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Die psychologische Dynamik von Verschwörungstheorien

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Begonnen von Harry Wijnvoord, 13. September 2010, 18:55:06

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rincewind

Ich halte es da mit Epikur:

"So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da."

Und ansonsten verstehe ich die Wiedergeburtsgläubigen nicht wirklich. Mich würde dieser Gedanke, dass dann alles wieder von vorne los geht, womöglich noch unter schlechteren Vorzeichen, eher abschrecken.

Harry Wijnvoord

Um nochmal aufs Thema zurück zu kommen: VTs und Esoterik entlarven sich für mich auch dadurch, dass generell kein Unterschied gemacht wird: Menschen die an VTs glauben, halten meistens alle VTs für möglich (es sei denn sie wiedersprechen der eigenen Lieblingstheorie). Genauso wie Menschen, die an abstruse Heilweisen glauben, auch so ziemlich alles auf dem Gebiet alternativer Therapien glauben. Warum das so ist? Keine Ahnung. Zeigt aber, dass generell das kritische Denken ausgeschaltet wird und nichts angezweifelt wird (bis auf Wissenschaft, Schulmedizin, Wirtschaft und alles Etabliertes  natürlich). Zumindest bei den meisten so, die ich kennengelernt hab: Chemtrails, Engelwesen, Rückführung, Geopathie, Emoto... alles rein in die Wundertüte!
Dazu kommt, dass sich das Wissen auf einige wenige Quellen beruft. Da hat vor hundert Jahren mal irgendein Heilpraktiker aus Hintertupfingen behauptet, dass Schlagsahnefasten Darmparasiten beseitigt und schon wird munter draulos verbreitet.

Campari

erst mal kann ich Bionic beipflichten: ich hab auch alles geglaubt, weil ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, dass Verbreitung durch Medien erfunden sein könnten. Dass Verbreitung durch  Medien allein einem Verkaufszweck dienen könnte. Dass Verbreitung durch Medien der Manipulation dienen könnte.
Ja von der Bildzeitung wusste man das wohl, aber andere Bücher und Zeitschriften auf dem Markt hat man doch erst mal vertraut, jung wie man war.
Obwohl ich schon skeptisch bin und vieles hinterfragt habe und damit meinen Lehrern schon immer auf den Keks gegangen bin. Und da muss ich sagen unter Artikel 6:
Auf Gegenargumente wird kaum eingegangen. Alles wird auf die Bestätigung der Verschwörungstheorie kanalisiert. Es findet keine Abwägung des Für und Wider statt. Eine Plausibilitätsprüfung einer Behauptung findet man nie. Die These heiligt die Argumente.
So und DAS habe ich so erfahren und konnte das nicht stehen lassen. Seitdem sind die Esos und zwar durch die Bank durch einfach unten durch, weil se da nämlich alle gleich sind ohne Ausnahme.
Und zwar meine ich fängt das schon in der Kindheit an und erfährt man auch von Erwachsenen: wer was wusste, was der andere nicht wusste, der war schon mal interessant und stand im Mittelpunkt.
Und jemand, der Antworten auf Fragen weiß, die man nicht wissen kann, erst recht.Ne? Krankheiten, die ein Mediziner nicht heilen kann, Fragen nach dem Tod, Fragen nach dem Leid: auf alles wissen Esoteriker eine Antwort. Die Sache hat nur einen Haken: Unbewiesene Thesen, widerlegbare Thesen, fragwürdige Thesen, sonst nichts. Sie selbst mögen wohl ernsthaft daran glauben, nur dass es Zufälle gibt, dass das Schiksal vielleicht auch mal Kehrtwendungen macht, dass ihre Betrachtungen subjektiv sind, dass sie psychisch krank sein könnten, das wollen sie nicht glauben.

Toiletman

Zitat von: rincewind am 23. September 2010, 16:06:35
Ich halte es da mit Epikur:

"So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da."

Und ansonsten verstehe ich die Wiedergeburtsgläubigen nicht wirklich. Mich würde dieser Gedanke, dass dann alles wieder von vorne los geht, womöglich noch unter schlechteren Vorzeichen, eher abschrecken.

