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Ärztekampagne gegen Massentierhaltung

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Begonnen von Hildegard, 04. Juni 2014, 10:58:53

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Hildegard

Auf Psiram wurde die Massentierhaltung ja mehrfach als einzige Möglichkeit dargestellt, die Menschheit überhaupt ausreichend zu ernähren. Deshalb interessiert mich, was ihr zu dieser Ärztekampagne sagt, über die der NDR berichtet:
http://www.ndr.de/info/sendungen/reportagen/Aerzte-fordern-Abkehr-von-Massentierhaltung,kampagne104.html


  • Kommen die Multiresistenzen wirklich aus dem Hühnerstall?
  • Ist die Massentierhaltung trotzdem das kleinere Übel?
  • Geht es vielleicht nur um die Definition von "Massentierhaltung"?
  • Braucht es neue Gesetze, oder muss die Einhaltung der vorhandenen nur konsequenter umgesetzt werden?
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

pelacani

Da interessiert ja immer mal der Beleg für die (nicht von vornherein absurde) These des Zusammenhangs zwischen dem MRSA-Problem im Krankenhaus und der Massentierhaltung. Im ,,Positionspapier der Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung" heißt es dazu:
ZitatIn den Gegenden mit einer hohen Dichte von Massentierställen im Nordwesten Deutschlands lässt sich nachweisen, dass eine zunehmende Anzahl von MRSA-­‐Keimen aus der Nutztierhaltung stammt. Diese Keime (life-­‐stock-­‐associated oder LA-­‐MRSA) machen in einer neueren Untersuchung der Uniklinik Münster 30% der MRSA aus 4. Hochrisikopatienten sind Landwirte und ihre Angestellten, Schlachthofpersonal und Tierärzte. Landwirte aus der konventionellen Schweinezucht sind zu 50-­‐86% Träger dieser Keime, Tierärzte bis zu 100% 5.
www.bund-lemgo.de/download/Positionspapier_V1.1.pdf

Das ist zumindest mal ein Hinweis, wenn auch sicher noch nicht der juristische Vollbeweis. Aber wie sieht es mit den Quellen aus?
Zitat4 Frank Knipp, Univ.klinik Münster in arte 9.1.2014
Eine Fernsehsendung.
Zitat5 C.Cuny et al. (RKI Werningerode) Präsentation 25.3.2011
Ein Vortrag.

Nix Belastbares.

Robert

Ich meine, gelesen zu haben, dass die Ärzte hier nach dem Motto "Haltet den Dieb!" verfahren, weil ein nicht geringer Teil der AB-resistenten Keime in Krankenhäusern, insbes. im intensivmedizin. Bereich, selektiert wurden.

In der Landwirtschaft ist der Einsatz der ABs insgesamt zurückgegangen und man setzt da vor allem Mittel ein, die NICHT im Humanbereich verwendet werden. Natürlich ist es auch kar, dass auch hier Resistenzen entstehen. Aber wie kommen die dann in die Kliniken und sind gegen ABs resistent, die gar nicht in der Landwirtschaft verwendet weren?

Bez. Massentierhaltung sollte man sich zuerst klar werden, was man darunter versteht, da dieser Begriff als Propagandabegriff gegen die Landwirtschaft verwendet wird. Überall, wo viele Tiere auf engem Raum zusammen leben, ist natürlich die Seuchengefahr groß. Aber Viehseuchen hat es eben auch bereits zu Zeiten gegeben, als der Bauer noch einzelne Tiere hielt. Und die kleinbäuerliche Tierhaltung hat per se auch nichts mit tiergerechter Haltung zu tun. Es gibt genug Kleinbauern, Bio mit eingeschlossen, wo es den Tieren schlechter geht, als in großen Ställen.

Letztendlich kann man den Buhmann nicht eier einzige Seite zuschieben, die Ursachen sind komplex.








gesine2

ZitatDefinition von "Massentierhaltung"?
Sehe ich in dem Artikel nicht, Hildegard - wäre allerdings angesagt. Obgleich imho die Wurzel des Übels eher die Monetarisierung der Landwirtschaft ist¹. Selbstverständlich dürfte die Verteilung der Schinder gleichmäßig sein, jedoch sind aktuell in kleineren Betrieben auch die Anreize für einen Betrug kleiner. Ordentliche Vieltierhaltung ist machbar, doch freilich teurer als Betrug.

