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Darmsanierung

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Begonnen von jumpfunky, 15. Januar 2012, 18:19:38

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jumpfunky

Hallo,

leider ist unsere Nachsorge-Hebamme etwas esoterisch veranlagt. Durch fleißiges mitlesen auf dem Esowatch.com Blog und Wiki konnte ich reichlich Quatsch schon entlarven. Sie ist beispielsweise ein Anhänger der Bachblütentherapie - ziemlich verrückt...  Außerdem ist Sie Anhänger eines "Ernährungsspezialisten" mit folgender Website: http://www.drfischeronline.com/
Der Herr scheint offensichtlich Impfkritiker zu sein und hat sich deshalb für mich komplett als "Experte" disqualifiziert.

Nun hat sie in ihrem Kurs jedem Teilnehmer empfohlen, eine Darmsanierung bei Säuglingen durchzuführen, welche per Kaiserschnitt auf die Welt kommen. Außerdem behauptet Sie, so ein Darmsanierung wäre immer nach einer Antibiotika-Einnahme absolut sinnvoll.  Sie empfiehlt dazu  die Einnahme des Medikaments (bzw. "nahrungsergänzungsmittel") "Lactobact", welches es von verschiedenen Herstellern gibt.

Natürlich werde ich den Teufel tun und so einer "Darmsanierung" bei meiner Tochter durchführen. Allerdings würde ich gern erfahren, ob hier womöglich User Statements über Sinn und Unsinn so einer Darmsanierung geben könnten. Gibt es entsprechende Studien?

Viele Grüße
Thorsten

Binky

Mit Darmsanieren/ -reinigen gibt es Einiges an unseriösen Empfehlungen. Normalerweise wird der Darm des Neugeborenen ganz von alleine von der Darmflora besiedelt. IHMO sind irgendwelche Mittelchen da ganz überflüssig.

Ich habe kurz im Netz zu diesem Thema gesucht. Ich fand haufenweise Scharlatanerie, aber keine Studien.

Ich finde es unverschämt, wie manche Eso-Hebammen junge Eltern verunsichern.

jumpfunky

Sie gehört definitiv dazu - das ganze Spektrum wurde zumindest kurz angerissen:
- Homöopathie
- Osteopathie
- Aroma-Therapie
- Akupunktur (neuerdings auch mit "komischen" Pflastern ohne Nadel)
- (Darmsanierung)

jumpfunky

Hallo, ich hab mal bei Pubmed und Wiki etwas gesucht und bin auf folgende Übersichtsarbeit gestoßen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18181732?dopt=Abstract

Der Abstract lässt vermuten, dass es sich bei der Empfehlung "Probiotikum nach Antibiotika" vielleicht nicht um Esoterik-Quatsch handelt.
Ein wirkliches Vertrauensverhältnis wird bei dieser Hebamme dennoch nicht aufkommen.

EDIT:
Weitere Arbeit kommt zu einem gutem Schlusswort: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22044892
"Currently, while some promising data exist, there are still more questions than answers. However, rapid progress in this area of research is expected and no doubt will bring about a number of exciting findings."

So wer ich's auch halten: Finger von lassen und auf bessere Studienlage warten.

Viele Grüße
Thorsten

merdeister

Genau! Nach einer Therapie mit Antibiotika mag das sinnvoll sein, dann sollte man jedoch seinen Arzt fragen, der weiß davon in der Regel auch bescheid, es gibt so eine E. Coli Kultur, die angeblich von einem Soldaten aus der 1.WK stammt, der als einziger keinen Durchfall bekam. Ich glaube, das heißt Mutaflor. Ich meine mich daran zu erinnern, dass die Besiedlung des Darms sich wieder zum alten ändert, sobald man die Probiotikazufuhr weglässt.

Ich habe gelernt, der Darm des Kindes wird durch die Hände der Eltern besiedelt, was meiner Meinung nach auch sinn ergibt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Zusammensetzung mit der Ernährung innerhalb der Familie sowie von genetischen Faktoren zusammenhängt.


