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Phytotherapie

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Begonnen von Lonicerus, 06. Oktober 2015, 21:54:10

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Lonicerus

Viel besser finde ich das hier:
ZitatThe most important recommendation for consumers and clinicians is to be aware that the available Echinacea products differ greatly. The overwhelming majority of these products have not been tested in clinical trials.
Aber dann das:
ZitatOur exploratory meta-analyses suggest that at least some Echinacea preparations may reduce the relative risk of catching a cold by 10% to 20%. A risk reduction of 15% would mean that if 500 out of 1000 persons receiving a placebo would catch a cold this figure would be 425 of 1000 persons with an Echinacea product. This is clearly a small effect of unclear clinical relevance. Furthermore, we cannot say which Echinacea products have an effect of this size, or a greater or lesser effect.
Das hört sich alles ein bisschen an wie: So richtig clever war unser Vorgehen jetzt nicht, das haben wir im Verlauf auch gemerkt, aber wir hatten keine Lust, noch einmal von vorne anzufangen...  ;)

pelacani

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 22:37:52
Viel besser finde ich das hier:
ZitatThe most important recommendation for consumers and clinicians is to be aware that the available Echinacea products differ greatly. The overwhelming majority of these products have not been tested in clinical trials.
Aber dann das:
ZitatOur exploratory meta-analyses suggest that at least some Echinacea preparations may reduce the relative risk of catching a cold by 10% to 20%. A risk reduction of 15% would mean that if 500 out of 1000 persons receiving a placebo would catch a cold this figure would be 425 of 1000 persons with an Echinacea product. This is clearly a small effect of unclear clinical relevance. Furthermore, we cannot say which Echinacea products have an effect of this size, or a greater or lesser effect.
Das hört sich alles ein bisschen an wie: So richtig clever war unser Vorgehen jetzt nicht, das haben wir im Verlauf auch gemerkt, aber wir hatten keine Lust, noch einmal von vorne anzufangen...  ;)

Nein, die wollten dem Hersteller nur nicht weh tun ;). Der wirklich wichtige Satz ist der vor dem gefetteten; ,,unclear clinical relevance" bedeutet: Einsatz unnötig.

Die Zahlenangaben davor sind der Versuch, eine NNT (number-needed-to-treat) zu ermitteln, mit der relative Risiken in allgemeinverständliche absolute Zahlen umgewandelt werden sollen. Das ist noch einmal eine Wissenschaft für sich.

Im Übrigen sollte es den Leser zum Nachdenken anregen und zu Schlussfolgerungen führen, wenn er die elaborierte Methodik von Cochrane mit der Delphi-Methode  :teufel der EMA vergleicht. Dort ist auch was in den Tabellen gefettet, nämlich:
ZitatNot significant, but important trend:
Also beinahe positiv, und so wurde es offenbar gezählt.

Aber wir können uns leisten, was Cochrane nicht kann. Das Ergebnis in einen größeren Zusammenhang stellen. Und da müssen wir noch je einen Malus vergeben für
I. Die Pflanze ist ,,Natur", also hochgradig ideologisch aufgeheizt.
II. Es handelt sich um eine Unpässlichkeit mit exzellenter Spontanprognose. Der Mensch denkt unausweichlich: post hoc ergo propter hoc. So isser nun mal, da unterscheidet er sich nicht von den Pavlov-Hunden und den Skinner-Tauben. Wenn man wissen will, was da abgeht, muss man sich nur das Feld der Mitbewerber anschauen.
III. Die Welt ist schlecht und voll von Betrügern (denken wir nur mal an die Dieselabgase).

Wenn wir das alles von dem schwachen Effekt abziehen, den Cochrane gefunden hat, dann bleibt übrig: Null.

