Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Galileo Galilei – übereifrig, skrupellos, verwildert

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von bayle, 04. Januar 2013, 23:27:26

« vorheriges - nächstes »

The Doctrix

Zitat von: sweeper am 12. Februar 2013, 08:40:04
Zitat von: bayle am 12. Februar 2013, 07:27:00
Ich korrigiere mich wie folgt: ich bin zutiefst gerührt.

Die angemessene Form der Korrektur hätte lauten müssen: "geschüttelt".

Ach, bayle heisst mit Nachnamen "Martini"?
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

bayle

Nein, Bond. Shaken, not stirred.  Aber "Mit Erschütterung nehmen wir zur Kenntnis ..." klingt auch nicht ergriffener ;).

The Doctrix

Aber "Schüttelfrost" klingt als Symptomenbeschreibung immer noch eindringlicher als "Rührfrost".
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

sweeper

Einigen wir uns - meiner Herkunft gemäß - auf die asiatische Velsion mit leicht undulielelndem Zungenschlag:

bayle ist lelativ ungelühlt und immel noch unelschüttelt.
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

The Doctrix

Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

pelacani

Badde und Zander sind Untote. Sie werden weiter ernstgenommen:
http://www.scilogs.de/relativ-einfach/zu-galileis-450ten-kontrovers-wie-eh-und-je/

Aber verglichen mit dem, was möglich ist, sind sie immer noch die fleischgewordene Kritikfähigkeit:
http://de.richarddawkins.net/foundation_articles/2014/2/15/mario-gruber-galileo-hatte-unrecht-das-geozentrische-weltbild-auf-dem-vormarsch#


Besonders pikant an dem Bild: der abgebildete Papst ist Pius V, der a) mit Galilei nichts zu tun hatte und b) einer der schlimmsten Inquisitoren der - an solch düsteren Leuchten der abendländischen Kultur nicht armen - katholischen Kirche war. "Sein blutrünstiger Eifer machte ihn zum Heiligen", sagt Stendhal.

sweeper

Ich frage mich ja immer, was solche Menschen antreibt, v.a. wenn Naturwissenschaftler dabei federführen sind - wie etwa dieser Physiker:
http://galileowaswrong.blogspot.co.uk/p/authors.html
ZitatRobert J. Bennett, Ph.D., holds a doctorate in Physics from Stevens Institute of Technology, with a thesis on rigid body motion in General Relativity. He has been a software architecture consultant to Bell Labs and Fortune 500 firms, after teaching physics at Manhattan College and Bergen Community College. Research now is in progress on several books. Dr. Bennett has written Chapter 10, a detailed, technical and mathematical explanation of the various arguments for Geocentrism. He has served as a consultant for the entire Galileo Was Wrong: The Church Was Right project
Hier bloggt er:

http://alfachallenge.blogspot.de/

Warum sollte man ausgerechnet im UK in eine geozentristische Denkweise zurückfallen, die von einem berühmten christlichen Denker, Scholar und Autor in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in dessen sci-fi Kosmologie überwunden wurde:

http://bigfattoothbrush.com/2013/08/the-cosmic-trilogy-c-s-lewis/

http://en.wikipedia.org/wiki/The_Space_Trilogy

http://en.wikipedia.org/wiki/C._S._Lewis
With magic, you start with a frog and end up with a prince.
With science, you start with a frog, get a PhD and are still left with the frog you started with...


Terry Pratchett

pelacani

Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
Zitat"Der Narr will die Astronomie umkehren"

Davon wollte der schillernde Gelehrte nichts wissen. Es war ihm auch egal, was die Bibel dazu sagte und welche Wirkung seine umstürzende Entdeckung auf die einfachen Leute haben mochte. Luther und Calvin hatten sich schon über die Anmaßung des Kopernikus empört, der vor Galilei ähnlichen Unfug behauptet hatte. "Der Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren", hatte etwa Doktor Luther über den Ermländer Astronomen geurteilt.
Ja, Himmelsakra, die Bibel war ihm egal?
Hier scheint mir noch eine Verschärfung nötig. Natürlich war Galilei die Bibel mitnichten egal, das ist eine krasse Falschaussage. Er war ein Kind des 16. Jhd., da gab es schlicht keinen auch nur halbwegs Gebildeten, dem die Bibel ,,egal" hätte gewesen sein können. Im Gegenteil, er hatte sich sehr lange und sehr ausführlich Gedanken gemacht, wie denn das kopernikanische System mit der Bibel zu vereinbaren wäre (Brief an die Großherzogin-Mutter, 1615, Volltext hier). Sein Tenor war in etwa: ,,Nicht gegen die Bibel, sondern gegen die Art ihrer Auslegung", oder ,,Die Bibel kann nicht irren - sie muss aber auch von den Dummen verstanden werden". Er bildete sich ein, damit den Theologen eine goldene Brücke gebaut zu haben, aber damit hatte er schlicht seine Kompetenzen überschritten. Für die Auslegung der Bibel war er als Physiker schlicht nicht zuständig, das konnte nur als maßlose Überheblichkeit, fast als Insubordination, verstanden werden.

Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
Zitat... bis zu dem agnostisch skeptischen Paul Feyerabend, der 1976 in seiner Streitschrift "Wider den Methodenzwang" festhielt: "Die Kirche zur Zeit Galileis hielt sich viel enger an die Vernunft als Galilei selber, und sie zog auch die ethischen und sozialen Folgen der Galileischen Lehren in Betracht. Ihr Urteil gegen Galilei war rational und gerecht, und seine Revision lässt sich nur politisch-opportunistisch rechtfertigen."
Feyerabend ist in der Tat kurios.
Auch hier ist noch ein bisschen mehr Detail möglich. Wenn man das Kapitel von Feyerabend liest, fragt man sich hinterher unwillkürlich, ob sich denn nun die Erde um die Sonne dreht. Er sagt:
ZitatGalilei und Kopernikus hatten höchstens Plausibilitätsargumente. Plausibilitätsargumente aber waren für die Kirche nicht stark genug, um das Leben, den Glauben, die Sicherheit des »ungebildeten Pöbels« zu erschüttern.
M. a. W., der Kirchen ehrwürdiger Nacht sollte erhalten bleiben. Auch meint er, Bellarmin hätte durch Sachargumente überzeugt werden können, aber welches Sachargument hätte wohl diesen Trumpf Bellarmins (Brief an Foscarini) gestochen:
ZitatUnd ich füge hinzu, dass derjenige, der schrieb "Die Sonne stieg auf, und versank, und eilte zu dem Ort, an dem sie aufging", Salomo war, der nicht nur von Gott inspiriert, sondern auch der in den menschlichen Wissenschaften und im Wissen von der Schöpfung weiseste und gelehrteste Mensch war; er hatte all seine Weisheit von Gott empfangen, und es ist nicht wahrscheinlich, dass er irgendetwas behauptet hat, das gegen eine bereits bewiesene oder des Beweises fähige Wahrheit ist ...
? "Es gibt keinen Beweis, und es wird keinen geben — das war der Kern der Antwort, die der Kardinal den Anhängern des Copernicus erteilte", sagt Wohlwill.


 

Raumpilot

Nun ja-
Bei Galileo Galileis Prozess befinden wir uns im Jahr 1632 undd nicht mehr im Mittelalter.
Die Renaissance war schon vorbei, Michelangelo und Leonardo da Vinci schon lange tot, auch die Medici-Päpste, und Papst Urban war in dem Sinne als Förderer von Kunst und Wissenschaft (jawohl!) durchaus in deren Tradition.
Grade der Papst hat sehr mit Galileo und dem kopernikanischen System sympathisiert und Galileo dazu ermutigt, seine Arbeit dazu zu publizieren.

Lass uns da mal sachlich bleiben und nicht von "Die Kirche" gegen Galilei sprechen.
Galilei ist da durchaus in ein innerkirchliches Machtspiel hineingeraten - und hat sich dabei
1. denkbar ungeschickt verhalten und
2. nicht wirklich wissenschaftlich sauber argumentiert.

Papst Urban war wirklich an wissenschaftlichkeit interessiert - seine Gegenspieler waren die Inquisition, der ging es nicht um Wissenschaft, sondern um politische Macht.
Dem Papst natürlich auch ein bisschen.

Der Anspruch, das kopernikanische System nicht als "Wahrheit" sondern als hypothese darzustellen, hat schon seine Berechtigung.

Galileos Beobachtungen liefern Hinweise auf das Kopernikanische System, und sie sind geeignet, das Ptolemäische System zu kippen.
Aber das reicht nicht.
Als stärkstes Argument sieht Galileo seine Begründung von Ebbe und Flut, die er mit der umdrehung um die Sonne begründen will.
Damit liegt er aber falsch.
Das ptolemäische System ist nicht besonders zuverlässig in der Vorausberechnung der Planetenpositionen - das von Galilei favorisierte kopernikanische ist aber auch nicht sonderlich gut. Weil es immer noch an Kreisbahnen festhält. Es ist ebenfalls sehr ungenau. Ein bisschen besser. Durchaus nicht überzeugend.
Erst Kepler kann das deutlich besser mit seinen Elipsenbahnen.

Wissenschaftlich unsauber ist aber, dass er in seiner Veröffentlichung einfach nur das ptolemäische System gegen das koperinkanische antreten lässt.

Von einigen Jesuiten und Leuten aus der Inquisition wurde aber nicht unbedingt das ptolemäische System favorisiert, sondern das von Tycho Brahe: Die Erde im Mittelpunkt, Sonne dreht sich um die Erde, aber die Planeten umkreisen die Sonne.
Das lässt sich mathematisch äquivalent berechnen wie das kopernikanische System und liefert genau so gute Ergebnisse. Hat auch keine Schwierigkeiten mit den Venusphasen und den Jupitermonden.

Dass Galileo das Brahe-Modell schlicht unterschlägt ist wissenschaftlich unsauber.
Und Galileos Veröffentlichung ist ein politikum, da er sie nicht, wie für wissenschaftliche Veröffentlichungen üblich, in Latein publiziert, sondern in gewöhnlichem italienisch, so dass jeder Lesekundige es auch lesen kann.
Und da wir eben mittlerweile im frühen Barock sind, ist das lesen können wieder etwas ziemlich normales.

Klar ist das kopernikanische System "eleganter".
Aber das ist als Argument - grade in damaliger Zeit - nicht wirklich stichhaltiger als dass das Brahe-Modell sich besser mit der Bibel in Übereinstimmung bringen lässt.