Meine Darmsanierung sah wie folgt aus:

Mein Innenarchitekt hat erst mal eine Bestandsaufnahme gemacht, Zwölffingerdarm, Dünndarm und Dickdarm. Mit meinem Darmausgang war ich zufrieden, den wollte ich klassisch Antik halten, von diesem ganzen neumodischen Kram mit Analkamera und Stuhllichtschranke (per Bluetooth mit dem iPhone verbunden) halte ich nicht soviel. Mit meinem Zwölffingerdarm war der Architekt ganz zufrieden, auch wenn er es etwas steril fand. Da war nicht viel Spielraum, sonst hätte man den Anschluss an die Bauchspeicheldrüse komplett neu verlegen müssen.
Im Dünndarm hat er dann aber wirklich Gas gegeben. Die alten Tapeten sind runtergekommen, bis nur noch der Putz an den Wänden war. Da kam dann Raufasertapete drauf, die wurde zu meinem Teint passend gestrichen. Die Beleuchtung ist jetzt, indirekt, er meinte das macht man so. Früher wäre das nicht drin gewesen, weil in den ganzen Darmfalten soviel Schattenwurf war. Das musste ich immer gut ausleuchten, wegen der Schlacken die da sonst liegen geblieben wären. Das war dann hinterher besser, wirklich schickt.
Der Dickdarm hat ihm etwas Kopfzerbrechen bereitet, letztlich blieb nichts anderes übrig als das Ding komplett zu entkernen. Dafür wurde er Schall- und Wärmegedämmt, wobei die Glaswolle manchmal geziept hat. Es war wirklich ganz gemütlich.
Das ist jetzt eine Woche her und es sieht schon wieder genauso aus wie vorher. Meine Darmsanierung war wirklich herausgeschmissenes Geld.

Averell

Bilder! Wie bekomme ich diese plastische Beschreibung wieder aus dem Kopf? :wurst:

Zitat von: jumpfunky am 15. Januar 2012, 19:18:04
Der Abstract lässt vermuten, dass es sich bei der Empfehlung "Probiotikum nach Antibiotika" vielleicht nicht um Esoterik-Quatsch handelt.
Ein wirkliches Vertrauensverhältnis wird bei dieser Hebamme dennoch nicht aufkommen.
Hi Thorsten,
zu der Tante hätte ich aber auch kein Vertrauen, wenn die Eurem Zwerg solch einen Käse ohne Grund aufschwatzen will.

Ratiomania

Die Besiedlung des Darm beginnt mit der Vaginaflora (außer bei Kaiserschnitten is klar).  durch Hautkontakt mit Eltern kommt die Hautflora zustande.

Wenn ich jetzt nochmal meine Quelle find.

Da kam auch was mit Darm vor...

achja!

ZitatZunächst wird bei einer Vaginalgeburt sofort der Darm des Säuglings besiedelt. Anfänglich sind Enterobakterien und Streptokokken im Stuhl nachweisbar, und bei Muttermilch-Ernährung sind bald Bifidobakterien und Ruminococcus-Arten vorherrschend. Es besteht ein Zusammenhang zwischen mütterlicher Vaginalflora und fetaler Darmflora bei Vaginalgeburten

http://de.wikipedia.org/wiki/Darmflora#Beeinflussung_der_Darmflora

Belbo zwei

....und dann gibts da ja noch diese Darkrooms.

P.Stibbons

Zitat von: Ratiomania am 15. Januar 2012, 23:01:00
Die Besiedlung des Darm beginnt mit der Vaginaflora (außer bei Kaiserschnitten is klar).  durch Hautkontakt mit Eltern kommt die Hautflora zustande.

Wenn ich jetzt nochmal meine Quelle find.

Da kam auch was mit Darm vor...

achja!

ZitatZunächst wird bei einer Vaginalgeburt sofort der Darm des Säuglings besiedelt. Anfänglich sind Enterobakterien und Streptokokken im Stuhl nachweisbar, und bei Muttermilch-Ernährung sind bald Bifidobakterien und Ruminococcus-Arten vorherrschend. Es besteht ein Zusammenhang zwischen mütterlicher Vaginalflora und fetaler Darmflora bei Vaginalgeburten

http://de.wikipedia.org/wiki/Darmflora#Beeinflussung_der_Darmflora

Dieses Lactobact enthält - dem Namen nach - schlicht Milchsäurebakterien.  Beispiel:

http://www.purenature.de/shop/a3385/lactobact-premium-pulver.html

Die Empfehlung kam offenbar unter der Annahme zustande, dass wegen der Sectio-Entbindung  und dem fehlenden Kontakt zur mütterlichen Vaginalflora nicht genügend Milchsäurebakterien in der Darmflora des Babys vorhanden sind.

Evtl.  Folgen: Verdauungsstörungen, Unverträglichkeitsreaktionen??
Da bin ich überfragt.

Man müsste vermutlich mal bei den Entbindungssationen größerer Krankenhäuser nachfragen, ob dies tatsächlich eine praktisch relevante Komplikation nach Schnittentbindung darstellt, der unbedingt vorgebeugt werden muss.


P.Stibbons

Natürlich kommen die Empfehlungen zu solchen prophylaktischen Maßnahmen nicht automatisch aus dem Munde derer, die ohne Geschäftsinteressen allein das Kindeswohl im Auge haben:

http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/magen_darm/article/557889/per-kaiserschnitt-gestoerten-immunsystem.html

Zitat...Professor Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin der Universität Hohenheim auf einer vom Unternehmen Orthomol ausgerichteten Fortbildungsveranstaltung in München...

Diese Übersichtsartikel erscheint da zumindest etwas seriöser

http://www.springermedizin.at/artikel/15630-muttermilch-eine-natuerliche-quelle-von-pre-und-probiotika-zur-stimulation-der-kinder
Zitat
...Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass Bakterien in der Lage sind, die Plazenta zu durchqueren und der Fetus mit diesen Bakterien in Kontakt kommt (Bakardjiev et al. 2006). Zwei andere Studien zeigen, dass die Mikrobiota der Mutter über die Plazenta an den Fetus weitergegeben werden (Jiménez et al. 2005 & 2008). Beide Besiedlungswege scheinen wichtig für den Aufbau einer physiologischen Darmflora und die Reifung des Immunsystems zu sein.

Kinder, die per Kaiserschnitt entbunden worden sind, entwickeln in den ersten Lebensmonaten eine andere Darmflora als es Kinder tun, die vaginal entbunden werden. Sectio geborenen Kindern fehlen offensichtlich die mütterlichen Keime des Geburtskanals, dafür müssen sie sich mit den unerwünschten Bakterien des Krankenhausumfeldes auseinandersetzen (Penders et al. 2006). Ähnlich ist die Situation bei Frühgeborenen, bei denen die Sectio-Rate ebenfalls hoch und der mütterliche Geburtskanal häufig mit pathogenen Keimen besiedelt ist. Unabhängig vom Geburtsweg sorgt nach der Geburt die Muttermilch für die Entwicklung der physiologischen Darmflora.

Allerdings konnten auch schon bei Sectio-Kindern probiotische Keime im Stuhl nachgewiesen werden, die die Mutter in den letzten Wochen der Schwangerschaft aufgenommen hatte (Schultz et al. 2004)
. All diese Untersuchungen sprechen dafür, dass es neben der ,,klassischen" Besiedlung mit der Vaginalflora noch andere Wege der Besiedlung gibt, die bisher zu wenig Beachtung gefunden haben.  

Zur Bedeutung der Muttermilch:

ZitatIn der Muttermilch findet sich eine Vielzahl verschiedener Mikroorganismen wie Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken, Laktobazillen, Bifiduskeime und weitere Species (Mackie et al. 1999; Martin et al. 2004 & 2009; Gueimonde et al. 2007; Collado et al. 2009). Die regionalen Schwankungen können dabei erheblich sein (Abbildung 2). Muttermilch stellt die Hauptquelle von Laktobazillen für den neugeborenen Säugling dar (Tabelle 2). Milchsäurebakterien aus der Muttermilch finden sich im kindlichen Stuhl. Das lässt vermuten, dass sie in der Lage sind, den kindlichen Darm zu kolonisieren. Die günstigen Auswirkungen menschlicher Muttermilch auf die gastrointestinale Gesundheit von Säuglingen sowie auf das Immunsystem lassen auf die Anwesenheit von Bakterien schließen, welche über ein hohes probiotisches Potenzial verfügen.

