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Wie umgehen mit Eso-Philer Umgebung?

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Begonnen von kaltwasserseife, 13. August 2012, 10:02:00

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Dr. Ici Wenn

The Doctor: In der Therorie ist es einfach, den Schraddel abzulehnen, in der Praxis beneide ich Dich da nicht darum, und es muss Kompromisse geben. Letztlich gehts ja um das Helfen und nicht um eine Lehrveranstaltung bez. Realität. Es ist auch unmöglich, jahrelang erworbenes Wissen einem Anderen innerhalb von Minuten zu vermitteln.

Man kann in unserer gut abgesichterten westlichen Welt wunderbar parallel zur Realität leben. Nur blöd, wenn sich die Linien mal überkreuzen, da muss dann ein Arzt, so er da gerade von dem Ereignis betroffen ist, Flagge zeigen.

The Doctrix

Das grosse Problem sind ja auch die ärztlichen Kollegen, die eine unkritischere Linie fahren. So hat mein Praxisvorgänger zum Beispiel nebenbei ein wenig Pseudo-Homöopathie betrieben (mit Niedrigpotenzen), auch mal ein Anthroposophikum verordnet und die Patienten reihensweise zum Chiropraktor geschickt. Und er war sehr für "individuelle Impfentscheidungen" - kein Impfgegner, aber jemand, der es schlichtweg schweigend zur Kenntnis genommen hat, wenn Eltern ihre Kinder gar nicht oder erst später impfen lassen wollten, anstatt mal über die Risiken eines solchen Vorgehens aufzuklären.

Und die Kollegen in der Umgebung sind auch nicht viel besser: ich bin letztes Jahr aus meinem lokalen Qualitätszirkel rausgeflogen, weil sich ein paar Kollegen auf den Schlips getreten fühlten, nachdem ich in einer Diskussion um die Pneumokokken-Impfung bei Säuglingen erklärt hatte, es müsse in einer Zeit, in der so viele Fehlinformationen über Impfungen im Umlauf sind, unsere Pflicht als Ärzteschaft sein, die verunsicherten Eltern vernünftig aufzuklären und offensiv zum Impfen ihrer Kinder ermuntern. Das passte den Kollegen so gar nicht - die meisten waren/sind der Meinung, dass es sowieso nichts bringe, mit Eltern darüber zu diskutieren und dass es sowieso nicht so schlimm sei, bestimmte Krankheiten gar nicht oder auch erst später zu impfen.

Tja, wenn sich Ignoranz organisiert, hat die Aufklärung eben keine Chance.    $)
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Dr. Ici Wenn

Zitat von: The Doctor am 20. September 2012, 18:03:44
Tja, wenn sich Ignoranz organisiert, hat die Aufklärung eben keine Chance.    $)

Mein Eindruck ist, dass viele Ärzte nunmal keine Wissenschaftler sind - ansich klar, man wendet ja nur wissenschaftliche Erkenntnissse an, aber man müsste eigentlich meinen, dass einem da trotzdem in der Ausbildung wissenschaftliches Denken vermittelt würde. Dem ist aber nicht so. Haben wir hier schon endlos durchdekliniert.

Es liegt da immer nur im Interesse des Einzelnen, sich da selber zu bilden, und das ohne momentan konkreten Vorteil. Man muss anscheinend dem Typus "Ich will es aber genauer wissen" angehören. 

The Doctrix

Das grosse Problem ist m.E., dass Fächer wie Biomathematik und Statistik, in denen die Medizinstudenten endlich einmal mit Themen wie Studiendesign und -interpretation in Berührung kommen, ein absolutes Nischendasein im Medizinstudium fristen. In den Staatsexamina waren sie zu meiner Zeit gerade mal mit 2-3 Fragen vertreten (bei 290 Fragen im 1. Staatsexamen und 580 Fragen im 2. Staatsexamen). Und in den Kursen fand sich bei uns immer schnell ein kleiner Zirkel von Freaks zusammen, der den Rest des Semesters durch die Hausarbeitzen geschleppt hat.

Da kann ja kein wissenschaftliches Verständnis aufkommen.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Dr. Ici Wenn

Zitat von: The Doctor am 20. September 2012, 18:31:21
Da kann ja kein wissenschaftliches Verständnis aufkommen.

Zieht sich aber durch die meisten Studienfächer durch. Ich frag mich immer, wo die Leute das lernen, es kann ja fast nur Eigeninteresse sein. "Woher wissen wir, dass wir wissen" und so.

"Wissenschaftstheorie" als Begriff klingt völlig abgehoben, dabei wäre das das absolute Fundament, das man auch schon 12-jährigen beibringen könnte. Aber dazu müssten die Lehrplaner eine Ahnung davon und auch der Notwendigkeit haben ...

Es wird mit den Bachelors und Master nicht besser werden.

The Doctrix

@ Ici:

Und selbst, wenn Du die entscheidenden Dinge in Schule und Studium kapiert hast, schützt Dich das nicht vor gefährlichem Unsinn. Ich habe meinen Mathe-Leistungskurs im Abi mit 12 Punkten abgeschlossen, im Medizinstudium gehörte ich zu der kleinen Gruppe von Freaks, die den Rest des Semesters durch die Statistik-Prüfungen geschleift haben. Und dennoch bin ich nach dem Studium tief in die Eso-Ecke abgedriftet (wie das passierte und wie und warum ich schliesslich wieder den Weg zurück fand, führt an dieser Stelle zu weit; können wir aber gerne mal ausführlich diskutieren). Wider besseres Wissen. Auf der einen Seite war ich als Assistenzarzt bei Pharmareferenten gefürchtet, weil ich den schlechter vorbereiteten unter ihnen regelmässig ihre Hochglanzprospekte und Studienergebnisse regelmässig um die Ohren gehauen habe, auf der anderen Seite übernahm ich immer wieder unkritisch "alternative" Verfahren. Erst vor ein paar Jahren bin ich aufgewacht.

(Das mit den Pharmareferenten mache ich aber immer noch gerne - erst vor ein paar Monaten ist eine Vertreterin heulend aus meiner Praxis gelaufen, nachdem ich mit Genuss ihre Präsentation auseinandergenommen hatte. Selber schuld: wer meine Zeit in Anspruch nimmt, soll sich gefälligst gut vorbereiten und nicht nur einstudierte Sätze aus der schulung abspulen.)
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

celsus

Zitat von: The Doctor am 20. September 2012, 17:34:30Viele meiner Patienten gehen eben doch nebenbei zum TCMler, zum Osteopathen, Chiropraktor oder Dorn-Therapeuten, oder lassen sich vom Heilpraktiker Glaubuli verordnen.

Unser Dorfarzt ist da ganz rustikal. Der hat von Natur aus die Sensibilität eine Pferdemetzgers, aber gerade das hält ihm das zeitraubende Geschwurbel vom Hals. Üblicherweise ist er mit einem kurzen, in den Bart gemurmelten "Unsinn" mit dem Thema durch. Seine Praxis ist trotzdem bestens ausgelastet. Einer seiner größten Vorteile ist meiner Meinung nach, dass er nicht versucht, irgendwelche Krankheiten zu kurieren, für die er nicht genug Wissen und Erfahrung hat. Also überweist er sehr oft an Spezialisten und kümmert sich um die alltäglichen Wehwehchen, bei denen er auf sicherem Boden steht.

Mir gefällt das, weil man da einfach schnell wieder draußen ist und er nicht wochenlang an irgendwas rumdoktert, was im Nachhinein dann doch ein Fall für einen anderen Arzt ist.

Na gut, Leute, die nur zum Arzt gehen, um jemanden zum reden zu haben, fühlen sich da eher nicht wohl.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

The Doctrix

Zitat von: celsus am 20. September 2012, 19:29:53
Einer seiner größten Vorteile ist meiner Meinung nach, dass er nicht versucht, irgendwelche Krankheiten zu kurieren, für die er nicht genug Wissen und Erfahrung hat. Also überweist er sehr oft an Spezialisten und kümmert sich um die alltäglichen Wehwehchen, bei denen er auf sicherem Boden steht.

Handhabe ich genauso.
Immer, wenn Du glaubst, dümmer gehts nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her!

Dr. Ici Wenn

Zitat von: The Doctor am 20. September 2012, 19:28:54
@ Ici:
Und dennoch bin ich nach dem Studium tief in die Eso-Ecke abgedriftet (wie das passierte und wie und warum ich schliesslich wieder den Weg zurück fand, führt an dieser Stelle zu weit; können wir aber gerne mal ausführlich diskutieren).

Ich kenne das nur zu gut. Und es wäre mal ein spannendes Thema. Mit Intelligenz und Fähigkeiten hat das wenig zu tun, es ist nur die Verwunderung im Nachhinein, wie einem das mit Intelligenz und Fähigkeiten nur geschehen konnte.

Meine These ist: Unser Kleinhirn ist viel stärker, als wir so mit unserem Großhirn denken, da einer gewissen Hybris erliegen, alles im Griff zu haben, um es mal sehr plakativ zu sagen.

Was allerdings dann der Auslöser/Mechanismus ist, plötzlich zu merken, dass das alles, was man da so gedacht hat, ziemlicher Schwachsinn ist, daran rätsle ich auch rum.

Zitat
Wider besseres Wissen. Auf der einen Seite war ich als Assistenzarzt bei Pharmareferenten gefürchtet, weil ich den schlechter vorbereiteten unter ihnen regelmässig ihre Hochglanzprospekte und Studienergebnisse regelmässig um die Ohren gehauen habe, auf der anderen Seite übernahm ich immer wieder unkritisch "alternative" Verfahren. Erst vor ein paar Jahren bin ich aufgewacht.

Merkt man ja auch in Deinen teilweisen sehr äh konsequenten Reaktionen :)

Zitat
(Das mit den Pharmareferenten mache ich aber immer noch gerne - erst vor ein paar Monaten ist eine Vertreterin heulend aus meiner Praxis gelaufen, nachdem ich mit Genuss ihre Präsentation auseinandergenommen hatte. Selber schuld: wer meine Zeit in Anspruch nimmt, soll sich gefälligst gut vorbereiten und nicht nur einstudierte Sätze aus der schulung abspulen.)

Sind auch nur Menschen. Kenne zwei persönlich, denen gehts nicht wirklich gut. Haben in der Regel fachlich was drauf, müssen aber u.U. Schraddel anpreisen. Ist ein elender Blanceakt. Ein Pharmareferent ist ja per se nichts Schlimmes, im Gegenteil. Ein Autoverkäufer ist ja auch nicht zwingend ein Betrüger, nur weil er sein neues Modell anpreist.

Bloedmann

Für weitere Hintergrundinformationen kann ich diesen Film empfehlen:

http://www.moviepilot.de/movies/love-and-other-drugs

Zitatvon Edward Zwick, mit Jake Gyllenhaal und Anne Hathaway

Liebe, Sex, Parkinson und Viagra – nicht gerade die Zutaten für eine romantische Komödie vom Fließband. Genau das ist die Love and other Drugs – Nebenwirkungen inklusive nämlich nicht. Stattdessen erwartet den Zuschauer eine sexy Komödie mit ernsten Untertönen, die während des Viagrabooms der 1990er Jahre spielt.

Jamie Reidy (Jake Gyllenhaal) ist so etwas wie der Don Juan der Pharma-Branche. Jung und dynamisch, surft er auf einer Welle des Erfolges. Die Frauen liegen dem Vertreter zu Füßen – der auch noch das Glück hat, am rechten Fleck zu rechten Zeit zu sein: Viagra erscheint Mitte der 1990er auf dem Markt und Jamie ist genau die richtige Person, um das Wundermittel an den Mann zu bringen. Doch Jamies Leben wird bedeutend komplizierter, als er die emotional abgeklärte, dafür aber sexuell außergewöhnlich offene Künsterin Maggie (Anne Hathaway) kennenlernt. Ihre anfangs rein körperliche Beziehung erfährt eine überraschende Wendung, als Jamie festellt, dass er Maggie liebt. Doch diese will keine Gefühle zulassen. Maggie hat Parkinson.

Echt witzig!
Es gibt so viele Dinge im Leben, die wichtiger sind als Geld... aber sie kosten so viel! Groucho Marx

bayle

Ich hatte keine Eso-Anwandlungen (oder ich erinnere mich nicht mehr), aber ich bin sicher, dass es mit Intelligenz nichts zu tun hat. Auch Edzard Ernst hat mal als Homöopath angefangen ...

Omikronn

Zitat@ Ici:
    Und dennoch bin ich nach dem Studium tief in die Eso-Ecke abgedriftet (wie das passierte und wie und warum ich schliesslich wieder den Weg zurück fand, führt an dieser Stelle zu weit; können wir aber gerne mal ausführlich diskutieren).

Zitat
Ich kenne das nur zu gut. Und es wäre mal ein spannendes Thema. Mit Intelligenz und Fähigkeiten hat das wenig zu tun, es ist nur die Verwunderung im Nachhinein, wie einem das mit Intelligenz und Fähigkeiten nur geschehen konnte.

Meine These ist: Unser Kleinhirn ist viel stärker, als wir so mit unserem Großhirn denken, da einer gewissen Hybris erliegen, alles im Griff zu haben, um es mal sehr plakativ zu sagen.

Was allerdings dann der Auslöser/Mechanismus ist, plötzlich zu merken, dass das alles, was man da so gedacht hat, ziemlicher Schwachsinn ist, daran rätsle ich auch rum.
Naja, ich schätze dass es normal ist sich dumm zu fühlen wenn man merkt dass das eigene Gedankengebäude nur ein Luftschloss war/ist dass auf Unsinn beruht, resp. dass man trotz aller "Warnschilder" 180° in die verkehrte Richtung ging. Der Auslöser ist m.A. nach das Bemerken von Widersprüchen der eigenen Überzeugungen, zumindest fühlte es sich bei mir so an...
Don't try to argue with idiots, first they tear you down to their level, then they beat you with their experience.

anka

Zitat von: Dr. Ici Wenn am 20. September 2012, 19:08:10

"Wissenschaftstheorie" als Begriff klingt völlig abgehoben, dabei wäre das das absolute Fundament, das man auch schon 12-jährigen beibringen könnte. Aber dazu müssten die Lehrplaner eine Ahnung davon und auch der Notwendigkeit haben ...

Es wird mit den Bachelors und Master nicht besser werden.

Ich hatte im Studium einiges an Wissenschaftstheorie (und jede Menge Statistik), aber am Anfang wurde das so dermaßen dröge vermittelt und ohne Bezug dazu, wofür das Ganze eigentlich gut sein könnte, dass ich da in der Vorlesung saß und Zeitung gelesen habe.  ;)


Und zu esophiler Umgebung... im neuen Job heute bei der Kollegin auf den Laptopbildschirm geschaut... Hat sie doch tatsächlich eine Datei zur Homöopathie (hat nix mit der Arbeit zu tun, ist dann wohl Privatinteresse). Sie sind überall. Überall. Es gibt kein Entrinnen.  :o

Leguan999

Zitat von: anka am 21. September 2012, 15:27:43
Sie sind überall. Überall. Es gibt kein Entrinnen.  :o

Du sagst es... Da sind 2-3 Kolleginnen, eigentlich ganz nett. Aber ihre Facebook-Einträge handeln davon, dass man alles erreichen kann, wenn man nur will, oder davon, wie umfassend die göttliche Liebe ist. 2 haben wenig Selbstvertrauen, die 3. hält sich selbst nicht so ganz an die Gebote der Liebe   :stirn Ich entwickle eine Räucherstäbchenallergie

Suricata

@ Dr. Ici Wenn

Der Auslöser war bei mir damals der Blick des Veterinärs in der Tierklinik, als ich ihm von der bisherigen "Diagnostik/Medikation" (Bioresonanzanalyse + Globuli) berichtete.

Der Doc hätte mir am liebsten eine gescherbelt.... ich habe es ihm angesehen ! Und als mein Hund dann nach einer Entwässerungsspritze vor Ort das erste mal wieder richtig Luft holen konnte, hat es bei mir "klick" gemacht und kaum zu Hause fing ich an zu lesen. Hier, im FF Blog, bei der gwup...und ich war ruckzuck vom "ganzheitlichen Homöo-Bio-Wahn" geheilt!