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Homöopathie und Co: Warum "tolerieren" wir sie nicht einfach?

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Begonnen von T-M, 07. November 2010, 21:14:21

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T-M

Ich weiß, es ist vermutlich etwas provokativ, was ich hier jetzt schreibe, aber es spiegelt die Gedanken wieder, die mir schon seit ein paar Wochen durch den Kopf gehen, und ich hoffe, dass eine (hoffentlich sachliche) Diskussion darüber mir helfen könnte, diese Gedanken einzuordnen und mir eine Meinung zu bilden. Ich bitte euch daher, folgendes nicht als meine feststehende Meinung anzusehen, sondern zu berücksichtigen, dass ich versuche, um mir selbst eine Meinung zu Bilden, die Position des Advocatus Diaboli einzunehmen.

Warum werden " alternatimedizinische" Methoden wie Homöopathie, Schüßler-Salze usw. hier überhaupt als "bekämpfenswert" angesehen, statt sie (solange sie nicht zulasten der "schulmedizinischen" Behandlung gehen) zu "tolerieren" und sich auf die wirklich gefährlichen oder schädlichen Methoden zu konzentrieren?

Nein, ich bin kein Anhänger dieser Methoden, mir ist klar, dass es sich dabei nur um Placebos handelt. Aber wo eigentlich ist dabei das Problem dabei?

Ja, es ist an sich eine gute Idee, über die Unwirksamkeit von so etwas aufzuklären, aber mittlerweile habe ich gemerkt, dass die allermeisten Menschen, die diesen Methoden nicht bereits selbst ablehnend gegenüberstehen, gar nicht aufgeklärt werden wollen. Es ist wohl einfach so, dass die meisten Menschen dem "Mit hat's auch geholfen!" der Nachbarin von schräg gegenüber wesentlich mehr Wert beimessen, als Studien irgendwelcher Wissenschaftler, die sie nicht kennen. Und wenn die Leute das Gefühl haben, dass ihnen etwas hilft (Placeboeffekt sei dank), ist es ihnen "scheiß egal" (Wörtliche Zitat), ob längst bewiesen ist, dass es gar nicht funktionieren kann.

Argumentiert man dagegen an, gilt man bestenfalls als armes, dummes Opfer der Schulmedizin oder man bekommt etwas pseudo-tolerantes zu hören ("Ich gebe ja zu, dass die Schulmedizin ebenso wirkt wie die Homöopathie, jetzt musst du aber auch zugeben, dass die Homöopathie genauso gut wirkt wie die Schulmedizin, sonst bist du derjenige von uns beiden, der intolerant glaubt, auf der einzig wahren Wahrheit zu sitzen."). Schlimmstenfalls macht man sich extrem unbeliebt, weil der andere Beleidigt reagiert ("Glaubst du etwa, die Nabarin lügt, wenn sie mir erzählt, dass es so toll wirkt, nur weil so ein paar blöde Wissenaschaftler was anderes behaupten? Glaubst du etwa, ich lüge selbst, wenn ich sage, dass es mir hilft?"). (All das wird übrigens auch bisher unbeteiligte Dritte eher auf die Seite des Homöopathen ziehen, denn die Seite desjenigen, der mehr weiß (über die böse Pharma-Verschwörung), toleranterweise die Methode des Gegners als ebenfalls wirksam anerkennt und einfach so der Lüge bezichtigt wird, wirkt einfach sympathischer, und plötzlich hat man nicht nur einen Gegner, sondern mindestens die Hälfte derjenigen, in deren Kreis die Diskussion stattfindet, seien es Familienmitglieder, Arbeitskollegen oder was weiß ich.)

Wenn also die Anhänger derartiger Methoden auf Gegenargumente in der Regel lediglich mit Ablehnung reagieren, ist es dann überhaupt sinnvoll, dagegen anzugehen?