Diese Erkenntnisse lassen die Schutzwirkung von Muttermilch zur Vorbeugung von Infektionen in einem neuen Licht erscheinen. Man weiß, dass durch Pasteurisierung ein Großteil der der immunologisch wirksamen Inhaltsstoffe der Muttermilch zerstört wird (Ford et al. 1977, Lawrence & Lawrence 2005). Dementsprechend müsste man auch die Bedeutung der natürlichen Muttermilch-Mikrobiota in diesen Prozess miteinbeziehen...

Das ist alles nichts wirklich Neues...

Florella

Ich habe mit großem Interesse diesen alten Beitrag gelesen. Ich lese sonst, bei meiner täglichen Eigenrecherche, nur ab und an mit hier im Forum.
Nun habe ich habe von Seiten der Wissenschaft einiges zur Darmsanierung gelesen und es sind vor allem in den letzten 5 Jahren viele Studien erschienen
welche sich kurz gesagt, für eine "Darmsanierung" aussprechen. Auch wenn dieser kein fester Begriff ist. Vielen Menschen wurde trotz unterschiedlicher
Beschwerden geholfen.

Was ist jetzt eure Meinung zu dem Thema? 7 Jahre später..

Viele Grüße

celsus

Zitat von: Florella am 12. Juli 2019, 12:54:51
Was ist jetzt eure Meinung zu dem Thema?

Meinungen helfen da nicht wirklich weiter und führen nicht zu neuen Erkenntnissen.

Aktueller Psiram-Stand: https://www.psiram.com/de/index.php/Darmreinigung

Wenn es aktuellere Informationen gibt, wären entsprechende Links und Zitate hilfreich.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

simpel

Zitat von: Florella am 12. Juli 2019, 12:54:51
... in den letzten 5 Jahren viele Studien erschienen
welche sich kurz gesagt, für eine "Darmsanierung" aussprechen. ...
Hast du da mal ein paar der "vielen" Studien?

Daggi

Im Forum hier, und auch im Blog von Psiram werden persönliche Meinungen ausgetauscht und diese sind immer willkommen. Im Wiki von Psiram wird versucht Konsense von Experten zu zitieren oder einen Wissensstand oder eine "Evidenzlage" abzubilden. Dabei, und auch bei der Quellennennung, lässt sich nicht immer verhindern daß der jeweilige Autor auch ein wenig seine Meinung einfliessen lässt. Dennoch ist es nicht das Ziel daß Meinungen in den Wikiartikeln den Inhalt bestimmen. Sehr wohl ist es aber usus Meinungen von Experten zu zitieren, am besten von Leuten die in keiner Weise Vorteile durch ihre Sichtweise erlangen.

Viele Artikel im Wiki sind nicht mehr up to date. Daher findet auch ständig eine Anpassung an die aktuelle Evidenzlage statt. Wenn es neue Expertenkonsense oder Leitlinienänderungen oder neue Empfehlungen von Fachgesellschaften gibt: immer her damit, und zwar hier im Forum. Allerdings nur zitierbare Literatur bitte. 

Florella

Zitat von: simpel am 12. Juli 2019, 14:22:50

Hast du da mal ein paar der "vielen" Studien?
[/quote]

Klar:

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Zocco MA, dal Verme LZ, Cremonini F, Piscaglia AC, Nista EC, Candelli M, Novi M, Rigante D, Cazzato IA, Ojetti V, Armuzzi A, Gasbarrini G, Gasbarrini A. Efficacy of Lactobacillus GG in maintaining remission of ulcerative colitis. Aliment Pharmacol Ther 2006;23(11):1567–74



Das sind alle Studien, die ich in den letzten Monaten durchgearbeitet habe. Einige gehen direkt um das Thema Darmsanierung und andere behandeln die Randgebiete wie beispielsweise die Wirkung von Antibiotika auf die Darmflora. Der Wiederaufbau der Darmflora. Die Wirkung von natürlichen Mitteln wie Flohsamenschalen, Probiotika, etc. auf die Darmgesundheit. Und vieles mehr.

Dieses Thema wird meiner Meinung nach sehr engstirnig betrachtet. Ich höre immer nur "Schlacken" und bemerke wie sich die Menschen auf diese Wörter konzentrieren und nicht den Zusammenhang verstehen. Natürlich gibt es keine Schlacken in dem Sinne im Darm. Der Darm ist auch kein Hochofen...

LG