Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Putzfrau schrubbt Kunstwerk weg

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Averell, 04. November 2011, 09:19:58

« vorheriges - nächstes »

mossmann

Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Averell

Nicht generell. Aber mit solchen Installationen kann ich nichts anfangen und vermute in der Szene auch einige na sagen wir mal gewinnorientierte Handwerker...

Kleine Anekdote: Vor vielen vielen Jahren einmal... egal. Jedenfalls hatten Eltern eines Freundes ihr Gartenhaus an einen Künstler aus der großen Stadt vermietet, der jenes als Atelier und Kreativraum benutzte. Ok die Wahrheit war, der Typ kam so 3-4 x die Woche hat sich ordentlich die Kante gegeben und dann den Rausch ausgeschlafen. Aber er zahlte gut und machte keinen Krach.
Von Zeit zu Zeit veranstaltete er so kleine Events wo dann die gut betuchte und beseelte Gefolgschaft aus der großen Stadt anrauschte, um sich seine neuesten Werke reinzuziehen und zu erwerben.
An eines kann ich mich noch sehr gut erinnern. 1 schlichter Rahmen ca. 70 x 80 cm. Darin 2 alte Holzbretter über Kreuz genagelt und darüber auf 4 lange Schrauben eine alte Plexiglasscheibe geschraubt.
Averell: "Samma L*** wat willste mir eijentlich mit Deinem Werk hier sagen?!?"
L***: "*hicks* NIX. Das muß der Betrachter selbst einscheiden und erfahren."
Averell: "Aha. *prost* Und wat zahl ick dafür?"
L***(dickes Grinsen): "Schon verkauft. fünfftAUssnd Mark.*rülps*"

Materialwert grob geschätzt 7,50 DM. Zeitaufwand max. 30 min.

Ich möchte auch mal Installateur-Künstler werden.

mossmann

Mit Verlaub, Avarell:

Das ist Stammtisch-Gerede

"Die faulen Künstler, alles Scharlatane, von unseren Steuergeldern ..." usw.

Ganz nebenbei: Kippenberger ist einer der rennomiertesten Deutschen Gegenwartskünstler - und das mit Recht!

ZitatKippenberger übernahm 1990 eine Gastprofessur an der Städelschule Frankfurt und gab ab 1992 Gastvorlesungen an der Yale University und an den Universitäten Nizza, Amsterdam und an der Gesamthochschule Kassel. 1996 erhielt er den Käthe-Kollwitz-Preis. 1997 nahm er an der Documenta X in Kassel und an der Ausstellung Skulptur.Projekte in Münster teil. 2003 war er posthum auf der 50. Biennale in Venedig zusammen mit Candida Höfer für den deutschen Pavillon vertreten.

Kippenbergers Werke sind den Neuen Wilden zuzuordnen. In der Tradition von Dada und Fluxus arbeitete er an der Demontage des traditionellen Kunstbegriffs. Seine Mittel dazu waren unter anderem Provokationen und Spott.

Die Frau hat ganz gewiss keinen Orden verdient, genausowenig wie diejenige, die damals Beuys weggeputzt hat.

Oder ist Beuys auch nur ein Abzocker, der mit bissel Fett und Filz fett die Kohle gemacht hat?

Die Meldung ist mit Sicherheit sehr lustig, aber Sprüche wie die der mit dem Orden zeugen eher von wenig Kunstverständnis.

Man muss nicht alles verstehen, klar, aber manchmal gilt dann halt ein augenzwinkerndes:

:fresse:

(nicht sauer sein, ok?)
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Averell

Zitat von: mossmann am 04. November 2011, 11:15:07
Man muss nicht alles verstehen, klar, aber manchmal gilt dann halt ein augenzwinkerndes:

:fresse:

(nicht sauer sein, ok?)
Kein Problem, ich mag die direkte Konfrontation.

