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Lesenswert: Kommunismus-Debatte Utopie und Terror

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Begonnen von cohen, 11. Januar 2011, 21:00:45

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cohen

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,738561,00.html


ZitatKommunismus-Debatte
Utopie und Terror

Von Jan Fleischhauer

Gesine Lötzsch sorgt mit ihren Ausführungen zum Kommunismus für Aufregung. Es zeigt sich einmal mehr: Wenn es um den Kommunismus geht, versuchen Linke bis heute, Idee und Ausführung zu trennen. Dabei gehören beide zwangsläufig zusammen.

Selbst in der eigenen Partei sind sie jetzt etwas unglücklich über die Vorsitzende der Linken und ihr Bekenntnis zum Kommunismus. Allerdings weniger aus inhaltlichen Gründen, wie die halbherzigen Distanzierungen zeigen, in der Sache haben dort nur die wenigsten an den Äußerungen von Gesine Lötzsch etwas auszusetzen. Man nimmt ihr vor allem übel, dass sie den Leuten so direkt auf die Nase gebunden hat, wohin die Reise mit der Linkspartei geht, sollte sie wieder an die Macht kommen....


Ridcully

Ach der Fleischhauer, für den ist jeder politische Gestaltungswillen totalitär. Freiheitlich ist nur die Verteidigung des Status Quo, und da darf der Staat ruhig wieder zulangen, das ist dann nicht totalitär sondern Verteidigung der bürgerlichen Freiheit oder so. Flacher geht es echt nicht mehr.

Das kann auch SPON differenzierter: Klassenlos und frei von Kohlendioxid

BasementBoi

"Niemand klaren Verstandes käme auf die Idee, am Nationalsozialismus noch irgendetwas Gutes zu sehen, beim Kommunismus, der anderen mörderischen Großideologie des 20. Jahrhunderts, ist das selbstverständlich anders."

Schon dreist wie der Autor die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert.

Adromir

Zitat von: BasementBoi am 11. Januar 2011, 23:01:12
"Niemand klaren Verstandes käme auf die Idee, am Nationalsozialismus noch irgendetwas Gutes zu sehen, beim Kommunismus, der anderen mörderischen Großideologie des 20. Jahrhunderts, ist das selbstverständlich anders."

Schon dreist wie der Autor die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert.
Inwiefern? Die Schätzungen der stalinistischen Säuberungen gehen von Zahlen zwischen 1-60 Millionen Opfern aus (Die vorherrschenden Meinungen pendeln sich bei ca. 20 Millionen ein). Bei der Chinesischen Kulturrevolution unter Mao gibt es Schätzungen um die 45 Millionen, aber auch welche, die bis 75 Millionen gehen. Und das sind beileibe noch nicht alle kommunistischen Länder die es gibt/gab, sondern nur die beiden größten.

BasementBoi

Zitat von: Adromir am 12. Januar 2011, 04:48:30
Zitat von: BasementBoi am 11. Januar 2011, 23:01:12
"Niemand klaren Verstandes käme auf die Idee, am Nationalsozialismus noch irgendetwas Gutes zu sehen, beim Kommunismus, der anderen mörderischen Großideologie des 20. Jahrhunderts, ist das selbstverständlich anders."

Schon dreist wie der Autor die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert.
Inwiefern? Die Schätzungen der stalinistischen Säuberungen gehen von Zahlen zwischen 1-60 Millionen Opfern aus (Die vorherrschenden Meinungen pendeln sich bei ca. 20 Millionen ein). Bei der Chinesischen Kulturrevolution unter Mao gibt es Schätzungen um die 45 Millionen, aber auch welche, die bis 75 Millionen gehen. Und das sind beileibe noch nicht alle kommunistischen Länder die es gibt/gab, sondern nur die beiden größten.
Der Holocaust war ein einzigartiges Verbrechen, ein industrieller Massenmord aufgrund einer wahnhaften Ideologie, dem Antisemitismus und Rassismus.
Das ist nun beim Kommunismus nicht der Fall, obwohl es auch linken Antisemitismus gibt.

zwingenberger

@ Adromir:

Im Falle VR China noch eine Anmerkung: die Opfer der Kulturrevolution dürften "nur" zwischen 4 und 7 Mio liegen. Die größere Zahl betrifft den "Großen Sprung nach vorn", eine aberwitzige Kollektivierungs- und Industrialisierungskampagne in den 50ern.

