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Gute Pillen - Schlechte Pillen

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Begonnen von Lync, 23. September 2012, 09:18:58

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Truhe

Zitat von: skeptizistiker am 24. September 2012, 23:11:52
und ja mir ist bewußt, dass Aspirin heute kaum eine Chance hätte zugelassen zu werden...
Ist das wirklich so? Wenn Aspirin sooo unsicher ist und böse Nebenwirkungen hat, gäbe es doch sicher auch die Möglichkeit die Zulassung zu entziehen.

Zitat von: skeptizistiker am 24. September 2012, 21:56:07
Eine bekannte, vielleicht sogar schwerwiegende, Nebenwirkung zu riskieren, die ich kenne, kann besser sein als unbekannte Risiken einzugehen.
Da ist wieder das beliebte "kann der Unangreifbarkeit". "Nebenwirkung kennen" kann auch viel heißen. Und ein unbekanntes Risiko ist per se nicht einschätzbar. Wie möchtest Du an der Stelle also überhaupt abwägen?

skeptizistiker

ZitatWenn Aspirin sooo unsicher ist und böse Nebenwirkungen hat, gäbe es doch sicher auch die Möglichkeit die Zulassung zu entziehen.
Wikipedia Aspirin Nebenwirkungen!
Das Leben ist nun mal nicht schwarz-weiß. Ja, Millionen, wahrscheinlich Miilliarden profitieren von Aspirin u. ä. Medikamenten. Und ja Tausende und Abertausende sterben früher mit als ohne. Besonders wenn es über längere Zeiträume in recht hohen Dosen gegen Entzündungen eingesetzt wird. (Gilt aber für die ganze Gruppe der NSAR). Dafür ist das (vielleicht etwas kürzere) Leben mit weniger Schmerzen aber doch angenehmer.
Ob mir das Medikament hilft, merke ich ja recht schnell, ob ich deshalb früher sterbe, erfahre ich wahrscheinlich nie. Das ist eben die "Gnade" der Statistik, dass ich nicht weiß ob ich zu den soundsoviel Prozent gehöre die Pech haben. Also bitte nichts gegen Aspirin, da hast Du mich falsch verstanden (oder ich habe mich schlecht ausgedrückt).

Zitatdas beliebte "kann der Unangreifbarkeit". "Nebenwirkung kennen" kann auch viel heißen.

Kann, muss aber nicht. Tja mit den Unwägbarkeiten des Lebens muss man eben leben, führt wahrscheinlich bei vielen Menschen zu einem Leiden namens Religiösität ;-)

Zitatein unbekanntes Risiko ist per se nicht einschätzbar. Wie möchtest Du an der Stelle also überhaupt abwägen?

Eigentlich ganz einfach: Ein neues Medikament bekommen erstmal nur diejenigen bei denen die Alten nicht wirken oder zu unerträglichen Nebenwirkungen führen. Erst später, wenn sich herausgestellt hat (Studien), dass das Neue wirklich besser ist, werden auch andere Patienten umgestellt.

bayle

ZitatTja mit den Unwägbarkeiten des Lebens muss man eben leben

Oder noch mehr kontemplativ formuliert: Die Notwendigkeit zu handeln reicht weiter als die Möglichkeit zu erkennen (so oder so ähnlich hat es Kant gesagt).

Wirsing

Zitat von: skeptizistiker am 25. September 2012, 12:08:38
Eigentlich ganz einfach: Ein neues Medikament bekommen erstmal nur diejenigen bei denen die Alten nicht wirken oder zu unerträglichen Nebenwirkungen führen. Erst später, wenn sich herausgestellt hat (Studien), dass das Neue wirklich besser ist, werden auch andere Patienten umgestellt.

Das hört sich sicherlich sehr vernünftig an, nur dann müßtest Du auch Änderungen im Patentrecht machen. Wenn nach der Zulassung nochmal 5-10 Jahre vergehen kann der Entwickler mit dem Medikament leider kaum mehr Geld verdienen. Normalerweise hat er ca. 4-5 Jahre Zeit die Entwicklungskosten reinzuholen und daran zu verdienen....

