur Klage. Bislang habe ich einen einzigen konkreten Kritikpunkt wahrgenommen und der bezog sich auf die Klassifizierung der *Lehre* als "Pseudomedizin". Ich habe nach meinem Dafürhalten aus der Lehre selbst begründet gezeigt, warum man diese Klassifizierung aufrecht erhalten kann (nach mir derzeit vorliegender Beleglage).

Alles andere empfand ich bisher als unkonkretes Genöle. Ich schlage erneut vor (nachdem die Klassifizierungsfrage der Lehre meiner Ansicht nach geklärt ist), Formulierungsvorschläge anzugeben (ich habe immer noch nicht wieder in den Artikel geschaut, weil es mir bislang nicht erforderlich vorkam).
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 20:53:28
Selbst gemäß Ihrer Logik ist der Artikel dann aber falsch.  :P
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 21:07:15
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 20:50:12
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 20:32:37
Die Notwendigkeit einer Antibiotika-Therapie war ein Ausschlusskriterium, die Kontrollbedingung eine ,,Standard-Antibiotika-Therapie", die aber somit per definitionem mindestens zweifelhaft, im Regelfall aber überflüssig gewesen sein muss (was mag das für ein eigentümlicher ,,Standard" sein).
Stellen Sie sich nicht dümmer als Sie tatsächlich sind. Sie wissen genau, dass es hier um rechtliche Aspekte geht und um nichts anderes.
Oh. Das hatte ich bisher nicht bemerkt. Ich hatte bisher ganz naiv angenommen, es gehe hier um "antivirale/antibakterielle/fungizide Wirkungen" usw.

Aber ich habe noch weiteren Aufklärungsbedarf. Das Arzneimittelprüfrecht schreibt also vor, Schnupfen mit Antibiotika zu behandeln, damit die kleine Kapuzinerkresse und der arme Meerrettich eine Chance kriegen?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Conina am 08. Oktober 2015, 21:10:05
Arzneitees wird es schon noch eine Weile geben, die helfen auch und sind Phytopharmaka.

Der Kaffee wurde bisher nicht durch Koffeintabletten ersetzt.

Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 21:13:59
Zitat von: Conina am 08. Oktober 2015, 21:10:05
Arzneitees wird es schon noch eine Weile geben, die helfen auch und sind Phytopharmaka.

Der Kaffee wurde bisher nicht durch Koffeintabletten ersetzt.

Da bin ich der Letzte, der was dagegen hat. Und ich bin natürlich auch nicht gegen Werther's Echte.

Ich entsinne mich einer Pharma-Vorlesung in grauer Vorzeit. Der Prof meinte, es wäre eine Katastrophe, wenn die Leute das alles schlucken würden, was wir ihnen so verschreiben.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Sauropode am 08. Oktober 2015, 21:15:59
Zitat von: Conina am 08. Oktober 2015, 21:10:05
Arzneitees wird es schon noch eine Weile geben, die helfen auch und sind Phytopharmaka.

Der Kaffee wurde bisher nicht durch Koffeintabletten ersetzt.

Arzneien sollen doch nicht schmecken und sind keine Lebensmittel. Und anders herum esse ich keinen Schimmel anstatt Penizilin zu nehmen, oder koche keine Weidenrinde aus, wenn es ASS gibt.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Conina am 08. Oktober 2015, 21:16:45
Die hilft aber nicht gegen Blähungen und Krämpfe wie Fenchel-Anis-Kümmel-Tee.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:16:59
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 21:07:15
Das Arzneimittelprüfrecht schreibt also vor, Schnupfen mit Antibiotika zu behandeln, damit die kleine Kapuzinerkresse und der arme Meerrettich eine Chance kriegen?
Es ist die Große Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus).
Und, Entschuldigung, auf diesem Niveau machen Diskussionen keinen Sinn. Den Artikel bringt es auch nicht voran.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 21:19:57
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:16:59
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 21:07:15
Das Arzneimittelprüfrecht schreibt also vor, Schnupfen mit Antibiotika zu behandeln, damit die kleine Kapuzinerkresse und der arme Meerrettich eine Chance kriegen?
Es ist die Große Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus).
Und, Entschuldigung, auf diesem Niveau machen Diskussionen keinen Sinn. Den Artikel bringt es auch nicht voran.
Ich korrigiere mich wie folgt: Damit große Kapuzinerkresse und der kleine Meerrettich eine Chance kriegen?

Das war immerhin ein Studiendesign, bei dem die Prüfsubstanz nicht verlieren kann. Ich harre weiter meiner Aufklärung, was die rechtlichen Aspekte damit zu tun haben.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:23:45
Sie verstehen das Abstract genau, interpretieren es hier aber vorsätzlich falsch, um Krawall zu erzeugen. Das mag so Ihre Art sein, ist aber einer sachlichen Diskussion nicht zuträglich. Und es bringt den Artikel in Eurem Wiki nicht weiter.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 21:26:33
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:23:45
Sie verstehen das Abstract genau
Danke für die Blumen.

Zitat, interpretieren es hier aber vorsätzlich falsch, um Krawall zu erzeugen.
Da darf ich mal wieder  :gaehn: um einen Beleg bitten.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:29:12
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nicht über jedes Stöckchen hüpfe, das Sie mir hinhalten. Bleiben Sie bei der Sache oder die Diskussion ist von meiner Seite beendet.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 21:34:07
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:29:12
Bleiben Sie bei der Sache oder die Diskussion ist von meiner Seite beendet.

Jawollherrmajor. Zufeel, Link hinnehmen und Hacken zusammenknalln!
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 08. Oktober 2015, 21:41:45
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:29:12
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nicht über jedes Stöckchen hüpfe, das Sie mir hinhalten.
Ach, noch etwas. Hier muss ich nicht mich, sondern leider Sie korrigieren. Es ist Ihr Stöckchen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Groucho am 08. Oktober 2015, 22:00:06
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 21:29:12
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nicht über jedes Stöckchen hüpfe, das Sie mir hinhalten. Bleiben Sie bei der Sache oder die Diskussion ist von meiner Seite beendet.

Mit Verlaub, Sie haben z.B. Folgendes geschrieben:

ZitatEine Kombination aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel hilft gleichermaßen gegen Viren, Bakterien und Pilzen, ohne dass bislang Resistenzen beobachtet werden konnten.

Und sagen damit mehr oder weniger, Virostatika, Antimykotika und Antibiotika könnten damit ersetzt werden. Und auch noch nebenwirkungsfrei.

Sowas ist bestenfalls Marketinggeschwätz, wenn Sie halbwegs vom Fach sind, wissen Sie das selber. Dann fängt man halt etwas zu bohren an, was ist daran so unverständlich?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 22:36:47
Zitat von: Groucho am 08. Oktober 2015, 22:00:06
sagen damit mehr oder weniger, Virostatika, Antimykotika und Antibiotika könnten damit ersetzt werden. Und auch noch nebenwirkungsfrei.
Niemand behauptet, damit wären alle Viren, Bakterien und Pilze zu bekämpfen. Die Kombination hat aber ein recht breites Wirkspektrum. Und niemand behauptet, das wäre nebenwirkungsfrei.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Groucho am 08. Oktober 2015, 23:11:47
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 22:36:47
Zitat von: Groucho am 08. Oktober 2015, 22:00:06
sagen damit mehr oder weniger, Virostatika, Antimykotika und Antibiotika könnten damit ersetzt werden. Und auch noch nebenwirkungsfrei.
Niemand behauptet, damit wären alle Viren, Bakterien und Pilze zu bekämpfen. Die Kombination hat aber ein recht breites Wirkspektrum. Und niemand behauptet, das wäre nebenwirkungsfrei.

Mit nebenwirkungsfrei habe ich Resistenzbildung gemeint. War missverständlich, Verzeihung.

So. Und niemand behauptet, Virostatika, Antimykotika und Antibiotika würden alle Viren, Pilze und Bakterien bekämpfen können. Das ist etwas wenig konkret. Was ist jetzt das Positive an einem breiten Wirkspektrum? Es ist doch im Gegenteil so, dass genau breitbandige Mittel problematisch sind, und die Kunst der Pharmakologie die möglichst zielgerichtete Wirkung? Will ich alles vernichten, sind wir auf der Ebene von Chlorbleiche.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 00:04:05
Zitat von: Groucho am 08. Oktober 2015, 23:11:47
Was ist jetzt das Positive an einem breiten Wirkspektrum? Es ist doch im Gegenteil so, dass genau breitbandige Mittel problematisch sind, und die Kunst der Pharmakologie die möglichst zielgerichtete Wirkung?
Dann haben wir aber auch bei sehr vielen Reinstoffen ein ziemlich großes Problem und nicht nur bei Phytopharmaka. ;)
Ich verstehe ja grundsätzlich die Angst vor Vielstoffgemischen und ich kenne auch die Meinung, das seien nur verunreinigte Chemikalien.
Was ich aber nicht nachvollziehen kann, das ist die fast schon dogmatische Ablehnung.

Was für Stoffe nutzen wir denn da überhaupt? Es sind Abwehrstoffe, ergo Pflanzengifte, die gegen Fraßfeinde, Viren, Bakterien und Pilze "entwickelt" wurden, weil eine Pflanze schlicht nicht weglaufen kann. Auch in der Pflanze wirken diese sekundären Inhaltsstoffe im Verbund. Isoliere ich nun den wichtigsten Inhaltsstoff, so öffne ich das Tor für Resistenzen, die beim Vielstoffgemisch evtl. nicht so schnell oder gar nicht auftreten würden. Artemisinin wäre das hier im Thread bereits erwähnte Beispiel.

Nun kann man das alles natürlich als Hokuspokus bezeichnen, nur wäre da eine valide Quelle zur Untermauerung einer solchen Behauptung dann auch mal ganz schön.  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 06:52:01
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 00:04:05Was für Stoffe nutzen wir denn da überhaupt? Es sind Abwehrstoffe, ergo Pflanzengifte, die gegen Fraßfeinde, Viren, Bakterien und Pilze "entwickelt" wurden, weil eine Pflanze schlicht nicht weglaufen kann. Auch in der Pflanze wirken diese sekundären Inhaltsstoffe im Verbund. Isoliere ich nun den wichtigsten Inhaltsstoff, so öffne ich das Tor für Resistenzen, die beim Vielstoffgemisch evtl. nicht so schnell oder gar nicht auftreten würden.
Gut, nächste Runde. Kaum ist die Frage gestellt,
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 14:24:57
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 12:44:32
Wir müssen hier natürlich auch scharf zwischen Phytopharmaka und biogenen Arzneistoffen trennen und nicht nur zwischen traditioneller Pflanzenheilkunde und der rationalen Phytotherapie.
Warum sollten wir das trennen müssen? Sind Stoffgemische ein Wert an sich [...]?
kommt schon ein halbes hundert Posts später die Antwort: Ja.
Auf den ersten Blick klingt sie, so formuliert, vernünftig. Aber leisten wir uns einen zweiten:
Die Phytotherapie sollte dann vernünftigerweise ausschließlich gegen erregerbedingte Erkrankungen eingesetzt werden. Von einer solchen Selbstbeschränkung ist aber außerhalb dieses Threads hier nichts zu spüren. Besonders heimtückisch finde ich ja die Strategie des Johanniskrauts, den Fressfeind von Depressionen zu befreien.
Warum nehmen Sie sich eigentlich keine richtigen, gefährlichen Erkrankungen zur Brust? Da gibt es genügend Auswahl, wirklich.
Warum sind sie dann eigentlich so gegen die Juckbohne? Die Herkunft aus der Ayurveda-,,Medizin" ist doch vollkommen unwichtig. Sie hatten es angedeutet: Diese Pflanze ist eben doch nicht so optimiert.
Warum ist dieser suffiziente Ansatz im 19. Jahrhundert verlassen worden? Gilt es jetzt, altes Wissen ™ wieder zu entdecken?
Und ist es dann nicht doch erforderlich, auf diesen Aspekt
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 17:13:03Wenn das so wäre, dass die Pflanze ganzheitlich denkt, dann wäre es doch unausweichlich, sich nicht auf diesem Umstand auszuruhen, sondern sich darum zu bemühen, die Vektoren zu identifizieren, die die Bioverfügbarkeit des Artemisins erhöhen. Und alsbald wird aus der Phytotherapie ein biogenes Arzneimittel, und die Phytotherapie sui generis wird überflüssig.
eine Antwort zu geben, die mehr Inhalt hat als ein hoheitsvolles Schweigen?

