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@Stimmviechs Thesen zur Sinnlosigkeit der Forensik

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Begonnen von sweeper, 16. Januar 2014, 13:41:06

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Belbo

Erfahrungswissen? Aber nicht tausende Jahre alt wie bei der TCM, hoffe ich.   ;)

sweeper

Tja...  :grins2:

Das ist eben genau der Punkt, der so schwer zu vermitteln ist und der die Medizin (bzw die Humanwissenschaften) von den exakten Naturwissenschaften unterscheidet:

Die Erhebung der Befunde erfolgt nach objektivierbaren, validisierten Kriterien - aber die Auswahl der diagnostischen Instrumente und die Interpretation der Befunde hängt von den Skills des Untersuchers ab: man kann eben nur "wissen, wonach man suchen muss" und "erkennen", was man "kennt".
Und das gilt für die Erhebung eines psychopathologischen Befundes ebenso wie für die Auswahl eines geeigneten bildgebenden Verfahrens und die Interpretation eines Röntgenbildes.

Die Therapie erfolgt ebenfalls leitlinienbasiert und mit Medikamenten, deren Nutzen hoffentlich entsprechend geprüft wurde (in diesem Sinn auf wissenschaftlicher Basis).

Trotzdem ist jeder Patient eben ein Individuum und viel mehr als "seine Diagnose" - und entsprechend obliegt es dem Behandler und seiner Expertise = klinische Erfahrung, für diesen speziellen Patienten aus einem Koffer von möglichen Werkzeugen die passende Behandlung zu wählen (leitliniengerecht, aber im Einzelfall mit Begründung auch abweichend)

In der Forensik hat man es bekanntermaßen - die Problematik beschreibt der verlinkte Text aus dem Institut von Herrn Leygraf anschaulich - mit Menschen zu tun, die nicht freiwillig dort sind.
Das hat Auswirkungen auf die Befunderhebung/Diagnostik und auf die Therapie:
wer sich (wie nach den Klinikberichten z.B. Mollath) gegen so gut wie jede Art von sozialer Interaktion abschirmt, der kann eben auch nicht valide diagnostiziert werden, denn das Typische bestimmter Störungen zeigt sich gerade in der sozialen Interaktion und im Verlauf.
Eine Motivation, sich auf einen therapeutischen Prozess einzulassen, muss in vielen Fällen bei hohem Anfangswiderstand überhaupt erst erarbeitet werden - da kann viel Zeit vergehen, und ungünstige Dynamiken können sich entwickeln. In dieser Zeit tappt man u.U. im Dunkeln mit differenzialdiagnostischen Überlegungen.

With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

P.G.


Oh mein Gott! Forensiker versuchen zu manipulieren!

Also ganz ehrlich: Das ist total banal. Und es ist irgendwie naiv das zu thematisieren.
[url="http://www.alltrials.net/"]http://www.alltrials.net/[/url]

sweeper

@P.G.:

Hmm... eher umgekehrt:
@Stimmviech geht in seinen Thesen davon aus, dass Forensiker aufgrund ihres nachvollziehbaren Bestrebens, ihre Patienten "zu deren Bestem" zu beeinflussen, besonders leicht manipulierbar seien, indem man ihnen das erwünschte Resultat vorspielt ...
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Homeboy

bin mir nicht sicher, ob das nicht trollig gemeint war, war aber auch reichlich kurz um aus dem statement etwas abzulesen.

P.G.

Zitat von: sweeper am 21. Januar 2014, 17:23:26
@P.G.:

Hmm... eher umgekehrt:
@Stimmviech geht in seinen Thesen davon aus, dass Forensiker aufgrund ihres nachvollziehbaren Bestrebens, ihre Patienten "zu deren Bestem" zu beeinflussen, besonders leicht manipulierbar seien, indem man ihnen das erwünschte Resultat vorspielt ...

Und das gehört eben zum Krankheitsbild vieler forensischer Patienten (Forensiker). Genauso wie es zu Patienten mit Essstörungen gehört in der Klinik so wenig wie möglich zu essen und das zu verheimlichen oder Suchtpatienten versuchen heimlich in der Klinik zu konsumieren. Das ist Alltag und darüber ist man sich vollkommen bewusst.
Über die kreativsten Manipulationen amüsiert man sich allerhöchstens noch im Teamzimmer beim Kaffee trinken und denkt sich "Ja gut. Er ist halt krank."
Dass einen Patienten belügen und versuchen zu manipulieren, im besonderen im forensischen Bereich, ist Teil des ganzen Spiels. Eher die Regel als die Ausnahme.
Denkt ihr, wenn mir ein Patient im Aufnahmegespräch erzählt, was er so an Drogen konsumiert und wieviel, dass ich das glaube? Niemals.

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sweeper

@P.G.:
ZitatDass einen Patienten belügen und versuchen zu manipulieren, im besonderen im forensischen Bereich, ist Teil des ganzen Spiels. Eher die Regel als die Ausnahme.
So weit, so banal.
Dazu kommt der Umstand, dass der überwiegende Teil der Patienten eben nicht freiwillig bzw "einsichtig" da ist und demnach nicht davon ausgeht, dass ihnen in der Einrichtung tatsächlich geholfen werden soll/kann.

Nimmt man nun noch @Stimmviechs Einschätzung dazu, dass intelligente Psychopathen das plausible Bedürfnis der Therapeuten erfassen und instrumentalisieren, nun endlich mal bei einem Patienten echte Erfolgserlebnisse zu haben:

was sagt uns das über das Entstehen und die Tragfähigkeit einer therapeutischen Beziehung, die (siehe Grawe) methodenunabhängig der stärkste Wirkfaktor des psychotherapeutischen Prozesses ist?
Kommt auf der Basis von (berechtigtem) beiderseitigem Misstrauen und geschickter (beiderseitiger) Taktik überhaupt je eine therapeutische Beziehung zustande?

Das interessiert mich wirklich!
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Belbo

Zitat von: sweeper am 22. Januar 2014, 12:10:45
@P.G.:
ZitatDass einen Patienten belügen und versuchen zu manipulieren, im besonderen im forensischen Bereich, ist Teil des ganzen Spiels. Eher die Regel als die Ausnahme.
So weit, so banal.
Dazu kommt der Umstand, dass der überwiegende Teil der Patienten eben nicht freiwillig bzw "einsichtig" da ist und demnach nicht davon ausgeht, dass ihnen in der Einrichtung tatsächlich geholfen werden soll/kann.

Nimmt man nun noch @Stimmviechs Einschätzung dazu, dass intelligente Psychopathen das plausible Bedürfnis der Therapeuten erfassen und instrumentalisieren, nun endlich mal bei einem Patienten echte Erfolgserlebnisse zu haben:

was sagt uns das über das Entstehen und die Tragfähigkeit einer therapeutischen Beziehung, die (siehe Grawe) methodenunabhängig der stärkste Wirkfaktor des psychotherapeutischen Prozesses ist?
Kommt auf der Basis von (berechtigtem) beiderseitigem Misstrauen und geschickter (beiderseitiger) Taktik überhaupt je eine therapeutische Beziehung zustande?

Das interessiert mich wirklich!


Auf die Gefahr hin dass ich mich wiederhole, ein Herr Dr. Hoff zur Problematik der Psychatrie und D0iagnose.

http://www.srf.ch/player/radio/kontext/audio/die-krux-mit-psychiatrischen-diagnosen?id=cc00d441-f20f-4a3e-9aef-89d79a2cc67d
Zitat
Wo genau verläuft die Grenze zwischen psychischer Gesundheit und psychischer Krankheit? Ein Gespräch mit dem Psychiater Paul Hoff.

Wann ist jemand psychisch krank, wann ist jemand psychisch gesund? Diese Frage wird gerade wieder heftig diskutiert, denn demnächst soll das Diagnosehandbuch für psychische Störungen DSM in einer stark überarbeiteten Form erscheinen. Kritiker bemängeln, die Änderungen würden dazu führen, dass immer mehr gesunde Menschen psychisch krankgeschrieben würden. Stimmt das? Und warum wird ausgerechnet über psychiatrische Diagnosen so heftig gestritten? Kontext im Gespräch mit dem Psychiater Paul Hoff.

P.G.

Zitat von: sweeper am 22. Januar 2014, 12:10:45
@P.G.:
ZitatDass einen Patienten belügen und versuchen zu manipulieren, im besonderen im forensischen Bereich, ist Teil des ganzen Spiels. Eher die Regel als die Ausnahme.
So weit, so banal.
Dazu kommt der Umstand, dass der überwiegende Teil der Patienten eben nicht freiwillig bzw "einsichtig" da ist und demnach nicht davon ausgeht, dass ihnen in der Einrichtung tatsächlich geholfen werden soll/kann.

Nimmt man nun noch @Stimmviechs Einschätzung dazu, dass intelligente Psychopathen das plausible Bedürfnis der Therapeuten erfassen und instrumentalisieren, nun endlich mal bei einem Patienten echte Erfolgserlebnisse zu haben
Das ist nichts anderes als Soziale Kompetenz. Ich bewerte es nicht negativ, dass die  Motivation dahinter stecken könnte, das "System" zu überlisten. Darum geht es gar nicht.
Es geht einzig darum, dass wenn der Patient das kann, schafft er es auch bei der betrieblichen Weihnachtsfeier seinem Chef keinen Schuh an der Kopf zu werfen und zu fragen wo denn die Nutten sind und wenn er die Personalchefin erblickt zu schreien "Aha, daaa. Endlich!".


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Homeboy

nunja, ändert aber nichts an der tatsache, dass besagtes sozialkompetenzgenie evtl. dennoch später die genannten weihnachtsfeier-teilnehmer in der tiefgarage beobachtet, stranguliert und anschließend in der heimischen küche zubereitet, etc.
weil, mit anderen umgehen können ist nicht zwingend mit (ungewöhnlichen) ausprägung persönlichen präferenzen verbunden.

stimmviech

Zitat von: P.G. am 21. Januar 2014, 20:16:29
Zitat von: sweeper am 21. Januar 2014, 17:23:26
@P.G.:

Hmm... eher umgekehrt:
@Stimmviech geht in seinen Thesen davon aus, dass Forensiker aufgrund ihres nachvollziehbaren Bestrebens, ihre Patienten "zu deren Bestem" zu beeinflussen, besonders leicht manipulierbar seien, indem man ihnen das erwünschte Resultat vorspielt ...

Und das gehört eben zum Krankheitsbild vieler forensischer Patienten (Forensiker). Genauso wie es zu Patienten mit Essstörungen gehört in der Klinik so wenig wie möglich zu essen und das zu verheimlichen oder Suchtpatienten versuchen heimlich in der Klinik zu konsumieren. Das ist Alltag und darüber ist man sich vollkommen bewusst.
Über die kreativsten Manipulationen amüsiert man sich allerhöchstens noch im Teamzimmer beim Kaffee trinken und denkt sich "Ja gut. Er ist halt krank."
Dass einen Patienten belügen und versuchen zu manipulieren, im besonderen im forensischen Bereich, ist Teil des ganzen Spiels. Eher die Regel als die Ausnahme.
Denkt ihr, wenn mir ein Patient im Aufnahmegespräch erzählt, was er so an Drogen konsumiert und wieviel, dass ich das glaube? Niemals.
Der perfekte Lügner fällt gar nicht als solcher auf. Wesentlicher Punkt einer erfolgreichen Lüge ist das Zuschneidern selbiger auf die Wertewelt des zu Belügenden.Meine in diesen Thread kopierten Texte weisen ja stichwortartig darauf hin.
Da jeder Forensik-Mitarbeiter Entlaßkriterien verinnerlicht hat, gilt es, diese im Rahmen einer " value/value equivalence Analyse" herauszufinden und verhaltensmäßig zu erfüllen. Die " Wertworte" der verschiedenen Behandler sind dabei oft gleich, schließlich beten sie ausbildungsbedingt die gleichen Therapieideologien an. Die " equivalences", also die sinnesspezifischen Assoziationen dagegen unterscheiden sich durchaus. Für den einen ist " Gemeinschaftsfähigkeit" ruhiges Mitlaufen( Ossis), für den West-68-er Therapeuten ist der Konfliktthematisierer( wenn es denn die von den Therapeuten "gewünschten"Themen sind) der Gemeinschaftsfähigkeitsking. Ein " Metaprogramm"( NLP), nämlich das convincer filter in spezieller Kombination, teilen alle Therapeuten: sie wollen das ihren Kriterien entsprechende Verhalten sowohl vielfach wiederholt als auch über einen längeren Zeitraum erleben.
Worüber will man im Pflegerzimmer lachen, wenn der Patient den eigenen, vielfach gar nicht bewußt reflektierten Details des " Entlaßideals" entspricht?
Diesen Text hatte ich gestern schon auf twitter gepostet, ich denke aber, er könnte eine interessante Grundlage für eine weitere Diskussion sein.