Lonicerus

Meine Erfahrung der letzten Jahre ist eine andere. Die Leute, die sich von einer Pflanze "aufheizen" lassen, lehnen Fertigarzneimittel ohnehin strikt ab ("böse Pharmaindustrie"). Die verwenden dann auch Liebstöckelkraut wegen der angeblich ca. 30 Indikationen, wenn es eigentlich die Wurzel sein müsste und durch die Monographien nur vielleicht fünf Indikationen anerkannt sind. Die verwenden den Alpenfrauenmantel explizit, weil es nur zu dieser Frauenmantelart eine Negativ-Monographie der Kommission E gibt und alle anderen positiv bewertet wurden. Diese Leute werden Sie nicht durch Studien bekehren, denn die sind ja sowieso alle manipuliert.
Und Echinacea spielt schon gleich gar keine Rolle, weil die Pflanze in unseren Breiten keine Tradition hat. Das ist übrigens auch das Problem bei der Kapuzinerkresse. Als Antibiotika-Ersatz kommen dann Pflanzen zum Einsatz, von denen eine entsprechende Wirkung nun wirklich nicht zu erwarten ist.

Nur: Mit Phytotherapie hat das nichts zu tun.

pelacani

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21
Meine Erfahrung der letzten Jahre ist eine andere. Die Leute, die sich von einer Pflanze "aufheizen" lassen, lehnen Fertigarzneimittel ohnehin strikt ab ("böse Pharmaindustrie"). Die verwenden dann auch Liebstöckelkraut wegen der angeblich ca. 30 Indikationen, wenn es eigentlich die Wurzel sein müsste und durch die Monographien nur vielleicht fünf Indikationen anerkannt sind. Die verwenden den Alpenfrauenmantel explizit, weil es nur zu dieser Frauenmantelart eine Negativ-Monographie der Kommission E gibt und alle anderen positiv bewertet wurden. Diese Leute werden Sie nicht durch Studien bekehren, denn die sind ja sowieso alle manipuliert.
Nein, das gilt nur für einen kleinen harten Kern der militanten Spinner. Der Begriff der Natürlichkeit ist aber in der großen Mehrheit der Bevölkerung positiv konnotiert. Die gewöhnlichste Frage von der Welt, mir der der Arzt konfrontiert ist, lautet ,,Hamse nich was Pflanzliches?". Und diese große Mehrheit wäre viel zu faul, ihren eigenen Sud zu kochen, die ist mit Pillen völlig zufrieden; zumindest vorerst. Ein bisschen Grün sollte auf der Packung sein.

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21Und Echinacea spielt schon gleich gar keine Rolle, weil die Pflanze in unseren Breiten keine Tradition hat. Das ist übrigens auch das Problem bei der Kapuzinerkresse. Als Antibiotika-Ersatz kommen dann Pflanzen zum Einsatz, von denen eine entsprechende Wirkung nun wirklich nicht zu erwarten ist.
Ich glaube, ich muss bald zum Doping-Test; bei den vielen Latten, die ich nicht gerissen habe.

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 08:34:21Nur: Mit Phytotherapie hat das nichts zu tun.
Ihre Definition der Phytotherapie hat außerhalb Ihrer Branche keine Freunde. Für die Bevölkerung gilt beispielsweise:
Zitat von: Psiram-Wiki
Häufig wird die Homöopathie mit der Phytotherapie verwechselt oder identifiziert.

Lonicerus

Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Nein, das gilt nur für einen kleinen harten Kern der militanten Spinner.
Ich wünschte, es wäre so.
Die Zahl der Fans bzw. Mitglieder mancher Seiten bzw. Gruppen auf Facebook und nicht zuletzt die dort veröffentlichten Beiträge und Kommentare sprechen eine ganz andere Sprache. Oder suchen Sie mal bei YouTube nach halbwegs seriösen Videos zur Pflanzenheilkunde - Sie werden (fast) keine finden.
Und Google ist auch so eine Sache...
http://derstandard.at/2000013801769/Gesuender-googeln

Das große Feindbild, das Ihr im Heilpraktiker seht, das sehe ich mittlerweile im Kräuterpädagogen: Pflanzendoktor durch Wochenendseminar.
Diese Leute haben meist erstaunlich gute botanische Kenntnisse, aber über die Inhaltsstoffe wissen sie in der Regel überhaupt nichts.
Nebenwirkungen? Wechselwirkungen? Verwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit oder bei Kindern? Fehlanzeige.
Therapiert wird im Bekanntenkreis und in der eigenen Familie sowie mittels Ferndiagnose im Internet. Facebook sei Dank.

Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Ihre Definition der Phytotherapie hat außerhalb Ihrer Branche keine Freunde. Für die Bevölkerung gilt beispielsweise:
Zitat von: Psiram-Wiki
Häufig wird die Homöopathie mit der Phytotherapie verwechselt oder identifiziert.
Klar, ein prominentes Beispiel wäre Amardeo Sarma, der macht in Vorträgen, Interviews und Artikeln auch immer wieder diesen Fehler.
Sie setzen in Ihrem Wiki hingegen Phytotherapie synonym mit (traditioneller) Pflanzenheilkunde, was ebenso falsch ist.  ;)

pelacani

Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 10:44:21
Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Nein, das gilt nur für einen kleinen harten Kern der militanten Spinner.
Ich wünschte, es wäre so.
Die Zahl der Fans bzw. Mitglieder mancher Seiten bzw. Gruppen auf Facebook und nicht zuletzt die dort veröffentlichten Beiträge und Kommentare sprechen eine ganz andere Sprache. Oder suchen Sie mal bei YouTube nach halbwegs seriösen Videos zur Pflanzenheilkunde - Sie werden (fast) keine finden.
Und Google ist auch so eine Sache...
http://derstandard.at/2000013801769/Gesuender-googeln
Das vermittelt einen Eindruck, aber kann nichts über die tatsächliche Häufigkeit von Einstellungen in der Bevölkerung mitteilen. Da müsste man dann schon epidemiologische Untersuchungen oder wenigstens seriöse Meinungsumfragen organisieren. Solche Meinungsumfragen haben dann Auftraggeber, wie z. B. die Carstens Stiftung, die natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die gestellten Fragen haben ...

Außerdem muss man hier trennen zwischen dem, was der/die Gesunde in seiner/ihrer Freizeit so raustrompetet und dem, was er/sie tut, wenn es Ernst wird.

Lonicerus

Da insb. in den Gruppen auch Fotos oder ausführliche, durchaus glaubwürdige Krankengeschichten gepostet werden, hat man schon einen ganz guten Eindruck, was die Leute da selbst therapieren.
Das dringt halt nicht so an die Öffentlichkeit wie diese Fälle:
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/alternativmedizin-bei-krebs-gefaehrliche-esoterik-a-1048139.html
http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/ayurveda-zwei-deutsche-ehepaare-auf-sri-lanka-vergiftet-a-1054771.html
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/handeloh-seminarleiter-nach-heilpraktikerrausch-im-fokus-der-ermittler-a-1055328.html

Oft ist die Argumentation dann: Zum Arzt gehe ich grundsätzlich nicht, Heilpraktiker kann ich mir nicht leisten, also mache ich es selbst.
Das ist ja auch nichts grundsätzlich Neues, sondern lässt sich bis in die Naturheilkundebewegung in der Lebensreform des 19. Jhds. zurückverfolgen.
Im Deutschen Reich hatten wir zudem von ca. 1870 (je nach Region) bis 1939 de facto die Kurierfreiheit. Das sind 70 Jahre, die ihre Spuren hinterlassen haben.
Es ist gut möglich, dass das jetzt erst durch das Internet so offenkundig geworden ist.

Wie groß dieser Anteil der Bevölkerung nun tatsächlich ist, das kann ich natürlich auch nur schätzen. Ich gehe aber davon aus, dass er nicht gerade gering ist.
Interessanterweise habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass die Leute, die sich ernsthaft mit Pflanzenheilkunde beschäftigen, eher nicht groß im Internet unterwegs sind.


Lonicerus

Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 12:55:15
Sie rennen offene Türen ein.
Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Und ich sage: Hinter verschlossen Türen geht es noch viel schlimmer zu.  :-[

Wolleren

Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 19:37:05
Zitat von: Pelacani am 09. Oktober 2015, 19:23:12
Davon steht in den Monografien kein Sterbenswörtchen. Dort heißt es lediglich ,,well established use". Für die Indikationen werden weder empirische Belege angegeben noch ein Level of Evidence.
Man sollte auch die Anhänge lesen, bspw. den "assessment report":
Echinacea: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185435.pdf
Ginkgo: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/04/WC500185241.pdf
Teufelskralle: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2010/01/WC500059019.pdf
Das sind schöne Links, und ich habe mir mal aufgrund eigener Kenntnisse zum Einsatz von Ginkgo gegen Tinnitus den Report zum Ginkgo angeschaut.