The Doctrix

@ Skeptizistiker:

Die Bedeutung von Aspirin in der Schmerzbehandlung nimmt immer mehr ab. Von ärztlicher Seite wird es kaum noch eingesetzt, aber auch die Verkäufe in Apotheken sind rückläufig. Völlig anders der Verbrauch von niedrig dosiertem ASS als Prophylaxe bei Herzkranzgefässverengungen. Und da gibt es nicht wirklich Alternativen - Clopidogrel ist zwar potenter, hat aber noch mehr Langzeit-Nebenwirkungen.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Monteverdi

Zitat von: Wirsing am 25. September 2012, 12:50:11
Zitat von: skeptizistiker am 25. September 2012, 12:08:38
Eigentlich ganz einfach: Ein neues Medikament bekommen erstmal nur diejenigen bei denen die Alten nicht wirken oder zu unerträglichen Nebenwirkungen führen. Erst später, wenn sich herausgestellt hat (Studien), dass das Neue wirklich besser ist, werden auch andere Patienten umgestellt.

Das hört sich sicherlich sehr vernünftig an, nur dann müßtest Du auch Änderungen im Patentrecht machen. Wenn nach der Zulassung nochmal 5-10 Jahre vergehen kann der Entwickler mit dem Medikament leider kaum mehr Geld verdienen. Normalerweise hat er ca. 4-5 Jahre Zeit die Entwicklungskosten reinzuholen und daran zu verdienen....

Für mich klingt es nicht ganz so vernünftig - wenn ich es denn richtig verstehe.

Sprechen wir hier von bereits zugelassenen Medikamenten? Dann sollten doch alle Studien zur (statistischen) Absicherung der Unbedenklichkeit bereits erfolgt sein und es wäre ethisch nicht vertretbar, neue Medikamente nicht allen zugänglich zu machen. Das wäre auch nachteilig, da die Feststellung, dass "das Neue wirklich besser" ist", dann mit einer kleineren Population erfolgen muss und sich seltenere negative Ereignisse dann noch später zeigen.

Oder sollten Studien oder Teile davon zur Unbedenklichkeit quasi in die Anwendungsphase verschoben werden? Auch das halte ich für ethisch fragwürdig. Dass sich z.B. Hinweise auf sehr seltene Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder therapeutische Langzeiteffekte erst spät zeigen können, bleibt davon ja unberührt, das wird man nicht ändern können.

Die 4 bis 5 Jahre um die "Entwicklungskosten reinzuholen" sind belegt? Die Laufzeit der Patente scheint mir doch schon länger. So habe ich das mal bei antiretroviralen Medikamenten von Gilead festgehalten:

Medikament: Zulassung USA - Patentende USA / Zulassung EU - Patentende EU
Viread: 2001 - 2017 / 2002 - 2018
Emtriva: 2003 - 2021 / 2003 - 2016
Truvada: 2004 - 2021 / 2005 - 2018
Atripla: 2006 - 2021 / 2007 - 2018
Eviplera/Complera: 2011 - 2023 / 2011 - 2021
Stribild: 2012 - 2023 / noch nicht zugelassen
Elvitegravir: im Zulassungsverfahren, Patentende ca. 2023 angenommen

Also auch bei neuern Entwicklungen sind es wohl mind. 10 Jahre. Besonderheiten wie Patentpools oder Lizenzvergabe zu niedrigen Preisen drücken natürlich den Erlös.

Quellen Zulassungen:
http://www.fda.gov/
http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=/pages/home/Home_Page.jsp

Quelle Patentlaufzeiten:
http://www.gilead.com/AR2011/GileadSciences_10K_20120223.pdf, S. 17 (S. 20 des PDF)

Truhe

Zitat von: skeptizistiker am 25. September 2012, 12:08:38
Also bitte nichts gegen Aspirin, da hast Du mich falsch verstanden (oder ich habe mich schlecht ausgedrückt).
Eher letzteres. Seit Laberandys Heimsuchung habe ich keine Lust mehr auf unkonkretes hätte/wäre/könnte und Heruminterpretieren.
Danke deshalb für die inzwischen gemachten klaren Aussagen.