sweeper

@stimmviech:
Hallo und willkommen!
Schön, dass du dich angemeldet hast. Das kann ein interessanter Austausch werden ;)

Aber unterschätzt du vielleicht die Gesamtkompetenz eines guten therapeutischen Teams?
Natürlich gibt es Menschen, die intuitiv erfassen, wie sie sich am besten an die Erwartungen anpassen können; das klappt allerdings meist nur in bestimmten Konstellationen.
Und im Team fließen eben die diversen Wahrnehmungen zusammen - so durchgängig und systematisch kann man wohl kaum dauerhaft täuschen.
Ich kann allerdings nicht für die Situation in der Forensik sprechen.
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stimmviech

Hätte ich nicht meine Erfahrungen,würde ich mir auch nicht glauben. Es gibt meines Erachtens zweierleit " Verschwörungen"
1) die Klassische: Mehrere tun sich zusammen, um zielgerichtet mit Täuschungsabsicht Ziele zu erreichen, Beispiel Geheimdienste
2) die Informelle: eine Gesellschaft oder Untergruppen entwickeln eine Ideologie, die ihnen als Überlebenshilfe so nützlich ist, daß man bereit ist, an die offensichtlichsten Unsinnigkeiten zu glauben.
Beispiel: mittelalterliches Christentum, da haben seriöse Gelehrte über die mögliche Anzahl von Engeln auf Nadelspitzen diskutiert, während das Offensichtliche (Erkenntnisse von  Galileo und Co.) ausgegrenzt wurde.
Ähnlich erscheint mir die Psychiatrie, wobei die Bewertung als Ersatzreligion ja aus der sogenannten Antipsychiatrie der 50er stammt und nicht original von mir ist.

Die Täuschung des Teams ist also nur möglich wegen derer Selbsttäuschungen, von denen die erste das Therapie-und Prognosedogma ist. Ein nicht psychiatrisch verbildeter Mensch würde die Täuschung sofort bemerken( siehe Rosenhan, die Patienten haben die " falschen" entlarvt) , gerade in der Plumpheit, mit der ich das betrieben habe. Wenn ich nach 2,5 Jahren als einer der Gefährlichsten und therapeutisch Unzugänglichsten gelte, ist es doch absurd, nach 6 Wochen( vielleicht 3 Sitzungen) brutalster Verhaltensumkehr( ich war der absolute intellektuelle Querkopf auf Station) und Organisation des Holunderbeerpflückens an einen echten Sinneswandel zu glauben. Aber es hat funktioniert. Und das aller kurioseste( ich war damals 26 und noch jung-leichtsinniger). Der scheidenden Stationstherapeutin( heute Psychiatriedirektorin im Süddeutschen) habe ich - da war ich noch Querkopf- mein Lügen und meine daraus vermutlich resultierende Entlassung in wenigen Jahren angekündigt in der letzten Therapiesitzung. In der Akten steht sinngemäß: Herr Stimmviech bemüht sich mit stark rationalisierenden Ideen um eine Bewältigung seiner Situation. Da s ist alles so absurd, daß ich Unglaube bei mittelschichtig sozialisierten Leuten verstehe. Die einzigen, die mich bisher verstanden haben, waren "' Halbkriminelle"( mit denen verkehre ich meistens) und " richtige " Kriminelle, auch aus anderen Ländern mit anderen Vollzugsdogmen.

sweeper

Du machst einen ganzen Haufen Fässer gleichzeitig auf... Ich hoffe, P.G. meldet sich noch selbst.
Da ich neugierig bin:
Stimmt denn die Fremdeinschätzung, wie du sie hier wiedergibst:
ZitatWenn ich nach 2,5 Jahren als einer der Gefährlichsten und therapeutisch Unzugänglichsten gelte...
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stimmviech

Gefährlich bin ich sicher für Leute,die meine geschützten Rechtsgüter nachhaltig massiv angreifen(Einschränkung meiner Freizügigkeit der Person und meiner körperlichen Unversehrheit). Therapeutisch bin ich bis heute völlig unzugänglich.