Wenn z. B. ein Arzt einem Patienten, der der Homöopathie positiv gegenüber steht) ein homöopathisches Mittel gegen Erkältung, leichte Kopfschmerzen oder derartige Kleinigkeiten empfiehlt (im Bewusstsein, dass es nur ein Placebo ist), nützt das dem Arzt, weil der Patient ihn für kompetent in "alternativen" Methoden hält und daher wieder kommt, und dem Patienten kurzfristig, weil er sich für relativ günstiges Geld (Placeboeffekt sei Dank) besser fühlt, und längerfristig, weil er weiterhin zu einem "vernünftigen" Arzt geht, der (hoffentlich) erkennt, wenn es mal um eine ernsthafte Krankheit geht, bei der man mit Homöopathie und Co alleine nicht weiter kommt. Würde der Arzt ihm hingegen erklären, ist das für beide von Nachteil, weil der Patient dann zu einem anderen geht, womöglich zu einem Heilpraktiker, der wirklich daran glaubt und ihm erzählt, dass die Schulmedizin ein Produkt der bösen Pharma-Industrie ist und dass seine Mittelchen genauso gut gegen Krebs, AIDS etc. helfen, was bei einer ernsten Krankheit ziemlich traurig enden könnte. Natürlich wäre es nicht OK, wenn der Arzt seinen Patienten etwas von Feinstofflichen Quanteniformationen und der gleichen einredet, aber solange der Patient bereits von selbst daran glaubt, warum soll man das nicht zu beider Seiten Vorteil nutzen?

Wäre es nicht allgemein besser, statt solche Methoden zu bekämpfen und damit für Widerstand der Anhänger zu sorgen, sie eher allgemein anzuerkennen und dadurch zu kontrollieren, dass sie nur bei harmlosen Erkrankungen als alleinige Therapie angewendet werden und bei schweren Erkrankungen wie Krebs nur begleitend zur "schulmedizinischen" Therapie?

Übertragen auf Esowatch: Wenn hier gegen (normalerweise) harmlose Methoden wie Homöopathie Stimmung gemacht wird, werden deren Anhänger mit Ablehnung reagieren, und möglicherweise dann auch die Artikel über wirklich gefährliche Methoden für falsch und die darin beschriebenen Methoden für harmlos erachten. Würde man sich dagegen auf die wirklich gefährlichen Methoden konzentrieren, könnten die "gemäßigten" Alternativmedizin-Anhänger dem zustimmen und Esowatch würde wesentlich mehr Leute erreichen.

Man mag argumentieren, dass die Patenten ein Recht darauf haben, dass ihnen die Wahrheit gesagt wird. Aber ist die Wahrheit für sich genommen wirklich ein so hohes Gut? Ich will nicht sagen, dass man die Patienten gezielt anlügen sollte. Aber was, wenn sie die Wahrheit gar nicht hören wollen, sondern etwas, das in ihr Weltbild passt? Ist es dann nicht besser, ihnen das so zu geben, dass es ihnen nützt, als gar nichts?

Und zerstört man nicht, indem man verbreitet, dass homöopathische Mittel nicht wirken, nicht die einzige Wirkung, die sie haben, nämlich den Placeboeffekt? Ich sage ja nicht, dass man die Wahrheit gezielt verheimlichen sollte, aber muss man sie überall verbreiten, selbst, wenn sie Schaden anrichten könnte?

Man mag einwenden, dass es schädlich wäre für das wissenschaftliche Weltbild, wenn unbegründete bis esoterische Methoden neben die wissenschaftlich begründeten gestellt werden. Aber die meisten Menschen haben zu dem, was im "Elfenbeinturm" der Wissenschaft und Forschung passiert, keinen wirklichen Bezug. Und ist es außerdem nicht besser, wenn Ärzte im Rahmen ihrer Ausbildung lernen, dass die Homöopathie nur eine reine Placebotherapie ist, und wann und wie man sie anwendet, als dass diejenigen Quacksalber (seien es Ärzte oder Heilpraktiker), die wirklich daran glauben (oder zumindest so tun) Zulauf bekommen und ihre wirren Theorien verbreiten können?

Noch einmal: Ich spiele hier gewissermaßen den Advocatus Diaboli, und würde mich daher über sachliche Gegenargumente sehr freuen.

Rattentod

Ich muss zugeben, ich habe mich ähnliches auch schon gefragt. Es gibt meines Erachtens Abstufungen in der sagen wir mal "Ekelhaftigkeit" von diversen Heilmethoden. Homöopathie ist nur komplett wirkungslos (Schlage vor, den Placeboeffekt ignorieren wir der einfacheren Argumentation halber einfach) und schadet per se nicht. Anderer Schwachsinn wie MMS ist lebensgefährlich.