Die Daten zur Verträglichkeit habe ich nicht betrachtet, da es einen "well established use" gibt, offenbar europaweit - die Frage ist nur: Warum?

Nachdem 2005 eine Metaanalyse recht differenziert festgestellt hatte, dass eine Wirksamkeit gegen (subjektiven) Tinnitus nicht nachgewiesen wurde, wurden unverdrossen weitere Studien durchgeführt, die wohl irgendwie die bereits gewonnenen Ergebnisse erschüttern sollten. Die Ergebnisse waren - wie zu erwarten - gemischter Natur.

Das Wirkprinzip:
Ginkgo wird eine Durchblutungsförderung nachgesagt, und die soll manchmal Einfluss auf einen Tinnitus besitzen.

Das ist bei zerstörten Zellen im Innenohr und einer gestörten Signalverarbeitung im Hirn ganz schön weit hergeholt, um nicht zu sagen, magisch. Genauso wie übrigens eine Innenohr-Operation, bei der zum Zwecke der Durchblutungsförderung Cortison ausgebracht wird. Zur Behandlung von subjektivem Tinnitus z.B. http://www.chirurgie-portal.de/hno-hals-nasen-ohren/hoersturz-tinnitus-schwerhoerigkeit.html .

Einem Hörsturz-Patienten ist es aufgrund der Durchseuchung Deutschlands mit Pflanzengläubigkeit praktisch nicht möglich, einer Empfehlung von Ginkgo zu entkommen. Dabei ist eine dauernde Behandlung des Tinnitus psychisch definitiv nachteilig, weil sie die Wahrnehmung des Tinnitus schärft anstatt die Schwelle zu erhöhen. Was ich von Leuten halte, die damit ihr Geld verdienen, brauche ich wohl nicht auszuführen. Es ist wie mit den Hebammen und den Glaubuli.

Was die Kritik an der Phytotherapie angeht, kann man eine allgemeine Aussage kaum treffen, schon gar nicht, wenn man den Begriff der Phytotherapie gar nicht definieren kann, wie hier bereits geschrieben.
Das psiram-wiki sollte es trotzdem tun. Der Glaube an die allgemeine Nutzbarmachung von Pflanzen (kulminierend in "gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen") in Gesundheit und Wellness benötigt eine fundierte Kritik. wikipedia kann und will das nicht leisten und ist insofern kein Maßstab, doch die Qualität die dort geliefert wird, ist ständiger Ansporn.

Lonicerus

Bzgl. Tinnitus findet sich bereits in den Monographien der Kommission E und der ESCOP nur die adjuvante Therapie.
Konkret genannt werden:
Zitat- Symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts bei demenziellem Syndrom: Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen, Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen. Zur primären Zielgruppe gehören Patienten mit demenziellem Syndrom bei primär degenerativer Demenz, vaskulärer Demenz und Mischformen.
- Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit bei Stadium II nach Fontaine (Claudicatio intermittens) im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen, insbesondere Gehtraining.
- Adjuvante Therapie bei Tinnitus vaskulärer oder involutiver Genese, Schwindel
Quelle: http://www.koop-phyto.org/arzneipflanzenlexikon/ginkgo.php

Die HMPC-Monographie nennt als Indikationen:
Zitat- Well-established use: Herbal medicinal product for the improvement of (age-associated) cognitive impairment and of quality of life in mild dementia.
- Traditional use: Traditional herbal medicinal product for the relief of heaviness of legs and the sensation of cold hands and feet associated with minor circulatory disorders, after serious conditions have been excluded by a medical doctor.

Nicht mehr und nicht weniger...

