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Erdrückende Ungerechtigkeit

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Begonnen von eLender, 19. November 2022, 20:48:38

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eLender

Mache mal einen eigenen Faden zu einem Beitrag auf, der Psiram (und auch das Forum) an mehreren Stellen berührt. Hat garantiert überhaupt nichts mit Ereignissen der letzten Zeit zu tun ::)

Es geht um eine Sache, die mir schon länger aufgefallen ist, ich wußte allerdings nicht, dass das einen eigenen Namen hat und prinzipiell jeden zu unterschiedlichen Graden treffen kann und wahrscheinlich trifft. Es geht um die "Posttraumatische Verbitterungsstörung".

ZitatBereits Emil Kraepelin wusste, dass Verbitterung eine schwere Erkrankung sein kann. Im 1915 veröffentlichten Lehrbuch »Psychiatrie« widmet der Begründer der modernen Klassifikationssysteme in der Psychiatrie dem so genannten »Querulantenwahn« ein ganzes Kapitel. Ihm zufolge sind verbitterte Menschen nach Konflikten mit Nachbarn, Familienmitgliedern oder Behörden geradezu besessen vom Wunsch, Gerechtigkeit wiederherzustellen oder Rache zu üben. Sie würden alle anderen Lebensbereiche vernachlässigen und ohne Rücksicht auf Verluste kämpfen. Der Zustand ist Kraepelin zufolge so beeinträchtigend, dass er erst »in der Entmündigung des Kranken seinen gewaltsamen und äußerlichen Abschluss« finden könne.
https://www.spektrum.de/news/unrecht-was-ist-eine-verbitterungsstoerung/2071791 (man sollte aber den ganzen Text lesen, ich zitiere hier nur selektiv und fragmentarisch)

Ich kenne das aus dem eigenen Umfeld, z.T. recht nahe stehende Personen. Es ist vll. nicht immer so stark ausgeprägt, aber gerade in Pandemiezeiten wurde das beinahe schon brenzlig. Ich kann mir gut vorstellen, dass das im kleineren Maßstab (man würde sicher nicht von Krankheit sprechen) uns alle irgendwann irgendwie trifft oder getroffen hat und länger angehalten hat. Und ich bin mir sicher, dass es "Persönlichkeiten" gibt, die eher dazu neigen.

Es geht im Text zwar viel um die Corona-Geschädigten (im erweiterten Sinne), aber das kann allerlei andere Ursachen haben. (Ob Diskussionen im Internet auch dazu gehören, weiß ich allerdings nicht (genau).)

ZitatHeute wissen wir: Verbitterung kommt in unterschiedlichen Formen vor, ähnlich wie Angst (siehe »Verbitterung und Angst im Vergleich«). Beides sind zunächst ganz normale, menschliche Emotionen. Wir empfinden Angst, wenn wir bedroht werden, und reagieren verbittert, wenn uns jemand hintergangen hat und wir uns dem ohnmächtig ausgeliefert fühlen. In der Regel klingen die Gefühle nach kurzer Zeit wieder ab. Manchmal dauert Verbitterung aber auch sehr lange an. Das ist zum Beispiel der Fall bei der so genannten stimulusgebundenen Verbitterung, die nur im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen oder Personen auftritt – im Alltag »funktionieren« die Betroffenen ganz normal.
Ist wahrscheinlich ein graduelles Phänomen, scharfe Grenzen wird es da nicht geben. Und jeder wird anders getriggert.

ZitatAuslöser sind hier »lebensübliche« Vorkommnisse, die zwar unschön sind, die jedoch viele Menschen im beruflichen oder privaten Kontext durchmachen. Die Bezeichnung »Trauma« ist dennoch angebracht, weil die quälende Emotion zuvor vollkommen gesunde Personen schlagartig vereinnahmt und in allen Lebensbereichen stark beeinträchtigt – genau wie bei der Posttraumatischen Belastungsstörung.

Man muss stets aufpassen, sich nicht zu sehr in Dinge hineinzusteigern (leicher gesagt als getan). Bei manchen Personen konnte ich das live verfolgen, die wollten sich z.T. sogar da rein steigern. Das Leben ist halt kein Sonntagsspaziergang, nichwa.

Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

Ich packe das mal hier rein, obwohl es nicht notwendigerweise einen (Erklärungs-)Zusammenhang gibt. Das ist eine echte Freakparade, die auch bei uns im Wiki abgebildet ist. Es gäbe da sicher noch andere und mehr Kandidaten, aber die Auswahl ist beinahe vorzüglich. So kanns im Leben laufen, wenn man nicht aufpasst :schreck

ZitatEinst waren sie Stars oder renommierte Experten. Doch dann glitten sie ins krude Reich der Verschwörungen ab. Eine Übersicht über die größten Abstürze.

Ein Koch, ein Sänger, eine Europaexpertin, ein Ökonom, eine Journalistin. Sie alle haben gemeinsam, dass sie es in ihrem jeweiligen Beruf zu großem Ansehen gebracht haben. Doch seit einiger Zeit eint sie auch noch etwas anderes: Sie sind immer öfter mit bizarren Auftritten und Äußerungen aufgefallen. Was bleibt, sind ein angeschlagener Ruf, irritierte Fans – und manchmal gar zerstörte Karrieren.
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_100081738/attila-hildmann-xavier-naidoo-und-co-prominente-querdenker-sie-sind-abgedriftet.html
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Scipio 2.0

Also zumindest in dem letzten von dir zitierten Beitrag im #1 Post habe ich mich wieder erkannt. sowas passiert mir nämlich immer, wenn ich irgend eine Form von Niederlage hinnehmen muss. Das wirft mich dann gerne auch mal Tage oder gar Wochen lang aus der Bahn.

Vielleicht hat mich da meine Schul- und Unizeit traumatisiert einfach deshalb, weil es da selten mal wirkliche Erfolgserlebnisse gab sondern weit gehend nur Angst vor den Prüfungen und trotz aller Anstrengungen meist nur schlechte Noten gab. Da fühlt man sich schon ziemlich hilflos.

Kann aber sein, dass da auch ein anderer Effekt dahinter steckt.

sailor

Nein, scipio: Die Verbitterung resultiert aus einer tiefen Ich-Bezogenheit, die keine andere Sichtweise zulässt. Nur dann kann aus negativen Erfahrungen Verbitterung und schließlich Hass werden. Reflektiert man sich selbst, das Geschehen und denkt über alternative Handlungsoptionen nach, dann kann sich das nicht so verhärten, weil man eben nicht nur "Ungerechtigkeiten", sondern auch Chancen und Erfolge sieht.

Die Verbitterung resultiert daraus, dass Menschen annehmen, sie hätten einen wie auch immer gearteten Anspruch auf etwas, der ihnen verwehrt wird. Aber man hat auf ziemlich wenig ein Geburtsrecht und auch in unserem Land ist es zum Glück so, dass man eher Chancen- statt Ergebnisgleichheit hat. Das sehen viele Menschen anders. Sobald etwas passiert, was ihnen nicht passt hinterfragen sie nicht sich selbst und ihre Einstellung, sondern das Ereignis. Ich kenne das aus dem Berufsleben in der Verwaltung: Nicht das eigene ordnungswidrige Verhalten wird hinterfragt, sondern die Rechtsgrundlage... genauso bei Gebühren und Beiträgen; man sieht nicht die Leistung/den Vorteil, sondern sucht nach tausend und einer Begründung, warum die Zahlung NICHT SEIN DARF!!!!!! Da ist der Schritt zum Reichsbürgertum sehr kurz...

eLender

Vor allem Scipio: du bist noch jung ;)  Die Gefahr wächst mit dem Alter. Entweder es summiert sich im Laufe des Lebens die Verbitterungserfahrung über die kritische Schwelle auf oder man hat rückblickend immer mehr das Gefühl, nicht genug wertgeschätzt worden zu sein (oder beides). Man muss wohl stets auf der Hut sein und sich nicht zu sehr an Dinge krallen, die man sowieso nicht ändern kann. Jaja, ich sollte Radgeber werden. Radfahren macht nämlich auch glücklich ::)
Wollte ich nur mal gesagt haben!