Dennoch fallen mir folgende Gründe ein:

1) Homöopathen ohne Grenzen: http://www.hom-og.de/
2) Homöopathie bei Tieren
3) Menschen behandeln dann mit Homöopathie echte Krankheiten
4) Homöopathie bei Kinder
5) Wollen wir wirklich zur Volksverblödung beitragen?
6) Wo ziehen wir die Grenze? Es gibt ungefähr 17.000 Wurstelbehandlungen, die nicht explizit "schaden"
7) Wenns denn Placebo sein soll, warum nicht so?: http://medizynicus.wordpress.com/2010/10/18/wie-man-macht-dass-ein-placebo-wirkt/

Roadrunner

Sag doch mal der Homöopathiefraktion sie sollen die Wissenschaftliche Medizin akzeptieren ;-)

Hahnemann selbst hat diesem Thema sogar einen eigenen Paragraphen in seinem homöopathischen Gesetzbuch (aka "Organon") spendiert:


,,§ 52: Es giebt nur zwei Haupt-Curarten: diejenige welche all' ihr Thun nur auf genaue Beobachtung der Natur, auf sorgfältige Versuche und reine Erfahrung gründet, die (vor mir nie geflissentlich angewendete) homöopathische, und eine zweite, welche dieses nicht thut, die (heteropathische, oder) allöopathische. Jede steht der andern gerade entgegen und nur wer beide nicht kennt, kann sich dem Wahne hingeben, dass sie sich je einander nähern könnten oder wohl gar sich vereinigen liessen, kann sich gar so lächerlich machen, nach Gefallen der Kranken, bald homöopathisch, bald allöopathisch in seinen Curen zu verfahren; diess ist verbrecherischer Verrath an der göttlichen Homöopathie zu nennen!"


Wenn die Wissenschaftliche Medizin die Homöopathie anerkennen würde, dann wäre das wie wenn die Astronomen die Astrologie anerkennen würden, oder die Physiker die ganzen Spinner anerkennen würde.


Übrigens kann man mit jeder medizinischen Methode Placeboeffekte erzielen. Man muss also nicht auf Placeboeffekte verzichten wenn man die Homöopathenwahn endlich mal ins Geschichtsbuch verfrachten würde.

Ich habs jetzt gerade nicht gelesen, aber hier gibts wenn ich mich recht erinnere auch Argumente warum man antiwissenschaftliche Therapieformen und Beliebigkeit nicht einfach so akzeptieren sollte.
http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/MedFak/KlinikumWuppertal/FSK_M/vortrag.htm




P.Stibbons

Zitat
Ich habs jetzt gerade nicht gelesen, aber hier gibts wenn ich mich recht erinnere auch Argumente warum man antiwissenschaftliche Therapieformen und Beliebigkeit nicht einfach so akzeptieren sollte.
http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/MedFak/KlinikumWuppertal/FSK_M/vortrag.htm

Ja, das ist ein überaus lesenswerter Beitrag, den ich genau an dieser Stelle auch mal wieder verlinken wollte.

Danke, Roady  :D

71hAhmed

Einige Argumente, warum es KEINE harmlosen Alternativen gibt:

-Menschen ziehen dann zu spät oder gar nicht wirksame Behandlungen in Betracht;
-Verschleppte Krankheiten werden Teurer und sind langwieriger in der Heilung;
"Selbstversuch": Schwere Erkältung zu lange mit Homöopathie behandelt; Ergebnis: mit der Lungenentzündung musste sich der Hausarzt rumschlagen und brauchte dann richtige Chemiebomben.
-Schutz derjenigen, die (noch) nicht selbst entscheiden können (Kinder,Tiere) vor unnötigen Leiden und daraus resultierenden Schäden;
-kontrollierte Anwendung nur durch ausgebildete Ärzte ist letztendlich illusorisch, dadurch wird nur der Anschein der Wirksamkeit erhöht (der Arzt verwendet es, daher muss es ja echt sein);
-warum Mittel, die nur durch den Glauben daran wirken bei leichten Erkrankungen, wenn es wirksame Mittel gibt (auch aus alternativen Bereich,z.B. bewährte Heilpflanzen, als Tee, Salbe etc.)
-die allgemeine Anerkennung der "harmlosen" Quacksalberei öffnet die Tür für die gefährlicheren Varianten ("wenn das eine wirkt,auch mit ungeklärtem Mechanismus, warum soll das andere nicht auch wirksam sein?)
-Ärzte sollten sich wahrscheinlich besser mit Placebos auskennen, um sie im begründeten Einzelfall gezielt einsetzten zu können, aber daraus generelle Therapien für leichte Erkrankungen zu entwickeln, ist doch etwas riskant, siehe oben.




















