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Galileo Galilei – übereifrig, skrupellos, verwildert

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Begonnen von bayle, 04. Januar 2013, 23:27:26

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pelacani

Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
Die entsprechenden Versuche gab es durchaus, interpretationen der Bibel zu finden, nach denen es keinen Widerspruch zum kopernikanischen System gab. Dahinter stand dann die Auffassung, dass man Wissenschaft erst mal offen betreiben können muss und danach schaut, was das für den Glauben bedeutet, nicht umgekehrt.
Interessiert mich. Kannst Du da Näheres berichten über die zeitgenössischen Versuche, die Bibel zu retten?

Raumpilot

@Pelacini
ganz kurz:
vor Dienstag komm ich nicht dazu, da was dazu zu sagen.

Zur Frage im allerletzten Beitrag fällt mir als erstes natürlich auch Foscarini ein, den kennst Du aber schon selber.

pelacani

Zitat von: Raumpilot am 06. April 2014, 10:14:42
Foscarini
Aber Foscarini hatte sich schon mit dem Bellarmin-Brief erledigt, 1616 [edit: 1615]. Er war auf dem Index gelandet.

pelacani

Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
Kernthesen sind vielmehr, dass Galilei sich
1. denkbar ungeschickt verhalten und
...
Nur ein Dickschädel.
Badde - der nur ein Abstauber Zander-,,Interpretation", besser: -Denunziation ist – ist da noch etwas dezidierter:
Zitat
der schillernde Gelehrte
...
dessen [Kopernikus' – P] bizarren Schüler Galilei
Leider ist es ja bisher noch nicht dazu gekommen, dass dieses ,,ungeschickte" Verhalten hier näher beleuchtet wurde.

Da kommt uns der Dr. Dietmar Nix (ich sag gleich noch was zu ihm) gerade recht:
ZitatMit welch sinnloser Wut Galilei hier zu Werke ging, ist seinen Randnotizen in Grassis Buch zu entnehmen, das in Galileis Bibliothek hinterlassen wurde. Im Gegensatz zum Titel seines Antwortbuchs eigenen sich diese Anmerkungen kaum für eine "Goldwaage": ,,Ignorant, Pedant, böswilliger Tor, Riesendummkopf, größter aller Ochsen, Lügner, Betrüger." Auf Grassis Gegenschrift zu seiner Goldwaage reagierte Galilei mit weiteren Randnotizen in der entsprechenden Publikation: ,,Du Stück Esel, Büffel, gemeiner Faulenzer, Dummkopf, elender Fälscher, gemeiner Kerl, Lügner, dummes Vieh, vernagelter Kopf."
Hier handelt es sich um private Randglossen in einem Buch.
ZitatGalileis Goldwaage gilt als wissenschaftlich wertlos, Lob bis heute kommt stets nur aus weltanschaulicher Perspektive
- "a brilliant polemic on physical reality and an exposition of the new scientific method", sagt die bekanntermaßen linksradikale Encyclopaedia Britannica zum Saggiatore.

OT – Zu Dr. Dietmar Nix.
Anderswo äußert Nix die Ansicht, "dass die antike Leinwand im oberitalienischen Turin mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leichentuch des Jesus aus Nazareth ist". Nach Lektüre obiger Textstelle kann das nicht überraschen. Albert Einstein "bietet Gefasel" im Fall Galilei. Über Brecht weiß er, dass er "Flicken auf seine Kleidung" nähte, "um proletarische Gesinnung zu demonstrieren" (was schon deshalb nicht stimmen kann, weil Brecht höchstens hätte nähen lassen) und "nach dem gescheiterten Arbeiteraufstand die DDR kritisierte und in den Westen floh". Thomas Mann "verbreitete arrogante Verachtung über angebliche deutsche Charakterzüge, wobei er mehr verrät über seine Emigrantenverbitterung als über sein Urteilsvermögen." Ernst Jünger dagegen "beschreibt heroischen Realismus eines Geistesadels im Widerstand gegen den Verfall abendländischer Kulturwerte". Er kann auch noch deutlicher: Die Wannsee-Konferenz hatte nicht die Organisation der Vernichtung der Juden zum Inhalt, sondern deren Evakuierung, allenfalls Sterilisation. Noch Fragen?

Nachlesen kann man das nicht mehr, da war die NSA vor:
ZitatZugangssperren

Ist Ihr Leser-Zugang hier etwa gesperrt? Sind Sie neugierig, woran das liegt? Falls Sie nicht einen Virus gefangen haben, liegt es ansonsten daran, daß der amerikanische Nachrichtendienst NSA außer Spionage auch eine Branche "Operations" hat für die "Internet-Kampfführung". Sie bekämpft keineswegs Reklame-Belästigung und Sabotage, sondern organisiert selbst Angriffe, anscheinend zur Unterdrückung unerwünschter Meinungen - etwa Kritik an der NSA, wie hier....
http://histor.ws/seppdepp/004.htm
[Hervorhebung durch mich] Und, dreimal dürfen wir raten, wer wohl hinter der NSA steckt. Und auch, ob Nix, oder sein Gewährsmann, korrekt wiedergegeben/übersetzt haben, müsste erst noch herausgefunden werden.
/OT

F. A. Mesmer

insgesamt scheint es mir doch sehr müssig, ich kann gar nicht beschreiben wie sehr, über den charakter von leuten zu spekulieren diskutieren, die erstens schon sehr sehr... sehr lange tot sind und zweitens, bei denen ihr charakter herzlich wenig mit ihrem werk zu tun hat - wir reden ja nicht über Goethe oder Wallenstein - oder übersehe ich hier etwas wesentliches Pelacani?

pelacani

Geschichte ist eben nie zu Ende, sondern immer virulent. Wenn in der Hauptsache die Argumente fehlen, eröffnet man Nebenkriegsschauplätze. Auch die "katholische" (besser vielleicht: konservativ/reaktionäre) Sicht auf die Causa Galilei hat sich über die Jahrhunderte entwickelt verästelt.

F. A. Mesmer

ich meinte, seine mathematischen, naturwissenschaftlichen, etc. arbeiten sind ja wohl unabhängig von der kenntnis oder bewertung seines charakters erkennbar, nachvollziehbar und verstehbar. sein charakter ist, so würde ich meinen, für die einordnung seines werkes irrelevant.

bei Goethe würde ich das nicht sagen, ebensowenig bei Freud. Und auch das tun diverser historischer gestalten von Wallenstein bis Metternich ist doch erheblich verständlicher, wenn man eben die person hinzunimmt...

pelacani

Zitat von: F. A. Mesmer am 08. April 2014, 20:32:21
ich meinte, seine mathematischen, naturwissenschaftlichen, etc. arbeiten sind ja wohl unabhängig von der kenntnis oder bewertung seines charakters erkennbar, nachvollziehbar und verstehbar. sein charakter ist, so würde ich meinen, für die einordnung seines werkes irrelevant.
Klar.

pelacani

Nachtrag. Falls wer nicht genug von dem Dr. Nix hat, hier:
http://histor.ws/galilei/12.php
Es ist der NSA/den ... nicht gelungen, diesen Freiheitskämpfer völlig zum Schweigen zu bringen.

Typee

Zitat von: Pelacani am 08. April 2014, 20:49:16
Zitat von: F. A. Mesmer am 08. April 2014, 20:32:21
ich meinte, seine mathematischen, naturwissenschaftlichen, etc. arbeiten sind ja wohl unabhängig von der kenntnis oder bewertung seines charakters erkennbar, nachvollziehbar und verstehbar. sein charakter ist, so würde ich meinen, für die einordnung seines werkes irrelevant.
Klar.

Wenn wir über unangenehme Charaktere in der Wissenschaftsgeschichte sprechen wollen, schlage ich einen Newton-Thread vor. Der wird vermutlich ergiebiger.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

P.G.

[url="http://www.alltrials.net/"]http://www.alltrials.net/[/url]

F. A. Mesmer

Zitat von: Typee am 09. April 2014, 07:23:23
Zitat von: Pelacani am 08. April 2014, 20:49:16
Zitat von: F. A. Mesmer am 08. April 2014, 20:32:21
ich meinte, seine mathematischen, naturwissenschaftlichen, etc. arbeiten sind ja wohl unabhängig von der kenntnis oder bewertung seines charakters erkennbar, nachvollziehbar und verstehbar. sein charakter ist, so würde ich meinen, für die einordnung seines werkes irrelevant.
Klar.

Wenn wir über unangenehme Charaktere in der Wissenschaftsgeschichte sprechen wollen, schlage ich einen Newton-Thread vor. Der wird vermutlich ergiebiger.
so ungefähr das meinte ich. für die einordnung seiner arbeit ergebnisse und evtl den nachvollzug seines weges dahin ist es ziemlich egal, welcher naturwissenschaftler charakterlich ne kackbratze, als nachbar eine zumutung, als beziehungspartner eine heimsuchung und ansonsten antisemit, freimaurer, illuminat, psychopat, machtmensch, pamphletist, ketzer, häretiker, raffhals, duellant & mörder, ja sogar alchimist war. (damit sage ich nicht, dass newton dieses ALLES war, einiges freilich schon)
wollte man so einen naturwissenschaftler als politiker/wissenschaftsunternehmer usw. verstehen, wäre es hingegen erhellend seinem lebensweg und seine neigungen zur kenntnis zu nehmen.



pelacani

Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
Die entsprechenden Versuche gab es durchaus, interpretationen der Bibel zu finden, nach denen es keinen Widerspruch zum kopernikanischen System gab. Dahinter stand dann die Auffassung, dass man Wissenschaft erst mal offen betreiben können muss und danach schaut, was das für den Glauben bedeutet, nicht umgekehrt.
Auch wenn das niemand in der Deutlichkeit gesagt hat.  ;)
Auch das ist gefühlt, nicht gewusst; und eigentlich ist es im Speziellen falsch. In Wirklichkeit war es mit allen Versuchen, die Bibel in Übereinstimmung mit der Wissenschaft zu bringen, infolge des Urteils gegen Galilei für die nächsten hundert Jahre vorbei.

Es war eher umgekehrt. Descartes gewöhnte sich die unbefangene Wissenschaft ab und entwickelte eine Metaphysik, um nicht mit der Kirche in Konflikt zu geraten:
ZitatFinally, Descartes's suppression of The World [ein erst posthum veröffentlichtes Werk von ihm - P.], his relativistic obfuscation of the earth's motion, and his lip service to hypothesis were perhaps only his most visible and tangible reactions to Galileo's condemnation. At a deeper, if more controversial, level, it may be argued that the most substantial response was a creative reorientation of Descartes's thought that forced him to attempt to provide a metaphysical justification of the new heliocentric, geokinetic world System: until then, he had focused on mathematics and natural philosophy and had arrived at almost all of his major scientific discoveries; afterward, he focused on first philosophy in order to justify them by embedding them in a metaphysics that providecl a viable alternative to the traditional scholastic approach.
[Finocchiaro MA: Retrying Galilei 1633-1992, S. 51]