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 00:04:05Artemisinin wäre das hier im Thread bereits erwähnte Beispiel.
Der Nobelpreis wurde nicht für die Verfütterung von Einjährigem Beifuß vergeben. Dafür hätte es höchstens den Nobelpreis für Proto-Medizin gegeben. Und Pflanzen kriegen keine Malaria.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 00:04:05Ich verstehe ja grundsätzlich die Angst vor Vielstoffgemischen und ich kenne auch die Meinung, das seien nur verunreinigte Chemikalien.
Was ich aber nicht nachvollziehen kann, das ist die fast schon dogmatische Ablehnung.
Hier haben  Sie sich glüclich aus dem morastigen Grund der empirisch belegbaren Tatsachen gerettet.
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 21:26:28Wenn Sie wolkig bleiben, haben Sie's leichter mit mir.  8)

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 00:04:05Was ich aber Nun kann man das alles natürlich als Hokuspokus bezeichnen, nur wäre da eine valide Quelle zur Untermauerung einer solchen Behauptung dann auch mal ganz schön.  ;)
Das nennt man Umkehr der Beweislast. Unsere Behauptung ist, dass die Phytotherapie eine offene Flanke zur Paramedizin hat, und die ist nun wirklich simpel zu belegen. Soll ich?

Wissen Sie, und ich bin in meiner Übernachhaltigkeit immer noch nicht fertig damit:
Zitat von: Lonicerus am 08. Oktober 2015, 20:50:12Sie wissen genau, dass es hier um rechtliche Aspekte geht und um nichts anderes.
Je länger ich darüber nachdenke, um so verrückter wird es. Es wäre ethisch völlig gerechtfertigt und vor allem geboten gewesen, gegen Placebo zu prüfen. Die Zulassungsbehörden bestehen häufig sogar dann auf Placebokontrollen, wenn es bereits wirksame Behandlungen gibt. Da ergibt sich immer ein Spannungsfeld, und der Informationsgewinn für den Kliniker ist begrenzt: solange es keinen direkten Über-Kreuz-Vergleich gibt, weiß man nicht, ob der neue Wirkstoff besser ist als die alten.

Übrigens habe ich am Ende des Textes keinen Hinweis auf Interessenkonflikte finden können. Aber das zu verlangen wäre vielleicht sogar kleinlich, denn der Erstautor ist von ,,Repha GmbH, Biologische Arzneimittel, Langenhagen".
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 11:06:54
Und wir drehen uns weiter im Kreis... Witzig ist, dass wohl keiner der Diskutanten den Artikel bislang überhaupt gelesen hat.

Gehen wir doch mal ein paar offensichtliche Fehler an. Da steht bspw.
ZitatEinige der heute bekanntesten Medikamente sind pflanzlichen Ursprungs, wie z.B. Salicylsäure aus Weidenrinde (Salix spec.)
und
Zitatder Wirkstoff wird aus einem pflanzlichen Grundstoff teilsynthetisiert (z.B. Acetylsalicylsäure aus Salicylsäure)
Falsch. Weidenrinde enthält keine Salicylsäure und ASS wird auch nicht daraus teilsynthetisiert.
Interessant finde ich die Nennung von Digitalis, denn das spielt heute so gut wie überhaupt keine Rolle mehr:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57754

Bereits in der Einleitung findet sich dieser Hauer:
ZitatIm Gegensatz zur Homöopathie werden in der Phytotherapie tatsächlich vorhandene pharmakologische Wirkstoffe der Pflanzen verwendet.
Ich will nun beim besten Willen nicht die Homöopathie verteidigen, aber es gibt nun mal leider auch Homöopathika, in denen noch ein Wirkstoff vorhanden ist.
Siehe dazu Euer eigenes Wiki:
https://www.psiram.com/ge/index.php/Hom%C3%B6opathie#Nebenwirkungen_bei_Niedrigpotenzen

Dass ich die Gleichstellung Phytotherapie = Pflanzenheilkunde problematisch finde (erster Satz im Artikel), das habe ich bereits gesagt.
Im "Lehrbuch Phytotherapie" von Prof. Heinz Schilcher wird - wie an anderer Stelle auch - die Phytotherapie deutlich von Ayurveda, TCM, Anthroposophie usw. und auch explizit von der Alternativmedizin insgesamt abgetrennt.

Der zweite Satz der Einleitung
ZitatDie dabei verwendeten Pflanzen enthalten pharmakologisch wirksame Inhaltsstoffe
widerspricht im Grunde dem ersten und noch mehr einigen Sätzen im weiteren Verlauf. Was nun? Wirksam oder nicht? Ihr müsst Euch schon entscheiden, wenn Ihr Pauschalaussagen macht...

Historie:
ZitatDa man aber keine Kenntnisse über Anatomie, Physiologie und Biochemie des Menschen hatte, spielten hier auch viele magische Vorstellungen eine Rolle, z.B. das Ähnlichkeitsprinzip oder die Signaturenlehre, bei dem ähnliche Eigenschaften einer Pflanze ähnliche Symptome beim Menschen heilen sollte. Beispiele hierfür sind das Essen roter Früchte bei Blutarmut.
Signaturenlehre ist vor allem Paracelsus (16. Jh.) und Steiner (Anthroposophie). Grundlage der Medizin seit den alten Griechen war aber die Humoralpathologie, wie sie von Galen und später Avicenna systematisiert wurde. Das ist eine Säftelehre und keine Signaturenlehre. Ich würde die Säftelehre auch durchaus als etwas rationaleren Ansatz bezeichnen, denn immerhin geht es hier nicht nur um Äußerlichkeiten, sondern um tatsächliche Vorgänge im Körper.
ZitatBesondere Bedeutung hatten Heilpflanzen in der Klostermedizin, bei der spezielle Heilpflanzengärten angelegt wurden.
Das ist ein verbreitetes Klischee, Heilpflanzen spielten neben anderen Naturstoffen aber wohl schon in der gesamten Menschheitsgeschichte eine Rolle.
Wer einen Blick in Hidegards "Physica" wirft, der wird dort auch viele andere Stoffe finden, darunter Tiere und Steine.
Richtig ist natürlich, dass Karl der Große den Anbau bestimmter Kräuter in seinen Gütern (oftmals Klöster) anordnete und somit eine Art Gesundheitssystem einführte.
Deshalb sprechen wir da von der Epoche der Klostermedizin.

Zitatindem man standardisierte Präparate herstellt, was allerdings nicht immer möglich ist, wie z.B. bei Tees.
Warum kann man bei einem Tee keine Drogen mit definiertem Wirkstoffgehalt verwenden? Drogen in geprüfter Qualität sind lose in jeder Apotheke erhältlich. Auch die großen Teehersteller achten auf die enthaltenen Wirkstoffe, insb. für Arzneitees.

ZitatAndere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.
Also Pfeffer würde ich beim besten Willen nicht als wirkungslos bezeichnen und Kaffeekohle findet durchaus noch Verwendung. Beim Tee ist sicherlich nicht das letzte Wort gesprochen, Grüner Tee wird weltweit erforscht und Schwarzer Tee ist bspw. äußerlich bei Sonnenbrand verwendbar (Gerbstoffe). So pauschal ausschließen sollte man diese Drogen also nicht in einem Artikel mit wissenschaftlichem Anspruch.

ZitatEin besonderer Trend ist die Vermarktung von Präparaten fremdländischer Arten mit unbewiesenen Behauptungen über deren Wirkung, wie beispielsweise Echinacea (Heimat Nordamerika), Galgant (Heimat Südchina), Ginkgo biloba (Heimat China), Afrikanische Teufelskralle (Heimat südliches Afrika, Namibia), Maca (Heimat peruanische Anden), Kava Kava (Anbau vor allem auf den pazifischen Inseln), Umckaloabo (Herkunft Südafrika) und viele mehr.
So neu ist der Trend nicht, denn bspw. Galgant wird hier schon seit Jahrtausenden eingesetzt, ebenso weitere Ingwergewächse wie der Ingwer selbst oder Zitwer. Diese Pflanzen kannten schon die Römer und sie spielten neben dem Pfeffer eine sehr große Rolle im "Lorscher Arzneibuch" (8. Jh.) und bei Hildegard (12. Jh.).
https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/files/5396/mersidiss.pdf.pdf

Bei den anderen Pflanzen muss man genauer hinsehen. Bei Echinacea werden verschiedene Arten und Organe verwendet, meist als Nahrungsergänzungsmittel. Das HMPC hat vier Monographien zu Echinacea-Drogen veröffentlicht, wobei für das Kraut von Echinacea purpurea durchaus eine Wirksamkeit belegt ist:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2015/04/WC500185437.pdf
Beim Ginkgo sieht es ähnlich aus:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2015/04/WC500185243.pdf
Die Teufelskralle kann da nicht ganz mithalten:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Community_herbal_monograph/2010/01/WC500059018.pdf
Interessant ist, dass Ihr zwar Kava-Kava und die Kapland-Pelargonie aufzählt, dann aber nicht darauf verweist, dass es da jüngst durchaus etwas Wirbel gab:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57322
http://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=3011

Fazit:
In dem Artikel findet sich viel ungenaues, falsches und unbelegtes Geschwurbel. Der Begriff Phytotherapie wird nicht genau beschrieben und definiert, was eigentlich die Kernaufgabe eines Artikels in einer Enzyklopädie wäre. Der Begriff wird auch nicht sauber abgetrennt, sondern synonym zu traditioneller Pflanzenheilkunde, zu biogenen Arzneistoffen und teils sogar zu synthetischen Arzneistoffen verwendet. Eine deutliche Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln findet nicht statt, auch auf die rechtlichen Grundlagen wird nicht eingegangen.
Bei Wikipedia könnte man da wegen groben Unfungs einen Löschantrag stellen oder zumindest ein paar Wartungsbausteine setzen (Neutralität, Belege, Theoriefindung).
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 12:07:31
So konkret habe ich mir eine ,,Unzufriedenheit mit einem Psiram-Artikel" immer vorgestellt! Das erlebt man hier eher selten. Da haben Sie ja geradezu meinen Dank (meine ich ernst).