Daß ich mit diesem modernen Kunstgedöns nichts anfangen kann ist denke ich, mir schnell anzumerken ;-) Das heißt aber nicht Mossmann, daß ich laut rumprolle wie
Zitat von: mossmann am 04. November 2011, 11:15:07
"Die faulen Künstler, alles Scharlatane, von unseren Steuergeldern ..." usw.

L*** war in meinen Augen nur einfach clever und ein echt netter Typ, allerdings mit einem ziemlich hohen Alkoholkonsum. Wir hatten aber viel Spaß damals.

Generell sage ich als alter Preusse auch hier, jedem nach seiner Fasson. Wem diese Kunstform gefällt, dem sei das herzlich gegönnt. Nur gönne mir bitte auch meine Schadenfreude bei so was. Die arme Putzfrau wird keinen Orden kriegen sondern sicher die Kündigung.

Ich bin da halt ein wenig durch eine verflossene vorbelastet. Die war auch einem solchen Trip, wobei die eigentlich meiner Meinung nach nur unbedingt dazugehören wollte. Aber als hormongesteuertes Opfer ließ ich mich auf diverse Acts mitschleppen und hatte einige ganz schreckliche Abende inmitten von pseudo Intellektuellen und Möchtegern-Kunstkennern. Richtige Größen der Szene habe ich nie kennengelernt, vielleicht hätte das mich positiver gestimmt.

Mephisto

Ist doch aber auch so:
Wenn jemand "an der Demontage des traditionellen Kunstbegriffs" arbeitet, muss er eben auch damit rechnen, dass Leute die sich nicht ständig über den aktuellen Stand des (seines?) Kunstbegriffs informieren (können), nicht mehr zwischen seiner Kunst und z.B. einer Verschmutzung unterscheiden können.

mossmann

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 13:26:51
Ist doch aber auch so:
Wenn jemand "an der Demontage des traditionellen Kunstbegriffs" arbeitet, muss er eben auch damit rechnen, dass Leute die sich nicht ständig über den aktuellen Stand des (seines?) Kunstbegriffs informieren (können), nicht mehr zwischen seiner Kunst und z.B. einer Verschmutzung unterscheiden können.

Kunst ist Teil der Kultur.
Deshalb steht gute Kunst ja auch meist in einer Galerei oder in einem Museum.
Da gehen Leute hin, die es interessiert.
Haben diese Besucher keinen Plan, gibt es Kataloge, Broschüren und Audio-Führungen, die alles erklären.
Genau, wie man für den Besuch einer Oper oft Hintergrund-Infos benötigt.

Eine Putzfrau muss sicher nicht ständig über den aktuellen Stand des eines Kunstbegriffs informiert sein.
Aber sie sollte gebrieft sein, wo sie arbeitet.
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Mephisto

Zitat von: mossmann am 04. November 2011, 13:33:18
Eine Putzfrau muss sicher nicht ständig über den aktuellen Stand des eines Kunstbegriffs informiert sein.
Aber sie sollte gebrieft sein, wo sie arbeitet.

Naja da ist er wieder, der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ;): sicher sollte sie das, aber offensichtlich war sie es nicht. Würde ja auch wieder Geld kosten, jemanden mit Kunstverstand Putzfrauen briefen zu lassen...

Und die andere Seite des Problems: Gibt es denn überhaupt einen einheitlichen, allgemeingültigen Kunstbegriff? Eher nicht, oder?

mossmann

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 13:39:29
Würde ja auch wieder Geld kosten, jemanden mit Kunstverstand Putzfrauen briefen zu lassen...

Schon wieder Stammtisch und eine pure Hypothese.
Man benötigt keinen Kunstverstand, um jemandem zu erklären, Objekte in einer laufenden Ausstellung nicht zu berühren.

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 13:39:29
Und die andere Seite des Problems: Gibt es denn überhaupt einen einheitlichen, allgemeingültigen Kunstbegriff? Eher nicht, oder?

http://de.wikipedia.org/wiki/Kunstbegriff#Geschichte_des_Kunstbegriffes
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Mephisto

Natürlich ist das alles hypothetisch. Ich arbeite ja nicht in der Personalabteilung des betroffenen Museums.
Aber warum Stammtisch? Die Forderung die Frau zu briefen kam von Dir und selbst jemand ohne Kunstverstand arbeitet in der Regel nicht kostenlos.

