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Warum geben sich Ärzte für Eso-Schwurbel her?

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Begonnen von Lukian, 22. Juli 2011, 13:21:29

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Lukian

Hallo,

heute morgen beim Autofahren im Radio (HR1):

" Unser Profi aus der Redaktion Frau Dr. med Schwurbeldurbel informiert sie über die Übersäuerung unseres Körpers. Allgemeine Folgen können sein Müdigkeit und Abgeschlagenheit, blah, blah."

Ich bin zwar kein Fachmann,erlaube mir aber mal die Feststellung, dass das Käse ist.

Warum gibt sich eine Ärztin für so einen Käse her? Müsste sie nicht eher aufklärend wirken?
Und müsste man denen nicht mal einen Mail schicken, dass es einen Bildungsauftrag gibt, für eine aus Steuergeldern finanzierten Sendeanstalt?

Dass das Privatfernsehen völlig verblödet ist, wundert mich nicht. Die öffentlich-rechtlichen sind aber oft unter aller Sau.

Das führt mich zu meiner eigentlichen Frage: Wie hoch schätzt ihr den Anteil an Eso/Schurbel-Typen unter Ärzten? Und warum tun die
das? Für so einen Beitrag im Radio gibts doch nicht so viel Geld.

Gruß

Gruß

rincewind

Zitat von: Lukian am 22. Juli 2011, 13:21:29
Hallo,

heute morgen beim Autofahren im Radio (HR1):

" Unser Profi aus der Redaktion Frau Dr. med Schwurbeldurbel informiert sie über die Übersäuerung unseres Körpers. Allgemeine Folgen können sein Müdigkeit und Abgeschlagenheit, blah, blah."

Ich bin zwar kein Fachmann,erlaube mir aber mal die Feststellung, dass das Käse ist.

Ja. Siehe:

http://www.psiram.com/ge/index.php?title=%C3%9Cbers%C3%A4uerung

Zitat
Warum gibt sich eine Ärztin für so einen Käse her? Müsste sie nicht eher aufklärend wirken?

Müsste man meinen ...

Zitat
Und müsste man denen nicht mal einen Mail schicken, dass es einen Bildungsauftrag gibt, für eine aus Steuergeldern finanzierten Sendeanstalt?

Machs. Wird aber nicht viel nützen. Mein Eindruck ist, dass auch bei ansonsten erträglichen Sendern speziell Gesundheitsredaktionen alternativ-esoterisch verseucht sind.

Zitat
Dass das Privatfernsehen völlig verblödet ist, wundert mich nicht. Die öffentlich-rechtlichen sind aber oft unter aller Sau.

Das würde ich heute nicht mehr so unterschreiben. Leider. Auf den Privaten läuft manchmal deutlich besseres als bei den ÖR.

Zitat
Das führt mich zu meiner eigentlichen Frage: Wie hoch schätzt ihr den Anteil an Eso/Schurbel-Typen unter Ärzten? Und warum tun die
das? Für so einen Beitrag im Radio gibts doch nicht so viel Geld.

Schätzen? 10%? Reines Bauchgefühl, ohne Grundlage. Wobei das je nach Fachrichtung sicher sehr abweicht. Einen Anästhesisten, der an Homöopathie glaubt, wird man eher selten finden. Auch ein Studium schützt nicht vor magischem Glaube. Man kann auch ein Physikum absolvieren mit reinem Lernen, ohne das Wesentliche wirklich verstanden zu haben. Die meisten tun es vermutlich aus einer Mischung von Überzeugung und dem Wunsch, ihrer Klientel entgegen zu kommen.



Lukian

ZitatDas würde ich heute nicht mehr so unterschreiben. Leider. Auf den Privaten läuft manchmal deutlich besseres als bei den ÖR.

Überrascht mich jetzt. Kann aber sein, dass ich da Vorurteile hab. Kannst Du Bsp. nennen?


Gruß

rincewind

Zitat von: Lukian am 22. Juli 2011, 13:46:31
ZitatDas würde ich heute nicht mehr so unterschreiben. Leider. Auf den Privaten läuft manchmal deutlich besseres als bei den ÖR.

Überrascht mich jetzt. Kann aber sein, dass ich da Vorurteile hab. Kannst Du Bsp. nennen?