Ich werde mich hüten, mich zu Details zu äußern, die ich nicht überblicke, aber einige Randbemerkungen erlaube ich mir.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 11:06:54Interessant finde ich die Nennung von Digitalis, denn das spielt heute so gut wie überhaupt keine Rolle mehr:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=57754
Digitalis ist einer der Klassiker schlechthin. Außerdem gibt es Digitoxin weiterhin. Die Nennung ist gerechtfertigt.

In der Monografie für Ginko heißt es:
ZitatWell-established use
Herbal medicinal product for the improvement of (age-associated) cognitive impairment and of quality of life in mild dementia.
Nein, das ist weit irreführender als unser gesamter Wiki-Artikel. Man muss schon unter ,,well established" etwas grundsätzlich anderes verstehen als ,,Wirkung klinisch sicher nachgewiesen", um diesen Satz zu akzeptieren, der im Übrigen der einzige aus der Monografie ist, der irgendwas zur Indikation sagt. 

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 11:06:54
Historie:
Ihre Anmerkungen mit der Humoralpathologie sind mindestens ebenso verkürzt wie der kritisierte Abschnitt. 3000 Jahre lassen sich schlicht nicht in zwei Sätzen zusammenfassen. Wenn es Beispiele für Signaturenlehre gibt, sollte man das drin lassen. (Das wäre aber kein Gebiet, auf dem ich sattelfest bin)

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 11:06:54
ZitatAndere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.
Also Pfeffer würde ich beim besten Willen nicht als wirkungslos bezeichnen [...]
Das mag richtig sein. Auf die Wirkung von Wasabi ist ja auch schon hingewiesen worden. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie therapeutische Wirkungen meinen. Falls ja, dann sollte Ihre Entgegnung nicht solche Floskeln enthalten wie ,,wird verwendet für" oder ,,gilt als erfolgreich bei" oder ,,langjährige Erfahrung" ..., na Sie wissen schon.
Übrigens sagen Sie selbst ein paar Zeilen später:
ZitatDiese Pflanzen kannten schon die Römer und sie spielten neben dem Pfeffer eine sehr große Rolle im "Lorscher Arzneibuch" (8. Jh.) und bei Hildegard (12. Jh.).
Meine oberflächliche Kenntnis der heutigen Medizin sagt mir, dass Pfeffer in der Therapie von Erkrankungen heute keine große Rolle mehr spielt.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 11:06:54
ZitatEin besonderer Trend ist die Vermarktung von Präparaten fremdländischer Arten mit unbewiesenen Behauptungen über deren Wirkung, wie beispielsweise Echinacea (Heimat Nordamerika), Galgant (Heimat Südchina), Ginkgo biloba (Heimat China), Afrikanische Teufelskralle (Heimat südliches Afrika, Namibia), Maca (Heimat peruanische Anden), Kava Kava (Anbau vor allem auf den pazifischen Inseln), Umckaloabo (Herkunft Südafrika) und viele mehr.
So neu ist der Trend nicht, ...
Das ist dann wohl eher eine Ergänzung als ein Widerspruch. Sicher willkommen, sofern es nachprüfbar ist.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 12:14:56
Übrigens ist das Ginko-Beispiel eine schöne lllustration für unser Grundproblem, das auch im letzten Ihrer Posts erwähnt ist.
Zitat von: Pelacani am 07. Oktober 2015, 14:24:57
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 12:44:32
Wir müssen hier natürlich auch scharf zwischen Phytopharmaka und biogenen Arzneistoffen trennen und nicht nur zwischen traditioneller Pflanzenheilkunde und der rationalen Phytotherapie.
Warum sollten wir das trennen müssen? Sind Stoffgemische ein Wert an sich, an den andere klinische Maßstäbe anzulegen sind als an isolierte Wirkstoffe?
Hier wird von der seriösen Phytotherapie ein anderer klinischer Maßstab beansprucht, als er für andere Antidementiva gilt. Was nützen da alle Lehrbuch-Definitionen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Es steht mir nicht zu, die Entscheidung der EMA in Frage zu stellen. Diese hat eine Wirkung als erwiesen erachtet. Ich bin kein großer Fan von Ginkgo, weil ich die Ginkgolsäure problematisch finde. In einem Artikel mit wissenschaftlichem Anspruch sollte man vielleicht von einer umstrittenen Wirkung sprechen. Laien sollte man auf jeden Fall davor warnen, sich selbst einen Tee aus den Blättern zu kochen.

Wenn Sie ersnthaft bezweifeln, dass in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit die Humoralpathologie in unserem Kulturkreis die vorherrschende Medizintheorie war, dann würde ich Ihnen dringend zur Lektüre eines Buches über Medizingeschichte raten.
Für den Anfang: http://www.uni-leipzig.de/~helium/Querdenker/Referate2013/Humoralpathologie.pdf

Digitalis spielt in der Praxis allenfalls noch als Reseve eine Rolle.

Bzgl. Pfeffer verweise ich mal kommentarlos auf das hier:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=58185
Und wenn wir schon bei Gewürzen sind auch auf das:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=60174
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: duester am 09. Oktober 2015, 13:20:57
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Es steht mir nicht zu, die Entscheidung der EMA in Frage zu stellen.

Das ist jetzt schon ein bißchen selektiv: Die EMA hat so entschieden, wie es mir gefällt - deswegen ist diese Entscheidung nicht anzuzweifeln?

Die Geschichte der Arzneimittelzulassung strotzt nur so vor politischer Inkompetenz (schön daran zu erkennen, dass dem Tendenzschutz in den ersten Fassungen des zweiten AMG ein so großer Stellenwert beigemessen wurde). Die EMA selbst wurde ursprünglich geschaffen, um den gemeinsamen Binnenmarkt auch für Arzneimittel in der EU zu unterstützen. Da ging es mitnichten um stringente Wirksamkeitnachweise. Im Zusammenhang mit Oseltamivir wurde deutlich, wie schwach die Evidenzgrundlage der EMA im Vergleich zu der der FDA ist (http://www.aerzteblatt.de/archiv/134207/Tamiflu-Eine-unendliche-Geschichte-um-Datentransparenz).

Also warum sollte man eine Entscheidung dieser Institution nicht kritisch diskutieren? Genauso gut könnte man sagen "Das BGA hat 1982 festgestellt, dass der Zusammenhang zwischen Blutspenden und HIV-Infektionen noch nicht eindeutig bewiesen ist. Es steht mir nicht zu, die Entscheidung des BGA in Frage zu stellen."
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 13:22:29
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41Es steht mir nicht zu, die Entscheidung der EMA in Frage zu stellen.
Ich würde das einmal umformulieren: Sie sehen keinen Grund, diese Entscheidung der EMA zu korrigieren.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Wenn Sie ersnthaft bezweifeln, dass in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit die Humoralpathologie in unserem Kulturkreis die vorherrschende Medizintheorie war
Da haben Sie mich missverstanden; danke für den Literaturhinweis. Da ist gar kein Dissens; oder zumindest nicht da, wo Sie ihn vermuten. Ich bezweifle, dass wegen der Humoralpathologie die Signaturenlehre nicht erwähnt werden sollte und dass sie bzw. ihre Anverwandten wg. der Säftelehre keine Rolle gespielt haben. Das war ein Denkprinzip im Mittelalter, weit über die Medizin hinaus.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Digitalis spielt in der Praxis allenfalls noch als Reseve eine Rolle.
Auch da ist kein Dissens.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Bzgl. Pfeffer verweise ich mal kommentarlos auf das hier:
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=58185
Schade, nun haben Sie doch nicht auf die nichtssagenden Floskeln, die nicht einmal die geringsten Spuren empirischer Belege enthalten, verzichten können:
ZitatDie kugeligen Früchte des mehrere Meter hohen Strauches wurden lange als Hausmittel bei Kopfschmerzen, Atemwegs- oder Harnwegserkrankungen empfohlen
Solche Sätze sind zu tief verankert in der Denkweise der Phytotherapie, als dass ich Lehrbuch-Definitionen ernst nehmen würde.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 13:53:33
Dass die Evidenz beim Kümmel deutlich besser ist als beim Kubebenpfeffer, ist mir durchaus bewusst. Es ging auch eher um die pauschale Aussage Eures Artikels, dass als Gewürze verwendete Pflanzen in der Medizin grundsätzlich keine Rolle mehr spielen würden bzw. gar komplett wirkungslos wären. Mit den Begründungen zur Heilpflanze des Jahres bin ich regelmäßig nicht besonders glücklich, ich habe es auch explizit kommentarlos verlinkt. Ich teile die im verlinkten Artikel gemachten Aussagen also nicht unbedingt. Bei der Arzneipflanze des Jahres sieht das etwas anders aus.
Ein schönes Beispiel für ein Gewürz, das auch in der heutigen Medizin noch eine ziemliche Rolle spielt, ist der Ingwer. Dazu hatte ich ja eine Dissertation verlinkt, in der die Geschichte der Pflanze sowie die des Galgants untersucht wurden.

Zur Humoralpathologie bzw. Signaturenlehre:
Die Signaturenlehre wurde, wie bereits erwähnt, erst im 16. Jh. systematisiert (u.a. von Paracelsus). Davor gab es sie eher unterschwellig und vermutlich auch schon länger als die Elementenlehre. Diese wiederum gab es prototypisch bereits bei den Ägyptern, aber wirklich entwickelt wurde sie von den griechischen Naturphilosophen. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, man hätte im Mittelalter Pflanzen nach der Signaturenlehre verwendet. Wenn es gepasst hat, dann wurde das gerne genommen (u.a. bei Johanniskraut), ansonsten hielt man sich an die Qualitäten wärmend oder kühlend sowie trocknend oder befeuchtend und unterteilte das jeweils in mehrere Grade. Damit wollte man ein Ungleichgewicht der vier Säfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle korrigieren. Heilpflanzen waren hierbei die zweite Stufe nach der Diätetik, danach kam die Chirurgie. Von Hippokrates ist ähnlich überliefert: "Erst das Wort, dann die Pflanze, dann das Messer." Chirurgie bzw. Messer beziehen sich hier übrigens nicht zuletzt auch auf den Aderlass, der immer wieder als Horrorgespenst herumgeistert, wenn man etwas über die Medizin im Mittelalter sagen möchte. Vermutlich wurde der Aderlass in der (frühen) Neuzeit weit häufiger angewendet als im Mittelalter oder der Antike. Essentiell ist aber die Diätetik: Rund die Hälfte der erhaltenen Schriften befasst sich mit Prävention und nicht mit Therapie. Man versuchte ales, um erst gar nicht krank zu werden. Das hat sich geändert, seit dem wir eine gesetzliche Krankenversicherung und die damit verbundene Vollkasko-Mentalität haben.

ps:
Beim Kümmel hatte ich den falschen Artikel verlinkt, in der DAZ ist es etwas ausführlicher.
http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2015/10/09/kuemmel-ist-arzneipflanze-2016/16897.html
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 09. Oktober 2015, 14:50:22
Nun habe ich den betroffenen Wiki-Artikel (https://www.psiram.com/ge/index.php/Phytotherapie) [psiram-wiki, Phytotherapie] auch mal wieder gelesen und festgestellt, dass meine Erinnerung an ihn so schlecht gar nicht war. Die Motivation zum Hineinschauen war der obige Post mit konkreten Kritikpunkten (http://forum.psiram.com/index.php?topic=14538.msg190480#msg190480) - sehr guter Kritikansatz, unabhängig davon, ob man die Kritik teilt oder nicht (wie Pelacani auch wünschte ich mir, in dieser Forum-Rubrik würde dergleichen Substantielles häufiger vorkommen).