Zitatvor allem Mittel ein, die NICHT
Zur Quantifizieung 'vor allem' kann ich nichts sagen, Robert, doch die Schnittmenge scheint nicht sehr leer zu sein. Ganz abgesehen vom 'Direktimport' via der Endprodukte der Tierproduktion.

_____
¹ also daß Rendite und damit Quantität oberste Maxime ist, der Qualität vorgezogen wird. Solche früher fast instantan mit einem 'geh doch nach diieben' abgewatschen Gedanken werden mittlerweile sogar (hehe) in Mainstream-Medien laut gedacht.
In dem Beitrag wäre übrigens auch ein besonders übles Beispiel von Bio-Puten-Massentierhaltung zu erleiden.
_____________________
ne schöne jrooß, gesine2

Conina

Kommerzialisierung der Landwirtschaft ist natürlich ein riesiges Übel.
Die Bauern sollen gefälligst körperverschleißende Knochenarbeit (ohne moderne Hilfsmittel)  für einen symbolische Lohn (unkommerziell) leisten!

Jedes Unternehmen muss sich rechnen, auch ein Bauernhof.

In fast jedem Haushalt gibt es Waschmaschinen, Geschirrspüler, tolle Reinigungsmittel  usw., nur die Bauern haben gefälligst die Landidylle aus den Kinderbüchern und der Werbung nachzuspielen.

Das ist doch absurd.

Diese romantische Kritik an der Landwirtschaft, wie sie gerade so in ist,  ist auch so ein Wohlstandsphänomen, von Leuten, die sich dem Erwachsenwerden verweigern.

Je ärmer Leute sind, desto weniger können sie Rücksicht auf die Umwelt nehmen, das ist bei Bauern sicher auch so.
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

Groucho

Zitat von: Hildegard am 04. Juni 2014, 10:58:53
Auf Psiram wurde die Massentierhaltung ja mehrfach als einzige Möglichkeit dargestellt, die Menschheit überhaupt ausreichend zu ernähren. Deshalb interessiert mich, was ihr zu dieser Ärztekampagne sagt, über die der NDR berichtet:
http://www.ndr.de/info/sendungen/reportagen/Aerzte-fordern-Abkehr-von-Massentierhaltung,kampagne104.html


  • Kommen die Multiresistenzen wirklich aus dem Hühnerstall?

http://www.animal-health-online.de/gross/2014/01/27/erneut-wissenschaftlich-belegt-resistente-humankeime-stammen-nicht-aus-der-landwirtschaft/27041/

http://www.animal-health-online.de/gross/2014/04/07/bewiesen-massentierhaltung-schutzt-vor-mrsa-raum-hannover-besonders-gefahrdet/27590/

Zitat
  • Ist die Massentierhaltung trotzdem das kleinere Übel?

Wie soll denn eine Nicht-Massentierhaltung ausschauen, wenn wir auch noch regionale Produkte haben wollen?

Zitat
  • Geht es vielleicht nur um die Definition von "Massentierhaltung"?
http://de.wikipedia.org/wiki/Intensivtierhaltung

Zitat
  • Braucht es neue Gesetze, oder muss die Einhaltung der vorhandenen nur konsequenter umgesetzt werden?

Nein, ja.

sweeper

Hier mal Lebensmittelhygieniker- Daten (wohl ab 2008):

http://www.kliniken-koeln.de/upload/Multiresistente_Erreger_in_der_Lebensmittelkette__Volbracht_R_5906.pdf

Da gibt es sicher auch Aktuelleres...
Problematisch scheinen - nach flüchtigem Lesen - v.a. Putenmastbetriebe zu sein (hochresistente Salmonellen)

Und S.13: Durchseuchung von Masttierbeständen mit betalactamasebildenden Gramnegativen ESBL (Daten aus 2012)

Fazit Seite 15 und 16
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Robert

Danke, Groucho, die beiden oberen Links wollte ich auch grad suchen.

Was ich mich allerdings angesichts des MRSA-Problems und einer drohenden Schweinepest-Pandemie frage, warum impft man die Bestände nicht? Die Rinderpest kommte man durch Impfung sogar ausrotten.

Robert

ZitatWie soll denn eine Nicht-Massentierhaltung ausschauen, wenn wir auch noch regionale Produkte haben wollen?