bayle

ZitatLaberandys Heimsuchung

Mensch, das scheint ja ein bleibendes Trauma gesetzt zu haben. Gib doch mal den Thread an, damit ich meine Empathie steigern kann (aber ich fürchte auch um meine Leidensfähigkeit).  :grins2:

71hAhmed

Bitte sehr, ab hier:

http://forum.psiram.com/index.php?topic=5306.msg100210#msg100210

für Risiken und Nebenwirkungen lasse ich mich NICHT haftbar machen, ebensowenig wie für kaputte Einrichtungsgegenstände oder Körperteile.




bayle

Ach, den meint ihr? Kenn' ich doch längst:

Zitat von: bayle am 31. August 2012, 18:43:21
Zitat von: Abe81 am 30. August 2012, 14:11:57
Ich finde das Thema hier auch gerade spannend, weil es gerade auch die Diskussion um die epistemiologische Schwachstellen der modernen Atheisten befeuert, die m.E. zentraler Kern dieser Diskussion ist/sein sollte. Wer klärt die Aufklärer auf? Sie sich selbst, wenn sie denn nicht das Kind mit dem Bade ausschütten; oder wie Adorno es in der Minima Moralia formuliert "Der Gedanke, der den Wunsch, seinen Vater, tötet, wird von der Rache der Dummheit ereilt"
Habt Ihr mal geguckt, wo der Link hingeht, der unter ,,Vater, tötet," liegt?
http://www.open-mindwork.org/foren/omspace/forum.php?req=thread&id=371
zu Andreas Giesen, unserem Walach-Verteidiger. Das ist dann wohl genau der Richtige, die Aufklärer über ihre epistemiologischen Schwachstellen aufzuklären (Service für @abe81: schau Dir mal den thread
http://forum.psiram.com/index.php?topic=5306.0 an)

Eigentlich wollte ich ja im Zusammenhang antworten, aber das war einfach zu köstlich, das musste ich vorweg schicken.
:laugh:
:crazy

skeptizistiker

ZitatSprechen wir hier von bereits zugelassenen Medikamenten? Dann sollten doch alle Studien zur (statistischen) Absicherung der Unbedenklichkeit bereits erfolgt sein und es wäre ethisch nicht vertretbar, neue Medikamente nicht allen zugänglich zu machen.

Was sagen denn die Foren-Ärzte dazu? Vielleicht habe ich wirklich eine Tendenz mich missverständlich auszudrücken: Bei meiner Argumentation habe ich vor allem an chronische Erkrankungen gedacht, bei denen die Medikamente nunmal in der Regel keine Heilung, sondern im besten Falle für längere Phasen zu einer Symptomfreiheit oder wenigstens Linderung  der Symptome führen. Solche Medikamente werden dann über Jahrzehnte eingenommen. Nebenwirkungen die durch solch dauerhaften Einsatz auftreten, können nunmal nicht vor der Zulassung erkannt werden. Erst recht nicht wenn Studien (oder Teile von Studien) die erste Hinweise auf möglicherweise zu erwartende Probleme geben, einfach nicht veröffentlicht werden.  Genauso können natürlich auch zusätzliche erwünschte Effekte noch nach Jahren oder Jahrzenten der Anwendung erkannt werden. Die Medizin ist nunmal großteils das, was die Alternativen gerne wären: Eine Erfahrungswissenschaft. Nur bitteschön und hoffentlich wissenschaftlich-statistisch abgesicherte Erfahrung. Und die wird doch zu einem bedeutendem Teil erst mit der Anwendung gemacht. 

bayle

Das sind alles zu berücksichtigende Aspekte, aber eine globale Antwort ist kaum möglich. Wann je sind "alle Studie, die zur Absicherung erforderlich sind", durchgeführt? Das ist letztlich nicht allein eine Frage der Wissenschaft, sondern eine der Übereinkunft. Es wird immer ein Restrisiko bleiben. Gelegentlich sollte auch in Betracht gezogen werden, dass Medizin nicht auf der Insel der Seligen stattfindet, sondern unter konkreten wirtschaftlichen Bedingungen. Man kann viel fordern (irgendwo hatten wir in den letzten Tagen den Vorschlag, alle Einwohner der Bundesrepublik vierteljährlich durchs Gesamtkörper-MRT zu jagen), aber da sind einfach, nüchtern betrachtet, Bremsen erforderlich.