Zu den angeführten Detail-Kritikpunkten habe ich keine besondere Meinung, möglicherweise bieten sie dem Wiki-Team einen Anlass zur Schärfung/Verbesserung.

Seinerzeit (2013 ungefähr hatte ich in den Artikel mal reingeschaut) hatte ich keine besonderen Vorbehalte gegen Aufbau und Inhalt (von irrelevanten Kleinigkeiten abgesehen wie in jedem anderen beliebigen Artikel auch). Wie üblich ein bißchen schlecht bequellt im allgemeinen Korpus.

Im Licht der aktuellen Diskussion betrachtet bin ich mir allerdings nicht mehr sicher, ob die "psiram-typische" Perspektive (was auch immer das sein mag) beim Artikel gut/gut genug verwirklicht ist. Man spürt bei der Durchsicht den Ansatz, den die Autoren verfolgten - einerseits die wertvollen Aspekte der "naturheilkundlichen" Medikationen bewahren, andererseits die Gefahren für Verbraucher durch das Versinken im "komplementär/alternativen Heil-" Bereich deutlich ansprechen. In gewisser Hinsicht kommt dabei tatsächlich die "komplementäre" "Therapie"form "Phytotherapie" in der heute existierenden Form sowohl zu gut als auch zu unklar weg. Wenn man bei Wikipedia den entsprechenden Eintrag betrachtet (https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenheilkunde), versteht man auch sofort das Problem (das auch im hiesigen thread auftaucht) - unter "Phytotherapie" schwingt viel zu viel an unübersichtlichem Schund mit (TCM, Ayurveda-Schnickschnack, Wellness.....). Wenn man an eine Verbesserung des Artikels herangehen sollte, empfehle ich eine grundsätzliche begriffliche und kategorielle Schärfung. (Zum Beispiel ist "Pflanzenheilkunde" meiner Ansicht nach etwas anderes als das ideologische Konstrukt "Phytotherapie")

Eine Anmerkung hätte auch verdient, dass auch und gerade (witzigerweise) die "rationale PhyTh" eine rein ideologische Grundlage hat, die unter dem Geblubber von "strikter naturwissenschaftlicher Orientierung" versteckt wird.

Ein verbraucherorientierter Tip könnte es auch sein, darauf hinzuweisen, dass die vielen bekannten, erprobten und völlig unstrittigen Naturheilmittel auch nur und nichts weiter als normale zugelassene Medikamente sind, die bei bestimmten Indikationen sowohl aus preislichen als auch medizinischen Gründen vorzuziehen sind - und man als Patient jeden beliebigen Arzt auch auf diese Präferenz hinweisen sollte. Man braucht doch für normale Medikamente nicht zu irgendeinem Fachmannfrau für Schwurbelistik zu gehen, wenn die Verschreibung auch durch den normalen Arzt erfolgen kann.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 15:32:57
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 13:53:33
Dass die Evidenz beim Kümmel deutlich besser ist als beim Kubebenpfeffer ...  ich habe es auch explizit kommentarlos verlinkt.
In aller Unschuld: Sie haben selber Ihr Stöckchen so weit oben eingesteckt, dass Sie es nicht mehr geschafft haben, drüber zu springen. Ich erlebe es öfter, mit Links überschüttet zu werden, und hinterher will es keiner gewesen sein.

Die selbe Frage noch einmal anders formuliert: wir hatten ja eben das Beispiel Ginko. Da wird von der EMA eine Indikation genannt, ,,altersabhängige kognitive Störung" (bei flüchtigem Lesen würde man das für eine Demenz halten, aber das ist es eben nicht - mehr Details würden hier zu weit führen); und zwar als einzige. Der Einsatz bei z. B. Tinnitus ist also nicht durch diese Monografie abgedeckt. Ist Ihnen ein Statement irgend eines Phytotherapeuten gleich welcher Couleur erinnerlich, der sich jemals gegen die Anwendung von Ginko bei Tinnitus ausgesprochen hätte [tinnitus + ginkgo 299.000 Ergebnisse bei Google, Stand vor 3 min]? Das würde mich beeindrucken; und zwar viel mehr als eine Definition in einem Lehrbuch.


Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 13:53:33
Signaturlehre
Klingt im Prinzip vernünftig, Zwar stecke ich nicht tief genug drin, um wirklich eine tragfähige bessere Formel zu finden, aber dennoch Dankeschön.

Aber dies hier:
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 13:53:33Das hat sich geändert, seit dem wir eine gesetzliche Krankenversicherung und die damit verbundene Vollkasko-Mentalität haben.
ist ideologielastiger Unsinn. Die führende Nation in der medizinischen Forschung sind die USA, wo man alles andere als eine Vollkasko-Mentalität hat.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Groucho am 09. Oktober 2015, 15:49:10
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 15:32:57
Aber dies hier:
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 13:53:33Das hat sich geändert, seit dem wir eine gesetzliche Krankenversicherung und die damit verbundene Vollkasko-Mentalität haben.
ist ideologielastiger Unsinn. Die führende Nation in der medizinischen Forschung sind die USA, wo man alles andere als eine Vollkasko-Mentalität hat.

Lonicerus wird sagen: Forschung hat eben nichts mit Versicherung zu tun. Ich höre es schon. Es ist trotzdem ideologischer Unsinn. "Präventiologie", wie sie uns heute präsentiert wird, ist größtenteils ein Tor zur magischen Welt, aber vor allem zu neuen, viel versprechenden, ergiebigen monetären Schürfgebieten.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:01:58
Ginkgo wird auch in der Phytotherapie heiß diskutiert. Ich würd's nicht unbedingt nehmen oder empfehlen.

Schilcher schreibt für das mit Aceton-Wasser extrahierte Trockenextrakt der Blätter:
Zitat
Wirkungen:
- Steigerung der Hypoxietoleranz, v.a. des Hirngewebes
- Hemmung der Entwicklung eines traumatisch oder toxisch bedingten Hirnödems und Beschleunigung seiner Rückbildung
- Verminderung des Retinaödems und von Netzhautzell-Läsionen
- Steigerung der Gedächtnisleistung und des Lernvermögens
- Förderung der Kompensation von Gleichgewichtsstörungen
- Förderung der Durchblutung, v.a. im Bereich der Mikrozirkulation
- Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes
- Inaktiverung toxischer Sauerstoffradikale
- Hemmung der Plättchenaggregation und -adhäsivität
- neuroprotektive Wirkung
Es folgen einige experimentell nachgewiesene Wirkungen sowie umfangreiche Ausführungen zum Wirkmechanismus im Gehirn sowie an den Gefäßen.
Als Quellen dienten ihm u.a. die Monographien der Kommission E, der ESCOP und der WHO.

Pauschal unwirksam würde ich das also nicht bezeichnen wollen.

Zum Pfeffer und insb. zum Piperin wird aktuell recht viel geforscht:
ZitatPiperin besitzt eine ZNS-dämpfende und antikonvulsive Wirkung, Piperin und andere Säureamide (insbesondere Pipercid und Retrofractamid A) besitzen insektizide Eigenschaften. Trotz der intensiven Nutzung von Pfeffer als Gewürz liegen nur wenige Arbeiten vor, in denen die genannten Wirkungen nachgewiesen wurden.

Piperin regt, wie alle scharfen Stoffe, den Stoffwechsel sowie die Sekretion (Speichel, Verdauungssäfte) an und wirkt antimikrobiell. Gelegentlich wird es deshalb zur Unterstützung einer Fastenkur eingenommen. Es gibt Hinweise darauf, dass Piperin als Bioenhancer die Bioverfügbarkeit von anderen Stoffen erhöhen kann (Vermeidung des First-Pass-Effekts, erhöhte Resorption im Magen-Darm-Bereich). Aus diesem Grund wird es zunehmend im Bodybuilding und Kraftsport als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. Auch die Pharmaindustrie forscht deshalb an Piperin.
Also: Keine nachgewiesene Wirksamkeit, aber auch keine nachgewiesene Unwirksamkeit. Aktuell keine zugelassene Arzneipflanze, das könnte sich in der Zukunft jedoch ändern.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 16:09:50
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:01:58
Ginkgo wird auch in der Phytotherapie heiß diskutiert. Ich würd's nicht unbedingt nehmen oder empfehlen.

Schilcher schreibt für das mit Aceton-Wasser extrahierte Trockenextrakt der Blätter:
Zitat
Wirkungen:
- Steigerung der Hypoxietoleranz, v.a. des Hirngewebes
- Hemmung der Entwicklung eines traumatisch oder toxisch bedingten Hirnödems und Beschleunigung seiner Rückbildung
- Verminderung des Retinaödems und von Netzhautzell-Läsionen
- Steigerung der Gedächtnisleistung und des Lernvermögens
- Förderung der Kompensation von Gleichgewichtsstörungen
- Förderung der Durchblutung, v.a. im Bereich der Mikrozirkulation
- Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes
- Inaktiverung toxischer Sauerstoffradikale
- Hemmung der Plättchenaggregation und -adhäsivität
- neuroprotektive Wirkung
Es folgen einige experimentell nachgewiesene Wirkungen sowie umfangreiche Ausführungen zum Wirkmechanismus im Gehirn sowie an den Gefäßen.
Als Quellen dienten ihm u.a. die Monographien der Kommission E, der ESCOP und der WHO.

Pauschal unwirksam würde ich das also nicht bezeichnen wollen.
Das ist Inhalt eines Lehrbuchs der rationellen, wissenschaftlichen Phytotherapie? Wirf es weg. Die dort aufgeführten Wirkungen sind zum allergrößten Teil präklinische Forschungsergebnisse, die sich klinisch nicht haben umsetzen lassen und die völlig kritiklos referiert werden.