Zynisch gesagt: Bevölkerungsreduktion.....

Conina

Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

Groucho

Zitat von: gesine2 am 04. Juni 2014, 11:59:17
jedoch sind aktuell in kleineren Betrieben auch die Anreize für einen Betrug kleiner.

Wie kommst Du drauf? Ich sehe das genau umgekehrt. Die existentielle Gefahr einer kompletten Vernichtung ist bei einem großen, spezialisierten Betrieb deutlich größer, wenn mal ein Fehler/Betrug auftaucht und öffentlich wird, ein großer Betrieb hat häufiger mit Kontrollen zu rechnen.

Und die Ausrichtung auf Qualität ist das Gegenteil von der Ausrichtung auf ein gutes Betriebsergebnis?


gesine2

ZitatWie kommst Du drauf?
Das Risiko (Strafmaß) bleibt ziemlich gleich, der Anreiz (mögliche Abzockmenge) steigt.
ZitatAusrichtung auf Qualität ist das Gegenteil
Diese Fragestellung, wenn sie sich denn auf mein posting bezieht, halte ich -ziemlich freundlich formuliert- für unangemessen, Groucho.
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ne schöne jrooß, gesine2

Groucho

Zitat von: gesine2 am 04. Juni 2014, 13:44:47
ZitatWie kommst Du drauf?
Das Risiko (Strafmaß) bleibt ziemlich gleich, der Anreiz (mögliche Abzockmenge) steigt.

Zu kurz gedacht. Das Risiko ist nicht nur das Strafmaß, eine Strafe kann sogar vergleichsweise lächerlich sein im Vergleich zu dem, was einem großen Betrieb droht, wenn er öffentlich an den Pranger gestellt wird - ob nun zu Recht oder Unrecht. Der kann seine Ware nicht mehr verkaufen, weil kein Abnehmer mit dem mehr was zu tun haben will aus Angst, das könnte auf ihn selber übergreifen. Das ist das eigentliche Risiko.

Der gleiche Grund, warum man bei Fastfood-Ketten sogut wie nie schlechtes/verdorbenes Fleisch findet (es ist selbst Qualitativ eher besser als das, was es so im Supermarkt gibt). Die Gefahr aufzufliegen ist bei dem vorauseilenden Ruf dieser Ketten ("verarbeiten nur Dreck") viel zu groß.

Ebenso ist es für einen Großbetrieb kalkulatorisch wesentlich günstiger, permanente Standardkontrollen durchzuführen. Tierärzte kommen regelmäßig vorbei, und ob sie dann 10 oder 15 Tiere behandeln, fällt kostentechnisch kaum ins Gewicht. Anders bei Haltungen mit wenig Tieren, da überlegt man sich schon gerne mal, ob man jetzt extra den Tierartz ruft oder es nicht lieber erst selbst mal mit der angebrochenen Medipackung vom letzten Mal versucht.

Es ist das Strukturproblem, das alle kleinen Betriebe haben: Sie werden mit zu erledigenden Aufgaben konfrontiert, die zwar zwingend gemacht werden müssen, aber im Umfang keine extra Stelle oder Abteilung gerechtfertigen. Da ist dann der Buchhalter nebenbei noch Personaler, der Elektriker macht die EDV etc. Kann gut gehen und auch abwechslungsreicher sein, die Wahrscheinlichkeit für Murks und Fehler steigt aber allgemein gewaltig. Ist zumindest meine Erfahrung.

HorstHuber

Zitat von: Hildegard am 04. Juni 2014, 10:58:53
Auf Psiram wurde die Massentierhaltung ja mehrfach als einzige Möglichkeit dargestellt, die Menschheit überhaupt ausreichend zu ernähren.
Nein so wird es nicht dargestellt. Es ist aber eine gute Möglichkeit für sehr viele Menschen bezahlbare tierische Produkte zu bekommen.

ZitatDeshalb interessiert mich, was ihr zu dieser Ärztekampagne sagt, über die der NDR berichtet:
http://www.ndr.de/info/sendungen/reportagen/Aerzte-fordern-Abkehr-von-Massentierhaltung,kampagne104.html
Viele Ärzte* sollen den Dreck vor ihrer eigenen Haustür zuerst entfernen. Dann sind schon mal > 90% der Probleme weg (siehe Niederlande).

*Viele nicht alle!

ZitatKommen die Multiresistenzen wirklich aus dem Hühnerstall?
Alle? Definitiv nicht.
Aus der Massentierhaltung? Mit Abstand wird dieser Bereich der sein aus dem die wenigsten multiresistente humanpathogene Keime stammen. Gibt auch zig Untersuchungen die dies nahelegen.

Nach allem was ich bisher las traue ich mir zu folgende Abstufung zu.
Hauptursache ist schlechtes bis nicht vorhandenes Hygienemanagement in Krankenhäuser und (Alten)Pflegeheime (ha-MRSA).
Nächste Ursache ist der unsachgemäße Umgang mit Antibiotika in den Haushalten (ca-MRSA). Dabei aber nicht die Kuschel Haustiere vergessen. Denn resistent werden nur die Bakterien und so ein unsachgemäß behandelter Liebling verteilt dann schön die entsprechend resistenten Bakterien in der Wohnung.

Gleichbedeutend mit dieser ist der Reiseverkehr (nicht nur zu Urlaub sondern auch um entsprechend med. Behandlungen kostengünstiger zu erhalten).
Alleine der Vergleich der ESBL und MRSA Probleme zwischen Ländern die definitiv nicht mit Massentierhaltung in Verbindung gebracht werden wie Griechenland, Portugal, Spanien, Österreich, Indien mit den äußerst geringen Problemen in den Niederlande (das Mutterland der Massentierhaltung) zeigt das zumindest keine Korrelation vorhanden ist.

Erst dann kommen Multiresistenzen aus der Massentierhaltung wobei interessanterweise die nicht mehr wirksamen Antibiotika im Humanbereich dort immer noch sehr gut wirken. Trotz der angeblichen massenhaften Multiresistenzen. Zauberei?

ZitatIst die Massentierhaltung trotzdem das kleinere Übel?
Die Bestandsgröße sagt nichts aus über den Einsatz von Antibiotika. Im Gegenteil. In gut geführten Betriebe mit hoher Tierzahl (nicht gleichbedeutend damit das alle in einem Raum sind) ist der Einsatz pro kg um ein vielfaches geringer als in gut geführten kleinen Betrieben. Tendenziell nimmt der Einsatz von Antibiotika mit der Bestandsgröße immer ab.

ZitatGeht es vielleicht nur um die Definition von "Massentierhaltung"?
Gibt keine.


ZitatBraucht es neue Gesetze, oder muss die Einhaltung der vorhandenen nur konsequenter umgesetzt werden?
Ja in dem endlich Pflegeheime und Krankenhäuser gezwungen werden wenigstens die Hygienerichtlinien einzuführen wie sie bei größeren Schweine und Geflügelbetriebe Standard sind. Dort kann man nämlich nicht so einfach reinspazieren. Ein und Ausduschen + Klamottenwechsel ist dort Pflicht. Auch werden neue Tiere nicht so einfach in den vorhanden Tierbestand eingegliedert. Dafür gibt es Quarantänestallungen in denen der entsprechende Gesundheitsstatus beobachtet wird + langsames Anpassen an die vorhandene Keime im bestehenden Bestand. Und dabei handelt es sich um gesunde Tiere.

Deshalb in Kliniken für neue Patienten immer Einzelzimmer (rein raus d.h. jedes mal mit wirksamen Mitteln - bedeutet immer Abstrich - desinfizieren ) bis die Ergebnisse des Screenings vorliegen.
Keine Möglichkeit mehr ohne irgendwelche wirkliche Desinfektion + Überschuhwechsel zwischen einzelnen Stationen bzw. sogar Krankenzimmer.

Entbindungsbereich darf kein direkten Zugang zu anderen Stationen haben. Usw.

Auch wird man keinen dieser Massentierhalter sehen wie er mit seinen Arbeitsklamotten aus dem Stall zum Essen geht. In Krankenhäuser/Pflegeheimen ist aber dies Standard vieler Ärzte/Pfleger. Als ob es zu viel verlangt wäre sich zwischen der Station und der Kantine zu duschen und umzuziehen. etc.
Natürlich auch nach Arbeitsende ausduschen + Privatklamotten anziehen. Arbeitsklamotten haben im entsprechenden Bereich zu bleiben bis Abtransport zur Wäscherei.

usw.
The intelligence of the creature known as a crowd, is the square root of the number of people in it. (Terry Pratchett)