Hm. Ist auch nur ein subjektiver Eindruck. Z.B. läuft im Ersten Mutantenstadel und im zweiten irgend ein Traumschiff, währen man meinetwegen auf VOX eine spannende Discovery-Chanel-Reportage sehen kann. Oder auf Pro7(?) eine hochwertiges DCPT-Interview. Oder Serien: Ich halte Dr.House für deutlich hochwertiger als Marienhof ...


Lukian

Ich hab' gerade nochmal nachgedacht, warum ich überhaupt gepostet hab.

Als Arzt oder Psychotherapeut hat man einen gewissen sozialen Status. Dafür verlangen die Götter Mühe und Intelligenz. Um Arzt oder Psychotherapeut zu werden, muss ich jahrelang studiert haben. Ich muss einen recht großen Aufwand betreiben, Geld investieren. Praxisausstattung usw.

Für alle ,,Meister" die ich kenne, ist nach meiner Einschätzung die Erschleichung von sozialem Status eine wichtige Motivation. Auch wenn sie das nie zugeben würden.
Die meisten, die ich kenne, sind zumindest etwas einfältig. Können sich aber bei noch einfältigeren als ,,Heiler" und ,,Weiser" aufspielen.
Ein Med-Studium hätten die nie bewältigt.

Als Arzt hat man das eigentlich nicht nötig. Deswegen meine Frage.

Gruß

Copa

Trotzdem bekommen die mit Quackgeschwurbel mehr Aufmerksamkeit, als mit ehrlicher Arbeit.

Die Impfgegnerärzte sind zum Beispiel fachlich durch die Bank weg Nullen, aber wirtschaftlich ziemlich erfolgreich und in den Medien überrepräsentiert:
http://www.psiram.com/ge/index.php?title=%C3%84rzte_f%C3%BCr_eine_individuelle_Impfentscheidung_e.V.

Richtig üble Typen wurden durch Betrug an Verzweifelten auch noch reich:
http://www.psiram.com/ge/index.php?title=Matthias_Rath
http://www.psiram.com/ge/index.php?title=Nikolaus_Klehr

Lukian

...das führt mich zu einer Frage, die ich mir immer wieder stellen muss. Warum sind die Medien (viele, nicht alle, naja doch fast alle) so qualitätslos?

Liegt es daran, dass die Meisten, die da arbeiten, Kultur"wissenschaften" und angewandte
Schwurbelwi...äh, Geisteswissenschaften studiert haben?

Oder liegt es daran, dass der Duchschnittszuschauer der ÖR ein geriatrisches Phänomen ist?

Gruß

Copa

Viele Meinungen, die man hat, übernimmt man doch einfach aus der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, ohne sie zu hinterfragen.

Wer "irgendwas mit Medien" macht, ist mit wahrscheinlich nicht konservativ und deswegen für Bioobst, Alternativmedizin, Solaranlagen und gegen Atomkraftwerke, Konzerne und Gentechnik.

Irgendwie so.


Der Klaus Martens ist jedenfalls so eine Type:
http://www.psiram.com/ge/index.php?title=Regividerm#Buch_.22Heilung_unerw.C3.BCnscht.22

Der hat gar nicht mitgekriegt, was der für einen Blödsinn zusammengedreht und -geschrieben hat.

Lukian


Copa

Ben Goldacre ist in seinem Buch hart mit den Geisteswissenschaftlern in den Medien ins Gericht gegangen.
Ich habe den Blogartikel, der dem Kapitel zugrundeliegt gefunden:

ZitatThis misrepresentation of science is a direct descendant of the reaction, in the Romantic movement, against the birth of science and empiricism more than 200 years ago; it's exactly the same paranoid fantasy as Mary Shelley's Frankenstein, only not as well written. We say descendant, but of course, the humanities haven't really moved forward at all, except to invent cultural relativism, which exists largely as a pooh-pooh reaction against science.

And humanities graduates in the media, who suspect themselves to be intellectuals, desperately need to reinforce the idea that science is nonsense: because they've denied themselves access to the most significant developments in the history of western thought for 200 years, and secretly, deep down, they're angry with themselves over that.
http://www.badscience.net/2005/09/dont-dumb-me-down/

Tränchen

ZitatWie hoch schätzt ihr den Anteil an Eso/Schurbel-Typen unter Ärzten?

