Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Klinische Studien

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Patzer_King, 15. Februar 2019, 00:00:42

« vorheriges - nächstes »

Patzer_King

Ich habe hier mal ein wenig durchs Forum geblättert.. vor ein paar Tagen gab es wohl ein wenig Kritik an einem Artikel was dann in eine Diskussion über klinische Studien ausartete.
Natürlich sind professionell durchgeführte Studien eine wichtige Vorraussetzung für wissenschaftliche Anerkennung, erst recht wenn es um besonders extravagante Behauptungen geht.
Nun sind die Urheber dieser Behauptungen ja in der Regel nicht milliardenschwere Pharmakonzerne oder große Institute mit staatlichen Forschungsgeldern, sondern kleine Gruppierungen und Verbände, daher habe ich ein Problem festgestellt auf dass ich bisher keine Antwort finden konnte:

Was kosten eigentlich klinische Studien?
Ich weiß dass Zulassungen von neuen Medikamenten mehrere Jahre und 2stellige Millionenbeträge in Anspruch nehmen, das entfällt ja hauptsächlich auf die Durchführung mehrerer solcher Studien.
Von daher... wir verlangen berechtigterweise umfangreiche Studien, aber wo kommt das Geld dafür her?

Peiresc

Zitat von: Patzer_King am 15. Februar 2019, 00:00:42
Was kosten eigentlich klinische Studien?
Das ist eines der bestgehüteteten Geheimnisse der Pharma-Industrie. Argwöhnische behaupten: weniger als die Werbung, die die Firmen betreiben.

ZitatIch weiß dass Zulassungen von neuen Medikamenten mehrere Jahre und 2stellige Millionenbeträge in Anspruch nehmen, das entfällt ja hauptsächlich auf die Durchführung mehrerer solcher Studien.
Von daher... wir verlangen berechtigterweise umfangreiche Studien, aber wo kommt das Geld dafür her?
Es ist halt eine Industrie: wer verdienen will, muss investieren können.

Patzer_King

Ich hab das mal für das diskutierte Beispiel der Bioenergetischen Meditation überschlagen, vielleicht wird dann deutlicher worauf ich hinaus will:

Um diese astronomischen Behauptungen angemessen nachzuweisen, müssten die eine riesige Metastudie durchführen.
Sagen wir mal 20.000 zufällig ausgewählte Teilnehmer aufgeteilt auf 4 Gruppen (Kontrollgruppe, 1 Sitzung/Monat, 1 Sitzungen/2 Wochen, 1 Sitzung/Woche), das lässt sich wahrscheinlich sogar zumindest halbwegs einseitig verblinden (Arzt weiß nicht in welcher Gruppe der Teilnehmer ist). Langzeitstudie über 3 Jahre mit insgesamt 8 Untersuchungen (Vor, 1 Monat, 3, 6, 12, 18, 24, 36).
Unter der Vorraussetzung dass die veröffentlichten Ergebnisse echt sind, wäre eine derartige Studie definitiv ausreichend um die Wirkung bzw. nicht vorhandene Wirkung der Methode nachzuweisen. Jetzt kommen wir aber an den Punkt dass eine derartige Aktion ja nicht ganz billig ist...

Angefangen bei den Behandlungen, durchschnittlich 2/Monat/Teilnehmer also 40.000/Monat. Angenommen dass im Verlaufe der Zeit einige Teilnehmer ausscheiden, sagen wir mal 400.000/Jahr.
Soweit ich das verstanden habe geht so eine Behandlung 1-1,5h, nehmen wir mal Massage- und Wellnessangebote als Vergleich, kostet eine Behandlung ca. 50€. Damit sind wir bei 60.000.000€ über 3 Jahre.
Der Vollständigkeit halber noch den nötigen Arbeitsaufwand (nur für die Behandlungen): 10.000 Sitzungen x 1,5h / 40h Arbeitswoche (+ ein paar Ausfälle) entspricht ca. 400 Therapeuten die Vollzeit an der Studie arbeiten (bei gerade einmal 700 Mitgliedern, die sicherlich oft noch anderen Berufen nachgehen).

Dazu kommt die Vergütung für die Studienteilnehmer, bspw. 100€ pro erfolgreicher Untersuchung. 800€ x 15.000 vollwertige Teilnehmer entspricht 12.000.000€.