Tja das ist eben die Frage aller Fragen aber der alte Epikur lieferte keine befriedigende Antwort, was aber generell seiner Philosophie der Minimierung jeglichen Leidens entspricht. Man will sich also bloß nicht damit beschäftigen, weil es negative Emotion bringt. Ich glaube zwar nicht an reinkarnation aber ich fände es toll, wenn es sie gäbe. Sein früheres Leben vollkommen vergessen und völlig neue Erfahrungen machen hat schon seinen Reiz - wenns nur wahr wäre :(

T-M

Zitat von: Toiletman am 23. September 2010, 19:39:14
Ich glaube zwar nicht an reinkarnation aber ich fände es toll, wenn es sie gäbe. Sein früheres Leben vollkommen vergessen und völlig neue Erfahrungen machen hat schon seinen Reiz - wenns nur wahr wäre :(

Ich nicht, was hätte ich denn davon? Wenn ich mein bisheriges Leben vergesse, wo ist da der unterschied zum Nicht-mehr-existieren? Da doch lieber in den Himmel kommen und es sich gut gehen lassen oder so. ::)

Campari

Zitat von: T-M am 23. September 2010, 21:11:31
Zitat von: Toiletman am 23. September 2010, 19:39:14
Ich glaube zwar nicht an reinkarnation aber ich fände es toll, wenn es sie gäbe. Sein früheres Leben vollkommen vergessen und völlig neue Erfahrungen machen hat schon seinen Reiz - wenns nur wahr wäre :(

Ich nicht, was hätte ich denn davon? Wenn ich mein bisheriges Leben vergesse, wo ist da der unterschied zum Nicht-mehr-existieren? Da doch lieber in den Himmel kommen und es sich gut gehen lassen oder so. ::)
hab`s mir verkniffen zu sagen, sehe ich aber auch so. Kann ja jeder glauben, was er will oder nicht will, aber Erlösung würde ich dann auch lieber vorziehen. Und wenn nichts mehr kommt, dann ist es ja auch Erlösung.

Bionic

Zitat von: T-M am 23. September 2010, 21:11:31
Da doch lieber in den Himmel kommen und es sich gut gehen lassen oder so. ::)
Oder alternativ in die Hölle und es sich ........
Bezüglich dem Thread-Thema: Was mir jetzt eingefallen ist, was ich für recht entscheidend halte. Ich mochte mich nicht alzugerne und wurde auch wenig von anderen beachtet. Deshalb mochte ich Außenseiter zwar nicht unbedingt lieber, aber ich hielt sie für glaubwürdiger. Solche VT-Steller sind ja irgendwo auch Außenseiter. Wegen dem was ich erlebt hatte, hatte ich schon eher Zweifel an großen Organisationen, oder besser gesagt, ich konnte diese leichter in Frage stellen.
Noch was wegen der Religion, ich habe mal mit einem Zeugen Jehovas über Adam und Eva diskutiert.

Ich hab übrigens auch mal an eine Wiedergeburt geglaubt. Erschien mir am logischten. Körperliche und psychische Schwächen könnten so erklärt werden. Aber ich halte es jetzt für ziemlich ausgeschlossen, dass der Geist ohne Körper existieren könnte.

Toiletman

Ich denke, dass diese Verschwörungstheorien oder allgemein extremistische Dinge, die von andren abgelehnt etwas mit Zusammengehörigkeitsgefühl, welches man in der normalen Gesellschaft nicht findet. Aber innerhalb dieser Gruppe gibt es eine Gruppenzwang und es werden immer und immer wieder die selben Verschwörungstheorien und Argumente, sodass man sie irgendwann selbst glaubt. Aber all dies passiert im normalerweise nicht plötzlich sondern langsam und schleichend durch Zuckerbrot und Peitsche. Um das ganze einmal anschaulicher zu gestalten nehme ich Rechtsextremismus im Internet am Beispiel des größten deutschsprachigen Rechtsaussen-Forum Thiazi. Ich habe dort wie auch in anderen Extremistenforen Jahrelang gelesen und in manchen sogar aktiv geworden als Kritiker. Da waren zumindest die Thiazi Admins sehr nett und ließen, was mich stark verwunderte, eine Hand voll Linker, Juden und eine Äthiopierin und mich auch mit unseren dem NS diametral gegenüberstehenden Meinungen stehen und diskutieren. Eine große Anzahl anderer Nutzer hatte diese überraschende Offenheit nicht sondern entsprach dem Klischeenazi und man durfte übelste Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Aber ich schweife ab.

Ich habe das Forum 8 Jahre intensiv beobachtet (war aber nicht die ganze Zeit selbst aktiv) und konnte sehen, wie sich verschiedene User entwickelten. Es gibt dort die Regel, dass jeder neue Besitzer einen Vorstellungsbeitrag. Der größere Teil der Neulinge waren junge Männer von 16-25 und war eben noch nicht konkret ideologisch festgelegt. Sie waren meist nur tendenziell "rechts" oder "konservativ" aber garnicht so sehr und aus der Arbeiterschicht. Der Großteil kam entweder durch die Musik oder durch Probleme mit muslimischen Immigranten oder weil ihnen Guido Knopps omnipräsente und niemals endende NS Dokus aus den Ohren rauskamen. Eigentlich haben sie noch akzeptable Meinungen. Aber dies eben nur zu Beginn. Sie wurden sehr höflich und kumpelhaft aufgenommen und man führte sie langsam in die Mythen (die sie selbstverständlich für real halten) des rechten Lagers an. Das Dritte Reich wird verherrlicht und von unserer heutigen BRD wird ausschließlich negatives erwähnt wie die Korruption der Politiker, die nicht für die Volksinteressen einsetzen und ihnen wird Angst gemacht vor Überfremdung, Volkstod und eben den vielen Verschwörungstheorien die eigentlich immer die Juden im Mittelpunkt als böse haben. Aber man vermittelt ihnen auch positive Gefühle wie das mit der Gemeinschaft. Die Rechte Szene ist in ihren eigenen Zirkeln sozial sehr aktiv. Es werden Kameradschaftsabende, Stammtische usw. veranstaltet wo den Neulingen, die in der Regel vorher nicht gerade die beliebtesten waren, ein starkes Gemeinschaftsgefühl vermittelt wird garniert mit einem gewissen Elitismus zu meinen, man wüsste mehr, garniert mit den VTs. Es werden Hilfen in allen Belangen angeboten. Die anfangs noch vernünftigen Leute versickern immer mehr darin, fühlen sich endlich wohl in ihrer Rolle in einer Gemeinschaft, die die Neonazis ja für das gesammte Deutsche Volk propagieren (sog. Volksgemeinschaft). Es gibt niemand, der dort von langer Hand plant Leute zu Nazis zu machen sondern es funktioniert auf rein sozialer Ebene und die Leute wollen den anderen auch gefallen, viele Renommeepunkte bekommen und evtl. sogar ein Weiblein kennenlernen. Es haben sich in den vielen Jahren durch das Forum sehr viele Paare gebildet. Es ist zwar Phrasendrescherei aber der Begriff Brauner Sumpf passt ganz gut. Der Unterschied ist nur, dass das versinken ganz unterbewusst und "freiwillig" geschieht und als bekennender Nationalsozialist unten rauskommt.

Das ganze lässt sich ebenfalls auf andere Gruppierungen wenden. Während die Ideologie des NS brutal und imperialistisch ist der Gehirnwasch-Faktor nur Moderat, da sie sich nicht Abkapseln wie eine andere Gruppierungen.

Harry Wijnvoord

@Toiletman: Ich glaub auch, dass die Gruppenzugehörigkeit ein ganz wichtiger Faktor ist. Die liegt uns sozusagen in den Genen. U.a. deshalb denke ich, dass dem Glauben an VTs und Esoterik nichts per se krankhaftes zugrunde liegt. Ethnozentrismus und auch das magische Denken in der Esoterik haben sicher ihre Gründe und Wurzeln. Frage ist halt nur, ab wann es krankhaft wird und wann die Zeit ist davon abzulassen.

Zitat von: Toiletman am 23. September 2010, 19:39:14
Zitat von: rincewind am 23. September 2010, 16:06:35
Ich halte es da mit Epikur:

"So ist also der Tod, das schrecklichste der Übel, für uns ein Nichts: Solange wir da sind, ist er nicht da, und wenn er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich betrifft er weder die Lebenden noch die Gestorbenen, denn wo jene sind, ist er nicht, und diese sind ja überhaupt nicht mehr da."

Und ansonsten verstehe ich die Wiedergeburtsgläubigen nicht wirklich. Mich würde dieser Gedanke, dass dann alles wieder von vorne los geht, womöglich noch unter schlechteren Vorzeichen, eher abschrecken.

Tja das ist eben die Frage aller Fragen aber der alte Epikur lieferte keine befriedigende Antwort, was aber generell seiner Philosophie der Minimierung jeglichen Leidens entspricht. Man will sich also bloß nicht damit beschäftigen, weil es negative Emotion bringt. Ich glaube zwar nicht an reinkarnation aber ich fände es toll, wenn es sie gäbe. Sein früheres Leben vollkommen vergessen und völlig neue Erfahrungen machen hat schon seinen Reiz - wenns nur wahr wäre :(

Außerdem beinhaltet der Tod nicht nur, dass man irgendwann einfach nicht mehr da ist, sondern auch, dass man zuvor stirbt. Und je nachdem wie das passiert (z.B. durch eine unheilbaren Krankheit), gehört das Abschiednehmen von seinen Liebsten mit dazu. Wer das mit sokratischer oder epikureischer Gelassenheit erwartet, ist wirklich zu beneiden, aber wahrscheinlich auch ziemlich selten.


Gandalf

Lieber Harry,

was Du zu VTs gesagt hast, passt in mein Bild, das ich von der Homöopathie gewonnen habe. Ich glaube beobachtet zu haben, dass viele Hardcore-Homöopathieanhänger diese für den Beweis der Existenz einer 'geistigen' Welt halten. Also letzten Endes für eine Art Gottesbeweis. Für GNM gelten ähnliche Überlegungen. Was meinen die anderen dazu?

T-M

@ Toiletman und Harry Wijnvoord:

Ja, mit dem Angst vor dem Tod ist es so eine Sache. Die meisten Menschen (und da nehme ich mich nicht aus) haben Angst vor dem Tod, obwohl das eigentlich recht irrational ist: Solange man lebt, ist man nicht tot, und wenn man tot ist, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder es gibt ein Leben nach dem Tod, oder es gibt keins. Gibt es keins, gibt es auch nichts, vor dem man Angst haben müsste; man wird ja nichteinmal mehr erfahren, dass man nicht mehr existiert. Gibt es aber ein Leben nach dem Tod, lebt man ja auf irgendeine Weise weiter, und  müsste demnach keine Angst davor zu haben, nicht mehr zu leben.

Natürlich kann man, wenn man an ein Leben nach dem Tod glaubt, Angst davor haben, dass es ziemlich unangenehm wird, weil man z. B. in die Hölle (oder das jeweilige Äquivalent in der eigenen Religion) kommt. Aber meiner Erfahrung nach wird die Angst vor dem Tod nicht hauptsächlich durch Angst vor der Hölle bestimmt (vielleicht mit Ausnahme von Leuten, die entweder extrem religiös sind oder die sich extrem schlecht verhalten haben (oder es zumindest glauben) und deshalb ein starkes schlechtes Gewissen entwickeln).

Woher kommt also die Angst vor dem Tod? Ich weiß es nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie teilweise vielleicht sogar evolutionär begründet werden kann: Wer Angst vor dem Tod hat, versucht nach Möglichkeit, am Leben zu bleiben.

Unterscheiden von der Angst vor dem Tod muss man natürlich die Angst vor dem Sterben, die ja teilweise durchaus berechtigt ist. Ich stelle mir das unter Umständen als ziemlich schrecklich vor. Da hoffe ich doch eher, dass es mich irgendwann (natürlich aber möglichst nicht so bald) nachts im Schlaf erwischt.

Harry Wijnvoord

Zitat von: Gandalf am 24. September 2010, 11:12:31
Lieber Harry,

was Du zu VTs gesagt hast, passt in mein Bild, das ich von der Homöopathie gewonnen habe. Ich glaube beobachtet zu haben, dass viele Hardcore-Homöopathieanhänger diese für den Beweis der Existenz einer 'geistigen' Welt halten. Also letzten Endes für eine Art Gottesbeweis. Für GNM gelten ähnliche Überlegungen. Was meinen die anderen dazu?

Seh ich genauso. Der Gedanke "Es gibt mehr als wir begreifen/wahrnehmen können" ist sehr verlockend und wirkt sinngebend.

glatzkopf


vor seinem Tod braucht man wohl genau so wenig Anst zu haben wie vor seiner eignen Geburt.

Ich habe lediglich davor Angst, was der Welt alles entgehen könnte, wenn ich nicht mehr da bin  :schleim:

Sterben möchte ich wie mein Großvater ruhig im Schlaf und nicht schreiend und keifent wie sein Beifahrer  ;D

Harry Wijnvoord

Ich hab mir gerade mal wieder die saugute Rede von Michael Shermer angeguckt. Eine gute Ergänzung zu dem Thema hier: >>>The pattern behind self-deception