Abgesehen davon: die Gute hat ja nur einen scheinbaren Fleck beseitigt und nicht die ganze Installation. Woher soll sie denn (ohne kunstverständige Anleitung) wissen, ob der "Fleck" zum Kunstwerk gehört oder im Laufe des Tages von einem Besucher hervorgerufen wurde wenn es ihr niemand sagt? So klar abgegrenzt schien das Ganze ja dann doch nicht.

Und was den Kunstbegriff angeht:
Sätze wie dieser...
ZitatAuch zeitgenössische Kunst lässt herkömmliche Einteilungen, wie Malerei, Bildhauerei, Tanz, Musik, Theater usw. durchscheinen, zeichnet sich jedoch gerade durch ihre Thematisierung, Infragestellung, Überwindung, Erweiterung, interdisziplinäre Integration und Ironisierung aus.
...lassen das Ganze doch schon recht beliebig erscheinen. Gerade mit "Infragestellung", "Überwindung" und "Ironisierung" lässt sich doch praktisch alles das nicht als Kunst wahrgenommen wird, gerade deswegen zur Kunst erklären.

mossmann

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:12:28
Aber warum Stammtisch?

Das impliziert nunmal Deine Aussage: "Würde ja Geld kosten..."
Das muss ich jetzt doch nicht wirklich erklären ???

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:12:28Abgesehen davon: die Gute hat ja nur einen scheinbaren Fleck beseitigt und nicht die ganze Installation. Woher soll sie denn (ohne kunstverständige Anleitung) wissen, ob der "Fleck" zum Kunstwerk gehört oder im Laufe des Tages von einem Besucher hervorgerufen wurde wenn es ihr niemand sagt? So klar abgegrenzt schien das Ganze ja dann doch nicht.

Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?
Man berührt keine Kunstwerke, das weiß normalerweise auch eine Putzfrau.
Wird ein Werk beschmutzt / beschädigt, müssen da Profis bzw. Restaurateure ran.

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:12:28
Gerade mit "Infragestellung", "Überwindung" und "Ironisierung" lässt sich doch praktisch alles das nicht als Kunst wahrgenommen wird, gerade deswegen zur Kunst erklären.

Natürlich. Die Kunst dabei ist, WIE und in WELCHEM KONTEXT man das macht.
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Mephisto

Zitat von: mossmann am 04. November 2011, 14:20:02
Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:12:28
Aber warum Stammtisch?

Das impliziert nunmal Deine Aussage: "Würde ja Geld kosten..."
Das muss ich jetzt doch nicht wirklich erklären ???

Oh doch!
Jemanden die Putzfrau briefen zu lassen kostet Geld und auch Museen haben nur ein gewissen Budget und müssen sich überlegen wofür sie es einsetzen.

Zitat von: mossmann am 04. November 2011, 14:20:02
Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:12:28Abgesehen davon: die Gute hat ja nur einen scheinbaren Fleck beseitigt und nicht die ganze Installation. Woher soll sie denn (ohne kunstverständige Anleitung) wissen, ob der "Fleck" zum Kunstwerk gehört oder im Laufe des Tages von einem Besucher hervorgerufen wurde wenn es ihr niemand sagt? So klar abgegrenzt schien das Ganze ja dann doch nicht.

Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?
Man berührt keine Kunstwerke, das weiß normalerweise auch eine Putzfrau.
Wird ein Werk beschmutzt / beschädigt, müssen da Profis bzw. Restaurateure ran.

Kommt darauf an, wo genau der Fleck war: befand er sich an der Installation an sich, hast Du natürlich Recht, befand er sich am Boden, kann ich der Putzfrau keinen Vorwurf machen, da die Installation offensichtlich nicht klar von ihrem "Zuständigkeitsbereich" abgegrenzt war.