Ich persönlich, aber das ist mein ganz persönlicher Eindruck (ich lebe in einer Antroposphen verseuchten Gegend  :kotz: ) liegt der Anteil bei ca. 75 %. Es gibt ja zwischenzeitlich sogar ganze Kliniken die damit "therapieren".

ZitatUnd warum tun die das?
Soweit ich weiß kann man das ganze Eso-Zeug -soweit von der Krankenkasse zugelassen/anerkannt- wesentlich besser abrechnen als "normale" Behandlung. Da bringt schon die bloße Untersuchung -da es ja auch länger dauert- wesentlich mehr. Der Geldbeutel dürfte bei vielen Ärzten wohl noch interessanter und wichtiger sein als die Reputation.

Im Radio, Fernsehen oder Zeitung breitet man diesen Schwachsinn gerne und freiwillig aus, weil es schlicht und ergreifend Werbung ist. Der normale Zuhörer hört ganz einfach "Die Expertin/der Experte Dr. Schwurbeldurbel" ", merkt sich das und wenn das Zipperlein plagt und Dr. Schwurbeldurbel in der Nähe ist, dann kann man da ja mal hingehen. Ist ja auch "in" sich bei einem Homöopathen/Heilpraktiker/Dr. Schwurbeldurbel behandeln zu lassen - alles andere ist ja böses Gift, unterstützt nur die Pharma-Mafia und überhaupt.

Ärzte, die davon nichts halten und das Ganze als Blödsinn ansehen, werden kaum für entsprechende Interviews zu gewinnen sein - abgesehen davon, was sollten sie auch aus der Praxis erzählen? Das interessiert keinen. Viel interessanter ist doch, irgendwelche Moden zu bedienen die dann auch ordentlich Geld in die Kasse bringen.

Schaut mal nach, wieviele der Schwurblärzte ganz nebenbei noch NEMs vertreiben.  :kotz:


Superkalifragilistisch

Die haben sich selbst in die esoterischen Erklärungsarten verliebt! Ich vermute bei den Wenigsten ein blosses Verkäufertum, die Verbindung dürfte in den allermeisten Fällen wesentlich enger sein. Auch Akademiker sind einfältig, können dem romantischen Schwärmertum verfallen. Der Intellektuelle unterscheidet sich nicht durch durch weniger Liebe zum Mythos vom Idioten, sondern lediglich durch die Präferierung anderer, prestigehaltigerer, Systeme. Esoterik bedient den Größenwahn des Heilands und liefert Erklärungen für Dinge, für die die Medizin sonst keine Erklärung oder Hilfe anzubieten hat.
"Umgekehrt mußte die Psychoanalyse manchen enttäuschten Adepten eines vulgarisierten, auf eine ökonomisch-soziale Theorie reduzierten Marxismus als Bereicherung erscheinen."

Jetzt im Trend: »irgendwas mit Gesellschaftskritik«

Lukian

@Frau Kuchen

Was ich so irgendwie geahnt habe bringt Goldacer auf den Punkt. Am übelsten sind
,,radikale Konstruktivisten". Als egal, alles relativ. Alles wahr.

@Träne
ZitatSchaut mal nach, wieviele der Schwurblärzte ganz nebenbei noch NEMs vertreiben. 
Hab ich auch schon bei so windschnittigen mit Gel im Haar und Porsche erlebt, die eigentlich sehr uneso daherkommen.

@Superknalli

ZitatDer Intellektuelle unterscheidet sich nicht durch durch weniger Liebe zum Mythos vom Idioten, sondern lediglich durch die Präferierung anderer, prestigehaltigerer, Systeme.

Ich fürchte, Du hast Recht.


Cheers


rincewind

Zitat von: Superkalifragilistisch am 22. Juli 2011, 16:29:40
Der Intellektuelle unterscheidet sich nicht durch durch weniger Liebe zum Mythos vom Idioten, sondern lediglich durch die Präferierung anderer, prestigehaltigerer, Systeme.

Ein wunderschöner Satz. Und der folgende Link ist jetzt fies in diesem Kontext:

http://de.wikipedia.org/wiki/Intellektueller

Zitat...Ein Intelligenzler kann zum Intellektuellen werden, sofern er öffentlich zu Fragen Stellung bezieht, die auch außerhalb seiner eigenen Fachkompetenz liegen können, ...