Da beim einen oder anderen wohl immer noch etwas Unklarheit herrscht, was Phytotherapie und Phytopharmaka eigentlich sind, hier ein wie ich finde recht aufschlussreicher Artikel aus der "PZ":
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51492

pelacani

Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 13:50:52
[...]Konkret genannt werden:
Zitat- - Symptomatische Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts bei demenziellem Syndrom: Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen, Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen. Zur primären Zielgruppe gehören Patienten mit demenziellem Syndrom bei primär degenerativer Demenz, vaskulärer Demenz und Mischformen.
- Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit bei Stadium II nach Fontaine (Claudicatio intermittens) im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen, insbesondere Gehtraining.
- Adjuvante Therapie bei Tinnitus vaskulärer oder involutiver Genese, Schwindel
Quelle: http://www.koop-phyto.org/arzneipflanzenlexikon/ginkgo.php

Ad 1: wie schon bei Husten+Schnupfen+Harnwegsinfekt: Ein Gemisch von Krankheiten wird mit einem Gemisch von Stoffen behandelt.
Zitat von: Pelacani am 08. Oktober 2015, 06:12:51höchstens dass man den empirischen Kuddelmuddel mit einer Pflanzenkombination noch undurchsichtiger machen kann.
Wie siehts nun mit der Evidenz aus? Fragen wir die S3-Leitlinie "Demenzen":
ZitatEs gibt keine überzeugende Evidenz für die Wirksamkeit ginkgohaltiger Präparate. Sie werden daher nicht empfohlen.  Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ia
http://www.dgppn.de/fileadmin/user_upload/_medien/download/pdf/kurzversion-leitlinien/s3-leitlinie-demenz-kf.pdf

Ad 2. Die [abgelaufenen] S3-Leitlinien zur pAVK von 2009 haben:
ZitatDemgegenüber spielen andere Substanzen wie Pentoxifyllin, L-Arginin, Buflomedil oder Ginkgo biloba keine nennenswerte Rolle. Diese Substanzen haben keine ausreichende Evidenz für einen klinischen Nutzen bei Claudicatio.
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/065-003_S3_Diagnostik_und_Therapie_der_peripheren_arteriellen_Verschlusskrankheit_PAVK_abgelaufen_01.pdf
Und ich glaube nicht, dass sich die Datenlage seit 2009 grundlegend verändert hat.

Ad 3. Nochmal zum Tinnitus:
ZitatS3-Leitlinie 017/064: Chronischer Tinnitus aktueller Stand: 02/2015 Seite 18
Ginkgo biloba. Eine aktuelle Übersicht aus Norwegen als update eines Cochrane Review wertete neue randomisierte und placebokontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Ginkgo biloba mit insgesamt über 6000 Patienten aus: Eine Evidenz einer Wirksamkeit ergab sich nicht. Vielmehr bestehen, wenn auch milde Nebenwirkungen wie Schwindel, Magenbeschwerden oder allergische Reaktionen, manchmal auch eine erhöhte Blutungsneigung (Roland und Nergard 2012 [202]). Bereits 2001 wurde im British Medical Journal (BMJ) die Wirksamkeit von Ginkgo-Extrakt bei Tinnitus an einem sehr großen Patientenkollektiv (1121 Teilnehmer) in einer doppelblinden und placebokontrollierten Studie untersucht. Dabei führte Ginkgo genauso (wenig) zu einer Verbesserung der Tinnituspenetranz und – intensität wie ein Placebo (Drew und Davies 2001 [47]).
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-064l_S3_Chronischer_Tinnitus_2015-02.pdf

In allen drei genannten Indikationen kann man sehen, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Die HMPC-Monographie drückt ein Auge zu, und die ESCOP-Monografien kneifen offenbar beide Augen fest zu. Das nennt sich dann wissenschaftliche Phytotherapie.
Zitat von: Lonicerus am 09. Oktober 2015, 12:44:41
Es steht mir nicht zu, die Entscheidung der EMA in Frage zu stellen. Diese hat eine Wirkung als erwiesen erachtet.
Hiermit versichere ich Ihnen ausdrücklich: Doch, es steht Ihnen zu.

Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 13:50:52Da beim einen oder anderen wohl immer noch etwas Unklarheit herrscht, was Phytotherapie und Phytopharmaka eigentlich sind, hier ein wie ich finde recht aufschlussreicher Artikel aus der "PZ":
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51492
Daraus:
ZitatMit mehr Sachverstand und weniger Emotionen kommt man jedoch zu der fast trivialen Erkenntnis, dass Phytopharmaka sowohl ihre Stärken als auch ihre Limitationen besitzen. Folglich gilt es, die Stärken zu nutzen und die Limita­tionen zu beachten.
Was sind denn nun die ,,Stärken"? Dazu sagt die Pharmazeutische Zeitung nichts. Aber ich sage etwas dazu: Die Stärke der Phytopharmakotherapie besteht, genau betrachtet, in ihrer unterstellten Schwäche – in jeder Hinsicht.