Es geht um Politik und um Deutungshoheit. Dass man damals nicht zimperlich mit "Bauernopfern" war ist auch kein Alleinstellungsmerkmal der Inquisition.
Wir befinden uns übrigens in der Hochphase genau der Hexenverfolgungen und Hexenverbrennungen, die genau nicht von der Inquisition betrieben wurden, sondern von der Kirche eher gegen Hexenwahn argumentiert wurde.

Tschuldigung, aber gelegentlich ist mir das allgegenwärtige Kirchen-bashing auch hier schlicht zu platt.

P.S.
Zitat
ZitatIm November 2008 distanzierte sich der Vatikan erneut von der Verurteilung durch die päpstliche Inquisition durch die Veröffentlichung einer historisch-kritischen Ausgabe der Prozessakten. Betreut hat das 550 Seiten starke Werk mit vielen neuen Dokumenten Bischof Sergio Pagano, der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs. Urban VIII. habe das Urteil gegen Galilei ja gar nicht unterzeichnet, hieß es da, außerdem hätten Papst und Kurie nicht geschlossen hinter der Inquisition gestanden.
Wie, das Urteil war also gar nicht rechtsgültig? Nochmal, warum dann überhaupt die Rehabilitation?
Wieso soll ein Urteil nur gültig sein, wenn es vom Papst unterzeichnet wird?
Glaubst Du, der Papst muss jedes Urteil der Inquisition unterzeichnen?
Speziell DIESES Urteil hat der Papst nicht unterzeichnet, weil es ihm nicht gepasst hat. Galilei war eigentlich sein Schützling gewesen, hat sich aber zu ungeschickt angestellt, so dass auch er nicht genug entgegenzusetzen hatte.
Zitat
Zitatauch wenn die Inquisition auf die Bitte Papst Benedikt XIV. im Jahr 1741 den Druck der Gesamtausgabe seiner Werke ohne Abstriche gestattete.

Die Inquisition gewährt auf Bitte des Papstes? - Köstlich. Dabei bräuchte er nicht mal mit dem Fuß aufzustampfen, sondern nur in die Hände zu klatschen. Schon mal was von Unfehlbarkeit gehört?
Ja, genau so.
Auch innerhalb der Kirche gibt es Machtkämpfe, damals genauso wie heute.
Mit dem Argument der Unfehlbarkeit blamierst Du dich jetzt ein bisschen, denn die gibt's erst seit 1870. Führte damals zur Abspaltung der Altkatholiken, die diesen eitlen Humbug nicht mittragen wollten.
Aber auch die Unfehlbarkeit würden einem Papst in einem innerkirchlichen Machtkampf nicht beliebig alle Entscheidungen ermöglichen.

pelacani

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Wir befinden uns übrigens in der Hochphase genau der Hexenverfolgungen und Hexenverbrennungen, die genau nicht von der Inquisition betrieben wurden, sondern von der Kirche eher gegen Hexenwahn argumentiert wurde.
Du reduzierst ,,die Kirche" auf ,,die Katholische Kirche" und benutzt diese Reduktion, um ein tu-quoque-Argument einzuführen. Die katholische Kirche musste nicht auf die Hexen zurückgreifen, denn sie hatte ja die Ketzer. Im Übrigen war einer der führenden Hexentheoretiker, Delrio, ein Jesuit.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Zitat
ZitatIm November 2008 distanzierte sich der Vatikan erneut von der Verurteilung durch die päpstliche Inquisition durch die Veröffentlichung einer historisch-kritischen Ausgabe der Prozessakten. Betreut hat das 550 Seiten starke Werk mit vielen neuen Dokumenten Bischof Sergio Pagano, der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs. Urban VIII. habe das Urteil gegen Galilei ja gar nicht unterzeichnet, hieß es da, außerdem hätten Papst und Kurie nicht geschlossen hinter der Inquisition gestanden.
Wie, das Urteil war also gar nicht rechtsgültig? Nochmal, warum dann überhaupt die Rehabilitation?
Wieso soll ein Urteil nur gültig sein, wenn es vom Papst unterzeichnet wird?
Glaubst Du, der Papst muss jedes Urteil der Inquisition unterzeichnen?
Das solltest Du Paul Badde oder Sergio Pagano fragen und nicht den Foristen, den Du zu kritisieren scheinst.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Mit dem Argument der Unfehlbarkeit blamierst Du dich jetzt ein bisschen, denn die gibt's erst seit 1870.
Meinst Du? Dann lies einfach noch den nächsten Satz:
Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
Aber Moment mal, Badde hat recht, und Benedikt XIV war weder so vernagelt noch so unfehlbar wie sein Namensvetter.
Was könnte da wohl gemeint sein?

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Auch innerhalb der Kirche gibt es Machtkämpfe, damals genauso wie heute.
Wer wollte da widersprechen. Aber werd' mal ein bisschen konkreter. In welches ,,innerkirchliche Machtspiel" ist Galilei  da hineingeraten? Die Freunde Galileis waren 1633 mucksmäuschenstill – etwas anderes wäre ihnen auch nicht übrig geblieben. Es ist unglaubwürdig/absurd/lächerlich [zutreffendes unterstreichen], für 1633 einen ,,Machtkampf" zwischen Urban VIII und der Inquisition unterstellen zu wollen. Die Jesuiten hatten ihm durchgestochen, dass er mit dem ,,Simplicio" der Dialogi gemeint wäre, und er war wütend. Er war die treibende Kraft hinter dem Prozess, und eine Handbewegung von ihm hätte diesen beendet. Dieser Förderer der Wissenschaft hatte so wenig Durchblick, dass er nicht bemerkt hat, wie er von den Jesuiten (Scheiner) instrumentalisiert worden ist?

