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Was ist ein Talent?

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Begonnen von Scipio 2.0, 22. März 2022, 21:13:51

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Scipio 2.0

Hi Leute,

mich beschäftigt schon seit einer ganzen Weile die Frage, die schon im Titel steht. Einige behaupten ja so etwas gäbe es nicht aber anhand von Beobachtungen wird man wohl doch festhalten müssen, dass es da irgend etwas was gibt was einige Leute dazu befähigt bzw. das Potenzial verleiht z.B. hervorragend zu zeichnen oder zu malen. Da steckt natürlich immer noch Arbeit drin aber es wird viele geben, die trotz intensivsten Übens nie über ein gewisses Niveau hinaus kommen.

Was bewirkt, dass manche Leute das Potenzial haben außergewöhnliches zustande zu bringen und alle anderen nicht, trotz allen Übens?

Bachblüte

Die naheliegende und vermutlich nicht sehr hilfreiche Antwort: Genetische Faktoren.

Bei Wikipedia findest Du einen langen Artikel:

https://de.wikipedia.org/wiki/Begabung

Scipio 2.0

Sowas in der Richtung hatte ich schon vermutet.

Nicht hilfreich ist es natürlich in sofern als das an den einmal gefallenen genetischen Würfeln nicht mehr zu rütteln ist.

Es ist natürlich auch Recht ernüchternd heißt dass doch in der Praxis, dass wenn man bei der "genetischen Tombola" kein Glück hatte man sich abstrampeln kann wie man will man wird nicht über ein durchschnittliches Niveau hinaus kommen.

Typee

Nur ruhig Blut. Mit dem Talent und den Genen verhält es sich so ähnlich wie mit dem Beton: es kommt darauf an, was man daraus macht.

Talent ist ein Potential. Wie gut du an deinem Platz bist, hängt nicht nur von dem Umfang des Potentials ab, das du hast, sondern auch davon, wie weit du es ausschöpfst. Setzen wir bei einem Tausendsassa das Potential auf 100 und bei einem Otto Normaltalent auf 70. Ist der Tausendsassa ein fauler Sack, der seine Möglichkeiten zu 50 % ausschöpft und den Rest verdaddelt, schneidet er schlechter ab als Otto, der sich auch nur 80 % seiner Möglichkeiten erarbeitet. In meiner Berufszeit habe ich manche solche 56 %er gesehen, die durch Akribie und Ausdauer schlamperte Überflieger geschlagen haben.

The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

HAL9000

Zitat von: Scipio 2.0 am 23. März 2022, 09:11:25... wenn man bei der "genetischen Tombola" kein Glück hatte man sich abstrampeln kann wie man will  ...
Wie Typee schon geschrieben hat: Aus dem Talent musst du auch etwas machen (wollen).
Mir fällt zu diesem Thema immer ein Kapitel aus dem österreichischem Tennis ein. Da gab es zum einen Thomas Muster
und zum anderen Horst Skoff. Thomas Muster wird ziemlich sicher auch jetzt noch einigen über die österreichischen Grenzen
hinaus bekannt sein, war er doch der erst Österreicher, der ein Grand Slam-Turnier gewann und auch (kurz) Nr. 1 der
Weltrangliste war.
Host Skoff wird heute kaum noch jemand (außerhalb Österreichs) kennen. Dabei war er der wesentlich talentiertere Tennisspieler.
Er hatte mehr Gefühl im Arm, die größere Spielintelligenz und war auch kein reiner "Sandwühler", wie Muster. Er war halt nur faul,
wollte nicht trainieren, hatte stets mit dem Gewicht zu kämpfen.
Muster hat sich seine Erfolge mit härtester Arbeit erkämpft. Hätte er zusätzlich zu seinem Fleiß auch noch das Talent von Skoff gehabt,
wäre er in den 1980er und 1990er Jahren der absolute Überflieger im Tennis gewesen.

Bachblüte

Zitat von: Scipio 2.0 am 23. März 2022, 09:11:25
Nicht hilfreich ist es natürlich in sofern als das an den einmal gefallenen genetischen Würfeln nicht mehr zu rütteln ist.

Ich hatte eigentlich gemeint, nicht sehr hilfreich, weil "genetische Ursachen" eigentlich nur eine Umschreibung dafür ist, "es ist nun mal so".  :grins2:

Zitat von: Scipio 2.0 am 23. März 2022, 09:11:25
Es ist natürlich auch Recht ernüchternd heißt dass doch in der Praxis, dass wenn man bei der "genetischen Tombola" kein Glück hatte man sich abstrampeln kann wie man will man wird nicht über ein durchschnittliches Niveau hinaus kommen.

Neben dem, was Dir Typee und HAL9000 schon gesagt haben: Was willst Du denn erreichen? Wenn Du einfach nur Spaß am Tennisspielen und etwas Bewegung haben willst, dann reicht doch sogar ein unterdurchschnittliches Niveau vollkommen aus.

Üblicherweise ist es wohl auch so, dass einem diejenigen Tätigkeiten am meisten Spaß machen, in denen man die größte Begabung hat. Insofern kannst Du diese Begabungsgeschichte auch als eine Chance sehen: Sie hilft Dir zu erkennen, wie Du (vielleicht) besser glücklich werden kannst. Salopper ausgedrückt: Wenn Du weiblich bist und Weltmeister im Weitpinkeln werden willst, wird es schwierig. Such Dir was anderes.  :laugh:

Scipio 2.0

Und wenn man einen Herzfehler hat sollte man nicht versuchen Leistungssportler, Soldat oder ähnliches zu werden und wenn man AD(H)S sind Intellektuelle Laufbahnen nicht unbedingt etwas für einen...

Man das zieht mich richtig runter, wenn ich so darüber nachdenke.

Ich geh jetzt erstmal schwimmen. Es ist nicht gut, wenn ich zu lange darüber nachdenke.

sailor

Warum sollte ADHS ein Problem bei einer geistigen Tätigkeit sein? Ganz ehrlich, für mich hat intellektuelle Tätigkeit etwas mit dem Verknüpfen unterschiedlichster Informationen zu tun, mit dem "Über den Tellerrand hinausschauen", wobei eine Prädisposition zum schnellen Aufmerksamkeitswechsel sogar hilfreich sein kann... ich vermisse jedenfalls die Tage meiner 20iger wo ich in der einen Minute was mit Geschichte gemacht habe und dann rübergewechselt bin zu Raumfahrtnews... irgendwie geht das heute nicht mehr so einfach :D

Und schwimmen ist immer gut!

Scipio 2.0

Naja, ich nehme mein ADHS bzw. die damit einhergehenden Konzentrationsprobleme als extrem störend wahr. Sie hindern mich oft daran strukturiert hintereinander weg zu arbeiten, das war zum Beispiel im Studium eine wirklich große Belastung.

Max P

Zitat von: Scipio 2.0 am 08. Mai 2022, 12:17:29Naja, ich nehme mein ADHS bzw. die damit einhergehenden Konzentrationsprobleme als extrem störend wahr. Sie hindern mich oft daran strukturiert hintereinander weg zu arbeiten, das war zum Beispiel im Studium eine wirklich große Belastung.
Bei mir ist es Prokrastination. Ist zwar was anderes als ADHS, geht aber u.a. auch mit Konzentrationsstörungen einher. Hat mir im Leben ziemlich geschadet...

Typee

Zitat von: sailor am 08. Mai 2022, 11:14:05Warum sollte ADHS ein Problem bei einer geistigen Tätigkeit sein? Ganz ehrlich, für mich hat intellektuelle Tätigkeit etwas mit dem Verknüpfen unterschiedlichster Informationen zu tun, mit dem "Über den Tellerrand hinausschauen", wobei eine Prädisposition zum schnellen Aufmerksamkeitswechsel sogar hilfreich sein kann... ich vermisse jedenfalls die Tage meiner 20iger wo ich in der einen Minute was mit Geschichte gemacht habe und dann rübergewechselt bin zu Raumfahrtnews... irgendwie geht das heute nicht mehr so einfach :D

Und schwimmen ist immer gut!

Auch das Verknüpfen unterschiedlicher Informationen verlangt Konzentration und Fokussierung, und zwar genau auf den Verknüpfungsvorgang. So, wie ich das wiederholt geschildert bekommen habe, verstehe ich ADHS als ein Defizit bei der Bildung von Hierarchien unter den Bestandteilen der Informationsflut. Dann führen zu viele Blicke über den Tellerrand wohl zu Effizienzverlusten.

Natürlich kann der Mensch multitasken, sonst könnte niemand ein Auto fahren oder gar ein Flugzeug fliegen. Der Punkt ist m.E. nur der, dass nicht alles gleichzeitig mit demselben möglichst maximalen Aufmerksamkeitsgrad erledigt werden kann. Wer richtig auf eine Aufgabe fokussieren kann, erkennt besser, was vorrangig ist, um die beste Ausbeute zu erzielen.
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(Neil deGrasse Tyson)

Peiresc

Zitat von: Scipio 2.0 am 08. Mai 2022, 10:49:06Es ist nicht gut, wenn ich zu lange darüber nachdenke.

Das finde ich auch.

Scipio 2.0

@Typee Würde ich so unterschreiben.

Ich muss im übrigen mal festhalten, dass ich des öfteren ziemlich neidisch auf Leute werde, von denen ich glaube dass ihnen die Dinge leichter von der Hand gehen als mir.

Mir ist klar, dass das auf vielen Ebenen dumm ist aber das Gefühl taucht leider immer mal wieder auf und ich muss zusehen wie ich damit fertig werde.

Scipio 2.0

ZitatThomas Muster wird ziemlich sicher auch jetzt noch einigen über die österreichischen Grenzen
hinaus bekannt sein, war er doch der erst Österreicher, der ein Grand Slam-Turnier gewann und auch (kurz) Nr. 1 der
Weltrangliste war.

Solche Leute haben aber mit Sicherheit einen eisernen Willen und ein großes Selbstvertrauen, beides Dinge die mir auch ziemlich abgehen.

Tatsächlich würde ich eher sagen, dass ich strak von (Selbst-)Zweifeln geschlagen bin. Oft genug frage ich mich, was das alles für einen Sinn hat? Wozu braucht es mich und meine "Anstrengungen", wenn es Leute gibt, die so viel talentierter, schlauer, stärker whatever sind als ich?

Nur mal als Beispiel ich hab hier noch die dreiteilige Analysis von Escher und Amann rumliegen. Ich könnte mich jetzt hinsetzen und diesen Schinken (grunz grunz) durchackern aber wozu soll das gut sein? Einen detizierten Nutzen habe ich davon nicht und selbst wenn ich das durchziehe wird es trotzdem besser Mathematiker als mich geben.

Einigermaßen stringent und zielgerichtet kann ich nur arbeiten, wenn ich der Arbeit einen definierten Zweck zuweisen kann und selbst dann nagen oft genug Zweifel an mir.

Ich denke ich muss einfach mit dem auskommen was ich habe und entsprechende Brötchen backen. Das bedeutet halt auch, dass ich mit vielen anderen nicht werde mithalten können, auch wenn das bedeutet sich wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen.

Typee

Zitat von: Scipio 2.0 am 15. Mai 2022, 18:30:32
ZitatThomas Muster wird ziemlich sicher auch jetzt noch einigen über die österreichischen Grenzen
hinaus bekannt sein, war er doch der erst Österreicher, der ein Grand Slam-Turnier gewann und auch (kurz) Nr. 1 der
Weltrangliste war.

Solche Leute haben aber mit Sicherheit einen eisernen Willen und ein großes Selbstvertrauen, beides Dinge die mir auch ziemlich abgehen.

Tatsächlich würde ich eher sagen, dass ich strak von (Selbst-)Zweifeln geschlagen bin. Oft genug frage ich mich, was das alles für einen Sinn hat? Wozu braucht es mich und meine "Anstrengungen", wenn es Leute gibt, die so viel talentierter, schlauer, stärker whatever sind als ich?

Nur mal als Beispiel ich hab hier noch die dreiteilige Analysis von Escher und Amann rumliegen. Ich könnte mich jetzt hinsetzen und diesen Schinken (grunz grunz) durchackern aber wozu soll das gut sein? Einen detizierten Nutzen habe ich davon nicht und selbst wenn ich das durchziehe wird es trotzdem besser Mathematiker als mich geben.

Einigermaßen stringent und zielgerichtet kann ich nur arbeiten, wenn ich der Arbeit einen definierten Zweck zuweisen kann und selbst dann nagen oft genug Zweifel an mir.

Ich denke ich muss einfach mit dem auskommen was ich habe und entsprechende Brötchen backen. Das bedeutet halt auch, dass ich mit vielen anderen nicht werde mithalten können, auch wenn das bedeutet sich wie das fünfte Rad am Wagen zu fühlen.

Yo, das liest sich wie eine Anleitung zum Unglücklichsein. Und mehr noch: so vergibst du die Chance, deine Möglichkeiten auszuschöpfen. Überlege nochmals meine Prozentrechnung: deine 80 oder 90 % können die 50 % eines schlamperten Genies ausstechen. Die gewissenhaften Achtzigprozenter sind übrigens auch keine fünften Räder, sondern das Rückgrat der Gesellschaft.
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