Suricata

Hallo T-M,

mir wäre das wirklich wurscht, würden Erwachsene Homöopathie nur für sich selbst in Anspruch nehmen und sie natürlich auch ausschließlich aus eigener Tasche finanzieren.

Leider sieht es aber in der Realität anders aus. Da sind z.B. die Mütter, (meistens sind es die Mütter), die ihre Kinder von kleinauf aufs Pillen schlucken konditionieren.
Und für viele dieser Kinder geht ohne Zuckerkügelchen anscheinend gar nichts mehr. Eine Tragodie, wenn klein Fritzchen in Buxtehude irgendwo auf Besuch ist, und die Mutter vergaß die Pillen gegen:

Kindergarten- oder Schulstress
"Zappelei"
Rückenschmerzen
Konzentrationsstörungen uvm.

einzupacken.

Ich wurde schon Ohrenzeuge (Telefonat) solch einer Tragödie. Ich empfahl meiner Mutter damals dem Knirps Smarties unterzujubeln, die garantiert gegen o.g. Symptome wirken würden, wenn sie es nur geschickt genug "verkauft".

Das hört sich erstmal lustig an, aber ich finde es eine Frechheit, anstelle von Ursachenforschung zu betreiben und diese auszuschalten, dem Kind Globulis in den Rachen zu werfen.  Nein, das ist echt nicht komisch. Globuli-Junkies, für die ohne Pillen die Welt untergeht, sprich, die sich dann richtig mies fühlen.
Als der Junge das zweite mal bei meiner Mutter zu Besuch war, hatte er seine Globuli-Fläschchen selbstverständlich wieder dabei und noch vor dem Frühstück ging es los.... "Die muss ich dafür nehmen....die sind gegen..., und die da , damit ich nicht so zappelig bin". (Die Fläschchen waren jeweils farbig markiert.)
Gegen das "zappeln" half übrigens ein größerer Spaziergang durch die Fasanerie, als er das erste mal zu Besuch war und die Pillen vergessen wurden.

Ich gehe sogar noch weiter:
Das Zeug gehört auf den freien Markt verboten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Mamis, Frauchen oder Herrchen meinen ihren Liebling selbst "therapieren" zu können/müssen.
Ärzte sollen die HP meinetwegen als Placebos einsetzen, aber nicht Lieschen Müller oder Otto Normalo, denen die Decke auf den Kopf fällt und die aufgrund dessen dann eine kleine, feine "Ich-AG" gründen und sich fortan als Heilpraktiker oder Tierheilpraktiker meinen - auch auf Kosten von Kindern und Tieren - profilieren zu müssen. Und das - bei den meisten - ohne wirkliche fundierte medizinische Kenntnisse. Ohne Homöopathie, Bachblüten und den ganzen Zinnober gäbe es nicht mal halb so viele Heilpraktiker/Tierheilpraktiker. Dieser Boom... ich finde ihn beängstigend.

Es sind die Homöopathen, die meinen uns "Andersgläubige" missionieren zu müssen und das kotzt mich besonders an. Findet man Homöopathie blöd, ist man blöd (weil nicht informiert, wie gut doch diese "Wunderpillen" sind).... selbst wenn man die besseren und schlüssigeren Argumente hat.
Das geht einfach alles viel zu weit! Ich kann und werde das auch künftig nicht tolerieren!

   

T-M

Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
Ich muss zugeben, ich habe mich ähnliches auch schon gefragt. Es gibt meines Erachtens Abstufungen in der sagen wir mal "Ekelhaftigkeit" von diversen Heilmethoden. Homöopathie ist nur komplett wirkungslos (Schlage vor, den Placeboeffekt ignorieren wir der einfacheren Argumentation halber einfach) und schadet per se nicht. Anderer Schwachsinn wie MMS ist lebensgefährlich.

Ja, dem stimme ich uneingeschränkt zu. Die Frage ist nur, ob die harmlosen auch "bekämpft" werden sollten, oder ob man sie besser einfach akzeptieren sollte.

Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
Dennoch fallen mir folgende Gründe ein:

1) Homöopathen ohne Grenzen: http://www.hom-og.de/
2) Homöopathie bei Tieren
3) Menschen behandeln dann mit Homöopathie echte Krankheiten
4) Homöopathie bei Kinder

Ja klar, das sind die Auswüchse. Aber die Frage ist, ob man das los wird, indem man die gesamte Methode verdammt (und damit Ablehnung und Gegenreaktionen hervorruft), oder ob man die Methode akzeptiert und ihr gleichzeitig versucht, klare Grenzen zu setzen.

Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
5) Wollen wir wirklich zur Volksverblödung beitragen?

Die Frage ist, ob wir gegen die Volksverblödung ankommt, wenn das Volk sich nicht "entblöden" lassen will?

Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
6) Wo ziehen wir die Grenze? Es gibt ungefähr 17.000 Wurstelbehandlungen, die nicht explizit "schaden"

Vario delectat. ;D

Weiter provokant gefragt: Warum akzeptieren wir nicht alle?

Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
7) Wenns denn Placebo sein soll, warum nicht so?: http://medizynicus.wordpress.com/2010/10/18/wie-man-macht-dass-ein-placebo-wirkt/

Das ist dann schon Placebo forte. ;D Globuli und Co sind eher das kleine Placebo für zwischendurch, leicht verfügbar, leicht anzuwenden und ungefährlich.

Zitat von: Roadrunner am 07. November 2010, 21:52:37
Sag doch mal der Homöopathiefraktion sie sollen die Wissenschaftliche Medizin akzeptieren ;-)

Hahnemann selbst hat diesem Thema sogar einen eigenen Paragraphen in seinem homöopathischen Gesetzbuch (aka "Organon") spendiert:


,,§ 52: Es giebt nur zwei Haupt-Curarten: diejenige welche all' ihr Thun nur auf genaue Beobachtung der Natur, auf sorgfältige Versuche und reine Erfahrung gründet, die (vor mir nie geflissentlich angewendete) homöopathische, und eine zweite, welche dieses nicht thut, die (heteropathische, oder) allöopathische. Jede steht der andern gerade entgegen und nur wer beide nicht kennt, kann sich dem Wahne hingeben, dass sie sich je einander nähern könnten oder wohl gar sich vereinigen liessen, kann sich gar so lächerlich machen, nach Gefallen der Kranken, bald homöopathisch, bald allöopathisch in seinen Curen zu verfahren; diess ist verbrecherischer Verrath an der göttlichen Homöopathie zu nennen!"


Ja, das ist mir bekannt. Ich denke aber nicht, dass alle, die homöopathische Mittelchen nehmen, die Schulmedizin ablehnen. Das trifft sicherlich auf einige zu (ich kenne auch solche Leute, die glauben, Krebs sei mit mit Homöopathie, nicht jedoch mit Schulmedizin heilbar), aber die meisten nehmen denke ich Globuli und Co nur bei leichteren, harmlosen Krankheiten und Wehwehchen, bei ernsteren Sachen höchstens parallel zur "schulmedizinischen" Behandlung.

Zitat von: Roadrunner am 07. November 2010, 21:52:37
Wenn die Wissenschaftliche Medizin die Homöopathie anerkennen würde, dann wäre das wie wenn die Astronomen die Astrologie anerkennen würden, oder die Physiker die ganzen Spinner anerkennen würde.

Das stimmt an sich. Aber z. B. die Relativitätstheorie abzulehnen, macht jemanden höchstens zum Außenseiter, die Schulmedizin abzulehnen, macht einen, wenn man Pech hat, tot. Und daher ist es, denke ich, besser, einem Patienten (bei einer ernsthaften Krankheit) Homöopathie und Schulmedizin zu geben, wenn er, wenn man ihm nur die Wahl entweder/oder lassen würde, sich für die Homöopathie entscheiden würde.

Zitat von: Roadrunner am 07. November 2010, 21:52:37
Übrigens kann man mit jeder medizinischen Methode Placeboeffekte erzielen. Man muss also nicht auf Placeboeffekte verzichten wenn man die Homöopathenwahn endlich mal ins Geschichtsbuch verfrachten würde.

Aber wo ist der Unterschied, ob jemand Globuli frisst, wo nichts drin ist, aber glaubt, sie würden wirken, oder ob er Tabletten frisst, wo nichts drin ist, aber glaubt, sie würden wirken?

Zitat von: Roadrunner am 07. November 2010, 21:52:37
Ich habs jetzt gerade nicht gelesen, aber hier gibts wenn ich mich recht erinnere auch Argumente warum man antiwissenschaftliche Therapieformen und Beliebigkeit nicht einfach so akzeptieren sollte.
http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/MedFak/KlinikumWuppertal/FSK_M/vortrag.htm

Da steht aber auch das:

ZitatWenn der Arzt oder die Ärztin davon überzeugt ist, daß bei einem Patienten ein Placebo genügt, und wenn eroder sie auf diese Placebowirkung nicht verzichten will, dann käme hierfür auch die Verwendung z.B. eines Homöopathikums infrage. Wenn auf diese Weise die überflüssige Gabe eines risikobehafteten Medikamentes vermieden würde, könnte hiermit, genau wie zu Hahnemanns Zeiten, sogar Gutes getan werden.

Der bewußte Verzicht auf die Gabe von Medikamenten mit gesicherter stofflicher Wirksamkeit und die Anwendung eines Plazebos sind nicht unwissenschaftlich und sollten nicht als Anerkennung einer Paramedizin verstanden werden.

Und:

ZitatWarum sollen wir die besonderen Therapieverfahren oder andere Erscheinungen der Paramedizin nicht ähnlich wie Religionen behandeln? Wer Bedürfnis verspürt, mag sie nutzen. Als Ärzte können wir dieses in bestimmten Fällen hinnehmen. Diese Toleranz gilt aber nicht für potentiell schädliche Verfahren und nicht für die Anwendung bei eigentlich behandlungsbedürftigen Erkrankungen.

Graf Zahl

Zitat von: T-M am 07. November 2010, 23:34:25
Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
Ich muss zugeben, ich habe mich ähnliches auch schon gefragt. Es gibt meines Erachtens Abstufungen in der sagen wir mal "Ekelhaftigkeit" von diversen Heilmethoden. Homöopathie ist nur komplett wirkungslos (Schlage vor, den Placeboeffekt ignorieren wir der einfacheren Argumentation halber einfach) und schadet per se nicht. Anderer Schwachsinn wie MMS ist lebensgefährlich.

Ja, dem stimme ich uneingeschränkt zu. Die Frage ist nur, ob die harmlosen auch "bekämpft" werden sollten, oder ob man sie besser einfach akzeptieren sollte.

Harmlos ist es immer nur am Anfang. Das ist wie eine Einstiegsdroge. Man bekommt die HÖ doch nur im Verbund mit Heilpraktivergeschwurbel über die böse Medizin und sonstiger Angstmache, oder mindestens mit Anekdoten und Fehlinformationen auf Stammtischniveau im privaten Umkreis. Wenn das lange genug auf einen einwirkt, dann glaubt man irgendwann jeden Mist und setzt Aluhüte auf. Deshalb ist es ja auch nicht wirklich harmlos.

Zitat von: T-M am 07. November 2010, 23:34:25
Zitat von: Rattentod am 07. November 2010, 21:51:05
5) Wollen wir wirklich zur Volksverblödung beitragen?
Die Frage ist, ob wir gegen die Volksverblödung ankommt, wenn das Volk sich nicht "entblöden" lassen will?
Es gibt viele Ahnungslose und Leute zwischen den Stühlen. Aufklärung ist immer gut. Die Hardcore-Fans wirst Du nie erreichen.

Zitat von: T-M am 07. November 2010, 23:34:25
Ja, das ist mir bekannt. Ich denke aber nicht, dass alle, die homöopathische Mittelchen nehmen, die Schulmedizin ablehnen.
...
Anfangs vielleicht, aber wenn sich die falsche Bewertung aufgrund von Placeboeffekten einmal eingenistet hat und das evtl. zusammen mit der Agitation der HPler etc. Wie oben gesagt, es gibt die Mittel selten allein und der Vorgang führt zum Einstiegsdenken für den ganzen restlichen Esomist.

Zitat von: T-M am 07. November 2010, 23:34:25
Zitat von: Roadrunner am 07. November 2010, 21:52:37
Übrigens kann man mit jeder medizinischen Methode Placeboeffekte erzielen. Man muss also nicht auf Placeboeffekte verzichten wenn man die Homöopathenwahn endlich mal ins Geschichtsbuch verfrachten würde.