Die ärztlichen Untersuchungen sind für mich kostentechnisch schwer abzuschätzen und variieren sicherlich je nach Gesundheitszustand des Teilnehmers, sagen wir einfach mal durchschnittlich 200€/Untersuchung. Das sind nochmal 24.000.000€.

Fehlen noch laufende Kosten (Organisation, Post, Büroräume etc.) und die Kosten für die extrem aufwendige jahrelange Auswertung der Resultate.

Insgesamt wären wir damit bei weit über 100 Millionen €, ich glaube das wäre selbst für einen Pharmakonzern ein ganz schönes Problem.


Worauf ich mit diesem Gedankenspielchen hinaus will:
Wir verlangen umfangreiche wissenschaftliche Beweise um die Legitimität der Methode überhaupt in Betracht zu ziehen, solange der Begründer kein Milliardär ist, ist das Erbringen dieser Beweise aber jenseits von utopisch.
Vergleichen könnte man diese Einstellung vielleicht damit einem 2jährigen zu sagen "ich berücksichtige nur Anfragen in schriftlicher Form". Die Einstellung an sich ist ja vernünftig, in der vorliegenden Situation aber vollkommen unrealistisch.


Ich hoffe es ist jetzt besser zu verstehen warum ich mit dieser Problematik Schwierigkeiten habe.
Ich möchte meine wissenschaftlichen Prinzipien nicht aufgeben, aber ich möchte auch anderen Menschen fair und unvoreingenommen entgegentreten.
Vielleicht hat hier ja jemand einen Lösungsansatz dafür?

Nogro

Wenn also der Beweis der Nichtexistenz eines mutmaßlich nicht existierenden Phänomens unbezahlbar ist, so existiert es.
Sehe ich das so richtig? (Beispiel Homöopathie)
Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

Patzer_King

Nein, andersherum.
Dass der Beweis für die Existenz nicht bezahlbar ist, heißt nicht zwangsläufig dass etwas nicht existiert.
Vergleichbar wäre es vielleicht zu jemandem zu sagen: Um zu beweisen dass deine Aussagen stimmen, musst du zu Fuß zum Mond laufen. Anforderungen die unmöglich umzusetzen sind, ist weniger ein Argument und mehr eine Taktik jegliche Argumente des Gegenübers zu ignorieren.
Edit: Ich glaube deine Signatur beschreibt dieses Phänomen ganz gut :D

Ich würde aber mal schätzen die Homöopathie ist vielleicht einer der wenigen Verbände die eine (kleinere) Studie tatsächlich umsetzen könnten.

Nogro

Zitat von: Patzer_King am 15. Februar 2019, 23:02:08
Ich würde aber mal schätzen die Homöopathie ist vielleicht einer der wenigen Verbände die eine (kleinere) Studie tatsächlich umsetzen könnten.
Kostet die dann auch 100 Millionen?
Übrigens, wenn ich eine Frage stelle, impliziert dies nicht unbedingt meine Ahnungslosigkeit.
Es genügt nicht, keine Ahnung zu haben. Man muss auch dagegen sein (Hermann Hinsch)

Patzer_King

Die Kosten hängen vom Umfang der Studie ab.
Wenn man sich auf 1 von deren Mittelchen beschränkt, vielleicht 100 Teilnehmer über ein paar Monate, da wird vielleicht ein 6stelliger Betrag bei rauskommen der zu großen Teilen aus den ärztlichen Untersuchungskosten besteht.

Das hat ja aber mit meiner Frage nicht mehr viel zu tun.

celsus

Zitat von: Patzer_King am 15. Februar 2019, 23:02:08
Ich würde aber mal schätzen die Homöopathie ist vielleicht einer der wenigen Verbände die eine (kleinere) Studie tatsächlich umsetzen könnten.

Nun gibt es aber schon mehrere hundert Studien zur Homöopathie und eine Menge Reviews noch dazu. So schrecklich schwierig scheint das also nicht zu sein. Der Haken ist nur, dass die entweder nicht den Wünschen der Homöopathen gerecht werden oder so schlecht gemacht sind, dass sie überhaupt nichts aussagen. Vielleicht ist es in dem Bereich einfach besser, den Naturgesetzen zu vertrauen und das Geld statt für noch mehr Studien anderweitig sinnvoller anzulegen.