Lonicerus

Jetzt müssen Sie mir aber dennoch mal erklären, wo genau eine kausale Tinnitus-Therapie mit Ginkgo propagiert wird. In den Monographien jedenfalls nicht. Das ist bislang eine reine Unterstellung.  ;)

Wenn wir uns aber noch nicht einmal einig werden, was Phytotherapie überhaupt ist, dann kann man sich auch schlecht auf Stärken und Schwächen einigen. Abgesehen davon habe ich diese aus meiner Sicht bereits auf der ersten Seite dieses Threads genannt.

pelacani

Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 17:55:01
Jetzt müssen Sie mir aber dennoch mal erklären, wo genau eine kausale Tinnitus-Therapie mit Ginkgo propagiert wird. In den Monographien jedenfalls nicht. Das ist bislang eine reine Unterstellung.  ;)
Ich weiß, lieber Lonicerus, dass es völlig verfehlt wäre, Sie für die von Ihnen verlinkten Texte haftbar machen zu wollen, aber #115,
ZitatDurch klinische Studien belegte Anwendungsgebiete (Zulassung), ESCOP, Kommission E:
und das Wort ,,kausal" höre ich zum ersten Mal.

Zitat von: Lonicerus am 19. Oktober 2015, 17:55:01Wenn wir uns aber noch nicht einmal einig werden, was Phytotherapie überhaupt ist, dann kann man sich auch schlecht auf Stärken und Schwächen einigen. Abgesehen davon habe ich diese aus meiner Sicht bereits auf der ersten Seite dieses Threads genannt.
Das verstehe ich nicht. Es ist doch gar nicht erforderlich, dass man sich darüber einigt. Sie können ja einfach mal ein Beispiel nennen, bei dem besser ist, die Pflanze als solche einzusetzen, als ihren gereinigten Wirkstoff. Ich erinnere mich da an allgemeine Erwägungen von Ihnen,
Zitat von: Lonicerus am 07. Oktober 2015, 11:06:25Vielstoffgemische haben in der Regel den Vorteil, dass sie weniger Nebenwirkungen verursachen als Einzelwirkstoffe. Ebenso ist die Gefahr von Resistenzen nicht so groß.
aber nicht an einen sonderlich erfolgreichen Versuch, das plausibel zu belegen. Das einzige, was da entfernt in die Nähe gekommen ist, war das Artemisinin-Beispiel, von mir kommentiert in #49 unten.

NB, Schon leicht OT:
Zitat von: Lonicerus am 10. Oktober 2015, 10:44:21
Zitat von: Pelacani am 10. Oktober 2015, 09:56:39
Ihre Definition der Phytotherapie hat außerhalb Ihrer Branche keine Freunde. Für die Bevölkerung gilt beispielsweise:
Zitat von: Psiram-Wiki
Häufig wird die Homöopathie mit der Phytotherapie verwechselt oder identifiziert.
Klar, ein prominentes Beispiel wäre Amardeo Sarma, der macht in Vorträgen, Interviews und Artikeln auch immer wieder diesen Fehler.
Sie setzen in Ihrem Wiki hingegen Phytotherapie synonym mit (traditioneller) Pflanzenheilkunde, was ebenso falsch ist.  ;)
Definitionen können nicht richtig oder falsch sein, sondern nur geeignet/ungeeignet, allgemein akzeptiert/nicht verbreitet etc. Nicht verbreitete Definitionen (so wie die Ihre) können dennoch durchaus geeignet sein: für bestimmte Zwecke, z. B. den der Exkulpierung.

ajki

Nebenbei:

Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit einer Diskussion über den Wiki-Artikel Phytotherapie ist das Wiki-Tagging. Heißt:

es gibt natürlich auch eine "Kategorie:Phytotherapie"

mit etlichen Einzelartikeln, die sich mindestens teilweise auf "phytotherapeutische" Maßnahmen beziehen. Einige davon müßten vielleicht im Zusammenhang mit einer Artikelbearbeitung ebenfalls betrachtet werden.
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