Das einzige, was klinisch relevant ist, ist der Einfluss auf die Plättchenaggregation. Das ist eine beachtenswerte Nebenwirkung.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:14:37
Die präklinisch nachgewiesenen Wirkungen werden, wie gesagt, gesondert aufgeführt. Diese tippe ich jetzt aber nicht auch noch ab, denn zur Verbesserung Eures Artikels würde das nicht wirklich beitragen. Und nur darum sollte es hier im Thread ja gehen. ;-)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 16:18:00
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:14:37
Die präklinisch nachgewiesenen Wirkungen werden, wie gesagt, gesondert aufgeführt.
Ich wäre bereit, zu jedem Einzelpunkt der zitierten Wirkungen gesondert Stellung zu nehmen. Suchen Sie sich einen aus.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 16:20:40
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:01:58
Keine nachgewiesene Wirksamkeit, aber auch keine nachgewiesene Unwirksamkeit.
Das ist die Generalabsolution. Toppt jedes Heilige Jahr, und die Privataudienz beim Papst dazu.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:24:14
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 16:20:40
Das ist die Generalabsolution. Toppt jedes Heilige Jahr, und die Privataudienz beim Papst dazu.
Nein, es zeigt, dass diese Aussage aus Eurem Artikel nicht ganz richtig ist:
ZitatAndere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.
Das ist so schlicht falsch.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 16:32:56
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:24:14
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 16:20:40
Das ist die Generalabsolution. Toppt jedes Heilige Jahr, und die Privataudienz beim Papst dazu.
Nein, es zeigt, dass diese Aussage aus Eurem Artikel nicht ganz richtig ist:
ZitatAndere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.
Das ist so schlicht falsch.
Gut. Man müsste also Studien zitieren, die zeigen, dass Pfeffer bei was auch immer wirkungslos gewesen ist. Er ist einfach nur so verlassen worden seit dem Mittelalter (wenn es um die Behauptung von Wirkungen geht, da ist die Phytobranche nicht immer so pingelig, wie wir gesehen haben). Es besteht also noch Hoffnung für ihn, den Pfeffer.  ;)

Aber im Ernst: der Einwand ist formal richtig, zumindest bedenkenswert, scheint mir.  Man könnte schreiben: "andere pflanzliche Präparate .... werden nicht mehr als Therapeutika verwendet."

Und es ist doch eine Generalabsolution, denn der Nachweis, dass etwas bei Allem wirkungslos ist, wird niemals zu erbringen sein.  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:00:51
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 16:32:56
Und es ist doch eine Generalabsolution, denn der Nachweis, dass etwas bei Allem wirkungslos ist, wird niemals zu erbringen sein.  ;)
Nein, es ist lediglich ein Hinweis, dass man in Artikeln mit wissenschaftlichem Anspruch bzgl. Pauschalaussagen sehr vorsichtig sein sollte. In Eurem Artikel wimmelt es aber nur so von Pauschalaussagen und sie widersprechen sich teils sogar. Ebenso gibt es Widersprüche zu anderen Artikeln in Eurem Wiki, wie das Beispiel mit der Homöopathie gezeigt hat.
Und Piperin wird ja tatsächlich momentan auch klinisch untersucht (bspw. in Kombination mit Curcurmin). Da ist so eine Aussage gleich doppelt falsch. Kaffeekohle wird immer noch eingesetzt, da ist die Aussage ebenso doppelt falsch.

Was hindert Sie jetzt daran, solche offensichtlichen Fehler zu korrigieren?
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 17:15:03
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:00:51
Was hindert Sie jetzt daran, solche offensichtlichen Fehler zu korrigieren?
Ich schlage mich gerade mit einem Foristen herum, der manches Richtige und viel Falsches erzählt. Da ist es schwer und zeitaufwändig, die Spreu vom Weizen zu trennen.  8) Außerdem habe ich gerade keinen Dienst, oder ich habe gerade den Haustürschlüssel verbummelt, oder ich - oder wer auch immer - ist noch nicht dazu gekommen, das gegenzulesen oder oder. Und wir sind wohl gerade dabei, die Phyto-Millionen für Vollzeitkräfte zu versaubeuteln.  :-[

Das ist jetzt leicht OT:
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 13:53:33
Chirurgie bzw. Messer beziehen sich hier übrigens nicht zuletzt auch auf den Aderlass, der immer wieder als Horrorgespenst herumgeistert, wenn man etwas über die Medizin im Mittelalter sagen möchte. Vermutlich wurde der Aderlass in der (frühen) Neuzeit weit häufiger angewendet als im Mittelalter oder der Antike.
Die frühe Neuzeit war sicherlich der Nadir der Medizin. Aber dennoch wird es immer schwierig sein, etwas Verbindliches über zu- oder abnehmende Häufigkeiten von Eingriffen dieser Art zu sagen, die seit der Antike und in allen Weltgegenden üblich gewesen sind; man kann da nicht auf Statistiken zurückgreifen. Auf jeden Fall wäre es verfehlt, das Mittelalter da zu idealisieren.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:30:47
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 17:15:03
Ich schlage mich gerade mit einem Foristen herum, der manches Richtige und viel Falsches erzählt.
Das wäre dann ja fast so wie Euer Wiki. :P

Das Mittelalter will ich gar nicht idealisieren. Da ich mich da aber ein ganz klein wenig auskenne, äußere ich mich halt zu den weitverbreiteten Klischees und Irrtümern - wie bspw. bzgl. der Signaturenlehre. Die hat bei keinem Autoren des Mittelalters eine tatsächliche Rolle gespielt (schon gar nicht in Salerno), sondern kommt eigentlich nur bei Hildegard hin und wieder ganz kurz vor. Und systematisiert wurde sie halt tatsächlich erst im 16. Jahrhundert.

Und bei Fehlern wie mit der Salicylsäure oder der Homöopathie muss ich mich dann schon fragen, über was für eine Expertise die Autoren Eurer Artikel verfügen. :P
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 17:45:05
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:30:47
Und bei Fehlern wie mit der Salicylsäure [...] muss ich mich dann schon fragen, über was für eine Expertise die Autoren Eurer Artikel verfügen. :P
Shit happens.
ZitatNur wer nicht arbeitet, macht keine Fehler
- Lenin.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:30:47
oder der Homöopathie
Nun mal halb lang. Es gibt tausende Arbeiten, auch wissenschaftlicher Natur, in der diese erste Näherung durchgeht.

Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:52:24
Es ist halt etwas peinlich, wenn man sich - wie Ihr - so als Hüter der alleinigen Wahrheit aufspielt und jedes Wort Eurer Gegner auf die Goldwaage legt. Es ist zwar gut und schön, wenn man sich selbst als Elite betrachtet, aber dann muss man an sich selbst die gleichen Ansprüche stellen wie an die Gegner.  ;)

Ach ja, weil an verschiedener Stelle über die genaue Definition der Phytotherapie diskutiert wurde:
Ganz streng genommen gibt es diese nicht, da es sich um eine recht heterogene Wissenschaft und nicht um eine dogmatische Lehre handelt.
Das eine Extrem wäre sicherlich, dass Pflanzenteile nur unverändert verwendet werden dürfen. Hier wären die Grenzen zur traditionellen Pflanzenheilkunde fließend.
Die gängige Meinung ist, dass es sich um ein Vielstoffgemisch handeln muss. Schädliche Stoffe können entfernt werden (bspw. Beinwellwurzel oder Ginkgoblätter) und die Wirkstoffkonzentration kann verändert werden, um den wirkbestimmenden Stoffen eine höhere Konzentration zu geben (bspw. Mariendistelfrüchte).
Das andere Extrem zählt auch isolierte Pflanzenstoffe hinzu, also u.a. pflanzliche Zytostatika (bspw. Taxane aus der Pazifischen Eibe).
Diese Heterogenität könnte man durchaus im Artikel darstellen, wird im Artikel zur Homöopathie ja ebenfalls gemacht.

Wenn man aber schon Unsinn aufzeigen möchte, dann sollte man das ggf. mit richtigem Unsinn machen:
http://derstandard.at/2000019126892/Gerstengras-Wirkt-gegen-Krebszellen-aber-nur-im-Reagenzglas
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 18:42:10
Ach, weil wir gerade so schön beim Erbsenzählen sind, da fällt mir auf, ich habe zu früh nachgegeben:
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 16:24:14
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 16:20:40
Das ist die Generalabsolution. Toppt jedes Heilige Jahr, und die Privataudienz beim Papst dazu.
Nein, es zeigt, dass diese Aussage aus Eurem Artikel nicht ganz richtig ist:
ZitatAndere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.
Das ist so schlicht falsch.
Nein, wenn man es nun ganz genau, mit aller Schärfe liest, ist das richtig:
ZitatAndere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.
Sie werden doch nicht wirklich bestreiten wollen, dass Tee, Kaffee oder Tabak zu den Genussmitteln gezählt werden, egal ob Kaffeekohle verwendet wird oder man sich Teebeutel auf die Augen drückt? Vielleicht ist dieser Satz nicht ganz umfassend, aber falsch ist er nicht. Und der Pfeffer-Einwand ist in keiner Weise überzeugend gewesen.

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 17:52:24
Diese Heterogenität könnte man durchaus im Artikel darstellen, wird im Artikel zur Homöopathie ja ebenfalls gemacht.
Wenn Sie die Liste unserer Desiderata einsehen möchten ...
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 18:58:44
Pfeffer, Tee und Kaffee sind halt denkbar schlechte Beispiele in so einer Aufzählung und Pauschalaussagen sollten gut begründet bzw. belegt sein - egal, welche Winkelzüge Sie anstellen. Sind Sie Jurist?

Viel interessanter wäre eine Aufzählung von Pflanzen, die heute aus gutem Grund nicht mehr verwendet weden, aber früher eine größere Rolle gespielt haben.
Denn solche Pflanzen findet man durchaus noch in manchem populär-wissenschaftlichem Buch und auch in der Laienpresse, obwohl die Verwendung alles andere als ungefährlich ist (Stichwörter: Maria Treben, Hildegard-Medizin).
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 19:23:12
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 18:58:44
Pfeffer, Tee und Kaffee sind halt denkbar schlechte Beispiele in so einer Aufzählung und Pauschalaussagen sollten gut begründet bzw. belegt sein - egal, welche Winkelzüge Sie anstellen. Sind Sie Jurist?
;D

Nein, um wieder ernst zu werden: Ich habe auch die übrigen EMA-Monografien überflogen. Sie schreiben:
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41Diese hat eine Wirkung als erwiesen erachtet.
Davon steht in den Monografien kein Sterbenswörtchen. Dort heißt es lediglich ,,well established use". Für die Indikationen werden weder empirische Belege angegeben noch ein Level of Evidence.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 19:37:05
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 19:23:12
Davon steht in den Monografien kein Sterbenswörtchen. Dort heißt es lediglich ,,well established use". Für die Indikationen werden weder empirische Belege angegeben noch ein Level of Evidence.
Man sollte auch die Anhänge lesen, bspw. den "assessment report":
Echinacea: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185435.pdf
Ginkgo: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185241.pdf
Teufelskralle: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/01/WC500059019.pdf
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 20:22:47
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 19:37:05
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 19:23:12
Davon steht in den Monografien kein Sterbenswörtchen. Dort heißt es lediglich ,,well established use". Für die Indikationen werden weder empirische Belege angegeben noch ein Level of Evidence.
Man sollte auch die Anhänge lesen, bspw. den "assessment report":
Echinacea: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185435.pdf

Ah, ja. Danke. Auf S. 44ff geht's los:
ZitatTable 5: The list of the placebo controlled clinical studies
Eine formale Meta-Analyse ist nicht durchgeführt; und wenn man sich die Details anschaut, dann sieht man auch, dass das kaum sinnvoll gewesen wäre.

Nach welchen Kriterien die Studien gefunden und ausgewählt wurden, ist nicht erwähnt. Sie werden auch nicht bewertet, z. B. mit dem JADAD-Score, so unpräzise dieser auch sein mag. Die Liste enthält 19 Studien (die letzte ist aber gar keine kontrollierte Studie, bleiben 18). Von diesen hatten 2 eine ,,Active (antibiotic) contol", und den Fallzahlen nach zu urteilen ein ähnliches Design wie die oben besprochene von Frank et al.; so recht passen sie damit auch diese nicht unter die Überschrift. Eine hatte ,,Matched historical controls", so etwas kann man nur für ganz wenige Erkrankungen mit streng determinierten Spontanverlauf und schlechten Rekrutierungsmöglichkeiten akzeptieren. Ich spare mir jetzt mal weitere Bemühungen, die Studien zu wichten (auch die EMA hat ja darauf verzichtet), und zähle nur die Anzahl der Studien mit sign. oder nicht sign. Ergebnis.

Nicht signifikant oder gar keine statistische Analyse: n = 12
Signifikant: n = 6

Aber zum Schluss heißt es dennoch:
ZitatBenefit – Risk – Assessment
The overall body of evidence which includes several clinical trials proves the efficacy of expressed juice from fresh herb of Echinacea purpurea in accordance with EMEA/HMPC/104613/2005. 
[S. 73]

Honni soit qui mal y pense.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 20:39:41
Falls Sie das HMPC für ein Kaffeekränzchen halten, muss ich Sie leider enttäuschen. Da wurde durchaus über die Monographie gestritten.
Auch das ist öffentlich dokumentiert:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_opinion_on_Community_herbal_monograph/2015/04/WC500185438.pdf
(ab Seite 5)

Ich kenne auch die Cochrane-Meinung zu Echinacea. Dort war man wohl etwas verwirrt über die verschiedenen Arten und verwendeten Organe und kam dann letztendlich nicht zu einem wie auch immer gearteten Ergebnis. Eher peinlich das Ganze...
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD000530.pub3/pdf

Vom HMPC gibt es, wie bereits erwähnt, vier verschiedene Monographien alleine zu Echinacea...
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 20:48:46
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 20:39:41
Da wurde durchaus über die Monographie gestritten.

Wo meine Stimme gewesen wäre, das werden Sie sich denken können, und wo ich Ihre vermuten würde, auch.
8)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 20:59:37
Schade, dass in diesem Fall die Kommentare der Hersteller nicht verfügbar sind. Beim Ginkgo ist das ganz interessant, denn es belegt, dass die meisten Wünsche der Hersteller abgelehnt wurden:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Overview_of_comments_received_during_consultation/2015/04/WC500185244.pdf

Für Echinacea gibt es das nur bei der alten Fassung der Monographie:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_Overview_of_comments_received_during_consultation/2009/12/WC500018269.pdf

Und nein, ich bin auch von Echinacea kein besonderer Fan. Ist aber eine schöne Pflanze.  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 21:15:50
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 20:59:37
Beim Ginkgo ist das ganz interessant, denn es belegt, dass die meisten Wünsche der Hersteller abgelehnt wurden:
Eine Annahme hätte die Selbstachtung des Gremiums wohl in noch ganz anderer Weise tangiert. Das Ansinnen z. B. der Weleda AG wird u. a. mit folgendem Argument abgelehnt:
Zitat[...] The references provide a tradition in homeopathy. [...]
Nun stellen Sie sich mal vor, man hätte dem zugestimmt, und irgendwer hätte das aufgegriffen.  ;D
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 09. Oktober 2015, 22:13:32
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 20:39:41
Ich kenne auch die Cochrane-Meinung zu Echinacea. Dort war man wohl etwas verwirrt über die verschiedenen Arten und verwendeten Organe und kam dann letztendlich nicht zu einem wie auch immer gearteten Ergebnis. Eher peinlich das Ganze...
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD000530.pub3/pdf

Wenn ich da in den Methodologie-Teil schaue, dann ist es nicht nur eine Meinung. Und die Verwirrung muss man ihnen schon ein wenig nachsehen:
ZitatPreparations of the plant Echinacea are widely used in some European countries and in North America for common colds. Echinacea preparations available on the market differ greatly as different types (species) and parts (herb, root or both) of the plant are used, different manufacturing methods (drying, alcoholic extraction or pressing out the juice from fresh plants) are used and sometimes also other herbs are added.
[...]
Assessment of the effectiveness of Echinacea preparations is complicated by the limited comparability of the available preparations for the following reasons [...]
These results have to be interpreted with caution, as the great heterogeneity of tested Echinacea preparations makes  comparison and pooling of data methodologically questionable.
Das sind so die Segnungen der Ganzheitlichkeit: sie schützen die Pflanze nicht nur vor Befall/Befraß, sondern auch vor Evaluierung.

ZitatAlthough it seems possible that some Echinacea products are more effective than a placebo for treating colds, the overall evidence for clinically relevant treatment effects is weak. In general, trials investigating Echinacea for preventing colds did not show statistically significant reductions in illness occurrence.
Das ist doch ein klares Statement.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 22:37:52
Viel besser finde ich das hier:
ZitatThe most important recommendation for consumers and clinicians is to be aware that the available Echinacea products differ greatly. The overwhelming majority of these products have not been tested in clinical trials.
Aber dann das:
ZitatOur exploratory meta-analyses suggest that at least some Echinacea preparations may reduce the relative risk of catching a cold by 10% to 20%. A risk reduction of 15% would mean that if 500 out of 1000 persons receiving a placebo would catch a cold this figure would be 425 of 1000 persons with an Echinacea product. This is clearly a small effect of unclear clinical relevance. Furthermore, we cannot say which Echinacea products have an effect of this size, or a greater or lesser effect.
Das hört sich alles ein bisschen an wie: So richtig clever war unser Vorgehen jetzt nicht, das haben wir im Verlauf auch gemerkt, aber wir hatten keine Lust, noch einmal von vorne anzufangen...  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 10. Oktober 2015, 07:39:32
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 22:37:52
Viel besser finde ich das hier:
ZitatThe most important recommendation for consumers and clinicians is to be aware that the available Echinacea products differ greatly. The overwhelming majority of these products have not been tested in clinical trials.
Aber dann das:
ZitatOur exploratory meta-analyses suggest that at least some Echinacea preparations may reduce the relative risk of catching a cold by 10% to 20%. A risk reduction of 15% would mean that if 500 out of 1000 persons receiving a placebo would catch a cold this figure would be 425 of 1000 persons with an Echinacea product. This is clearly a small effect of unclear clinical relevance. Furthermore, we cannot say which Echinacea products have an effect of this size, or a greater or lesser effect.
Das hört sich alles ein bisschen an wie: So richtig clever war unser Vorgehen jetzt nicht, das haben wir im Verlauf auch gemerkt, aber wir hatten keine Lust, noch einmal von vorne anzufangen...  ;)

Nein, die wollten dem Hersteller nur nicht weh tun ;). Der wirklich wichtige Satz ist der vor dem gefetteten; ,,unclear clinical relevance" bedeutet: Einsatz unnötig.

Die Zahlenangaben davor sind der Versuch, eine NNT (number-needed-to-treat) zu ermitteln, mit der relative Risiken in allgemeinverständliche absolute Zahlen umgewandelt werden sollen. Das ist noch einmal eine Wissenschaft für sich.

Im Übrigen sollte es den Leser zum Nachdenken anregen und zu Schlussfolgerungen führen, wenn er die elaborierte Methodik von Cochrane mit der Delphi-Methode  :teufel der EMA vergleicht. Dort ist auch was in den Tabellen gefettet, nämlich:
ZitatNot significant, but important trend:
Also beinahe positiv, und so wurde es offenbar gezählt.

Aber wir können uns leisten, was Cochrane nicht kann. Das Ergebnis in einen größeren Zusammenhang stellen. Und da müssen wir noch je einen Malus vergeben für
I. Die Pflanze ist ,,Natur", also hochgradig ideologisch aufgeheizt.
II. Es handelt sich um eine Unpässlichkeit mit exzellenter Spontanprognose. Der Mensch denkt unausweichlich: post hoc ergo propter hoc. So isser nun mal, da unterscheidet er sich nicht von den Pavlov-Hunden und den Skinner-Tauben. Wenn man wissen will, was da abgeht, muss man sich nur das Feld der Mitbewerber anschauen.
III. Die Welt ist schlecht und voll von Betrügern (denken wir nur mal an die Dieselabgase).

Wenn wir das alles von dem schwachen Effekt abziehen, den Cochrane gefunden hat, dann bleibt übrig: Null.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21
Meine Erfahrung der letzten Jahre ist eine andere. Die Leute, die sich von einer Pflanze "aufheizen" lassen, lehnen Fertigarzneimittel ohnehin strikt ab ("böse Pharmaindustrie"). Die verwenden dann auch Liebstöckelkraut wegen der angeblich ca. 30 Indikationen, wenn es eigentlich die Wurzel sein müsste und durch die Monographien nur vielleicht fünf Indikationen anerkannt sind. Die verwenden den Alpenfrauenmantel explizit, weil es nur zu dieser Frauenmantelart eine Negativ-Monographie der Kommission E gibt und alle anderen positiv bewertet wurden. Diese Leute werden Sie nicht durch Studien bekehren, denn die sind ja sowieso alle manipuliert.
Und Echinacea spielt schon gleich gar keine Rolle, weil die Pflanze in unseren Breiten keine Tradition hat. Das ist übrigens auch das Problem bei der Kapuzinerkresse. Als Antibiotika-Ersatz kommen dann Pflanzen zum Einsatz, von denen eine entsprechende Wirkung nun wirklich nicht zu erwarten ist.

Nur: Mit Phytotherapie hat das nichts zu tun.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21
Meine Erfahrung der letzten Jahre ist eine andere. Die Leute, die sich von einer Pflanze "aufheizen" lassen, lehnen Fertigarzneimittel ohnehin strikt ab ("böse Pharmaindustrie"). Die verwenden dann auch Liebstöckelkraut wegen der angeblich ca. 30 Indikationen, wenn es eigentlich die Wurzel sein müsste und durch die Monographien nur vielleicht fünf Indikationen anerkannt sind. Die verwenden den Alpenfrauenmantel explizit, weil es nur zu dieser Frauenmantelart eine Negativ-Monographie der Kommission E gibt und alle anderen positiv bewertet wurden. Diese Leute werden Sie nicht durch Studien bekehren, denn die sind ja sowieso alle manipuliert.
Nein, das gilt nur für einen kleinen harten Kern der militanten Spinner. Der Begriff der Natürlichkeit ist aber in der großen Mehrheit der Bevölkerung positiv konnotiert. Die gewöhnlichste Frage von der Welt, mir der der Arzt konfrontiert ist, lautet ,,Hamse nich was Pflanzliches?". Und diese große Mehrheit wäre viel zu faul, ihren eigenen Sud zu kochen, die ist mit Pillen völlig zufrieden; zumindest vorerst. Ein bisschen Grün sollte auf der Packung sein.

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21Und Echinacea spielt schon gleich gar keine Rolle, weil die Pflanze in unseren Breiten keine Tradition hat. Das ist übrigens auch das Problem bei der Kapuzinerkresse. Als Antibiotika-Ersatz kommen dann Pflanzen zum Einsatz, von denen eine entsprechende Wirkung nun wirklich nicht zu erwarten ist.
Ich glaube, ich muss bald zum Doping-Test; bei den vielen Latten, die ich nicht gerissen habe.

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21Nur: Mit Phytotherapie hat das nichts zu tun.
Ihre Definition der Phytotherapie hat außerhalb Ihrer Branche keine Freunde. Für die Bevölkerung gilt beispielsweise:
Zitat von: Psiram-Wiki
Häufig wird die Homöopathie mit der Phytotherapie verwechselt oder identifiziert.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 10:44:21
Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Nein, das gilt nur für einen kleinen harten Kern der militanten Spinner.
Ich wünschte, es wäre so.
Die Zahl der Fans bzw. Mitglieder mancher Seiten bzw. Gruppen auf Facebook und nicht zuletzt die dort veröffentlichten Beiträge und Kommentare sprechen eine ganz andere Sprache. Oder suchen Sie mal bei YouTube nach halbwegs seriösen Videos zur Pflanzenheilkunde - Sie werden (fast) keine finden.
Und Google ist auch so eine Sache...
http://derstandard.at/2000013801769/Gesuender-googeln

Das große Feindbild, das Ihr im Heilpraktiker seht, das sehe ich mittlerweile im Kräuterpädagogen: Pflanzendoktor durch Wochenendseminar.
Diese Leute haben meist erstaunlich gute botanische Kenntnisse, aber über die Inhaltsstoffe wissen sie in der Regel überhaupt nichts.
Nebenwirkungen? Wechselwirkungen? Verwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit oder bei Kindern? Fehlanzeige.
Therapiert wird im Bekanntenkreis und in der eigenen Familie sowie mittels Ferndiagnose im Internet. Facebook sei Dank.

Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Ihre Definition der Phytotherapie hat außerhalb Ihrer Branche keine Freunde. Für die Bevölkerung gilt beispielsweise:
Zitat von: Psiram-Wiki
Häufig wird die Homöopathie mit der Phytotherapie verwechselt oder identifiziert.
Klar, ein prominentes Beispiel wäre Amardeo Sarma, der macht in Vorträgen, Interviews und Artikeln auch immer wieder diesen Fehler.
Sie setzen in Ihrem Wiki hingegen Phytotherapie synonym mit (traditioneller) Pflanzenheilkunde, was ebenso falsch ist.  ;)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 10. Oktober 2015, 11:06:33
Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 10:44:21
Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Nein, das gilt nur für einen kleinen harten Kern der militanten Spinner.
Ich wünschte, es wäre so.
Die Zahl der Fans bzw. Mitglieder mancher Seiten bzw. Gruppen auf Facebook und nicht zuletzt die dort veröffentlichten Beiträge und Kommentare sprechen eine ganz andere Sprache. Oder suchen Sie mal bei YouTube nach halbwegs seriösen Videos zur Pflanzenheilkunde - Sie werden (fast) keine finden.
Und Google ist auch so eine Sache...
http://derstandard.at/2000013801769/Gesuender-googeln
Das vermittelt einen Eindruck, aber kann nichts über die tatsächliche Häufigkeit von Einstellungen in der Bevölkerung mitteilen. Da müsste man dann schon epidemiologische Untersuchungen oder wenigstens seriöse Meinungsumfragen organisieren. Solche Meinungsumfragen haben dann Auftraggeber, wie z. B. die Carstens Stiftung, die natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die gestellten Fragen haben ...

Außerdem muss man hier trennen zwischen dem, was der/die Gesunde in seiner/ihrer Freizeit so raustrompetet und dem, was er/sie tut, wenn es Ernst wird.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 11:32:13
Da insb. in den Gruppen auch Fotos oder ausführliche, durchaus glaubwürdige Krankengeschichten gepostet werden, hat man schon einen ganz guten Eindruck, was die Leute da selbst therapieren.
Das dringt halt nicht so an die Öffentlichkeit wie diese Fälle:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/alternativmedizin-bei-krebs-gefaehrliche-esoterik-a-1048139.html
http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/ayurveda-zwei-deutsche-ehepaare-auf-sri-lanka-vergiftet-a-1054771.html
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/handeloh-seminarleiter-nach-heilpraktikerrausch-im-fokus-der-ermittler-a-1055328.html

Oft ist die Argumentation dann: Zum Arzt gehe ich grundsätzlich nicht, Heilpraktiker kann ich mir nicht leisten, also mache ich es selbst.
Das ist ja auch nichts grundsätzlich Neues, sondern lässt sich bis in die Naturheilkundebewegung in der Lebensreform des 19. Jhds. zurückverfolgen.
Im Deutschen Reich hatten wir zudem von ca. 1870 (je nach Region) bis 1939 de facto die Kurierfreiheit. Das sind 70 Jahre, die ihre Spuren hinterlassen haben.
Es ist gut möglich, dass das jetzt erst durch das Internet so offenkundig geworden ist.

Wie groß dieser Anteil der Bevölkerung nun tatsächlich ist, das kann ich natürlich auch nur schätzen. Ich gehe aber davon aus, dass er nicht gerade gering ist.
Interessanterweise habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die sich ernsthaft mit Pflanzenheilkunde beschäftigen, eher nicht groß im Internet unterwegs sind.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 10. Oktober 2015, 12:55:15
Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 11:32:13
Da insb. in den Gruppen auch Fotos oder ausführliche, durchaus glaubwürdige Krankengeschichten gepostet werden, hat man schon einen ganz guten Eindruck, was die Leute da selbst therapieren.
Das dringt halt nicht so an die Öffentlichkeit wie diese Fälle:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/alternativmedizin-bei-krebs-gefaehrliche-esoterik-a-1048139.html

Vgl. (bitte mal aufs Datum achten)
https://blog.psiram.com/2015/07/wenn-heilpraktiker-ihr-unwesen-treiben-ein-horror-erlebnisbericht-einer-krebspatientin/

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 11:32:13
http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/ayurveda-zwei-deutsche-ehepaare-auf-sri-lanka-vergiftet-a-1054771.html
Vgl.
https://www.psiram.com/ge/index.php/Ayurveda
Auch die Rolle von Massenmedien wie SPIEGEL Online ist nicht immer glücklich:
https://blog.psiram.com/2014/06/spiegel-als-und-ayurveda/

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 11:32:13
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/handeloh-seminarleiter-nach-heilpraktikerrausch-im-fokus-der-ermittler-a-1055328.html
Vgl.
https://blog.psiram.com/2015/09/nobelpreisverdaechtige-homoeopathen/
oder hier
https://forum.psiram.com/index.php?topic=14446.msg189005#msg189005

Sie rennen offene Türen ein.
:prosit
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 20:36:58
Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 12:55:15
Sie rennen offene Türen ein.
Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und ich sage: Hinter verschlossen Türen geht es noch viel schlimmer zu.  :-[
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Wolleren am 11. Oktober 2015, 22:25:52
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 19:37:05
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 19:23:12
Davon steht in den Monografien kein Sterbenswörtchen. Dort heißt es lediglich ,,well established use". Für die Indikationen werden weder empirische Belege angegeben noch ein Level of Evidence.
Man sollte auch die Anhänge lesen, bspw. den "assessment report":
Echinacea: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185435.pdf
Ginkgo: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185241.pdf
Teufelskralle: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/01/WC500059019.pdf
Das sind schöne Links, und ich habe mir mal aufgrund eigener Kenntnisse zum Einsatz von Ginkgo gegen Tinnitus den Report zum Ginkgo angeschaut.

Die Daten zur Verträglichkeit habe ich nicht betrachtet, da es einen "well established use" gibt, offenbar europaweit - die Frage ist nur: Warum?

Nachdem 2005 eine Metaanalyse recht differenziert festgestellt hatte, dass eine Wirksamkeit gegen (subjektiven) Tinnitus nicht nachgewiesen wurde, wurden unverdrossen weitere Studien durchgeführt, die wohl irgendwie die bereits gewonnenen Ergebnisse erschüttern sollten. Die Ergebnisse waren - wie zu erwarten - gemischter Natur.

Das Wirkprinzip:
Ginkgo wird eine Durchblutungsförderung nachgesagt, und die soll manchmal Einfluss auf einen Tinnitus besitzen.

Das ist bei zerstörten Zellen im Innenohr und einer gestörten Signalverarbeitung im Hirn ganz schön weit hergeholt, um nicht zu sagen, magisch. Genauso wie übrigens eine Innenohr-Operation, bei der zum Zwecke der Durchblutungsförderung Cortison ausgebracht wird. Zur Behandlung von subjektivem Tinnitus z.B. http://www.chirurgie-portal.de/hno-hals-nasen-ohren/hoersturz-tinnitus-schwerhoerigkeit.html .

Einem Hörsturz-Patienten ist es aufgrund der Durchseuchung Deutschlands mit Pflanzengläubigkeit praktisch nicht möglich, einer Empfehlung von Ginkgo zu entkommen. Dabei ist eine dauernde Behandlung des Tinnitus psychisch definitiv nachteilig, weil sie die Wahrnehmung des Tinnitus schärft anstatt die Schwelle zu erhöhen. Was ich von Leuten halte, die damit ihr Geld verdienen, brauche ich wohl nicht auszuführen. Es ist wie mit den Hebammen und den Glaubuli.

Was die Kritik an der Phytotherapie angeht, kann man eine allgemeine Aussage kaum treffen, schon gar nicht, wenn man den Begriff der Phytotherapie gar nicht definieren kann, wie hier bereits geschrieben.
Das psiram-wiki sollte es trotzdem tun. Der Glaube an die allgemeine Nutzbarmachung von Pflanzen (kulminierend in "gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen") in Gesundheit und Wellness benötigt eine fundierte Kritik. wikipedia kann und will das nicht leisten und ist insofern kein Maßstab, doch die Qualität die dort geliefert wird, ist ständiger Ansporn.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 13:50:52
Bzgl. Tinnitus findet sich bereits in den Monographien der Kommission E und der ESCOP nur die adjuvante Therapie.
Konkret genannt werden:
Zitat- Symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts bei demenziellem Syndrom: Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen, Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen. Zur primären Zielgruppe gehören Patienten mit demenziellem Syndrom bei primär degenerativer Demenz, vaskulärer Demenz und Mischformen.
- Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit bei Stadium II nach Fontaine (Claudicatio intermittens) im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen, insbesondere Gehtraining.
- Adjuvante Therapie bei Tinnitus vaskulärer oder involutiver Genese, Schwindel
Quelle: http://www.koop-phyto.org/arzneipflanzenlexikon/ginkgo.php

Die HMPC-Monographie nennt als Indikationen:
Zitat- Well-established use: Herbal medicinal product for the improvement of (age-associated) cognitive impairment and of quality of life in mild dementia.
- Traditional use: Traditional herbal medicinal product for the relief of heaviness of legs and the sensation of cold hands and feet associated with minor circulatory disorders, after serious conditions have been excluded by a medical doctor.

Nicht mehr und nicht weniger...

Da beim einen oder anderen wohl immer noch etwas Unklarheit herrscht, was Phytotherapie und Phytopharmaka eigentlich sind, hier ein wie ich finde recht aufschlussreicher Artikel aus der "PZ":
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51492
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 19. Oktober 2015, 16:59:35
Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 13:50:52
[...]Konkret genannt werden:
Zitat- - Symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts bei demenziellem Syndrom: Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen, Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen. Zur primären Zielgruppe gehören Patienten mit demenziellem Syndrom bei primär degenerativer Demenz, vaskulärer Demenz und Mischformen.
- Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit bei Stadium II nach Fontaine (Claudicatio intermittens) im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen, insbesondere Gehtraining.
- Adjuvante Therapie bei Tinnitus vaskulärer oder involutiver Genese, Schwindel
Quelle: http://www.koop-phyto.org/arzneipflanzenlexikon/ginkgo.php

Ad 1: wie schon bei Husten+Schnupfen+Harnwegsinfekt: Ein Gemisch von Krankheiten wird mit einem Gemisch von Stoffen behandelt.
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 06:12:51höchstens dass man den empirischen Kuddelmuddel mit einer Pflanzenkombination noch undurchsichtiger machen kann.
Wie siehts nun mit der Evidenz aus? Fragen wir die S3-Leitlinie "Demenzen":
ZitatEs gibt keine überzeugende Evidenz für die Wirksamkeit ginkgohaltiger Präparate. Sie werden daher nicht empfohlen.  Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ia
http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/kurzversion-leitlinien/s3-leitlinie-demenz-kf.pdf

Ad 2. Die [abgelaufenen] S3-Leitlinien zur pAVK von 2009 haben:
ZitatDemgegenüber spielen andere Substanzen wie Pentoxifyllin, L-Arginin, Buflomedil oder Ginkgo biloba keine nennenswerte Rolle. Diese Substanzen haben keine ausreichende Evidenz für einen klinischen Nutzen bei Claudicatio.
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/065-003_S3_Diagnostik_und_Therapie_der_peripheren_arteriellen_Verschlusskrankheit_PAVK_abgelaufen_01.pdf
Und ich glaube nicht, dass sich die Datenlage seit 2009 grundlegend verändert hat.

Ad 3. Nochmal zum Tinnitus:
ZitatS3-Leitlinie 017/064: Chronischer Tinnitus aktueller Stand: 02/2015 Seite 18
Ginkgo biloba. Eine aktuelle Übersicht aus Norwegen als update eines Cochrane Review wertete neue randomisierte und placebokontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Ginkgo biloba mit insgesamt über 6000 Patienten aus: Eine Evidenz einer Wirksamkeit ergab sich nicht. Vielmehr bestehen, wenn auch milde Nebenwirkungen wie Schwindel, Magenbeschwerden oder allergische Reaktionen, manchmal auch eine erhöhte Blutungsneigung (Roland und Nergard 2012 [202]). Bereits 2001 wurde im British Medical Journal (BMJ) die Wirksamkeit von Ginkgo-Extrakt bei Tinnitus an einem sehr großen Patientenkollektiv (1121 Teilnehmer) in einer doppelblinden und placebokontrollierten Studie untersucht. Dabei führte Ginkgo genauso (wenig) zu einer Verbesserung der Tinnituspenetranz und – intensität wie ein Placebo (Drew und Davies 2001 [47]).
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-064l_S3_Chronischer_Tinnitus_2015-02.pdf

In allen drei genannten Indikationen kann man sehen, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Die HMPC-Monographie drückt ein Auge zu, und die ESCOP-Monografien kneifen offenbar beide Augen fest zu. Das nennt sich dann wissenschaftliche Phytotherapie.
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Es steht mir nicht zu, die Entscheidung der EMA in Frage zu stellen. Diese hat eine Wirkung als erwiesen erachtet.
Hiermit versichere ich Ihnen ausdrücklich: Doch, es steht Ihnen zu.

Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 13:50:52Da beim einen oder anderen wohl immer noch etwas Unklarheit herrscht, was Phytotherapie und Phytopharmaka eigentlich sind, hier ein wie ich finde recht aufschlussreicher Artikel aus der "PZ":
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51492
Daraus:
ZitatMit mehr Sachverstand und weniger Emotionen kommt man jedoch zu der fast trivialen Erkenntnis, dass Phytopharmaka sowohl ihre Stärken als auch ihre Limitationen besitzen. Folglich gilt es, die Stärken zu nutzen und die Limita­tionen zu beachten.
Was sind denn nun die ,,Stärken"? Dazu sagt die Pharmazeutische Zeitung nichts. Aber ich sage etwas dazu: Die Stärke der Phytopharmakotherapie besteht, genau betrachtet, in ihrer unterstellten Schwäche – in jeder Hinsicht.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 17:55:01
Jetzt müssen Sie mir aber dennoch mal erklären, wo genau eine kausale Tinnitus-Therapie mit Ginkgo propagiert wird. In den Monographien jedenfalls nicht. Das ist bislang eine reine Unterstellung.  ;)

Wenn wir uns aber noch nicht einmal einig werden, was Phytotherapie überhaupt ist, dann kann man sich auch schlecht auf Stärken und Schwächen einigen. Abgesehen davon habe ich diese aus meiner Sicht bereits auf der ersten Seite dieses Threads genannt.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 19. Oktober 2015, 18:47:05
Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 17:55:01
Jetzt müssen Sie mir aber dennoch mal erklären, wo genau eine kausale Tinnitus-Therapie mit Ginkgo propagiert wird. In den Monographien jedenfalls nicht. Das ist bislang eine reine Unterstellung.  ;)
Ich weiß, lieber Lonicerus, dass es völlig verfehlt wäre, Sie für die von Ihnen verlinkten Texte haftbar machen zu wollen, aber #115 (http://index.php),
ZitatDurch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete (Zulassung), ESCOP, Kommission E:
und das Wort ,,kausal" höre ich zum ersten Mal.

Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 17:55:01Wenn wir uns aber noch nicht einmal einig werden, was Phytotherapie überhaupt ist, dann kann man sich auch schlecht auf Stärken und Schwächen einigen. Abgesehen davon habe ich diese aus meiner Sicht bereits auf der ersten Seite dieses Threads genannt.
Das verstehe ich nicht. Es ist doch gar nicht erforderlich, dass man sich darüber einigt. Sie können ja einfach mal ein Beispiel nennen, bei dem besser ist, die Pflanze als solche einzusetzen, als ihren gereinigten Wirkstoff. Ich erinnere mich da an allgemeine Erwägungen von Ihnen,
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25Vielstoffgemische haben in der Regel den Vorteil, dass sie weniger Nebenwirkungen verursachen als Einzelwirkstoffe. Ebenso ist die Gefahr von Resistenzen nicht so groß.
aber nicht an einen sonderlich erfolgreichen Versuch, das plausibel zu belegen. Das einzige, was da entfernt in die Nähe gekommen ist, war das Artemisinin-Beispiel, von mir kommentiert in #49 (https://forum.psiram.com/index.php?topic=14538.msg190435#msg190435) unten.

NB, Schon leicht OT:
Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 10:44:21
Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Ihre Definition der Phytotherapie hat außerhalb Ihrer Branche keine Freunde. Für die Bevölkerung gilt beispielsweise:
Zitat von: Psiram-Wiki
Häufig wird die Homöopathie mit der Phytotherapie verwechselt oder identifiziert.
Klar, ein prominentes Beispiel wäre Amardeo Sarma, der macht in Vorträgen, Interviews und Artikeln auch immer wieder diesen Fehler.
Sie setzen in Ihrem Wiki hingegen Phytotherapie synonym mit (traditioneller) Pflanzenheilkunde, was ebenso falsch ist.  ;)
Definitionen können nicht richtig oder falsch sein, sondern nur geeignet/ungeeignet, allgemein akzeptiert/nicht verbreitet etc. Nicht verbreitete Definitionen (so wie die Ihre) können dennoch durchaus geeignet sein: für bestimmte Zwecke, z. B. den der Exkulpierung.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: ajki am 19. Oktober 2015, 18:49:09
Nebenbei:

Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit einer Diskussion über den Wiki-Artikel Phytotherapie (https://www.psiram.com/ge/index.php/Phytotherapie) ist das Wiki-Tagging. Heißt:

es gibt natürlich auch eine "Kategorie:Phytotherapie (https://www.psiram.com/ge/index.php/Kategorie:Phytotherapie)"

mit etlichen Einzelartikeln, die sich mindestens teilweise auf "phytotherapeutische" Maßnahmen beziehen. Einige davon müßten vielleicht im Zusammenhang mit einer Artikelbearbeitung ebenfalls betrachtet werden.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: pelacani am 20. Oktober 2015, 08:25:28
PS. Noch eine Ergänzung.
Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 17:55:01
Jetzt müssen Sie mir aber dennoch mal erklären, wo genau eine kausale Tinnitus-Therapie mit Ginkgo propagiert wird.
Der komplementäre Begriff zu "kausal" wäre "symptomatisch", und nicht "adjuvant" (=begleitend).
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Daggi am 20. Oktober 2015, 21:22:43
Ich rege an, sich folgenden GWUP-Blogartikel, der heute erschienen ist, genauer zur Kenntnis zu nehmen. Es finden sich Bezüge zu eurem Diskussionsthema. Zitat:

..Die traditionelle Pflanzenheilkunde war vielmehr der Ausgangspunkt für Experimente, die zur Entdeckung eines definierten Wirkstoffes führten – der sich dann in "traditionell wissenschaftlichen" klinischen Studien beweisen musste."..

Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Groucho am 20. Oktober 2015, 21:31:07
Hier noch der Link:

http://blog.gwup.net/2015/10/20/geht-der-medizin-nobelpreis-2015-an-die-die-traditionelle-chinesische-medizin/ (http://blog.gwup.net/2015/10/20/geht-der-medizin-nobelpreis-2015-an-die-die-traditionelle-chinesische-medizin/)
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Daggi am 20. Oktober 2015, 21:46:05
Hoppla Groucho! Hatte den Link vergessen.
Titel: Re: Phytotherapie
Beitrag von: Groucho am 20. Oktober 2015, 21:47:07
Zitat von: Daggi am 20. Oktober 2015, 21:46:05
Hoppla Groucho! Hatte den Link vergessen.

Zusammen sind wir stark  ;)