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J. K. Rowling und Transgender

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Begonnen von Peiresc, 12. Juni 2020, 04:40:41

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Globglogabgalab

Die sexuelle Orientierung eines Menschen hat nichts mit seiner Geschlechtsidentität zu tun.
(Es wird vermutet, daß Homosexualität ein epigenetisches Programm ist, während Transsexualität eher in der Gehirnanatomie zu finden ist.
Konsens besteht darüber, das beides angeboren, keine "Krankheit" und daher auch nicht therapierbar ist.)

Das vermehrt vermeintlich homosexuelle sich als transsexuell outen, liegt an der gesellschaftlichen Akzeptanz und auch an der Möglichkeit, endlich Worte für ihre möglicherweise verheimlichte Identität zu haben - eine "Massenvertransung" ist bis heute ebenso ausgeblieben wie die vor 20 Jahren von homophoben Revolver- und Kirchenblättern herumgekreischte "Massenverschwulung".
(Ich hatte irgendwo mal einen Zeitungsausschnitt mit Peter Tatchell's Kommentar dazu, der ungefähr so lautete:
"Es kann durchaus sein, daß eine heterosexuelle Transfrau es erst einmal leichter hat, als gesellschaftlich eher akzeptierter Schwuler zu leben, auch wenn sie sich nicht als Mann fühlt. Auch Homosexuelle lernen nicht von heute auf morgen, daß sie vom anderen Ufer sind.")

Aus medizinischer Sicht stehen Homo- und Transsexualität nicht miteinander in Konflikt, man kann durchaus beides, nur eines von beidem oder auch dazwischen (Bisexuell bzw. Nichtbinär) sein - diese Behauptung, das beides grundsätzlich miteinander unvereinbar wäre wird allerdings oftmals von religiös-rechtsextremen Kreisen, teils in Allianz mit einigen radikalen, von modernen "Intersectional Feminists" meist abgelehnten, altfeministischen Strömungen (sog. "political lesbians", ich bevorzuge den Begriff "female supremacists"), vertreten, weil sie darin eine erfolgreiche Strategie sehen, den Gleichberechtigungsaktivismus der LGBT-Community deutlich zu schwächen.
(Das z.B. Tochterorganisationen der "Heritage Foundation" sich als "besorgte Feministinnen/Homosexuelle" wie "LGB Alliance" oder "WoLF" ausgeben, ist seit Jahren bekannt und gut dokumentiert. In LGBT-Kreisen wird diese Sockenpuppenstrategie häufig als "AstroTERF" bezeichnet.)
https://www.opendemocracy.net/en/5050/revealed-trump-linked-us-christian-fundamentalists-pour-millions-of-dark-money-into-europe-boosting-the-far-right/

Leider ist es häufig sogar so, daß Rowling und andere britische Prominente, die Transsexualität als Konversionstherapie bezeichnen, selbst eigene Pseudotherapien wie "Reparative Therapy" zur "Rückkehr" zur Cis-Orientierung befürworten.
(In dem Abschnitt sind u.a. einige LGBT-Hilfsorganisationen, die jugendliche Opfer von Konversionstherapie miteinander vergleichen. Die Suizidversuchsrate nach solchen Behandlungen liegt bei Transgender-Jugendlichen sogar noch höher.)
https://www.psiram.com/de/index.php/Konversionstherapie#Konversionstherapie_zur_Transsexualit.C3.A4t

Diese Vertreter neigen ebenfalls dazu, Falschinformationen über die tatsächlich medizinisch anerkannte Transition zu verbreiten, vor allem über angebliche Operationen und Hormongaben an Jugendliche.
In Realität können Jugendliche nur Pubertätsblocker bis zum 16. Lebensjahr bekommen, um eine zu starke Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale zu vermeiden (Knochendichte, normales Wachstum etc. sind davon unbetroffen) die chirurgische geschlechtsangleichende Operation alias "Geschlechtsumwandlung"/"Switch" ist ausschließlich 18-jährigen vorbehalten.
(OT: Das sehe ich persönlich als weniger problematisch an als z.B. bestimmte Antibabypillen mit hohem Thromboserisiko - Yaz etc. - an 14-jährige Mädchen zu verschreiben oder auch die Tatsache, daß die religiöse Beschneidung nicht einwilligungsfähiger Jungen legal ist, ihnen somit das Recht auf körperliche Autonomie verwehrt bleibt. Auch ein 18-jähriger Jude oder Muslim sollte das Recht haben, sich gegen die Beschneidung entscheiden zu dürfen, wenn er mögliche Sensitivitätsverluste nicht in Kauf nehmen will.
Für all diese Fälle gilt: Mündige Selbstbestimmung ist das Entscheidende).

J.K. Rowling ist lediglich der gerade in der britischen Presse ziemlich breitgetretenen Transphobie (wie will man es auch anders nennen als eine Ansammlung von irrationalen, oft komplett entmenschlichenden Ängsten vor Transsexuellen, die sich nirgendwo auf der Welt bestätigt haben?) auf den Leim gegangen (wenngleich sie selbst dafür verantwortlich ist, sich nach bestem Wissen und Gewissen über die Evidenz zu dem Thema zu informieren).
Sie ist auf jeden Fall kein Opfer, sondern schmollt nur einfach beleidigt in der Ecke, weil keiner Lust hat, ihre Intoleranz zu tolerieren.
https://xkcd.com/1357/
Es gibt genügend Leute, die versuchen an sie zu appellieren, einzusehen, daß sie genau das geworden ist, was sie vor Jahren noch vorgab, zu verurteilen.
https://thehardtimes.net/harddrive/pottermore-update-requires-picture-of-genitals-before-confirming-gender/

Gefährliche Bohnen

Zitat von: Globglogabgalab am 06. September 2020, 10:19:14
Leider ist es häufig sogar so, daß Rowling und andere britische Prominente, die Transsexualität als Konversionstherapie bezeichnen, selbst eigene Pseudotherapien wie "Reparative Therapy" zur "Rückkehr" zur Cis-Orientierung befürworten.

Hast du für diese Behauptung eine Quelle? Also, dass Rowling Konversionstherapie von Homosexuellen befürwortet?
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Globglogabgalab

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:04:44
Zitat von: Globglogabgalab am 06. September 2020, 10:19:14
Leider ist es häufig sogar so, daß Rowling und andere britische Prominente, die Transsexualität als Konversionstherapie bezeichnen, selbst eigene Pseudotherapien wie "Reparative Therapy" zur "Rückkehr" zur Cis-Orientierung befürworten.

Hast du für diese Behauptung eine Quelle? Also, dass Rowling Konversionstherapie von Homosexuellen befürwortet?

Konversionstherapie für Transsexuelle (Eigenbezeichnung "Reparative Therapy"), nicht die "klassische" für Homosexuelle.
(Ihrereiner glaubt ja, daß Transsexuelle in Wirklichkeit nur Homosexuelle sind, deren Orientierung mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen unterdrückt wird.)
Habe ich das so missverständlich formuliert? Ich sehe nicht, wo.

Gefährliche Bohnen

Zitat von: Globglogabgalab am 06. September 2020, 11:18:42
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:04:44
Zitat von: Globglogabgalab am 06. September 2020, 10:19:14
Leider ist es häufig sogar so, daß Rowling und andere britische Prominente, die Transsexualität als Konversionstherapie bezeichnen, selbst eigene Pseudotherapien wie "Reparative Therapy" zur "Rückkehr" zur Cis-Orientierung befürworten.

Hast du für diese Behauptung eine Quelle? Also, dass Rowling Konversionstherapie von Homosexuellen befürwortet?

Konversionstherapie für Transsexuelle (Eigenbezeichnung "Reparative Therapy"), nicht die "klassische" für Homosexuelle.
(Ihrereiner glaubt ja, daß Transsexuelle in Wirklichkeit nur Homosexuelle sind, deren Orientierung mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen unterdrückt wird.)
Habe ich das so missverständlich formuliert? Ich sehe nicht, wo.

Ne, war mein Fehler, sorry.
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Gefährliche Bohnen

Allerdings, hast du eine Quelle dafür, dass Rowling Konversionstherapie für Transsexuelle befürwortet?
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Lt.Havoc

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:26:11
Allerdings, hast du eine Quelle dafür, dass Rowling Konversionstherapie für Transsexuelle befürwortet?
https://www.rollingstone.de/j-k-rowling-vergleicht-transgender-hormontherapie-mit-konversionstherapie-2004155/

"J.K. Rowling gerät in einem immer größeren Shitstorm. Am Sonntag (05. Juli) schrieb die Schriftstellerin auf Twitter über die Transgender-Hormontherapie – und verglich diese mit der Konversionstherapie. Verfechter der berüchtigten Konversionstherapie glauben, Homosexualität sei etwas, das ,,geheilt" werden müsse, also eine Krankheit."

Globglogabgalab

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:26:11
Allerdings, hast du eine Quelle dafür, dass Rowling Konversionstherapie für Transsexuelle befürwortet?

Hier habe ich erstmal eine.
https://twitter.com/transadvocate/status/1278121314667171841

Ich habe es allerdings gerade etwas eilig, ich gucke später oder morgen nochmal nach etwas Konkreterem.
Auf alle Fälle bezieht sich das entweder auf diese Geschlechtskonversionstherapie oder schließt sogar die Homosexualitätskonversionstherapie mit ein.

Peiresc

Zitat von: Lt.Havoc am 06. September 2020, 11:44:32
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:26:11
Allerdings, hast du eine Quelle dafür, dass Rowling Konversionstherapie für Transsexuelle befürwortet?
https://www.rollingstone.de/j-k-rowling-vergleicht-transgender-hormontherapie-mit-konversionstherapie-2004155/

"J.K. Rowling gerät in einem immer größeren Shitstorm. Am Sonntag (05. Juli) schrieb die Schriftstellerin auf Twitter über die Transgender-Hormontherapie – und verglich diese mit der Konversionstherapie. Verfechter der berüchtigten Konversionstherapie glauben, Homosexualität sei etwas, das ,,geheilt" werden müsse, also eine Krankheit."

Ich hätte das ja als das genaue Gegenteil interpretiert. Ich behaupte jetzt nicht, dass ich durchsehe. Aber ich finde, bei dieser unübersichtlichen Gemengelage und in dieser aufgeheizten Atmosphäre kann man sich nur auf Direktzitate stützen; alles andere ist unbrauchbar.

Ich habe mal im Twitter-Feed von Rowling geguckt. Eine ihrer jüngsten Stellungnahmen zu diesem Thema ist ein Link auf:
ZitatSex, gender and gender identity: a re-evaluation of the evidence
https://www.cambridge.org/core/journals/bjpsych-bulletin/article/sex-gender-and-gender-identity-a-reevaluation-of-the-evidence/76A3DC54F3BD91E8D631B93397698B1A/core-reader

Peiresc

Ich habe erkannt, wo mein Denkfehler ist. Ich zitiere mal aus dem verlinkten Text:
ZitatThe RCPsych gives a description within the position statement of 'treatments for transgender people that aim to suppress or divert their gender identity – i.e. to make them exclusively identify with the sex assigned to them at birth'.1 Conversion therapy is described as 'any approach that aims to persuade trans people to accept their sex assigned at birth'.
Ah, wenn der konsultierte Arzt einfach gar nichts tut, macht er dann auch Konversionstherapie?

ZitatIt goes on to include 'placing barriers [to] medical transition'.
Ja. Also: Konversionstherapie bei Homosexualität ( = eine Intervention) ist das genaue Gegenteil von Konversionstherapie bei Transsexualität (= keine Intervention). Hätt' ich auch von selber drauf kommen können.

Globglogabgalab

@ Peiresc:
Genau.
"Keine Intervention" verfälscht allerdings den Charakter der Konversionstherapie gegen Transsexualität:
Wenn er es ablehnt, Klienten in einer ausdrücklich erwünschten Transition zu unterstützen, ist es ein aktiver Akt: Ein Versuch, es ihnen auszureden. Da steckt die Wertung drin, daß nicht das Leiden durch Geschlechtsdysphorie, sondern die Transsexualität selbst etwas Schlechtes ist.
Das "Hast du mal versucht, als Cis zu leben" ist das neue "Hast du mal versucht, hetero zu sein" - ja, haben die Leute meist ihr Leben lang und sie ertragen es, wenn sie schon in Therapie gehen (wobei die meisten es vermutlich eher auf Wunsch ihrer Familie oder auf Empfehlung irgendwelcher Aushilfsinquisitoren oder Unheilpraktiker heraus tun) offensichtlich nicht mehr.