Aber wo ist der Unterschied, ob jemand Globuli frisst, wo nichts drin ist, aber glaubt, sie würden wirken, oder ob er Tabletten frisst, wo nichts drin ist, aber glaubt, sie würden wirken?
Der Unterschied entsteht dann, wenn mal mehr als Placebo nötig ist. Wenn ein Arzt das Placebo bewusst gibt, weiß er auch, wann er damit aufhören muss und wann echte Medikamente nötig sind. Er wird hoffentlich auch vorher Alternativen probieren bzw. dem Patienten einfach auch mal sagen, dass dieser nichts braucht oder es nichts gibt.

Zitat von: T-M am 07. November 2010, 23:34:25
...
ZitatWenn der Arzt oder die Ärztin davon überzeugt ist, daß bei einem Patienten ein Placebo genügt, und wenn eroder sie auf diese Placebowirkung nicht verzichten will, dann käme hierfür auch die Verwendung z.B. eines Homöopathikums infrage. Wenn auf diese Weise die überflüssige Gabe eines risikobehafteten Medikamentes vermieden würde, könnte hiermit, genau wie zu Hahnemanns Zeiten, sogar Gutes getan werden.

Der bewußte Verzicht auf die Gabe von Medikamenten mit gesicherter stofflicher Wirksamkeit und die Anwendung eines Plazebos sind nicht unwissenschaftlich und sollten nicht als Anerkennung einer Paramedizin verstanden werden.

Und:

ZitatWarum sollen wir die besonderen Therapieverfahren oder andere Erscheinungen der Paramedizin nicht ähnlich wie Religionen behandeln? Wer Bedürfnis verspürt, mag sie nutzen. Als Ärzte können wir dieses in bestimmten Fällen hinnehmen. Diese Toleranz gilt aber nicht für potentiell schädliche Verfahren und nicht für die Anwendung bei eigentlich behandlungsbedürftigen Erkrankungen.

Wohin Religion führen kann, ist hinreichend bekannt.
Es gibt sicher Ausnahmefälle, wo der Einsatz von Placebos sinnvoll ist. Aber möchte man wirklich mündige Patienten, sollte man mit denen auch Klartext reden und sie nicht an der Nase herumführen.

Skepsis

Ich kann Suricata und Rattentod nur zustimmen, allerdings mit einer Einschränkung:

ZitatÄrzte sollen die HP meinetwegen als Placebos einsetzen, aber nicht Lieschen Müller oder Otto Normalo, ...
Das würde die HP nur adeln, sie würde gerade die Aura bekommen, dass nach 200 jährigem heldenhaftem Kampf gegen die übermächtige Medizinlobby diese zähneknirschend die Wirksamkeit der HP eingestehen musste. Das ist unter allen Umständen zu vermeiden. HP war Humbug, ist Humbug und wird Humbug bleiben. Ich persönlich hätte keine Probleme damit, wenn Ärzte bei entsprechender Indikation Placebos einsetzten, dann diese aber nicht als HP verkaufen, einfach wg der o.g. Gefahr.

Ich kenne die Diskussionen, die T-M schildert, auch zur Genüge, auch aus meinem familiären Umfeld. Gerade die Gefahr der Konditionierung sehe ich als sehr groß an (die Schwiegermutter meiner Schwester ruft sofort nach 'Kügelchen', wenn eines ihrer Enkelkinder egal was hat, weil ihre andere Schwiegertochter, PTA und in einer Krankenhausapotheke arbeitend (also medizinisches Fachpersonal) ihre Kinder damit 'behandelt'). Ich weiß, wie zäh diese Diskussionen sind. Ich musste mir deswegen auch schon Vorhaltungen von meiner Freundin machen lassen, die HP bei ihrer Tochter anwendet (aber wohl wissend, dass es nur Placebo ist).

Gerade in der Diskussion mit als falsch erwiesenen Glaubenssystemen wie der HP ist es meiner Meinung nach falsch, sich kompromissbereit zu geben. Dies nützt nur der HP. Wie Rattentod geschrieben hat: Es gibt unendlich viele solcher 'Therapien'. Was spricht dann dagegen, auch Ohrenkerzen anzuwenden?

Gruß

Conni

Wer bei einem Schnupfen sich Küglechen einwirft, meinetwegen. Aber so etwas ist tödlich:


de Bunker


Die unterschiedlichen Aussagen in den Zusammenfassungen jeweils im ersten und letzten Satz sind auch interessant.

Suricata

@ Skepsis,

ja stimmt, Dein Einwand ist absolut brechtigt. Das wäre ein klassisches Eigentor. Es würde tatsächlich so aussehen, als ob an der Homöopathie doch was dran wäre, wenn ausschließlich Ärzte sie anwenden würden. Der Podest steht der HP einfach nicht zu.

Ich nehme es zurück. ;)

Federvieh

Zitat von: de Bunker am 08. November 2010, 13:35:05

Die unterschiedlichen Aussagen in den Zusammenfassungen jeweils im ersten und letzten Satz sind auch interessant.

Ja, als ist auch die unterstrichene Bedingung, von welcher der "Erfolg" der homöopathischen Therapie als Alternative abhängig ist.

Ist Euch eigentlich aufgefallen, wie mies das Englische des Summary ist?

Roadrunner

Zitat von: nachteule am 08. November 2010, 13:48:05
Zitat von: de Bunker am 08. November 2010, 13:35:05

Die unterschiedlichen Aussagen in den Zusammenfassungen jeweils im ersten und letzten Satz sind auch interessant.

Ja, als ist auch die unterstrichene Bedingung, von welcher der "Erfolg" der homöopathischen Therapie als Alternative abhängig ist.

Ist Euch eigentlich aufgefallen, wie mies das Englische des Summary ist?

Das sind doch die zwei Heinis die Proleben Klinik in Greiz betreiben die auch mal für Hamer im Programm hatten.



http://www.klinik-imleben.de

Die nennen sich jetzt nicht mehr ProLeben sondern "Im Leben"



Edit: EW war mal wieder schnell  ;D  http://www.psiram.com/ge/index.php?title=ProLeben

PB

Die Idee gelegentlich einfach ein Placebo zu verwenden weil es dies genauso tut bzw. echte Medikamente nicht vorhanden sind, die Krankheit hauptsächlich psychosomatisch etc. sieht natürlich auf den ersten Blick verlockend aus, aaaber:

In der Realität wird sich die Sache allerdings meistens anders entwickeln:
!!Wer Homöopathie nimmt geht davon aus das Homöopathie wirkt!!

Den Leuten ist nicht zu erklären das es sich möglicherweise um ein kleines psychologisches Extraplus handelt, sondern die sind sich ganz sicher das Homöopathie gegen jede Art von Krankheiten hilft, vom Schnupfen über Gallensteine bis zu Krebs!

...und dann gibt es Ärzte die mittlerweile genauso drauf sind weil diese Homöo-Eso-Vereine mittlerweile mit ihren Lobbyläden in den Hochschulen angelangt sind. Hier werden Leute ausgebildet die auch kein Placebo mehr von einer "echten" Wirkung unterscheiden können.

Ärzte und Patienten, die
dann Homöopathen ohne Grenzen unterstützen, die dieses Eso-Unheil in die 3.Welt transportieren, Leute die an Hamer glauben, Angst haben vor der Bösen Chemie und die sinnvolle Therapien zugunsten ihrer eigenen esoterisch Überzeugung links liegen lassen.

Ich bin mir also sicher das sich die theoretisch positiven Sachen von Scheinmedizin nicht von den richtig üblen negativen trennen kann!! also lieber bei der Ehrlichkeit bleiben!

Ich hab auch in meinem Umfeld immer wieder gesehen, daß über die "Einstiegsdroge" Homöopathie die Leute komplett abschwirren:
Homöopathie ist so ähnlich wie Kinesiologie so ähnlich wie Reiki, Feng-Shui, NLP, Hellinger, Rückführungen, Geistheilung etc.
Auf der Suche nach den immer frischen Placeboeffekt machen die eine Reise durch alle Gebiete dieser Eso-Medizin, sind irgendwann wirklich nur noch über Tricks greifbar für Real-Zusammenhänge.

Mein Eindruck ist nämlich das sich diese reinen Placeboeffekte abnützen!
- diese Esojunkies sind -sobald die mal mit Paramedizin angefixt sind - dauernd auf der Suche nach dem neuen andersartigen Trip, damit die Wirkung nicht nachläßt...

Im Grunde genommen den Placebo-Effekt bekommt man aber auch hin ohne den Leuten Blödsinn zu erzählen! Jede Zuwendung des Arztes, jede Medikamentengabe (die überzeugend dargereicht wird) löst auch einen Placeboeffekt aus.
...eventuell auch mal über einen Psychologen. Also kein Grund den Leuten Blödsinn zu erzählen.

LG, PB