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Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?

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Begonnen von Hildegard, 31. August 2014, 20:28:00

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Groucho

Zitat von: Hildegard am 01. September 2014, 17:04:38
Und daher wäre ich sehr beruhigt, wenn ich wüsste, dass mir in dieser Situation eine sichere und komfortable Möglichkeit zur Verfügung stünde.

Gibt es. Zug ist scheiße, ein ICE mit über 200 km/h wird wohl, egal wie er auftrifft, zu einem schnellen Ende führen, aber wer weiß, vielleicht gibt es Sicherungssysteme, die logischerweise nicht groß öffentlich propagiert werden. Außerdem ist das eine Unverschämtheit gegenüber Lokführer, Reisenden und den Einsatzkräften. Manche argumentieren, dass ihnen das egal sei, weil wenn sie tot sind, interessiert sie das nicht mehr. Ist aber ein Fehlschluss: Solange man sich mit der Methode befasst, ist man eben noch nicht tot und da kann man sich gefälligst an ethische Minimalstandards halten.

Antitainment

Zu den Suizidmethoden in Deutschland:
ZitatMethoden

Von 11.150 erfassten Suiziden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 wurden folgende Todesursachen erfasst:[destatis 6]

    Erhängen/Ersticken 5538 (50 %)
    Sturz in die Tiefe 1100 (10 %)
    Vergiftung durch Medikamente 940 (8 %)
    Erschießen (meist Kopfschuss) 572 (5 %)
    Sich vor den Zug oder vor Autos werfen 556 (5 %)
    Abgase ins Auto leiten 216 (2 %)

Männer griffen 2006 in 52,6 % der Fälle zu den so genannten ,,harten" Suizidmethoden des Erhängens, Erdrosseln oder Erstickens und damit häufiger als Frauen (34,5 %), die wiederum häufiger ,,weiche" Methoden wie eine Vergiftung mit einer Überdosierung von Medikamenten etc. anwendeten.[destatis 7]

Im Jahr 2008 nahmen sich auf deutschen Bahnstrecken 714 Menschen das Leben, im Jahr 2009 waren es laut Bericht des Eisenbahn-Bundesamtes 875.[24]
(http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Methoden)

Und im Bezug auf die notwendigen Hürden und die Freiwilligkeitsproblematik:
ZitatDie relativ häufigste Ursache für einen Suizid bzw. Suizidversuch wird heute in diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen gesehen. Je nach Schätzung werden 90 % aller Suizide in westlichen Gesellschaften hierauf zurückgeführt.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Ursachen)

Keine Ahnung wie diese Zahlen einzuordnen sind, bzw. wie belastbar sie sind, aber 90% sind schon eine Hausnummer.

Ist wohl gar nicht so einfach da ohne Richtlinien und geschultes Personal sauber eine Grenze ziehen zu können. Ob jeder Hausarzt sich diese Verantwortung auf die Schultern laden möchte wage ich zu bezweifeln - Nicht jeder Fall dürfte eindeutig zu bewerten sein.
Zahlen, Statistiken ... das ist alles total Sarrazin! Ihr müsst richtig fühlen! FÜHLEN! Darum geht es.

F. A. Mesmer

Zitat von: Groucho am 01. September 2014, 15:53:12
Zitat von: sumo am 01. September 2014, 12:29:43
Mal hier in den Raum gestellt: Wenn ein Betroffener Suizid begehen will, warum tut er das? Hat er Angst vor einem unwürdigen,schmerzhaften Tod? Kann es sein, daß man durch einen Ausbau palliativer Medizin die Diskussion um Sterbehilfe entkrampfen könnte?

Ich sehe drei Gründe, die man unterscheiden sollte:
- Unerträgliche Schmerzen. Hier gibt es mit Sicherheit noch einiges zu tun (gerade in D.), es gibt stellenweise immer noch eine geradezu irrationale Denke (Der Todgeweihte könnte ja süchtig werden). Der Wunsch nach Suizid hat hier einen ganz rationalen Grund, beiseitigt man diesen z.B. durch gute (rechtzeitige und ausreichende!), palliative Behandlung, verschwindet eben oft auch der Wunsch.

- Angst vor Kontrollverlust: je nach Erkrankung möchte man dem Ganzen rechtzeitig ein Ende setzen, solange man noch dazu in der Lage ist und bevor man zu einem dahinvegetierenden Etwas wird.

- Eine schlichte rationale Entscheidung, genug zu haben, in einer Lebenssituation zu stecken, die nach allerhöchster Wahrscheinlichkeit keinen Zustand mehr bereit hält, den man noch erleben möchte. Zu Unterscheiden von Depression. Kommt aber sicher eher selten vor und steht wohl eher außerhalb der Diskussion.

Zu den Methoden: Herrndorf z.B. hat keine einzige erwähnt, die wirklich sicher und einfach durchzuführen ist. Medikamente und Schusswaffen (kleineren Kalibers) gehören da sicher nicht dazu, vor allem nicht von Laien angewandt. Es gibt bessere Methoden, sowohl von der Sicherheit, der Beschaffungsproblematik und Rücksicht auf diejenigen, die Aufräumen müssen. Wer es wirklich will, wird sie finden.

Eine Freigabe tödlicher Medikamente über Apos ist natürlich völlig indiskutabel. Irreversible Entscheidungen sollte man immer mit gewissen Hürden absichern. Macht sogar Windows ("Sind Sie wirklich sicher?").
Jean Amery wurde (angeblich) mal gefragt, warum er ein Buch über den Suizid geschrieben, nicht aber selbigen vollzogen hatte. Seine Antwort: Warten Sie ab.

Von Amery ist auch (in etwa) der Ausspruch: "Der Freitod ist nicht frei, aber er führt in die Freiheit"

und nochmal nachgeschoben aus WP
ZitatIn seinem zwei Jahre zuvor veröffentlichten Buch Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod hatte er geschrieben: ,,Wer abspringt, ist nicht unbedingt dem Wahnsinn verfallen, ist nicht einmal unter allen Umständen ,gestört' oder ,verstört'. Der Hang zum Freitod ist keine Krankheit, von der man geheilt werden muss wie von den Masern ... Der Freitod ist ein Privileg des Humanen."


eLender

Es gibt ja auch die etwas sanfteren Methoden:
http://www.peacefulpillhandbook.com/
(aber ehrlich gesagt halte ich es für ausgeschlossen, dass sich ein Laie ein Barbiturat selbst herstellen kann. Am einfachsten (und angenehmsten) ist wirklich CO)

Ich bin damals als Zivildienstleistender zum ersten Mal mit der Thematik konfrontiert worden. Ich habe sehr oft erleben müssen, wie alte Menschen, die stark auf ärztliche Hilfe angewiesen waren, darum gebeten haben, dass sie endlich sterben dürften. Natürlich wurde dann immer schnell argumentiert, es gäbe doch noch so viel Positives im Leben und man sollte nicht so daher reden. Ich finde es grausam, wenn man am Leben bleiben muss, nur weil es das Umfeld so bestimmt. Es ist eine persönliche und individuelle Entscheidung, jeder sollte die Möglichkeit haben, sanft aus dem Leben zu scheiden, wann er es für richtig hält. Natürlich gibt es auch eine Missbrauchsgefahr, wie bei so vielen Dingen. Und natürlich darf niemand zu einer aktiven Sterbehilfe gezwungen werden. Pragmatisch gehen die Schweiz und die Niederlande mit dem Thema um, so würde ich es mir hier auch wünschen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Belbo

...bei mir ist das gerade noch recht frisch, die Frage ob mein Vater lieber Schluss machen möchte oder sich einem halben Jahr onkologischer Extremchirurgie aussetzen... Ist jetzt fast zwei Jahre her er, er ohne Diverse Wirbel,  auch sonst ziemlich ausgeweidet, zwei künstliche Ausgänge, Autofahrend, kochend, gärtnernd........., bin relativ froh die Suicidgedanken damals nicht unterstützt zu haben....., klar wäre es seine Entscheidung gewesen......


Robert

Es kommt wirklich auf eine gute Palliativmedizin an, was die Lebensqualität und den Lebenswillen angeht. Meine Erfahrung bestätigt das auch. Mein Großvater war auch bis zum Schluss mobil, war wohl sehr gut medikamentös eingestellt und ist auch, so wie wir es uns so schön vorstellen, daheim im Beisein der Familie gestorben. Das war das erste und einzige Mal, dass ich einen Menschen hab sterben sehen.

Naja, ich werd hier und jetzt nicht sentimental. Das ist mein privates.....

Jedenfalls, so stimme ich Groucho zu, sollten in solchen Fällen die Ärzte nicht mit Medikamenten geizen, egal, ob süchtig macht. Und ein final Kranker wird auch nicht an der nächsten Hausecke damit dealen.

Groucho

Zitat von: eLender am 01. September 2014, 22:19:36
Am einfachsten (und angenehmsten) ist wirklich CO)

Jein. Wenn die Konzentration nicht passt, ist das ziemlich unangenehm. Und das ist nicht ganz ohne Tücken, die hinzubekommen.

F. A. Mesmer

Zitat von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
schon recht. ich habe den Hans Meyer eher der Vollständigkeit halber genannt, als aus Überzeugung.

Ich halte es schon für einen großen Fortschritt, dass dieses Thema überhaupt diskutiert wird. Eignet es sich doch vorzüglich zur Tabuisierung und Verdrängung.

Groucho

Zitat von: F. A. Mesmer am 02. September 2014, 14:22:12
Zitat von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
schon recht. ich habe den Hans Meyer eher der Vollständigkeit halber genannt, als aus Überzeugung.

Hätte doch der Hans Meyer nur rechtzeitig erfahren, dass es sich bei seinen Überlegungen nur um dämliches Geschwätz handelt, hätte er bestimmt nicht Hand an sich gelegt. Welch Tragik!

Belbo

Zitat von: Groucho am 02. September 2014, 15:12:40
Zitat von: F. A. Mesmer am 02. September 2014, 14:22:12
Zitat von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
schon recht. ich habe den Hans Meyer eher der Vollständigkeit halber genannt, als aus Überzeugung.

Hätte doch der Hans Meyer nur rechtzeitig erfahren, dass es sich bei seinen Überlegungen nur um dämliches Geschwätz handelt, hätte er bestimmt nicht Hand an sich gelegt. Welch Tragik!

Stimmt was hätte er uns noch alles mitgeben können neben
Zitat"Der Freitod ist nicht frei, aber er führt in die Freiheit"
vielleicht noch?
ZitatWo Licht ist ist auch Schatten
oder
ZitatDahoim sterbed die Leid
.

Hildegard

Zitat von: Robert am 01. September 2014, 23:05:47
im Beisein der Familie gestorben.

Das ist sicher ganz wichtig für die Erträglichkeit, aber auch rein technisch für die pure Machbarkeit. Wenn man allein lebt, könnte der Punkt, an dem es untragbar wird, viel früher kommen.

ZitatDas war das erste und einzige Mal, dass ich einen Menschen hab sterben sehen.

Ich habe meine Mutter im Krankenhaus sterben sehen, und das war so ziemlich das Grässlichste, was ich je erlebt habe. Natürlich hat man für solche Fälle eine Patientenverfügung, aber lieber würde ich es gar nicht bis zu deren Eintrittsbedingung kommen lassen.
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

eLender

Zitat von: Groucho am 01. September 2014, 23:10:57
Jein. Wenn die Konzentration nicht passt, ist das ziemlich unangenehm. Und das ist nicht ganz ohne Tücken, die hinzubekommen.

Bin ja jetzt kein Experte für das freiwillige Ableben, aber ich persönlich denke, dass CO eines der besten Mittel dafür ist. Natürlich nicht mit dem Auspuffrohr, das man ins eigene Auto leitet. Bei der heutigen Technik wird man damit wenig Erfolg haben. Aber in höherer Konzentration (es reicht scheinbar schon 0,5%) scheint es recht effektiv und schnell zu gehen. Am besten, man besorgt sich eine Gasbombe mit einem definiertem Mischungsverhältnis > 5%, das dürfte reichen und sicher sein.

Aber ich will hier natürlich keine Ratschläge geben, steht sowieso alles im oben genannten Handbuch. Da wird auch die scheinbar bessere Methode mit Helium genannt. Wird ja als schonende Methode zur Keulung von Mastvieh vorgeschlagen, da es keine Erstickungssymptome (im Gegensatz zu CO2) hervorruft. Helium ist aber recht teuer.

Solcher Methoden müssen sich Menschen bedienen, weil es die Politik und die Gesellschaft nicht anders regeln wollen. Es gibt einen Bedarf nach Euthanasie, sonst gäbe es diese Art von "Tourismus" in die Schweiz nicht.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Davos

Um das vorwegzunehmen: Ich bin für Sterbehilfe. Im Prinzip auch bei psychischen Krankheiten, wenn sie zu einem großen Leidensdruck führen und nicht therapierbar sind (wobei das sicher schwer zu beurteilen ist). Ich habe allerdings vor einigen Tagen auf Spiegel-Online gelesen, dass einem belgischen Sexualstraftäter das Recht auf Sterbehilfe zugestanden wurde. Lest das am besten selbst: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gerichtsurteil-belgischer-sexualstraftaeter-frank-van-den-bleeken-darf-sterben-a-994469.html. Er hat argumentiert, dass er keine ausreichenden Therapieangebote erhalten habe. Angenommen, er hat tatsächlich nicht genügend Angebote erhalten und angenommen das hat zu einem sehr hohen Leidensdruck geführt: Dann lässt sich Sterbehilfe als Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür interpretieren. Hilfe zum Leben zu verweigern ist eine vergleichsweise bequeme Art, den Leidensdruck von Menschen zu erhöhen, die eh keine Lobby haben. Allerdings haben nicht nur Strafgefangene eine schlechte Lobby und der Vorwurf, nicht genügend Hilfe zum Leben erhalten zu haben, kann von vielen Menschen erhoben werden. Vielleicht ist das sogar ein Grund dafür, dass unser Staat den Menschen das Recht auf Sterbehilfe verweigert: Sterbehilfe kann nach schlechtem Sozialstaat aussehen. Also wird sie gar nicht erst erlaubt. Es ist also nicht nötig zu helfen, sondern nur, dafür zu sorgen, dass es nicht nach unterlassener Hilfeleistung aussieht.

Davos

Zitat von: eLender am 02. September 2014, 22:04:55Bin ja jetzt kein Experte für das freiwillige Ableben, aber ich persönlich denke, dass CO eines der besten Mittel dafür ist. Natürlich nicht mit dem Auspuffrohr, das man ins eigene Auto leitet.

Der Republikaner Mike Christian, einflussreicher Abgeordneter des Abgeordnetenhauses von Oklahoma, will Verurteilte künftig durch die Zufuhr von reinem Stickstoff töten lassen. (Spiegel Online: "http://www.spiegel.de/panorama/justiz/todesstrafe-mike-christian-fordert-hinrichtungen-mit-stickstoff-a-991534.html".) Dauert sicher nicht mehr lange, bis Stickstoff nicht mehr in Baumärkten verkauft werden darf.