Ich habe bislang noch kein direktes Statement von Rowling gefunden, daß sie diese "Reparative Therapy" wörtlich befürwortet
(und das wird es vermutlich auch nicht geben, so blöd, offen auf Konfrontation mit der LGBT-Community statt vage-andeutendem "Ich habe ja nichts gegen Transsexuelle, aber ..." concern trolling umzuschwenken wird sie nicht sein), da sie allerdings offenbar diese konservativen Tarnorganisationen unterstützt, die mindestens diese, wenn nicht beide Formen der Konversionstherapie legal halten möchten und zudem noch häufig Abtreibungsgegner sind,
unterstützt sie die Entrechtung der ganzen LGBT-Community sowie gebärfähigen Frauen gezielt (von Cis-Frauen, die von TERFs fälschlicherweise als transsexuell "identifiziert" und von diesen teilweise sogar gewalttätig und sexuell belästigt werden, nicht zu sprechen)
und betrachtet damit in der Praxis auch Homosexuelle und Cis-Frauen als Kollateralschaden für ihre Vorurteile (weswegen viele sie und Gleichgesinnte nicht als Feministen und schon gar nicht als LGBT-Unterstützer betrachten).

Peiresc

Zitat von: Globglogabgalab am 07. September 2020, 14:32:35
@ Peiresc:
Genau.
"Keine Intervention" verfälscht allerdings den Charakter der Konversionstherapie gegen Transsexualität:
Wenn er es ablehnt, Klienten in einer ausdrücklich erwünschten Transition zu unterstützen, ist es ein aktiver Akt: Ein Versuch, es ihnen auszureden. Da steckt die Wertung drin, daß nicht das Leiden durch Geschlechtsdysphorie, sondern die Transsexualität selbst etwas Schlechtes ist.
Wenn er nur die Brauen hochzieht und sagt, ,,Tut mir leid, keine Ahnung, dabei kann ich nicht helfen", ist das auch Konversionstherapie?
Da stimmt was nicht mit den Prämissen. Indikationen sind an Diagnosen gebunden, und die können nicht schon fertig sein, wenn der Patient/Klient? das Sprechzimmer betritt. Vgl #12, #14.

Zitat von: Globglogabgalab am 07. September 2020, 14:32:35Ich habe bislang noch kein direktes Statement von Rowling gefunden
Schade.

Gefährliche Bohnen

Zitat von: Lt.Havoc am 06. September 2020, 11:44:32
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:26:11
Allerdings, hast du eine Quelle dafür, dass Rowling Konversionstherapie für Transsexuelle befürwortet?
https://www.rollingstone.de/j-k-rowling-vergleicht-transgender-hormontherapie-mit-konversionstherapie-2004155/

"J.K. Rowling gerät in einem immer größeren Shitstorm. Am Sonntag (05. Juli) schrieb die Schriftstellerin auf Twitter über die Transgender-Hormontherapie – und verglich diese mit der Konversionstherapie. Verfechter der berüchtigten Konversionstherapie glauben, Homosexualität sei etwas, das ,,geheilt" werden müsse, also eine Krankheit."

Das ist ja wieder was anderes. Offenbar kann man sowohl eine Hormontherapie/geschlechtsangleichende OP im Sinne der Transsexualität als Konversionstherapie ansehen (was Rowling dieser Quelle nach tut) als auch dessen Unterlassen (worum es in dieser Quelle nicht geht, worum es aber bei Glob ging und worauf ich mich bezog). Man wirft sich also gegenseitig Konversionstherapie vor :crazy

Zitat von: Globglogabgalab am 06. September 2020, 11:46:25
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 06. September 2020, 11:26:11
Allerdings, hast du eine Quelle dafür, dass Rowling Konversionstherapie für Transsexuelle befürwortet?