Was das Verhältnis von Kardinal Maffeo Barberini zu Galilei angeht, da scheint mir die Darstellung von Brecht (Leben des Galilei, 7. Szene) einigermaßen treffend.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Galileos Beobachtungen liefern Hinweise auf das Kopernikanische System, und sie sind geeignet, das Ptolemäische System zu kippen.
Aber das reicht nicht.
Als stärkstes Argument sieht Galileo seine Begründung von Ebbe und Flut, die er mit der umdrehung um die Sonne begründen will.
Damit liegt er aber falsch. ... Dass Galileo das Brahe-Modell schlicht unterschlägt ist wissenschaftlich unsauber.
Galileis Argumente waren Ebbe und Flut, die Jupitermonde, die Phasen der Venus, die Berge und Meere des Mondes, die Sonnenflecken und u. v. a. Sie widersprachen dem aristotelischen/ptolemäischen Weltbild.
Nur – das alles spielte im Prozess überhaupt keine Rolle. Es war nicht Gegenstand des Prozesses, die wissenschaftlichen Argumente zu prüfen.

Der endgültige Beweis für die Bewegung der Erde um die Sonne war die Entdeckung der Aberration des Lichts durch Bradley, 1729. Die Indizierung der Dialogi wurde 1757 noch einmal ausdrücklich bekräftigt.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Und Galileos Veröffentlichung ist ein politikum, da er sie nicht, wie für wissenschaftliche Veröffentlichungen üblich, in Latein publiziert, sondern in gewöhnlichem italienisch, so dass jeder Lesekundige es auch lesen kann.
Galilei war alles andere als ein Aufrührer, ihm war durchaus an Einvernehmen mit der Obrigkeit gelegen, und er war mitnichten darauf erpicht, sich als Märtyrer aufzubauen. Schließlich hatte er das nihil obstat des Zensors. Wenn es ihm wirklich um Krawall gegangen wäre, dann hätte er seine Schrift anonym im Ausland publiziert. Er war durchaus nicht immer die Sachlichkeit in Person. Aber der Clash war unvermeidlich, nicht weil er ein Stiesel, sondern weil er ein Wissenschaftler war.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Lass uns da mal sachlich bleiben und nicht von "Die Kirche" gegen Galilei sprechen.
...
Tschuldigung, aber gelegentlich ist mir das allgegenwärtige Kirchen-bashing auch hier schlicht zu platt.
Tschuldigung, aber diese globale Apologie ist mir zu simpel.

Raumpilot

Zitat von: Pelacani am 04. April 2014, 06:54:58
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Wir befinden uns übrigens in der Hochphase genau der Hexenverfolgungen und Hexenverbrennungen, die genau nicht von der Inquisition betrieben wurden, sondern von der Kirche eher gegen Hexenwahn argumentiert wurde.
Du reduzierst ,,die Kirche" auf ,,die Katholische Kirche" und benutzt diese Reduktion, um ein tu-quoque-Argument einzuführen. Die katholische Kirche musste nicht auf die Hexen zurückgreifen, denn sie hatte ja die Ketzer. Im Übrigen war einer der führenden Hexentheoretiker, Delrio, ein Jesuit.
Okay - schaun mer mal.
Die Bemerkung mit den Hexenverfolgungen war irgendwie überflüssig, was das Hauptthema betrifft.
"Die Kirche" ist in Italien natürlich die kath. Kirche. Ansonsten: Luther war ein Verfechter von Hexenverfolgungen. Was die "kirchlich-institutionelle" Seite betrifft, waren die katholischen und die evangelischen gleich fleißig.
Es geht mir mit dem Satz nicht um "tu quoque", also darum, die Kirche zu verteidigen, weil andere das auch tun. Es geht darum, dass beim Thema Hewenverfolgung reflexhaft auf die Kirche gezeigt wird - und zwar ausschließlich auf die Kirche. Das wird der Sache nicht gerecht. Wie Du selbst sagst: Die Inquisition befasste sich nur am Rande mit Hexenverfolgung, nur bei einem kleinen Bruchteil an Hexenprozessen war die Inquisition überhaupt beteiligt. Die Inquisition ist vor allem gegen Ketzer und Häretiker vorgegangen. Was natürlich nix daran besser macht.

grins - du wirfst mir tu quoque vor und argumentierst dann mit einem Beispiel. Das ist ja schon fast ein Pappkamerad.  Ja, natürlich gab es viele "Hexentheoretiker" in der Kirche.  Aber eben auch außerhalb. Das war keinn besonders "kirchliches" Phänomen.
Als bedeutsame Hexentheoretiker kann ich auch anführen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Adolf_Scribonius , Philosoph und Mediziner. Kein theologe.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Goclenius_der_%C3%84ltere , Professor für Philosophie, Logik, Metaphysik und Ethik
https://de.wikipedia.org/wiki/Nicolas_R%C3%A9my , heroglich-lothringischer Geheimrat, Richter, (soll 800 bis 900 Hinrichtungen wg Hexerei veranlassst haben)
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Schulthei%C3%9F , Hexenkomissar im Herzogtum Westfalen
https://de.wikipedia.org/wiki/Benedikt_Carpzov_der_J%C3%BCngere , Strafrechtler, gilt als einer der Begründer der deutschen Rechtswissenschaft
https://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Bodin , in vielem humanistisch ausgerichtet, Staatstheoretiker, erklärt erstmals das Phänomen der Inflation - und Hexentheoretiker, Richter.

Zitat
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Zitat
ZitatIm November 2008 distanzierte sich der Vatikan erneut von der Verurteilung durch die päpstliche Inquisition durch die Veröffentlichung einer historisch-kritischen Ausgabe der Prozessakten. Betreut hat das 550 Seiten starke Werk mit vielen neuen Dokumenten Bischof Sergio Pagano, der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs. Urban VIII. habe das Urteil gegen Galilei ja gar nicht unterzeichnet, hieß es da, außerdem hätten Papst und Kurie nicht geschlossen hinter der Inquisition gestanden.
Wie, das Urteil war also gar nicht rechtsgültig? Nochmal, warum dann überhaupt die Rehabilitation?
Wieso soll ein Urteil nur gültig sein, wenn es vom Papst unterzeichnet wird?
Glaubst Du, der Papst muss jedes Urteil der Inquisition unterzeichnen?
Das solltest Du Paul Badde oder Sergio Pagano fragen und nicht den Foristen, den Du zu kritisieren scheinst.
Erst mal kritisiere ich nicht bayle, sondern bestenfalls seinen Argumentationsstil in genau dieser Sache. Du scheinst damit automatisch zu verbinden, dass ich pro Paul Badde oder Sergio Pagano argumentiere. Das tue ich aber nicht. Der Artikel löst bei mir auch Kopfkratzen aus, und stellenweise frag ich mich, was er denn nu sagen will. Genau hier aber setze ich setze mich mit bayle auseinander und seiner Argumentation.
Er hat mit einer rhetorischen Frage operiert, die ich mit einer rhethorischen Frage gekontert habe. Aber wen Du die Antwort haben willst: Die Unterschrift des Papstes ist sicher nicht notwendig, damit ein urteil der Inquisition rechtsgültig ist. Die Feststellung, dass der Papst dieses Urteil nicht unterzeichnet hat, ist somit erst mal nur die Feststellung, dass der Papst es nicht unterzeichnet hat. Und hat mit der Rechtsgültigkeit nichts zu tun.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Mit dem Argument der Unfehlbarkeit blamierst Du dich jetzt ein bisschen, denn die gibt's erst seit 1870.
Meinst Du? Dann lies einfach noch den nächsten Satz:
Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
Aber Moment mal, Badde hat recht, und Benedikt XIV war weder so vernagelt noch so unfehlbar wie sein Namensvetter.
Was könnte da wohl gemeint sein?
[/quote]<polemik> das solltest du bayle fragen und nicht den mich, den Du zu kritisieren scheinst.</polemik>  ;) sorry, couldn't resist
Beimnochmal lesen fällt mir die Mehrdeutigkeit auf - bin aber auch nicht sicher, ob bayle das so meint.
Auf jeden Fall: Dass so ein Papst bloß in die Hände klatschen muss und dann die Inquisition stramm bei Fuß macht was er sagt, das ist - mit verlaub - auch eine lächerliche Vorstellung.

----

Ahh - schade - die Diskussion verspricht eine gewisse Spannung...  8)
Aber ich muss hier erst mal Schluss machen.
Mal schauen, ob ich morgen nochmal dazu komm weiter zu schreiben.

Aber : hey, ich behaupte auch nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. In einer sachlichen Diskussion lass ich mich auch überzeugen, wo ich nicht recht habe. Wär aber nett, wenn das mir gegenüber auch so gehandhabt wird, gell.  8)
Zitat
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Auch innerhalb der Kirche gibt es Machtkämpfe, damals genauso wie heute.
Wer wollte da widersprechen. Aber werd' mal ein bisschen konkreter. In welches ,,innerkirchliche Machtspiel" ist Galilei  da hineingeraten? Die Freunde Galileis waren 1633 mucksmäuschenstill – etwas anderes wäre ihnen auch nicht übrig geblieben. Es ist unglaubwürdig/absurd/lächerlich [zutreffendes unterstreichen], für 1633 einen ,,Machtkampf" zwischen Urban VIII und der Inquisition unterstellen zu wollen. Die Jesuiten hatten ihm durchgestochen, dass er mit dem ,,Simplicio" der Dialogi gemeint wäre, und er war wütend. Er war die treibende Kraft hinter dem Prozess, und eine Handbewegung von ihm hätte diesen beendet. Dieser Förderer der Wissenschaft hatte so wenig Durchblick, dass er nicht bemerkt hat, wie er von den Jesuiten (Scheiner) instrumentalisiert worden ist?

Was das Verhältnis von Kardinal Maffeo Barberini zu Galilei angeht, da scheint mir die Darstellung von Brecht (Leben des Galilei, 7. Szene) einigermaßen treffend.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Galileos Beobachtungen liefern Hinweise auf das Kopernikanische System, und sie sind geeignet, das Ptolemäische System zu kippen.
Aber das reicht nicht.
Als stärkstes Argument sieht Galileo seine Begründung von Ebbe und Flut, die er mit der umdrehung um die Sonne begründen will.
Damit liegt er aber falsch. ... Dass Galileo das Brahe-Modell schlicht unterschlägt ist wissenschaftlich unsauber.
Galileis Argumente waren Ebbe und Flut, die Jupitermonde, die Phasen der Venus, die Berge und Meere des Mondes, die Sonnenflecken und u. v. a. Sie widersprachen dem aristotelischen/ptolemäischen Weltbild.
Nur – das alles spielte im Prozess überhaupt keine Rolle. Es war nicht Gegenstand des Prozesses, die wissenschaftlichen Argumente zu prüfen.

Der endgültige Beweis für die Bewegung der Erde um die Sonne war die Entdeckung der Aberration des Lichts durch Bradley, 1729. Die Indizierung der Dialogi wurde 1757 noch einmal ausdrücklich bekräftigt.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Und Galileos Veröffentlichung ist ein politikum, da er sie nicht, wie für wissenschaftliche Veröffentlichungen üblich, in Latein publiziert, sondern in gewöhnlichem italienisch, so dass jeder Lesekundige es auch lesen kann.
Galilei war alles andere als ein Aufrührer, ihm war durchaus an Einvernehmen mit der Obrigkeit gelegen, und er war mitnichten darauf erpicht, sich als Märtyrer aufzubauen. Schließlich hatte er das nihil obstat des Zensors. Wenn es ihm wirklich um Krawall gegangen wäre, dann hätte er seine Schrift anonym im Ausland publiziert. Er war durchaus nicht immer die Sachlichkeit in Person. Aber der Clash war unvermeidlich, nicht weil er ein Stiesel, sondern weil er ein Wissenschaftler war.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Lass uns da mal sachlich bleiben und nicht von "Die Kirche" gegen Galilei sprechen.
...
Tschuldigung, aber gelegentlich ist mir das allgegenwärtige Kirchen-bashing auch hier schlicht zu platt.
Tschuldigung, aber diese globale Apologie ist mir zu simpel.

F. A. Mesmer

Zu Gallileo kann ich nichts sagen, finde die Erklärung von Raumpilot aber plausibel - für "richtig/falsch" fehlt mir Kenntnis der Materie.

zur hexenverfolgung:
die argumentation von Raumpilot ist da etwas grob.

richtig ist:

  • hexenhammer wurde von kath. geistlichen verfasst
  • inquisition - eigentlich eine spanische erfindung zur säuberung iberiens von andersgläubigen - von der kath. kirche organisiert und betrieben (übrigens ist es jesuiten verboten daran mitzuwirken. dominikaner und franziskaner haben sich hier besonders hervorgetan)
  • das inquisitorische verfahren war, juristisch betrachtet, ein fortschritt - konkrete ermittlung des sachverhalts erwünscht und freisprüche möglich. Anklage, Verteidigung, Prozessverlauf und Urteil lagen beim Klerus, Vollstreckung bei den Weltlichen. keine vollstreckung bei schwangeren.
  • wo die inquisition tatsächlich ermittelte, gab es etwa 1/3 freisprüche, südlich der alpen übrigens 3/5 bewährungs-, geld-, sonstige nicht letalen strafen.  1/5 bis 1/3 der hexen waren männer. selbstverständlich bleibt jede hingerichtete hexe ein justizmord, gesamtzahl der todesopfer nach historikerschätzungen, zwischen 100.000 und 180.000 im gesamten zeitraum des hexenwahns. jedenfalls deutlich unter 200.000 justizopfern. die genaue zahl wird es wohl nicht so schnell geben, da jedes popelarchiv ausgewertet werden muss, so es das noch gibt... keine verharmlosung beabsichtigt.
  • die römische kurie war über die ungleichverteilung der "hexen" in europa irritiert und äußerte kritik an den abnormen hexenfundfähigkeiten nördlich der alpen - man sah genau, dass hier übertrieben wurde, wer will darf von deutscher gründlichkeit schwadronieren
  • die masse der "hexenverfahren" nördlich der alpen waren keine inquisitorischen verfahren, sondern lynchjustiz.
  • übrigens war (in der frühen neuzeit) der hexenwahn auch nördlich der alpen nicht überall gleich, erstrecht nicht die ganze zeit über
für mehr infos gabs früher den "Server Frühe Neuzeit": http://www.sfn.uni-muenchen.de/
aber der link ist tot oder aktuell kaputt, keine ahnung.

ich schlage vor, die hexendiskussion hier zu auszusetzen, das thema ist auch ohne anspruchsvoll genug.

pelacani

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 21:45:32
Die Bemerkung mit den Hexenverfolgungen war irgendwie überflüssig, was das Hauptthema betrifft.
Natürlich. Aber: war das jetzt Kritik oder Selbstkritik? Da du selbst zuerst auf dieses Thema verwiesen hast, scheint letzteres der Fall, doch Dein langer Rattenschwanz dazu, der noch weiter OT führt, scheint für ersteres zu sprechen. Ich wäre bereit, auch darüber zu diskutieren, aber dann in einem anderen Faden.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 21:45:32
Erst mal kritisiere ich nicht bayle, sondern bestenfalls seinen Argumentationsstil in genau dieser Sache.
Und diese Kritik besteht in der Methode des gezielten Missverständnisses. Denn:
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 21:45:32
Aber wen Du die Antwort haben willst: Die Unterschrift des Papstes ist sicher nicht notwendig, damit ein urteil der Inquisition rechtsgültig ist. Die Feststellung, dass der Papst dieses Urteil nicht unterzeichnet hat, ist somit erst mal nur die Feststellung, dass der Papst es nicht unterzeichnet hat. Und hat mit der Rechtsgültigkeit nichts zu tun.
Wo wäre da der Dissens? Es ist die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat. Außer Pagano und seine Nachbeter, vgl Thomas Mayer, http://hnn.us/article/96326.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Du scheinst damit automatisch zu verbinden, dass ich pro Paul Badde oder Sergio Pagano argumentiere. Das tue ich aber nicht.
Du hast ein Fazit gezogen, was genau im Sinne Baddes ist:
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
nicht von "Die Kirche" gegen Galilei sprechen
Verstehe ich Dich recht, Du verabschiedest Dich von diesem Satz?

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 21:45:32
Zitat von: Pelacani am 04. April 2014, 06:54:58
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
Mit dem Argument der Unfehlbarkeit blamierst Du dich jetzt ein bisschen, denn die gibt's erst seit 1870.
Meinst Du? Dann lies einfach noch den nächsten Satz:
Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
Aber Moment mal, Badde hat recht, und Benedikt XIV war weder so vernagelt noch so unfehlbar wie sein Namensvetter.
<polemik> das solltest du bayle fragen und nicht den mich, den Du zu kritisieren scheinst.</polemik>  ;) sorry, couldn't resist
Beimnochmal lesen fällt mir die Mehrdeutigkeit auf - bin aber auch nicht sicher, ob bayle das so meint.
Da ist nichts Mehrdeutiges. Benedikt XIV (Papst 1740-1758) war nicht unfehlbar, wohl aber Benedikt XVI (Papst 2005-2013). Es liegt dann doch wohl eher am Leser als am Autor, wenn das missverständlich war.

Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 21:45:32
Auf jeden Fall: Dass so ein Papst bloß in die Hände klatschen muss und dann die Inquisition stramm bei Fuß macht was er sagt, das ist - mit verlaub - auch eine lächerliche Vorstellung.
So? Dann nenn mir doch mal ein Beispiel aus der 800jährigen Geschichte der Inquisition, wo sie sich gegenüber dem amtierenden Papst durchgesetzt hätte, ein einziges - ich habe gerade keines parat. Der Kirchenstaat ist eine absolute Monarchie, und im Gegensatz zu weltlichen Monarchien hat es (außer im 10. Jhd, während der Pornokratie, aber da gab es noch keine Inquisition) nie minderjährige Herrscher gegeben. Es gab ein paar weltentrückte Spinner, aber niemals hätte die Inquisition auch nur daran gedacht, einem Papst im Vollbesitz seiner Geisteskräfte Paroli zu bieten. Allenfalls konnten sie hoffen, ihn irgendwann zu vergiften. Aber selbst Anschläge waren eigentlich bemerkenswert selten, zumindest wieder verglichen mit den weltlichen Herrschaften. Meist genügte es ja, ein bisschen zu warten; die mittlere Regierungsdauer der Päpste lag bei etwa sieben Jahren.

Dein Beispiel
Zitat von: bayle am 04. Januar 2013, 23:27:26
Speziell DIESES Urteil hat der Papst nicht unterzeichnet, weil es ihm nicht gepasst hat.
ist jedenfalls krass falsch; es widerspricht der historischen Wahrheit völlig. Übrigens hast Du noch gar nichts gesagt zu meiner Kritik an Deinen Kernthesen. Wie war denn das nun mit dem Machtkampf? Spielte die Wissenschaft im Prozess eine Rolle? Ist Galilei nur verurteilt worden, weil er ,,denkbar ungeschickt" und ,,wissenschaftlich nicht sauber" war?


Raumpilot

Hm - Pelacani, warum hab ich grad ständig das Gefühl, mich gegen Sachen wehren zu müssen, die ich nicht gesagt habe?
(Und bevor Du es mir unterstellst: Auch  nicht gemeint habe?)
Du sagst mir also ganz genau, was meine "Kernthesen" sind oder zu sein haben.

Ich bin kein Experte in Sachen Galileo, hab grade auch sicherheitshalber ein paar Sachen nachlesen müssen, und an Stellen, die Du benennst, muss ich feststellen, hab ich Sachen falsch rum in Erinnerung.
Das sind allerdings nicht meine "Kernthesen", und mir das zu sagen grenzt genauso an "gezieltes Missverständnis".

Kernthesen sind vielmehr, dass Galilei sich
1. denkbar ungeschickt verhalten und
2. nicht wirklich wissenschaftlich sauber argumentiert,

und weiter, dass sich die Kirche da durchaus nicht als "homogener Block" gegen Galilei und die Wissenschaft verhalten hat.

Und es zu der Zeit fortschrittlich gesinnte Leute innerhalb der Kirche gab, die sich für die Wissenschaft stark gemacht haben.

Dass da daraus machst, ich habe "ein Fazit gezogen, was genau im Sinne Baddes ist":
Das ist auch keine feine "Argumentationsweise".
Ich mache mir Badde nicht zu eigen.
Aber erzähl mir nicht, dass eine Aussage deshalb falsch oder fragwürdig ist, weil Badde sie auch sagt.

Es gab ganz definitiv einen Machtkampf darum, wie mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen umgegangen werden sollte - und dabei hat sich Galileo vergaloppiert.

Die entsprechenden Versuche gab es durchaus, interpretationen der Bibel zu finden, nach denen es keinen Widerspruch zum kopernikanischen System gab. Dahinter stand dann die Auffassung, dass man Wissenschaft erst mal offen betreiben können muss und danach schaut, was das für den Glauben bedeutet, nicht umgekehrt.
Auch wenn das niemand in der Deutlichkeit gesagt hat.  ;)
Der Ausgang der Diskussion war zu Galileos Zeit nicht eindeutig klar - letztlich hat die Kirche damals eine Chance verpasst, die sie erst viel später wieder genutzt hat, um Glaubwürdigkeit zurückzuerobern.
Daher:
Zitat von: Pelacani am 04. April 2014, 23:17:04
Du hast ein Fazit gezogen, was genau im Sinne Baddes ist:
Zitat von: Raumpilot am 04. April 2014, 01:00:42
nicht von "Die Kirche" gegen Galilei sprechen
Verstehe ich Dich recht, Du verabschiedest Dich von diesem Satz?
klares Nein  ;D
Ich verabschiede mich davon nicht.
Es gab eben innerkirchlich durchhaus verschiedene Auffassungen zum Thema.

Zu sagen, dass sein Dialogo ein Politikum war, weil es auf italienisch war und, "sein" Weltbild als das einzig wahre anpries (weil er das ptolemäische alt aussehen ließ und das Brahe-Modell überging) ist nicht gleichbedeutend damit, dass er ein revoluzzer gewesen sei.
Nur ein Dickschädel.
Aber es hatte letztlich die selbe Wirkung.
Und mit etwas mehr diplomatischem Geschick hätte er sich nicht seine wichtigsten Unterstützer verprellt.


pelacani

Zitat von: Pelacani am 04. April 2014, 23:17:04
Übrigens hast Du noch gar nichts gesagt zu meiner Kritik an Deinen Kernthesen. Wie war denn das nun mit dem Machtkampf? Spielte die Wissenschaft im Prozess eine Rolle? Ist Galilei nur verurteilt worden, weil er ,,denkbar ungeschickt" und ,,wissenschaftlich nicht sauber" war?

Deine Antwort:
Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
Das sind allerdings nicht meine "Kernthesen", und mir das zu sagen grenzt genauso an "gezieltes Missverständnis".
Das ist doch wohl nicht Dein Ernst! Du fährst fort:
Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
Kernthesen sind vielmehr, dass Galilei sich
1. denkbar ungeschickt verhalten und
2. nicht wirklich wissenschaftlich sauber argumentiert,
...
Es ist ein wenig ermüdend, in dieser Weise zu diskutieren. Bitte versuche, den Inhalt meiner Posts zu erfassen, bevor Du Dich über sie verbreitest.

Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
und weiter, dass sich die Kirche da durchaus nicht als "homogener Block" gegen Galilei und die Wissenschaft verhalten hat.
Und es zu der Zeit fortschrittlich gesinnte Leute innerhalb der Kirche gab, die sich für die Wissenschaft stark gemacht haben.
...
Es gab ganz definitiv einen Machtkampf darum, wie mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen umgegangen werden sollte
Das ist eine Deduktion, die plausibel klingt, aber in Wahrheit ist das alles heiße Luft.
Zitat von: Pelacani am 04. April 2014, 06:54:58
Aber werd' mal ein bisschen konkreter.
Nenne mir die Namen der Pro-Galilei-Fraktion innerhalb der Kirche. Am ehesten käme Francesco Barberini infrage, aber ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass er sich 1633 in irgendeiner Weise für Galilei interessiert hätte, die man als ,,Machtkampf" auslegen könnte. Die Wissenschaftler innerhalb der Kirche, das waren die Jesuiten des Collegio Romano.

Zitat von: Raumpilot am 05. April 2014, 01:21:26
Zu sagen, dass sein Dialogo ein Politikum war, weil es auf italienisch war und, "sein" Weltbild als das einzig wahre anpries (weil er das ptolemäische alt aussehen ließ und das Brahe-Modell überging) ist nicht gleichbedeutend damit, dass er ein revoluzzer gewesen sei.
Nur ein Dickschädel.
Aber es hatte letztlich die selbe Wirkung.
Und mit etwas mehr diplomatischem Geschick hätte er sich nicht seine wichtigsten Unterstützer verprellt.
Das kriegen die Reformer innerhalb der Kirche seit 2000 Jahren um die Ohren gehauen: "Ihr müsst Geduld haben, so schnell geht das nicht! (und auf den nächsten Papst warten)."

Die Kirche verkörperte hier (wie in den meisten anderen Gelegenheiten) die gesellschaftliche Reaktion, und Galilei den wissenschaftlichen Fortschritt. Der Baddesche Text ist eine spitzfindige, die Fakten auf den Kopf stellende Apologetik – genau wie Dein Post #24.
Sag' mir jetzt nicht, dass Du es ehrlich meinst. Badde meint es auch ehrlich.