Gestern gab es in der Frankfurter Rundschau noch einen lesenswerten Artikel von Jakob Schland "Bis übermorgen, Kommunismus!" http://www.fr-online.de/kultur/debatte/bis-uebermorgen--kommunismus-/-/1473340/5162768/-/index.html.

Conni

Die Kollektivierung in der Landwirtschaft forderte in der Ukraine in den Jahren 1932/33 mind. 3,5 Millionen Todesopfer.

http://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor


cohen

Zitat von: zwingenberger am 12. Januar 2011, 08:47:15
Gestern gab es in der Frankfurter Rundschau noch einen lesenswerten Artikel von Jakob Schland "Bis übermorgen, Kommunismus!" http://www.fr-online.de/kultur/debatte/bis-uebermorgen--kommunismus-/-/1473340/5162768/-/index.html.

Da kommt der Popper drin vor. Das treffendste von ihm ist, dass man eine Gesellschaft braucht, in der man unfähige und schlechte Politiker unblutig loswerden kann.

ZitatStatt nach dem guten Herrscher zu streben, empfahl er, sich auf den Aufbau und Erhalt von Institutionen zu konzentrieren, mit denen man schlechte Herrscher wieder loswerden kann.


Wer lieber chinesisches Militär, anstatt unsere Polizisten bei Demos haben will, ist mit dem Klammerbeutel gepudert. Das Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens ist gerade mal 21 Jahre her.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tian%E2%80%99anmen-Massaker#Opferzahlen_und_Repression

ZitatOpferzahlen und Repression [Bearbeiten]
Die geschätzten Opferzahlen gehen sehr weit auseinander. Offiziell war von insgesamt 300 toten Soldaten und Zivilisten die Rede, etwa 5.000 Soldaten und 2.000 Zivilisten wurden verletzt. Amnesty international schätzte 700 bis 3.000 Tote, das chinesische Rote Kreuz meldete am 4. Juni den Tod von 2.600 Zivilisten.

An die Niederschlagung der Proteste schloss sich eine Welle der Repressionen seitens der Staatsführung an. Für die Staatsführung waren die Studenten nie das eigentliche Problem gewesen. Deng Xiaoping schrieb schon am 16. April in der Parteizeitung Renmin Ribao: ,,Emotional erregte junge Studenten" waren irregeleitet durch ,,fremde Elemente" mit ,,weitergehenden Motiven".[16] Die Partei sah die Notwendigkeit eine koordinierte Konterrevolution vorzuzeigen, die von Hintermännern organisiert und geleitet wurde, die Verbindungen zum Westen hatten. Die Beijing Workers Autonomous Federation und die anderen Gewerkschaftsbewegungen wurden als besonders bedrohlich eingestuft. Die Erinnerung an die Erfahrungen in Polen mit der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność Anfang der 1980er Jahre wirkte fort. Als vermeintliche Organisatoren hinter den Protesten, die so genannten ,,schwarzen Hände", wurden auch Wissenschaftler des Beijing Social and Economic Sciences Research Institutes eingestuft,[17] Am 13. Juni wurde eine Liste mit den 21 meistgesuchten Aktivisten der Studentenbewegung veröffentlicht. Weiterhin wurden Arbeiter, die sich an den Protesten beteiligt hatten, wie auch kritische Intellektuelle verhaftet und in wenig rechtsstaatlichen Prozessen zu langen Haftstrafen oder auch der Todesstrafe verurteilt. Im Zusammenhang mit dem Tian'anmen-Massaker wurden 49 Hinrichtungen öffentlich bekannt gegeben. Diese betrafen vorwiegend Arbeiter und Intellektuelle, jedoch keinen Studenten. Die Studenten, die während der Proteste von den chinesischen Behörden als Teilnehmer dauerhaft registriert wurden, erhielten in der Folgezeit gezielt keine Möglichkeit, eine Arbeit zu finden.

Innerhalb der politischen Führung wurde KP-Generalsekretär Zhao Ziyang (1919–2005) für das Vorgefallene verantwortlich gemacht, seiner Ämter enthoben und bis an sein Lebensende unter Hausarrest gestellt.

Das Tian'anmen-Massaker beendete die Demokratie- und Studentenbewegung der 1980er-Jahre in der Volksrepublik China. Neben der abschreckenden Wirkung der Ereignisse vom 3. und 4. Juni 1989 wirkte sich allerdings auch das starke wirtschaftliche Wachstum mit guten Karrierechancen für Absolventen einer Hochschulausbildung auf diesen Prioritätenwechsel aus.


Bei kommunistischen Revolutionen kamen regelmäßig kranke Arschlöcher an die Macht. Ich habe keinen Bock auf den Kommunismus, dann muss ich nämlich ins Lager. Wären wir Chinesen, gäbe es kein Esowatch.

Conni

ZitatIch habe keinen Bock auf den Kommunismus

WORD!

Gandalf

Niemand hier hat darauf Bock. Deswegen haben wir ja auch einen Kommunismus-Artikel.

Rattentod

Das merkwürdige ist, dass wie mir scheint die meisten Leute der Meinung sind: "Kommunismus? Gute Idee, funktioniert halt in der Praxis nicht!". (War mal Thema einer Umfrage)
Warum ist etwas eine gute Idee, wenn es nicht funktioniert? Super Idee! Lassen wir es aber bleiben!
Verstehe ich irgendwie nicht...

Und noch eine Merkwürdigkeit: Bei mir in der Gegend sind die Kommunisten im Endeffekt die wählbarste Partei. Warum? Der lokale Parteichef ist ein hochintelligenter Mann und als Persönlichkeit schwer in Ordnung.

cohen

Habt Ihr mitbekommen, dass gerade eben linke Schläger Rentner (ehemalige politische Häftlinge der DDR) ins Krankenhaus gekloppt haben?
Das waren bestimmt "verwirrte Einzeltäter", ohne politischen Hintergrund.  :-\

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/politische_haeftlinge_der_ddr_am_rande_der_rosa_luxemburg_demonstration_kra/

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/verharmlosung_linksextremer_gewalt_im_staatsfernsehen/

Egon Krenz war in Berlin übrigens auch da und hat geklatscht:
:kotz:
http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/print/politik/332347.html

BasementBoi

Wo ist der Esowatch Artikel zum Kommunismus?


Ridcully

Zitat von: cohen am 12. Januar 2011, 11:05:46
Habt Ihr mitbekommen, dass gerade eben linke Schläger Rentner (ehemalige politische Häftlinge der DDR) ins Krankenhaus gekloppt haben?
Das waren bestimmt "verwirrte Einzeltäter", ohne politischen Hintergrund.  :-\

Vermutlich irgendwelche Stalinistenspinner. Bei der jährliche Demonstration zum Grab von Luxemburg & Liebknecht und den Veranstaltungen drumherum wie dieser kommen die ganzen Irren aus ihren Löchern gekrochen. Direkt gegenüber von deren Grab ist ein Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus, an dem auch Blumen niedergelegt werden. Da stehen nicht umsonst Ordner daneben, denn da gibt es regelmäßig Stress mit diesen Irren, für die das einzige Opfer Stalins Nazideutschland war.

Zitat von: Adromir am 12. Januar 2011, 04:48:30
Zitat von: BasementBoi am 11. Januar 2011, 23:01:12
Schon dreist wie der Autor die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert.
Inwiefern? Die Schätzungen der stalinistischen Säuberungen gehen von Zahlen zwischen 1-60 Millionen Opfern aus (Die vorherrschenden Meinungen pendeln sich bei ca. 20 Millionen ein). Bei der Chinesischen Kulturrevolution unter Mao gibt es Schätzungen um die 45 Millionen, aber auch welche, die bis 75 Millionen gehen. Und das sind beileibe noch nicht alle kommunistischen Länder die es gibt/gab, sondern nur die beiden größten.

Jetzt gehen diese bescheuerten Zahlenspiele wieder los. Diese gern in den Raum geworfenen Schätzungen basieren ganz überwiegend auf dem Vergleich von projektierten Bevölkerungsentwicklungen mit den tatsächlichen. Da ist es völlig egal, ob die fehlenden Menschen umgebracht wurden, verhungerten, auswanderten oder gar nicht erst geboren wurden. Mit der Methode wird sogar die bei zunehmender Entwicklung allgemein abnehmende Geburtenrate zu einem Genozid.

Bei den tatsächlich im Namen des Kommunismus (@ Vollpfosten Fleischhauer: anders als der Kommunismus sprach der NS seinen späteren Opfern von vorneherein das Lebensrecht ab) ums Leben gebrachten muss man differenzieren zwischen den Opfern politischen Mordes, den Opfern von Hungersnöten, den Opfern von (Bürger)kriegen. Für letztere kann man kaum die Kommunisten allein verantwortlich machen. Der weit überwiegende Teil der bei den hohen Schätzungen für Sowjetunion und China enthaltenen Opfer sind Hungersnöten zum Opfer gefallen. Zwar hat in beiden Fällen die Regierung diese durch ihre Wirtschaftspolitik zumindest verschärft, wenn nicht gar ausgelöst, es war aber nicht ihr Ziel, ihre Bevölkerung umzubringen (auch wenn ukrainischen Nationalisten gerne was anderes behaupten). Beides waren rückständige Agrargesellschaften, in denen es auch vorher regelmäßig  zu verheerenden Hungersnöten kam, welche die Geschichtsschreibung aber gerne als Naturkatastrophen behandelt, während die unter den Kommunisten zum Genozid gemacht werden. Wenn man hingegen nur diejenigen betrachtet, welche aus politischen Gründen umgebracht wurden, bleiben in beiden Ländern sicher immer noch ein paar Millionen. Nur kann man dann nicht mehr die Opferzahlen des NS in den Schatten stellen und darauf scheint es vielen anzukommen, die mit solchen wilden Schätzungen um sich werfen.

Speziell für Deutschland gilt: ein einziger Tag Drittes Reich hat mehr Opfer gekostet als vierzig Jahre DDR. Wer da wie Fleischhauer und andere Vollspasten meint, das dauernd gleichsetzen zu müssen, tut tatsächlich nichts anderes, als den Nationalsozialismus grotesk verharmlosen.

Zitat von: Gandalf am 12. Januar 2011, 10:44:43
Niemand hier hat darauf Bock. Deswegen haben wir ja auch einen Kommunismus-Artikel.

Haben wir nicht, das ist ein leider nicht besonders guter ML-Artikel.

Zitat von: cohen am 12. Januar 2011, 10:06:00
Zitat von: zwingenberger am 12. Januar 2011, 08:47:15
Gestern gab es in der Frankfurter Rundschau noch einen lesenswerten Artikel von Jakob Schland "Bis übermorgen, Kommunismus!" http://www.fr-online.de/kultur/debatte/bis-uebermorgen--kommunismus-/-/1473340/5162768/-/index.html.

Da kommt der Popper drin vor. Das treffendste von ihm ist, dass man eine Gesellschaft braucht, in der man unfähige und schlechte Politiker unblutig loswerden kann.

Ja. Und das untreffendste von ihm ist, dass er jede Utopie als tendenziell totalitär ansieht. Der (und Fleischhauer etc.) verkauft das als Pluralismus, tatsächlich ist es eine antidemokratische und selbst in der Tendenz totalitäre Aussage. Denn wenn die Politik sich nur noch durchwurschteln darf, kann man die auch ein paar Verwaltungsexperten überlassen und so unnötige Reibungsverluste durch demokratische Institutionen vermeiden. Die können sich dann ja alle paar Jahre ihre Amtsführung per Voksabstimmung bestätigen lassen.

Man muss bei der Popperlektüre beachten, dass er über den ML zu den Hochzeiten des Stalinismus schrieb. Was er da als Historizismus kritisiert, ist der Glaube an einen unabwendbaren Gang der Geschichte auf einem klar vorherbestimmten Weg. Der findet sich schon bei Marx nicht, der eher Tendenzen und gesellschaftliche Spannungen beschreibt. Der findet sich aber auch nicht bei Lötzsch. Das gefährliche ist nicht die Idealvorstellung, wie man die Gesellschaft gerne hätte (die übrigen bei Kommunisten notorisch schwammig ist), sondern die Überzeugung, den allein richtigen Weg dahin zu kennen und gegen jeden Widerstand durchsetzen zu müssen.

Zitat von: cohen am 12. Januar 2011, 10:06:00Wer lieber chinesisches Militär, anstatt unsere Polizisten bei Demos haben will, ist mit dem Klammerbeutel gepudert. Das Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens ist gerade mal 21 Jahre her.

Wer will das denn bitte? Und was hat China bis auf den Namen der regierenden Partei mit Kommunismus zu tun?

Zitat von: cohen am 12. Januar 2011, 10:06:00Wären wir Chinesen, gäbe es kein Esowatch.

Ich weise mal vorsichtig darauf hin, das EW auch so anonym betrieben und im Ausland gehostet wird. Sitzt der Domaininhaber nicht sogar in China?  :D


Das alberne an der "Debatte" (muhaha!) ist doch, dass die Lötzsch ein sozialdemokratische Rede gehalten hat und alle eine Stalinreflex bekommen, bloss weil sie diesen Reformismus als Weg zum Kommunismus verkauft hat. Anstatt sich zu freuen, dass wer die Hardcorefraktion der Revolutionsgläubigen vom Weg der demokratischen Gestaltung der Gesellschaft überzeugen will.