Und, ähm...
ZitatDie Notwendigkeit zu handeln reicht weiter als die Möglichkeit zu erkennen

Monteverdi

Zitat von: skeptizistiker am 25. September 2012, 20:58:45
Bei meiner Argumentation habe ich vor allem an chronische Erkrankungen gedacht, bei denen die Medikamente nunmal in der Regel keine Heilung, sondern im besten Falle für längere Phasen zu einer Symptomfreiheit oder wenigstens Linderung  der Symptome führen. Solche Medikamente werden dann über Jahrzehnte eingenommen. Nebenwirkungen die durch solch dauerhaften Einsatz auftreten, können nunmal nicht vor der Zulassung erkannt werden.

Gut, dann habe ich es verstanden, sehe es auch so, denn keine Phase III-Studie wird schon alles an den Tag bringen können - von entsprechender Offenlegung solcher Ergebnisse mal ganz abgesehen. Und ich hatte daher ja auch geschrieben: "Dass sich z.B. Hinweise auf sehr seltene Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder therapeutische Langzeiteffekte erst spät zeigen können, bleibt davon ja unberührt, das wird man nicht ändern können."

Aber es bleibt die Frage: warum Medikamente zurückhalten? Denn gerade bei chronischen Erkrankungen scheint mir ein gescheites Therapiemanagement mit Wechsel der Wirkstoffe sinnvoll, um ernstere Nebenwirkungen zu vermeiden oder zumindest zu lindern.

Und in Fällen von Krankeiten, gegen die es nur sehr wenig Medikamente gibt, bleibt wohl sowieso immer nur ein Abwägen, was ethisch vertretbar ist: in den Markt mit dem neuen Wirkstoff um Menschen zu helfen und dabei auch schwere Nebenwirkungen bis bin zu Todesfällen zu riskieren, oder "endlos" prüfen und so Patienten eine Behandlungs- oder sogar Rettungsoption vorzuenthalten. Insofern passt bayles Hinweis auf Übereinkunft und Restrisiko.




The Doctrix

Zitat von: Flaneur am 25. September 2012, 21:30:10
Gut, dann habe ich es verstanden, sehe es auch so, denn keine Phase III-Studie wird schon alles an den Tag bringen können - von entsprechender Offenlegung solcher Ergebnisse mal ganz abgesehen.

Glaube mir: wenn in Phase III ein ernstzunehmendes Problem auftritt, kommt das Medikament garantiert nicht auf den Markt (oder nur mit massiven Anwendungseinschränkungen). Warum? Weil sich der Fehler nach der Markteinführung in kürzester Zeit potenzieren würde, was wiederum zu massiven Regressforderungen an den Herstellern führen würde.

So dumm ist kein Pharmahersteller.


Aber ein sehr schönes Beispiel für fatale Nebenwirkungen, die erst nach der Markteinführung und bei Anwendung an sehr vielen Personen sichtbar werden, war sicherlich "Vioxx", ein Antirheumatikum (Cox-II-Inhibitor), welches 2004 vom Markt genommen wurde, nachdem mehrere Anwender an Herzinfarkten verstorben waren. Riskant war "Vioxx" aber nur für Menschen mit Vorerkrankungen der Herzkranzgefässe (und in Phase-III-Studien wird ja stets am Gesunden getestet). Das trifft allerdings auch auf die anderen Cox-II-Hemmer zu. Bei diesen wurde jedoch nur ein entsprechender Warnhinweis in den Beipackzettel geschrieben, die Präparate blieben weiter am Markt.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

bayle

Zitatund in Phase-III-Studien wird ja stets am Gesunden getestet

Das ist vielleicht etwas missverständlich: getestet wird an sonst Gesunden.