Zitat von: mossmann am 04. November 2011, 14:20:02

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:12:28
Gerade mit "Infragestellung", "Überwindung" und "Ironisierung" lässt sich doch praktisch alles das nicht als Kunst wahrgenommen wird, gerade deswegen zur Kunst erklären.

Natürlich. Die Kunst dabei ist, WIE und in WELCHEM KONTEXT man das macht.

Und genau da ist das Problem: auch für das "Wie" und "in welchem Kontext" gibt es keine klaren Regeln.

Belbo zwei

Da hilft die Semiotik:

Nach Eco beruht die Sprache auf standardisierten Einheiten, die eine feste Codierung haben. Im Unterschied zu anderen Zeichensystemen: Bilder seien nur schwach codiert und müssten bei jedem Rezeptionsvorgang des Bildes neu entschlüsselt werden. Eco spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,Unschärfe des Bildes", die den Betrachter ständig zu neuen Kommentaren, Interpretationen und Lesarten herausfordere. Das Resultat seine eine Polysemie (Vieldeutigkeit) von bildlichen Zeichen. Anders als ein sprachliches Zeichen erzähle ein bildliches Zeichen eine ganze Geschichte. So ist für Eco der semiotische Gegenwert eines Bildes nicht etwa ein einzelnes Wort, sondern ein komplettes literarisches Werk?, also z. B. ein Roman, eine Novelle oder ein Sonett?.

In seiner Schrift ,,Das offene Kunstwerk" überträgt Eco die Polysemie der bildlichen Zeichen auf literarische Werke?, indem er Texte der Avantgarde (z. B. ,,Ulysses" von James Joyce) als offene, vieldeutige Kunstwerke interpretiert. Eco stellt die These auf, dass im modernen, offenen Kunstwerk der Leser zum Koproduzenten des Autors werde. Denn durch die semantische Vieldeutigkeit der sprachlichen Zeichen produziere jeder Leser einen eigenen, ganz individuellen Sinn- und Bedeutungsinhalt. Bildungsgrad, Lebenserfahrung, Assoziationsvermögen und Einbildungskraft des Lesers entscheiden laut Eco über die Wirkung, die ein literarisches Werk? beim Leser entfaltet.

Belbo zwei


mossmann

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:35:49
Jemanden die Putzfrau briefen zu lassen kostet Geld und auch Museen haben nur ein gewissen Budget und müssen sich überlegen wofür sie es einsetzen.

Mannomann!
Das Briefing besteht schlicht darin, denen zu sagen: "Kunstwerke AUF GAR KEINEN FALL anfassen!"

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:35:49
Kommt darauf an, wo genau der Fleck war: befand er sich an der Installation an sich, hast Du natürlich Recht, befand er sich am Boden, kann ich der Putzfrau keinen Vorwurf machen, da die Installation offensichtlich nicht klar von ihrem "Zuständigkeitsbereich" abgegrenzt war.

Lies das:

ZitatDie im Dortmunder Museum Ostwall ausgestellte Leihgabe besteht demnach aus einem etwa mannshohen Holzlattenturm, unter den der Künstler einen Gummitrog mit Patina platziert hatte – wobei die Patina die getrockneten Überreste von herabgetropftem Wasser darstellte. Die Putzfrau habe nun ,,die vier Wände des Trogs von der Patina befreit", sagte die Sprecherin.

Zitat von: Mephisto am 04. November 2011, 14:35:49
Und genau da ist das Problem: auch für das "Wie" und "in welchem Kontext" gibt es keine klaren Regeln.

Nein, aber es gibt Kunstakademien, Ausstellungen, Essays, Postulate usw.
Diese beobachten, diskutieren und präsentieren künstlerische Entwicklungen.
Mark Rothko hat nicht einfach nur monochrome Wände bemalt.
Es war ein langer Prozess dorthin.
Airbrush kann Kunst sein oder Kitsch.
Das WIE, WO, WANN und WARUM macht den Unterschied.
Dafür braucht es keine dogmatischen Regeln.
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend