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ADHS und die Kritik am Ritalin

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Begonnen von Kartoffelbrei mit Ei, 23. Juli 2012, 23:51:04

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Dr. Ici Wenn

Zitat von: Kartoffelbrei mit Ei am 27. Juli 2012, 13:37:53
Ich verstehe.

Glaub ich nicht.

Zitat
Soll ich nun auch so ein "Heul doch!" Männchen in meine Beiträge einbauen, wie ihr Kollege "Paul Panter"? http://forum.psiram.com/index.php?topic=9141.msg103619#msg103619

LOL! Wie Sie wünschen, mir gehts am A. vorbei  :grins2:

P.Stibbons

http://forum.psiram.com/index.php?topic=9141.msg103658#msg103658

ZitatDie einzigen einigermaßen brauchbaren Beiträge hier stammen von Corina und von redneal. Bobbele scheint insgesamt etws zurückhaltender zu sein. Der ganze Rest ist billiges Provozieren.

Corina, Corina, Corina... :rock

Corina, übernehmen Sie!

P.Stibbons

Zitat von: Kartoffelbrei mit Ei am 27. Juli 2012, 12:52:31
Demnach ist die Aussage, MPH/Stimunlanzien seien einer kombinierten Therapie (MPH/Stimulanzien/VT) überlegen, nicht mehr haltbar. Soooo einfach, wie ihr glaubt, ist das Forschungsfeld nun leider doch nicht

Zitat
ZitatKennen Sie die Ergebnisse der neuen 4-armigen Studie aus Freiburg dazu? - Offenbar nicht.

Nein, in der Tat, die kenne ich nicht. Kennen sie die Kölner Wirksamkeitsstudie ADHS? Offenbar nicht!



Nun, zum Freiburger Konzept nach Philipsen, Hesslinger et al. wurde eine (DFG-geförderte) Multicenter-Studie durchgeführt, deren Ergebnisse hier vorgestellt werden (Details der Auswertung stehen noch aus):


Forschungsverbund zur Psychotherapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Kindern und Erwachsenen (ADHD-net)


Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist gekennzeichnet durch die Kernsymptome übermäßige motorische Unruhe, gesteigerte Impulsivität und hochgradige Unaufmerksamkeit. Die Symptomatik ist für das Entwicklungsalter des Kindes übersteigert und beeinträchtigt schwerwiegend seinen Alltag situationsübergreifend in Familie, Kindergarten, Schule und Freizeit. Das Verhaltensproblem ist vor dem sechsten Lebensjahr erkennbar. Mit einer Häufigkeit von drei bis sechs Prozent ist die ADHS eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Die Hauptsymptome bleiben bei 40 bis 60 Prozent der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen. Die ADHS geht demnach bei vielen Betroffenen mit erheblicher psychosozialer Beeinträchtigung einher, führt zu Belastungen im familiären und sozialen Umfeld und stellt damit auch ein Problem für die Gesellschaft dar.

Im Kindes- und Jugendalter sind Psychopharmakotherapie und verhaltenstherapeutische Psychotherapie etablierte und evaluierte Behandlungsmethoden. In den meisten Fällen wird die Pharmakotherapie in der späten Adoleszenz beendet. ,,Bislang gab es jedoch für das Erwachsenenalter keine größeren kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit von Pharmakotherapie und Psychotherapie vergleichen", beschreibt der Sprecher des ADHD-net, Professor Dr. Andreas Warnke vom Universitätsklinikum Würzburg, die Problematik. ,,Der Forschungsverbund stellt diese Problematik in den Mittelpunkt seiner Forschungsbemühungen und untersucht die Wirksamkeit von Psychotherapie bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS sowie den Zusammenhang von Behandlungserfolg mit Hirnstrukturen, Hirnfunktionen und genetischen Gegebenheiten."

Die wichtigsten Ergebnisse: In sieben Studienzentren wurden 433 Erwachsene mit ADHS auf die vier Behandlungsbedingungen (Gruppentherapie und Methylphenidat, Beratung und Methylphenidat, Gruppentherapie und Placebo, Beratung und Placebo) zufällig verteilt. Die Behandlung mit dem Medikament Methylphenidat war sowohl nach der intensiven Therapiephase nach 13 Wochen als auch über die Dauer eines Jahres unter weniger intensiven Behandlungsbedingungen (einmal monatliche Termine) der Behandlung mit Placebo hinsichtlich der Gesamtsymptomatik der ADHS signifikant überlegen. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Beratung und Gruppentherapie. Es finden sich Hinweise auf eine Überlegenheit der Gruppentherapie im Vergleich zur Beratung in Bezug auf einige Kernsymptome der ADHS wie die Unruhe und emotionale Instabilität. Die Datenanalyse ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.

In einem weiteren Teilprojekt wurden 144 Mutter-Kind-Paare auf die beiden Behandlungsbedingungen zufällig verteilt: intensive Behandlung der ADHS der Mutter (Methylphenidat und Gruppentherapie) plus Eltern-Kind-Training; weniger intensive Behandlung der ADHS der Mutter (Beratung) plus Eltern-Kind-Training. Auch bei Kindern, die zum Großteil bereits medikamentös bezüglich ihrer ADHS behandelt waren, zeigten sich im Rahmen der Behandlungen noch deutliche Verbesserungen der Symptomatik. Dies war unabhängig davon, wie intensiv die Mutter bezüglich ihrer eigenen ADHS behandelt wurde.

http://www.juraforum.de/wissenschaft/azforschungsverbuende-sind-meilensteine-der-psychotherapieaoe-395842

Conina

Falls ich gemeint sein sollt, ich kann nicht. Ich komme mit Textwüsten und Psychologenslang überhaupt nicht klar.
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

P.Stibbons

ZitatIch komme mit Textwüsten und Psychologenslang überhaupt nicht klar.

@ YorkTown: Ich verlange Erschwerniszulage.

(Wo isser hin, der Admin-Kommentar, auf den ich zitierend referenzieren wollte?!)

Skrzypczajk

Nu lasst mal gut sein, der Kartoffelbrei ist doch längst alle.  :grins

P.Stibbons

Rache ist süß... vor allem wenn man zu Unrecht ne Rüge vom Admin kassiert hat...

Und immerhin habe ich mir die Mühe gemacht, den Text zur Philipsen/Hesslinger-Studie rauszusuchen im ehrlichen Bemühen, das Wissen möge sich mehren - obwohl ich nur ein unwürdiger Nicht-Experte mit schickem Hütchen bin...  :stricken

Na gut... Nicht ohne Grund heißt es ja in meiner Signatur u.a.: "Löscht den Schrott!"  :-)


Wirsing

Zitat von: P.Stibbons am 28. Juli 2012, 10:05:19
Rache ist süß... vor allem wenn man zu Unrecht ne Rüge vom Admin kassiert hat...

Und immerhin habe ich mir die Mühe gemacht, den Text zur Philipsen/Hesslinger-Studie rauszusuchen - obwohl ich nur ein unwürdiger Nicht-Experte mit schickem Hütchen bin...  :stricken

Na gut... Nicht ohne Grund heißt es ja in meiner Signatur u.a.: "Löscht den Schrott!"  :-)

Heda..... Das mit dem schicken Hütchen war von mir und ich dachte jeder Zauberer, der was auf sich hält, besitzt einen. Das war als Kompliment gemeint.

P.Stibbons

ZitatDas mit dem schicken Hütchen war von mir... Das war als Kompliment gemeint.

@ Wirsing: Du darfst mich doch sowieso Ponderosa nennen.

Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: P.Stibbons am 28. Juli 2012, 09:47:08
Zitat von: Kartoffelbrei mit Ei am 27. Juli 2012, 12:52:31
Demnach ist die Aussage, MPH/Stimunlanzien seien einer kombinierten Therapie (MPH/Stimulanzien/VT) überlegen, nicht mehr haltbar. Soooo einfach, wie ihr glaubt, ist das Forschungsfeld nun leider doch nicht

Zitat
ZitatKennen Sie die Ergebnisse der neuen 4-armigen Studie aus Freiburg dazu? - Offenbar nicht.

Nein, in der Tat, die kenne ich nicht. Kennen sie die Kölner Wirksamkeitsstudie ADHS? Offenbar nicht!



Nun, zum Freiburger Konzept nach Philipsen, Hesslinger et al. wurde eine (DFG-geförderte) Multicenter-Studie durchgeführt, deren Ergebnisse hier vorgestellt werden (Details der Auswertung stehen noch aus):


Forschungsverbund zur Psychotherapie der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Kindern und Erwachsenen (ADHD-net)


Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist gekennzeichnet durch die Kernsymptome übermäßige motorische Unruhe, gesteigerte Impulsivität und hochgradige Unaufmerksamkeit. Die Symptomatik ist für das Entwicklungsalter des Kindes übersteigert und beeinträchtigt schwerwiegend seinen Alltag situationsübergreifend in Familie, Kindergarten, Schule und Freizeit. Das Verhaltensproblem ist vor dem sechsten Lebensjahr erkennbar. Mit einer Häufigkeit von drei bis sechs Prozent ist die ADHS eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Die Hauptsymptome bleiben bei 40 bis 60 Prozent der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter bestehen. Die ADHS geht demnach bei vielen Betroffenen mit erheblicher psychosozialer Beeinträchtigung einher, führt zu Belastungen im familiären und sozialen Umfeld und stellt damit auch ein Problem für die Gesellschaft dar.

Im Kindes- und Jugendalter sind Psychopharmakotherapie und verhaltenstherapeutische Psychotherapie etablierte und evaluierte Behandlungsmethoden. In den meisten Fällen wird die Pharmakotherapie in der späten Adoleszenz beendet. ,,Bislang gab es jedoch für das Erwachsenenalter keine größeren kontrollierten Studien, die die Wirksamkeit von Pharmakotherapie und Psychotherapie vergleichen", beschreibt der Sprecher des ADHD-net, Professor Dr. Andreas Warnke vom Universitätsklinikum Würzburg, die Problematik. ,,Der Forschungsverbund stellt diese Problematik in den Mittelpunkt seiner Forschungsbemühungen und untersucht die Wirksamkeit von Psychotherapie bei Kindern und Erwachsenen mit ADHS sowie den Zusammenhang von Behandlungserfolg mit Hirnstrukturen, Hirnfunktionen und genetischen Gegebenheiten."

Die wichtigsten Ergebnisse: In sieben Studienzentren wurden 433 Erwachsene mit ADHS auf die vier Behandlungsbedingungen (Gruppentherapie und Methylphenidat, Beratung und Methylphenidat, Gruppentherapie und Placebo, Beratung und Placebo) zufällig verteilt. Die Behandlung mit dem Medikament Methylphenidat war sowohl nach der intensiven Therapiephase nach 13 Wochen als auch über die Dauer eines Jahres unter weniger intensiven Behandlungsbedingungen (einmal monatliche Termine) der Behandlung mit Placebo hinsichtlich der Gesamtsymptomatik der ADHS signifikant überlegen. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen Beratung und Gruppentherapie. Es finden sich Hinweise auf eine Überlegenheit der Gruppentherapie im Vergleich zur Beratung in Bezug auf einige Kernsymptome der ADHS wie die Unruhe und emotionale Instabilität. Die Datenanalyse ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.

In einem weiteren Teilprojekt wurden 144 Mutter-Kind-Paare auf die beiden Behandlungsbedingungen zufällig verteilt: intensive Behandlung der ADHS der Mutter (Methylphenidat und Gruppentherapie) plus Eltern-Kind-Training; weniger intensive Behandlung der ADHS der Mutter (Beratung) plus Eltern-Kind-Training. Auch bei Kindern, die zum Großteil bereits medikamentös bezüglich ihrer ADHS behandelt waren, zeigten sich im Rahmen der Behandlungen noch deutliche Verbesserungen der Symptomatik. Dies war unabhängig davon, wie intensiv die Mutter bezüglich ihrer eigenen ADHS behandelt wurde.

http://www.juraforum.de/wissenschaft/azforschungsverbuende-sind-meilensteine-der-psychotherapieaoe-395842

Tja, und die reanalyse der MTA-Studie von Conners, (http://www.jaacap.com/article/S0890-8567%2809%2960365-8/abstract) hat eine deutliche Überlegenheit der MPH/VT-Gruppe ergeben. Jetzt haben wir zwei unterschiedliche Ergebnisse? Was nun? Hier schon zeigt sich ihr naiver Positivismus überfordert.


P.Stibbons

Erst mal danke, dass Sie sich - so weit es Ihnen offenbar möglich ist - doch noch auf eine sachliche Diskussionsbasis einlassen.

ZitatJetzt haben wir zwei unterschiedliche Ergebnisse? Was nun?

Jetzt kommt erst die eigentliche Arbeit.
Auch Studien sind nicht dazu da, sie gläubig zur Kenntnis zu nehmen, um damit unreflektiert den eigenen Standpunkt zu untermauern.

Man muss vielmehr genau das Studiendesign betrachten, etwa, wie die Kohorten zusammengesetzt sind, ob es Confoundings gibt etc.

Um das entsprechend gründlich zu tun, muss man mehr als das Abstract lesen - ja sogar, die Publikation in den Gesamtzusammenhang des jeweiligen Forschungsstandes stellen können, was einen guten Überblick voraussetzt.
Im Fall ADHS besonders kompliziert: je nach Stand der DSM kommen unterschiedliche Diagnosekriterien zum Einsatz - es stellt sich also die Frage nach der Vergleichbarkeit.

In den vergangenen 10 Jahren hat - dank der enormen Fortschritte in den Neurowissenschaften - ein steter, teils exponentieller Wissenszuwachs stattgefunden.
Jüngere Studien (sofern sie sorgfältig konzipiert sind) haben schon aus diesem Grund einen größeren Impact als Studien, die 5 oder 10 Jahre alt sind und auf veralteten Voraussetzungen aufbauen.

Hyperaktivität gilt heutzutage in Klinikerkreisen nicht mehr als das verlässliche Kernsymptom der ADHS; der Aufmerksamkeits-, Reizfilter- und Impulskontrollstörung wird eine weit größere Bedeutung zugemessen, u.a. da deren Auswirkungen und Folgen (untherapiert) ein Leben lang erhalten bleiben und  - je nach Lebensumständen , Ressourcen und supportiven Systemen -  behindernd starke Ausmaße annehmen können.

Ich werde Ihre genannten Studien daraufhin genau lesen, allerdings nicht an diesem Wochenende.

ZitatHier schon zeigt sich ihr naiver Positivismus überfordert.

Ach ja?

Falls Sie selbst Psychotherapeut sind, sprechen solche Schnellschussannahmen nicht für Ihr therapeutisches Können geschweige denn Ihre diesbezügliche Integrität.



Elfenstaub

Zitat von: Kartoffelbrei mit Ei am 28. Juli 2012, 10:34:43

Auf Wunsch kann ich ihnen selbstverständlich noch mehr liefern.

Dann man los, die vorgelegten sind nämlich nicht sehr überzeugend:

Zitat
http://psycnet.apa.org/psycinfo/1999-04187-004
"Individual and physiological correlates of attachment disorganization in infancy."

Zumindest nach dem ersten lesen des Abstracts kann ich nicht erkennen, wieso die Arbeit überhaupt relevant sein sollte.

Zitathttp://ccp.sagepub.com/content/7/2/179.abstract
"Attention Deficit Hyperactivity Disorder is Associated with Attachment Insecurity"

Jeweils 19 Kinder in einer Gruppe sind schon mal ziemlich wenig. Dann wird, zumindest im Abstract nur von einem gemeinsamen Auftreten gesprochen, nicht davon ob das eine das andere bedingen würden. Korrelation und Kausalität und so...

Zitathttp://www.jaacap.com/article/S0890-8567%2809%2966239-0/abstract
"Attachment Disorder Behavior Following Early Severe Deprivation: Extension and Longitudinal Follow-up"

Hier wurden adoptierte Kinder untersucht, die meisten aus Rumänien. Das ist doch eine vollkommen verzerrte Schnittgruppe. Außerdem wird auch hier nur von einer Korrelation mit Aufmerksamkeit gesprochen.

Zitathttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22697472
"ADHD-like symptoms and attachment in internationally adopted children."

s.o.

Zitathttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22661337
"Early pathogenic care and the development of ADHD-like symptoms."

Das wäre der vielleicht beste Hinweis aber auch hier sprechen die Autoren von ADHS ähnlichen Symptomen, nicht von ADHS. Die Unterscheidung wurde sicher nicht einfach so gemacht. Hier geht es eher um schwere Vernachlässigung.


Zitathttp://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19610496
"Attachment as a component of attention-deficit hyperactivity disorder."

Korrelation ist nicht Kausalität.

Wenn Kinder anstrengend sind, weil sie ADHS haben, ist es nicht verwunderlich, wenn die Beziehung zwischen Eltern und Kind nicht so gut ist, wie bei gesunden Kindern. Insofern ist eine Bindungsstörung nicht wirklich überraschend. Wenn sie jedoch eine Reaktion auf ADHS ist und man behandelt nur sie, ist das so, als würde ein Herzinfarkt mit Schmerzmittel behandelt.


2-3 Elfen, luftgetrocknet, mit dem Mörser zerstoßen bis die Konsistenz von Puderzucker erreicht ist: Elfenstaub!

Giftig wie Aspartam, süß wie Dihydroxymonoxid und nicht überdosierbar.

Kartoffelbrei mit Ei

Zitat von: P.Stibbons am 28. Juli 2012, 11:10:31
Erst mal danke, dass Sie sich - so weit es Ihnen offenbar möglich ist - doch noch auf eine sachliche Diskussionsbasis einlassen.

ZitatJetzt haben wir zwei unterschiedliche Ergebnisse? Was nun?

Jetzt kommt erst die eigentliche Arbeit.
Auch Studien sind nicht dazu da, sie gläubig zur Kenntnis zu nehmen, um damit unreflektiert den eigenen Standpunkt zu untermauern.

Man muss vielmehr genau das Studiendesign betrachten, etwa, wie die Kohorten zusammengesetzt sind, ob es Confoundings gibt etc.

Um das entsprechend gründlich zu tun, muss man mehr als das Abstract lesen - ja sogar, die Publikation in den Gesamtzusammenhang des jeweiligen Forschungsstandes stellen können, was einen guten Überblick voraussetzt.
Im Fall ADHS besonders kompliziert: je nach Stand der DSM kommen unterschiedliche Diagnosekriterien zum Einsatz - es stellt sich also die Frage nach der Vergleichbarkeit.

In den vergangenen 10 Jahren hat - dank der enormen Fortschritte in den Neurowissenschaften - ein steter, teils exponentieller Wissenszuwachs stattgefunden.
Jüngere Studien (sofern sie sorgfältig konzipiert sind) haben schon aus diesem Grund einen größeren Impact als Studien, die 5 oder 10 Jahre alt sind und auf veralteten Voraussetzungen aufbauen.

Hyperaktivität gilt heutzutage in Klinikerkreisen nicht mehr als das verlässliche Kernsymptom der ADHS; der Aufmerksamkeits-, Reizfilter- und Impulskontrollstörung wird eine weit größere Bedeutung zugemessen, u.a. da deren Auswirkungen und Folgen (untherapiert) ein Leben lang erhalten bleiben und  - je nach Lebensumständen , Ressourcen und supportiven Systemen -  behindernd starke Ausmaße annehmen können.

Ich werde Ihre genannten Studien daraufhin genau lesen, allerdings nicht an diesem Wochenende.

ZitatHier schon zeigt sich ihr naiver Positivismus überfordert.

Ach ja?

Falls Sie selbst Psychotherapeut sind, sprechen solche Schnellschussannahmen nicht für Ihr therapeutisches Können geschweige denn Ihre diesbezügliche Integrität.

Was ich daraus nun wieder entnehme ist, dass Sie glauben, man könne eine Studie der anderen "vorziehen", indem man deren Güte beurteilt. Was aber, wenn die Unterschiede nur gering sind? Oder selbst wenn sie größer wären? Glauben Sie, man könne die Ergebnisse einer Studie einfach so vom Tisch wischen? Zumeist verhält es sich doch so, dass einzelne Studien unterschiedliche Vorzüge und Nachteile haben. Zusätzlich ist es so, dass man - streng genommen - die beiden Studien nicht miteinander vergleichen kann. Denn die Reanalyse von Conners zeigt ein klares (vielleicht zu klares) Gruppendesign. MPH vs. VT+MPH usf. Die von Ihnen vorgestellte Studie wiederum zeigt leicht veränderte "Treatments". So wird bspw. nicht VT getestet, sondern "Gruppentherapie" (welche? wie lange? wie oft? wie gut ausgebildet waren die Therapeuten usw. usf.) Ich vermute, man hat dieses Designe gewählt, da es weit billiger ist, die Kinder intensiv in Gruppen zu therapieren, anstatt sie in teure Einzeltherapien zu stecken. Verständlich, es belegt/widerlegt deswegen noch nicht die Ergebnisse von Conners. Zusätzlich vermute ich, dass als "intenisve Gruppentherapie" die standardisierten Aufmerksamkeitstrainings wie das Marburger Konzentrationstrainig und das Programm von Lauth und Schlottke gemeint ist.

Zusätzlich muss ich noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen: Die Studie von Conners ist im "Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry" (Impact Factor: 6.444) erschienen. Das bedeutet, die wissenschaftlichen Gutachter der Zeitschrift haben die Studie von Conners geprüft und zur Veröffentlichung frei gegeben. Glauben Sie, dass Sie diese Studie besser beurteilen können, als die Gutachter des jaacap in diesem peer-reviewed Veröffentlichungsprozess?

P.Stibbons

ZitatSo wird bspw. nicht VT getestet, sondern "Gruppentherapie" (welche? wie lange? wie oft? wie gut ausgebildet waren die Therapeuten usw. usf.) Ich vermute, man hat dieses Designe gewählt, da es weit billiger ist, die Kinder intensiv in Gruppen zu therapieren, anstatt sie in teure Einzeltherapien zu stecken.

Nun, Ihre Fragen könnten Sie sich selbst beantworten, wenn Sie nur genau lesen würden.
1. Es handelt sich nicht um Kinder, sondern um Erwachsene

2. Die Frage nach dem Studiendesign bzw nach den verwendeten (standardisierten!) Methoden wird im Methodenteil besprochen

3. Für alle "Experten" ist ohnehin klar, um welche Art VT es sich bei der angebotenen VT handelte (mal abgesehen davon, dass die Unterschiede zwischen den Armen "VT" und "Beratung" nicht signifikant waren...):

Das so genannte "Freiburger Konzept" von Hesslinger, Philipsen et al. wird im einschlägig bekannten Manual "Psychoedukation und Coaching - ADHS im Erwachsenenalter" (Urban & Fischer /Elsevier) erläutert - ebenfalls sehr empfehlenswerte Lektüre bei Fortbildungsbedarf in Sachen ADHS.

Auf S. 23 heißt es zu den Hintergründen des verwendeten Ansatzes:

"In den USA wurde vor allem die kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung der ADHS weiterentwickelt (Safren et al. 2005) und in kontrollierten Untersuchungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft.
Im deutschen Sprachraum steht ein Behandlungskonzept zur Verfügung, das sich an die Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) nach M. Linehan anlehnt. Es handelt sich um ein modular aufgebautes Gruppenbehandlungsprogramm, für das auch ein Handbuch verfügbar ist (Hesslinger et al. 2004) und multizentrisch an einer größeren Stichprobe weiter evaluiert wurde (Philipsen et al. 2007)..."


Wichtig in unserem Zusammenhang ist dabei, dass die VT standardisiert abläuft, damit überhaupt Vergleichbarkeit hergestellt werden kann und dass es außerdem eine Multicenter-Studie ist, um den Therapeuten-Einfluss als confounding factor zu minimieren.