Hier habe ich erstmal eine.
https://twitter.com/transadvocate/status/1278121314667171841

Ich habe es allerdings gerade etwas eilig, ich gucke später oder morgen nochmal nach etwas Konkreterem.
Auf alle Fälle bezieht sich das entweder auf diese Geschlechtskonversionstherapie oder schließt sogar die Homosexualitätskonversionstherapie mit ein.

Ich habe mal versucht herauszufinden, was dieser Bill C-8 genau mit Konversionstheapie meint. Ich habe dabei das gefunden:
http://cgshe.ca/open-letter-bill-c-8-excludes-conversion-therapy-practices-that-target-trans-people/
http://cgshe.ca/blog/op-ed/2020/06/a-personal-letter-from-erika-muse/

ZitatIn its current form, Bill C-8 narrowly defines conversion therapy, excluding practitioners who insist that they are not intending to "change a person's... gender identity" but whose goal is nevertheless to discourage or delay the adoption of gender identities not assigned at birth, as well as non-conforming gender expressions. We specifically call for amendments (Appendix) to sections 320.101 ("definition of conversion therapy"), 320.101 (a) and (b) ("exclusions"), and 320.102 (2) ("forced conversion therapy"), in order to: include conversion therapy targeting gender expression; more clearly define conversion therapy as including practices that regard a gender identity not assigned at birth as disordered or less desirable

Bill C-8 dürfte also anscheinend nicht wirklich dazu führen, dass Therapeuten sich strafbar machen, wenn sie einfach nur ihren Job machen. Demnach ist der von Rowling gelikte Tweet in der Tat eine Nebelkerze. Andererseits scheint die Forderung von Transaktivisten wohl zumindest zum Teil in diese Richtung zu gehen - denn wer könnte das oben verlinkte Szenario eines "conversion therapy survivors" wirklich objektiv von einer völlig legitimen Exploration eines Therapeuten unterscheiden, der tatsächlich nur herausfinden will, ob eine Transsexualität wirklich vorliegt, oder die subjektiv empfundene gender dysphoria vielleicht auf ein anderes Problem zurückzuführen ist?
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Gefährliche Bohnen

Zitat von: Peiresc am 07. September 2020, 16:01:57
Zitat von: Globglogabgalab am 07. September 2020, 14:32:35
@ Peiresc:
Genau.
"Keine Intervention" verfälscht allerdings den Charakter der Konversionstherapie gegen Transsexualität:
Wenn er es ablehnt, Klienten in einer ausdrücklich erwünschten Transition zu unterstützen, ist es ein aktiver Akt: Ein Versuch, es ihnen auszureden. Da steckt die Wertung drin, daß nicht das Leiden durch Geschlechtsdysphorie, sondern die Transsexualität selbst etwas Schlechtes ist.
Wenn er nur die Brauen hochzieht und sagt, ,,Tut mir leid, keine Ahnung, dabei kann ich nicht helfen", ist das auch Konversionstherapie?
Da stimmt was nicht mit den Prämissen. Indikationen sind an Diagnosen gebunden, und die können nicht schon fertig sein, wenn der Patient/Klient? das Sprechzimmer betritt. Vgl #12, #14.

Ja. Die Forderungen entspricht in etwa der Erwartung, dass ein Chirurg direkt den Bauch aufschneidet und den Blinddarm rausoperiert, nur weil ein Patient der Meinung ist, er hätte eine Blinddarmentzündung. Ich würde mir da schon wünschen, dass der Arzt vorher zumindest mal das Ultraschallgerät draufhält  ::)
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Globglogabgalab

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 07. September 2020, 16:26:12
Ja. Die Forderungen entspricht in etwa der Erwartung, dass ein Chirurg direkt den Bauch aufschneidet und den Blinddarm rausoperiert, nur weil ein Patient der Meinung ist, er hätte eine Blinddarmentzündung. Ich würde mir da schon wünschen, dass der Arzt vorher zumindest mal das Ultraschallgerät draufhält  ::)

...Leute. Ad absurdum kann jeder. :-\
So läuft es definitiv nicht ab und auch wenn diese Sorge bei Unsicherheit erstmal plausibel klingt, ist dieses Szenario praktisch unmöglich, geht also stark in Richtung Strohmann. Um beurteilen zu können ab wann der Konversionsversuch (also die Drängung eines Patienten zur Heterosexualität oder Cisidentität entgegen seiner Gefühle) anfängt, muss man doch zumindest die Grundlagen der begleitenden Therapie zur Geschlechtsdysphorie/Transidentität kennen.
(Viele deutsche Quellen sind leider sehr karg.
Besonders zynisch, wenn man bedenkt, das Deutschland 1919 Vorreiter zur Erforschung der Homo- und Transsexualität war, bis die Nazis das Institut für Sexualwissenschaft 1933 niederbrannten.)

Nochmals zur Erinnerung: Transsexualität steht nicht mit der sexuellen Orientierung in Konflikt und es ist ein Fakt, daß man Menschen nicht "umpolen" kann.
Man kann durchaus beides sein, was auch in der Therapie miteinbezogen wird (siehe Differentialdiagnostik).
In Transgender-Communities ist zudem die Akzeptanz einer zusätzlichen Homosexualität selbstverständlich, während dies in normalen nicht der Fall sein muss, die vielleicht zu 95% von Heterosexuellen dominiert sind.
Ich fürchte, das viel von diesem Denkmuster daran liegt, das viele Leute glauben, daß z.B. Schwule "irgendwie wie Frauen" wären. Auch die meisten Menschen, die eher "gender-nonconforming" (burschikos oder feminin) sind, identifizieren sich trotzdem eindeutig als ihr Geburtsgeschlecht und haben keine Dysphorie. Diese liegt aber bei Transsexuellen vor, häufig sogar bereits vor der Pubertät, was stark darauf hindeutet, daß es angeboren ist.
https://www.spektrum.de/news/was-hilft-transsexuellen-kindern/1434053
Guter Artikel, der Risiken anspricht und die (binäre) Transsexualität dennoch ernst nimmt.
Ich bin ebenfalls dafür, Hormonbehandlungen so weit wie möglich hinauszuschieben (übrigens auch bei Cis-Mädchen, die Pillen der 3./4. Generation nehmen, siehe mein letzter Post), Pubertätsblocker sind reversibel und bei Zweifel immer vorzuziehen, besonders unter 16 Jahren.
Das Masektomie bei Schmerzen beim Abbinden auch unter 18 durchgeführt werden kann, ist mir neu und das würde ich auch kritisch sehen (wobei das wahrscheinlich an Anlehnung daran geschieht, daß es auch bei Mädchen mit Haltungsbeschwerden als Indikation zugelassen wird).

(Eine weitere Notiz, die meiner Erfahrung nach leider häufig notwendig ist: Gender Dysphoria ist NICHT Body Dysmorphia.
Die Dysphorie eines Transsexuellen endet, sobald die Transition (Hormone & OP) abgeschlossen ist und er von seinem Umfeld auch akzeptiert wird, der z.B. Schönheitswahn eines Dysmorphiebetroffenen hat Suchtcharakter und endet im Regelfall nicht, solange das Denkmuster nicht durchbrochen wurde.
https://www.endocrinekids.com/Blog/TabId/36353/PostId/4465/the-difference-between-gender-dysphoria-and-body-dysmorphia
Übrigens können auch auch Cis-Personen unter bestimmten Bedingungen Geschlechtsdysphorie empfinden, z.B. Frauen bei PCOS oder nichtklassischer AGS, die mit mehr oder weniger starken Vermännlichungserscheinungen zu kämpfen haben und sich mit Androgenblockern begleitend zur Ursachenbehandlung deutlich besser fühlen.)

Zitat von: Peiresc am 07. September 2020, 16:01:57
Wenn er nur die Brauen hochzieht und sagt, ,,Tut mir leid, keine Ahnung, dabei kann ich nicht helfen", ist das auch Konversionstherapie?
Da stimmt was nicht mit den Prämissen. Indikationen sind an Diagnosen gebunden, und die können nicht schon fertig sein, wenn der Patient/Klient? das Sprechzimmer betritt. Vgl #12, #14.

Nein, ist es natürlich nicht - u.a., weil keine Therapie der Welt so abläuft.
Welcher Therapeut sagt denn sowas und belässt es dann dabei? Wenn er persönlich keine Vorurteile, aber keine Ahnung von dem Thema hätte, würde realistisch doch eher "Tut mir leid, damit kenne ich mich nicht aus, ich rate Ihnen an, jemanden aufzusuchen der sich mit dem Thema Geschlechtsidentitätsstörung auskennt" sagen.
Ein Konversionstherapeut hingegen würde versuchen, homo- bzw. transsexuelle Gefühle als krankhaft darzustellen und den Klienten dazu motivieren, diese zu verdrängen und weiterhin "in the closet" zu leben.
Das wäre dann eine Zwangsmaßnahme, weil Hetero- bzw. Cisnormativitätsdruck durch Schamgefühl erzeugt wird.

Disclaimer: Ich bin weder homo- noch transsexuell, beschäftige mich nur aus privatem Interesse an dem Thema (u.a., weil unter den großartigsten Menschen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe mehrere Transsexuelle waren und ich damals so vieles nicht verstanden habe).

Rowling's "Sorgen" sind allerdings nach wie vor ein Vorwand, um eine "Bathroom Rape"-Panik zu schüren, die sie wie ein Großteil der wohlstandsgelangweilten britischen Klatschtanten leichtgläubig im Tagespropheten aufgeschnappt hat.
Diese ist allerdings in Ländern, in denen Transsexuelle schon die Toiletten ihres Identitätsgeschlechts besuchen dürfen, ausgeblieben. Schwer zu glauben, aber genau wie Cissexuelle gehen diese normalerweise nämlich nur aufs Klo, um zu pinkeln, sich die Hände zu waschen und vielleicht noch zu schminken (Gerüchten zufolge soll es sogar Leute geben die auf öffentlichen Toiletten kacken, aber man soll ja nicht alles glauben, was man hört). Das erinnert mich alles sehr an die besorgten katholischen Bischöfe, die bei dem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ihre Befürchtung aussprachen, daß den Kindern damit etwas Wichtiges fehlen bzw. es sogar zu einem Anstieg der Kindesmissbrauchsraten führen könnte (während es in der Realität homosexuelle Paare genausogut Kinder erziehen können wie heterosexuelle).
https://en.wikipedia.org/wiki/LGBT_parenting

Gefährliche Bohnen

@Glob

Ich denke, wir reden hier etwas aneinander vorbei. Ich leugne keineswegs, dass Transsexualität (oder politisch aktuell korrekt Transidentität) eine reale Sache ist, die man niemandem ausreden kann oder sollte. Auch sehe ich keine Unvereinbarkeit oder Widerspruch von Transidentität und Homosexualität (habe ich da irgendwo den Eindruck erweckt?). Mir geht es eigentlich nur um die Diagnosestellung - d.h. wie kann der Arzt bzw. Therapeut herausfinden, ob tatsächlich eine Transidentität bei einem Patienten/Klienten vorliegt? Es muss erlaubt sein, dass  eine Genderdysphorie erstmal hinterfragt wird. Vielleicht liegt dem ganzen auch eine Essstörung zu Grunde oder eine Persönlichkeitsstörung oder ein vorangegangenes Trauma. Ich glaube auch gar nicht, dass das nicht in den allermeisten Fällen auch genau so gehandhabt wird. Dennoch muss man schon sagen, dass eben einige Forderungen von Transaktivisten da durchaus in die Richtung gehen, dass eben jedwedes Hinterfragen und Explorieren als persönlicher Angriff gesehen und als transphob bezeichnet wird. (Siehe auch die Berichte von Detransitionierern zu Beginn dieses Fadens). Das ganze ist aber deshalb auch so wichtig - und das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zur Homosexualität - weil als Konsequenz damit eben oft auch die Erwartung verbunden ist, dass weitreichende Therapien und Eingriffe durchgeführt werden sollen.
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP