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Religiöser Atheismus??

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Begonnen von sweeper, 28. Mai 2014, 17:19:05

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sweeper

Im Brights-Blog wird aktuell auf einen Artikel in der ZEIT verlinkt:

http://www.zeit.de/2014/22/glaube-atheismus-ronald-dworkin
Zitat... Schweigen der Räume? Das erinnert an den faszinierenden Religionsphilosophen, Physiker und Mathematiker Blaise Pascal (1623 bis 1662), doch leider nur auf den ersten Blick. Pascal war absolut modern, er traute den menschlichen Gefühlen nicht und wollte lieber auf Gott wetten. Ganz anders Dworkin in seinen Einstein-Vorlesungen, die er in Bern gehalten und die er noch kurz vor seinem Tod zu diesem Buch ausgearbeitet hat: Für ihn sind die Gefühle, die uns beim Anblick des Erhabenen ergreifen, transsubjektive Empfindungen; das Numinose des Universums ist für Dworkin also weder eine Täuschung noch ein Produkt unserer Sinnesorgane – es ist die innere Repräsentation einer äußeren Wirklichkeit. Die "Ehrfurcht gebietenden Gefühle" bezeugten eine Macht, "die größer ist als wir", und diese "Macht des Wunderbaren" wohne hinter den Erscheinungen und sei genauso real wie Planeten oder Kopfschmerzen...

Die Ableitung von (Selbst-)Verantwortung aus dem kosmisch Schönen? So etwas hat schon lange kein Philosoph mehr behauptet, aber genau das tut Dworkin. Er verstand sich als religiöser Atheist, das heißt: Er glaubte zwar nicht an Gott, wohl aber an die sinnhafte Einheit des Kosmos und die Versöhnung von Glauben und Wissen. Auf keinen Fall wollte er den Naturwissenschaften das Feld überlassen, denn angenommen, diese würden eines Tages kalt lächelnd verkünden, unsere Abscheu vor Grausamkeit gehöre einer entwicklungsgeschichtlich überholten Stufe der Menschheit an, dann stünde ein säkularer Geist mit leeren Händen da. Nicht aber der religiöse Atheist. Sein "Werterealismus" könne zeigen, dass unsere moralischen Überzeugungen nichts Erfundenes seien, sondern etwas Objektives und von uns Entdecktes – sie seien real und gehörten gleichsam zur Hintergrundstrahlung des Universums. Unsere ethischen Überzeugungen, schreibt Dworkin den postmodernen Relativisten ins Stammbuch, "könnten wir nicht haben, ohne zu denken, dass sie objektiv wahr sind"...

Mich interessiert eure Meinung dazu.
Persönlich finde ich es ja aufrichtiger, auf religiöse Gefühle zu verzichten, wenn man sich als "Atheist" versteht...

With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

Belbo

Ich denke es gibt ein Mehrstufenmodll des Glaubens, einige dieser Stufen sind unverzichtbar, einige verständlich, viele nachvollziehbar und die meisten gefährlich.....

71hAhmed

Zitat von: sweeper am 28. Mai 2014, 17:19:05
Mich interessiert eure Meinung dazu.
Persönlich finde ich es ja aufrichtiger, auf religiöse Gefühle zu verzichten, wenn man sich als "Atheist" versteht...
Gefühle zeichnen sich doch dadurch aus, daß man sie eben hat oder nicht. Darauf zu verzichten, erscheint mir unmöglich. Man kann sie unterdrücken, leugnen oder was auch immer, aber "verzichten"?
Wenn einen denn religiöse Anwandlungen befallen, erscheint es mir eher zweitrangig, ob man die auf einen oder mehrere personale Götter richtet oder aus welchen Gründen auch immer als Ziel ein wie auch immer geartetes übergeordnetes/größeres unpersönliches Ganzes postuliert.
Verzichten sollte man dann aber auf die Bezeichnung "Atheist", es sei denn, man bezieht den Begriff explizit auf nur personifizierte höhere Mächte, was mir den Begriff zu sehr einengt.

Abe81

Ich denke, dieser 'religiöse Atheist' ringt um eine Letztbegründung. Aus der üblichen Salbaderei der Zeit kann man nur leider nicht erkennen, wie diese Argumentation aufgebaut ist . Gesetzt der Kosmos folgte  einer inneren Teleologie, wie es Dworkin behauptet (so habe ich es jedenfalls verstanden), wie soll dann ohne einen Gott aus Sein Sollen notwendig folgen?

Groucho

Zitat von: sweeper am 28. Mai 2014, 17:19:05
Ich lass mal die Zitate in den Zitaten weg und zitiere nur das Zitat:  :grins2:

Zitat... Schweigen der Räume? Das erinnert an den faszinierenden Religionsphilosophen, Physiker und Mathematiker Blaise Pascal (1623 bis 1662), doch leider nur auf den ersten Blick.

Ich erlebe Räume bisher stets als schweigend und bin ganz froh, dass sie nicht zu sprechen beginnen.

Zitat
Pascal war absolut modern, er traute den menschlichen Gefühlen nicht und wollte lieber auf Gott wetten.

Das ist doch keine Begründung für modern. Gefühle sind hilfreich, bedürfen aber im Zweifelsfall einer Überprüfung. Wer aus deren Unsicherheit Gott ableitet, macht es sich schon arg einfach, bzw. es ist ein Fehlschluss.

Zitat
Ganz anders Dworkin in seinen Einstein-Vorlesungen, die er in Bern gehalten und die er noch kurz vor seinem Tod zu diesem Buch ausgearbeitet hat: Für ihn sind die Gefühle, die uns beim Anblick des Erhabenen ergreifen, transsubjektive Empfindungen;

"Erhabenheit" ist eine reine Gefühlsempfindung. Ohne Gefühle können wir anschauen was wir wollen, es wird sich keine "Erhabenheit" einstellen. Ein Null-Satz, eine Null-Begründung.

Zitat
das Numinose des Universums ist für Dworkin also weder eine Täuschung noch ein Produkt unserer Sinnesorgane – es ist die innere Repräsentation einer äußeren Wirklichkeit.

Wenn er meint. Man könne auch sagen: Falsche Annahme - falscher Schluss.

Zitat
Die "Ehrfurcht gebietenden Gefühle" bezeugten eine Macht, "die größer ist als wir", und diese "Macht des Wunderbaren" wohne hinter den Erscheinungen und sei genauso real wie Planeten oder Kopfschmerzen...

Nur weil Gefühle real und oft schlecht bis gar nicht steuerbar sind, ist das kein Beweis für irgendetwas.

Zitat
Die Ableitung von (Selbst-)Verantwortung aus dem kosmisch Schönen? So etwas hat schon lange kein Philosoph mehr behauptet, aber genau das tut Dworkin.

Es gibt auch Philosophen, die sich nicht so schnell verheddern. Behaupte mal, das hat seinen Grund, dass das schon lange keiner mehr behauptet hat.

Zitat
Er verstand sich als religiöser Atheist, das heißt:

Dass er ein fleischessender Vegetarier ist. Sofern man "religiös" mit einem Schöpfer, egal welcher Art, verbindet. Man kann natürlich "religiös" auch - so wie anscheinend er - als Umschreibung für das Schöne, Faszinierende dieser Welt sehen, aber dann wird der begriff dermaßen Schwammig, dass er für irgendwelche Beweisführungen oder Diskussionen obsolet wird.

Zitat
Er glaubte zwar nicht an Gott, wohl aber an die sinnhafte Einheit des Kosmos

Wer an einen Sinn des Ganzen glaubt, muss zwangsläufig an irgendwas mit Gott glauben. "Sinn" bedingt ziehlführendes Handeln, ziehlführendes Handeln ist ohne Sinn nicht möglich. Was nur den Schluss ergibt, dass ein wie auch immer geartetes Bewusstsein hinter dem Ganzen steckt. Und wenn das nicht religiös ist, was ist es dann?

Zitat
und die Versöhnung von Glauben und Wissen.

Diese Diskrepanz entsteht doch nur, wenn man sie vorher krampfhaft durcheinander wirbelt.

Zitat
Auf keinen Fall wollte er den Naturwissenschaften das Feld überlassen, denn angenommen, diese würden eines Tages kalt lächelnd verkünden, unsere Abscheu vor Grausamkeit gehöre einer entwicklungsgeschichtlich überholten Stufe der Menschheit an, dann stünde ein säkularer Geist mit leeren Händen da. Nicht aber der religiöse Atheist. Sein "Werterealismus" könne zeigen, dass unsere moralischen Überzeugungen nichts Erfundenes seien, sondern etwas Objektives und von uns Entdecktes – sie seien real und gehörten gleichsam zur Hintergrundstrahlung des Universums. Unsere ethischen Überzeugungen, schreibt Dworkin den postmodernen Relativisten ins Stammbuch, "könnten wir nicht haben, ohne zu denken, dass sie objektiv wahr sind"...

Halte ich für ziemlichen Quatsch. Er leidet unter horror vacui seines Geistes, und einer Annahme, unter der viele Religiöse leiden, dass nämlich der Mensch von Grund auf schlecht sei und einer Erlösung bedarf. Dazu kommt der absurde Fehlschluss, dass die Verhinderung eines unerwünschten Zustandes die Annahme eines Sinnes in allem bedarf, und damit die Existenz des Sinnes belegt sei.

Beide benutzen Gefühle als Gottesbeweis, der eine, indem er ihnen nicht traut, der andere aufgrund ihrer Existenz. Das ist doch Quatsch.

Und wie Abe81 schreibt: da ist wer auf der Suche nach einer Letzbegründung. Sowas geht immer in die Hose.

Abe81

Du magst mit vielen deiner Anmerkungen recht haben, Groucho, aber zerpflückst damit ja mehr das protestantische Geraune der Zeit, die vermutlich eine vielleicht unzureichende, aber doch im wissenschaftlichen Sinne philosophische Argumentation in ihren pfäffischen Jargon presst. Ich würde keiner Zeile dieses Artikels trauen, lieber die Argumentaion Dworkins irgendwo hervorkramen.

Groucho

@Abe81: Es ging mir tatsächlich nur um den Text, wie er da stand, ja. Um die Person, wie sie dort beschrieben ist. So hatte sweeper auch gefragt. Dworkins kenne ich nicht weiters, wäre dann eine andere Baustelle. Vielleicht ist er wesentlich sympatischer und tiefsinniger als er da rüberkommt, keine Ahnung.

Freilich hast Du auch recht, solche Leute werden gerne mal zu unfreiwilligen Kronzeugen hochstilisiert, indem man ihnen das Wort im Mund umdreht, muss man aufpassen ...

sweeper

Hier gibt es noch eine Rezension im Guardian:

http://www.theguardian.com/books/2013/nov/28/religion-without-god-ronald-dworkin-review

So weit ich es begriffen habe, geht dieses letzte, posthum? veröffentlichte Buch von Dworkin auf seine in Bern gehaltenen "Einstein Lectures" zurück.
Ohne die Texte tatsächlich im Original zu lesen, klingt vieles etwas eigenartig (und nicht unbedingt originell im Sinne von "noch nie da gewesen") - aber dieser Mensch soll ja sehr klug sein :)

http://mobile.nytimes.com/blogs/opinionator/2013/09/23/deeper-than-god-ronald-dworkins-religious-atheism/
Zitat... The essence of the religious attitude, he tells us, is the conviction that "inherent, objective value permeates everything, that the universe and its creatures are awe-inspiring, that human life has purpose and the universe order." In the grip of that Emersonian conviction, one may or may not subscribe to the existence of a personal God, but it should not be the case that constitutional protection depends on a commitment to theism, for that would be to make the hallmark of religion something that is alien to the lives of many people. It is important for Dworkin's argument that we not view religion as a special activity that exists to the side of the everyday experience of interacting with and appreciating nature. It is when we identify religion as an anomaly whose precise configuration must be described that we get ourselves into trouble and fall to debating, as religion clause jurisprudence endlessly does, whether this particular ceremony or piece of behavior is "properly religious." We should, says Dworkin, abandon "the idea of a special right with ... its compelling need for strict limits and careful definition." We should "consider instead applying, to the traditional subject matter of that supposed right, the more general right to ethical independence."...
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Gefährliche Bohnen

Ich persönlich habe auch Momente, in denen ich von bestimmten Dingen überwältigt bin (ich würde allerdings nicht auf die Idee kommen, das ein religöses Gefühl zu nennen). Ich finde den Kosmos auch faszinierend und es gibt so Sachen, die mich einfach umhauen. Das können komplexere Erkenntnisse wie die Relativitätstheorie oder die Evolutionstheorie sein, aber manchmal sind es auch kleine Dinge. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass "oben" und "unten" auf einer Weltkarte eine rein willkürliche Festlegung ist, dass es sowas gar nicht gibt ohne Bezug auf den Erdmittelpunkt.
Im Endeffekt sind es genau solche Entdeckungen und Erkenntnisse, die unter anderem auch zeigen, wie unser Denken funktioniert und dass wir oft in Mustern denken, die nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sind. Die Natur sieht für uns so aus, als hätte sich da jemand was bei gedacht, als wäre das irgendwie sinnvoll. Die Evolutionstheorie zeigt aber, warum das eine Illusion ist und das wiederum zeigt auch, wie Menschen ticken.

Die Schönheit eines Naturphänomens, einer Landschaft oder von NASA-Bildern kann einen ebenso umhauen, aber was hat denn Schönheit mit Moral zu tun? Wie kommt man von schön zu gut und von gut zu objektiv gut? Wie sagt mir die Schönheit eines Sternenhimmels, dass ich gut leben sollte?
Wenn ich mir die Natur und das Tierreich so angucke, komme ich zu einer ganz anderen Schlussfolgerung als der, dass es eine objektive Moral gibt - Schönheit hin oder her. Gerade die Natur ist doch nach unseren Maßstäben nicht nur schön, sondern auch grausam – zumindest wäre sie das, wenn für sie unsere Maßstäbe gelten würden.

Sinn, Absicht, Moral etc. sind eben genau solche Dinge, die außerhalb eines menschlichen Bewusstseins keine Verankerung haben. Zumindest sehe ich keinen Grund, davon auszugehen, das sie das tun.

Woher kommt diese Angst, man könnte zu dem Schluss kommen, dass man ethische Grundsätze einfach über Bord werfen könnte, wenn man sie nicht als objektive, gott- oder was-auch-immer-gegebene Wahrheit annimmt? Unabhängig davon, ob sie objektiv sind oder nicht – es ist doch so oder so für alle Beteiligten langfristig sinnvoll, sich darauf zu einigen und sich daran zu halten. Und einschätzen zu können, wie sich ein Verhalten langfristig auswirken wird, ist ja eine Stärke, die mit menschlichem Bewusstsein einhergeht.
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Groucho

Zitat von: Gefährliche Bohnen am 29. Mai 2014, 16:10:11
Woher kommt diese Angst, man könnte zu dem Schluss kommen, dass man ethische Grundsätze einfach über Bord werfen könnte, wenn man sie nicht als objektive, gott- oder was-auch-immer-gegebene Wahrheit annimmt?

Das frage ich mich auch immer.

Belbo

Vielleicht die Angst, andere könnten das machen und einem selber die Argumente ausgehen? Und dann einer moralischen Willkür ausgesetzt zu sein.

Belbo

....Moral als institutionalisierte Auflösung des Gefangenendilemas, auch so ein Gedanke....

Typee

ZitatFür ihn sind die Gefühle, die uns beim Anblick des Erhabenen ergreifen, transsubjektive Empfindungen; das Numinose des Universums ist für Dworkin also weder eine Täuschung noch ein Produkt unserer Sinnesorgane – es ist die innere Repräsentation einer äußeren Wirklichkeit.

Hm, ein zweiter Aufguss von Adalbert Stifters "sanftem Gesetz"? Dann verweise ich mal auf Arno Schmidt:

ZitatDas sanfte Gesetz? Man hätte den mal vor eine Nova setzen sollen. Oder in Sonnennähe bringen.

Geht man nahe genug heran, löst sich manches Erhabene in ein ziemlich erbarmungsloses Gemetzel auf. Siehe Schopenhauers Beispiel der Blumenwiese.

Dworkin sollte demnach noch etwas präziser herausarbeiten, aus welcher Distanz die "Erhabenheit" zu beurteilen sei.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Belbo

Man denke nur an die nackte Schönheit erhaben dem Bade einsteigend, über blasser Bräune im Kontraste schimmernd, die Perlen aus Quecksilber........

Abe81

Danke für die anderen beiden Reviews, Sweeper. Der Guardian geht auch wenig auf die Argumentation im Buch ein, aber dafür die Times; beide versuchen eher, das Buch in das Gesamtwerk Dworkins einzuordnen und werden dem damit viel gerechter, als die Zeit. Es soll sich, soweit ich das verstanden habe, auf die Vermittlung von juristischem Recht und Gerechtigkeit i.S. von objektiver Moral beziehen und wie sie sich jenes in diesem verwirklichen soll. Das liest sich immerhin schon mal rationaler, als die Salbaderei der Zeit (da sieht man auch sehr schön, wie diese sich ganz unschuldig Rosinen picken kann - ihr geht es nur um das protestantische innere Gefühl).

Ich finde es schon deswegen interessant, weil es versucht, den Gefahren des Rechtspositivismus mit objektiven Kriterien entgegenzuwirken - eine 'juristische Unabhängigkeit' zu schaffen. Das mag man kritisieren, aber das ist ja schon mal was ganz anderes, als das, was die Zeit darin sehen will und ist auch erst im amerikanischen Rechtssystem sinnvoll zu begründen - nämlich mit Bezug auf eine Verfassung.

Das erinnert mich auch an Hitchens Versuche, sich zum einen immer wieder atheistisch auf die Verfassung zu berufen und zum anderen auf die Schönheit und Erhabenheit, die man erkenne, wenn man durch z.B. das Hubble-Teleskop blicke oder sich die Schritte der Evolution des Auges ansehe (so argumentieren ja auch die anderen prominenten Atheisten Dawkins & Co.).

Ich finde die Argumentation nicht überzeugend, das ist, wie die Times das schon schreibt, ein Versuch, liberals und republicans ihren objektiven Widerspruch austreiben zu wollen.

Zitat von: Typee am 30. Mai 2014, 07:48:44Dworkin sollte demnach noch etwas präziser herausarbeiten, aus welcher Distanz die "Erhabenheit" zu beurteilen sei.

Vielleicht hat er das ja getan. Dafür sollte man freilich das Buch gelesen haben. Nichts desto trotz werden herkömmliche Atheisten ja auch nicht müde, die Schönheit der Schöpfung aus sich selbst heraus zu betonen. Die 'definieren' das ja auch nicht. So, wie ich das den Rezensionen entnommen hab, soll das ja an ein 'Gefühl' appellieren, dass jeder besitzt, also auch unmittelbar nachvollziehen kann. Dafür muss man nicht definieren: "Erhabenheit stellt sich ein, wenn man das Hubble-Teleskop auf diese Koordinaten mit jenen Justierungen ausrichtet und im Temporallappen dieses oder jenes Korrelat des sekundären visuellen Kortex' folgende Muster erkennt"

Zitat von: Groucho am 29. Mai 2014, 17:00:58
Zitat von: Gefährliche Bohnen am 29. Mai 2014, 16:10:11
Woher kommt diese Angst, man könnte zu dem Schluss kommen, dass man ethische Grundsätze einfach über Bord werfen könnte, wenn man sie nicht als objektive, gott- oder was-auch-immer-gegebene Wahrheit annimmt?

Das frage ich mich auch immer.

Hier argumentiert doch auch niemand mit 'Angst'. Es scheint mir vielmehr um ein gesellschaftliches Verhältnis zu gehen. Wie kann man zu (juristischen) Urteilen kommen, die den Common-Sense transzendieren, um nicht in den Zirtekl zu geraten: Recht ist, was rechtlich kodifiziert ist. Das hat weniger mit einer Handlungstheorie der Moral oder mit einer atomisierten Existenz  (Robinsonnade) zu tun, sondern mit Gesellschaft. Das finde ich schon deswegen interessant, weil es zumindest diese bornierten und völlig realitätsfernen Gedankenexperimente außer acht lässt ("Du liegst mit einer vaporisierenden Laserpistole(!) am Grund einen Brunnens und jemand stößt einen fetten Mann in diesen Brunnen, der dich zerquetschen würde, wenn du ihn nicht erschießt").

Wenn man nämlich rechtspositivistisch diese Grundsätze seiner relativistischen Überzeugung nach einfach über Bord werfen kann, weil man kein Außenkriterium für ihre Begründung hat, dann kann eine Gesellschaft von innen heraus zu einer totalitären werden. Es geht also nicht um den einzelnen Menschen, der auf einmal nicht mehr moralisch sei, weil er keinen Gott mehr hat oder nie hatte, sondern um den Begründungsrahmen, den eine Gesellschaft sich für ihr Rechtssystem gibt. Horkheimer nannte das "Resistenzkraft gegen den Faschismus", der Frage folgend, warum sowas in den USA bisher immer unterdrückt werden konnte, obschon es dort auch genug faschistische Tendenzen gab. Das konnte deshalb unterdrückt werden, weil der gemeinsame (zugleich: dogmatische) Bezug auf die Verfassung und Gründerväter niemand hintergehen konnte. Wer das machte, konnte sich nicht mehr als 'Amerikaner' behaupten, also auch nicht an seine 'fellow americans' appellieren. Z.B. in Deutschland konnte man aber auf Grundlage einer nicht verfassungsrechtlich definierten Gesellschaft, sondern eine über 'Blut und Boden' (deutsch sind die mit den blonden Haaren und blauen Augen) daran appellieren, dass die wahren Deutschen die sind, die diese oder jene Kriterien erfüllen - und das ziemlich mythischen Vorstellungen nach.

Oder Mussolini als Beispiel:
ZitatEverything I have said and done in these last years is relativism by intuition. If relativism signifies contempt for fixed categories and those who claim to be the bearers of objective immortal truth ... then there is nothing more relativistic than Fascist attitudes and activity... From the fact that all ideologies are of equal value, that all ideologies are mere fictions, the modern relativist infers that everybody has the right to create for himself his own ideology and to attempt to enforce it with all the energy of which he is capable.