Davon abgesehen werden viele Studien auch von Forschungsinstituten und Universitäten durchgeführt. Ich habe den Eindruck, du gehst davon aus, dass Studien nur dazu gut sind, den Interessen reicher Leute zu dienen.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Typee

Zitat von: Patzer_King am 15. Februar 2019, 23:02:08
Dass der Beweis für die Existenz nicht bezahlbar ist, heißt nicht zwangsläufig dass etwas nicht existiert.

Wenn der Beweis (sagen wir besser: der Beleg) so kompliziert ist, dass er praktisch nicht bezahlbar ist, stellt sich noch eine andere Frage: gibt es eine Stelle, an der man den Zaster sinnvoller ausgeben kann?
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Peiresc

Zitat von: Patzer_King am 15. Februar 2019, 22:38:49
Ich hab das mal für das diskutierte Beispiel der Bioenergetischen Meditation überschlagen, vielleicht wird dann deutlicher worauf ich hinaus will:

Um diese astronomischen Behauptungen angemessen nachzuweisen, müssten die eine riesige Metastudie durchführen.
Das liegt daran, dass ,,diese astronomischen Behauptungen" kompletter Unsinn sind. Bevor Du hier Zahlen auf einen Haufen stapelst, solltest Du zunächst mal für Dich klären, welche Behauptung genau einer Überprüfung wert wäre. Bei welcher Krankheit wäre welches Ergebnis im Vergleich zu einer Kontrollgruppe als klinisch bedeutsam zu bewerten? Erst dann wäre es sinnvoll, sich über Stichprobengröße, Signifikanzen usw. Gedanken zu machen.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/77774/Fallzahlplanung-in-klinischen-Studien

Für den empirischen Nachweis, dass Therapeutic Touch Unsinn ist, genügte die Versuchsidee eines elfjährigen Kindes.
https://www.psiram.com/de/index.php/Therapeutic_Touch#Der_Emily_Rosa-Versuch

RainerO

Zitat von: Peiresc am 16. Februar 2019, 09:06:00
... Das liegt daran, dass ,,diese astronomischen Behauptungen" kompletter Unsinn sind...
Dazu sei auch der Begriff "Scientabilität" in die Runde geworfen: http://www.homöopedia.eu/index.php/Artikel:Scientabilit%C3%A4t

sailor

Bei der kurzen aber schmerzhaften Diskussion um die sog. "Studien" bei dem Bioenergiemist habe ich es schon gesagt: Wenn man sowas wie Bluthochdruck auf der Testagenda hat ist es sehr einfach (und billig) entsprechende Testreihen zu fahren. Vor allem bekommt man dabei deutlich mehr Probanden zusammen und die Sympthomatik ist relativ homogen. Insofern ist es schon ein Beweis für die unwissenschaftlichen Absichten der "Autoren" solcher Studien, wenn sie dort reine "Wohlfühlbefragungen" machen.

Patzer_King

Zitat von: celsus am 15. Februar 2019, 23:20:03
Nun gibt es aber schon mehrere hundert Studien zur Homöopathie. [...] Ich habe den Eindruck, du gehst davon aus, dass Studien nur dazu gut sind, den Interessen reicher Leute zu dienen.
Deswegen auch meine Anmerkung dass die Homöopathie Leute einer der größten Verbände dieser Art sind und das am ehesten schaffen könnten.
Wissenschaftliche Studien werden in der Regel durchgeführt um aufgestellte Behauptungen und Theorien zu überprüfen. Klinische Studien im speziellen werden fast ausschließlich durchgeführt um die eigenen Behauptungen zu belegen (Wirkung des eigenen Produkts).

Kleine Studien sind natürlich eine Möglichkeit, haben aber wissenschaftlich nahezu keine Aussage und würden bspw. hier garantiert keinerlei Anerkennung erfahren.


Es ist schön dass ihr das gegebene Beispiel kritisieren könnt, mir geht es hier nicht um die Arbeit der Biomeditation. Ob Studien in diesem Fall sinnvoll wären oder nicht kann man lange diskutieren, ich bin Physiker und habe schon deutlich verrücktere Theorien gehört.

Meine Frage war über das Prinzip wie man mit Behauptungen umgeht die sich nicht beweisen lassen.

celsus

Zitat von: Patzer_King am 16. Februar 2019, 17:20:41Wissenschaftliche Studien werden in der Regel durchgeführt um aufgestellte Behauptungen und Theorien zu überprüfen. Klinische Studien im speziellen werden fast ausschließlich durchgeführt um die eigenen Behauptungen zu belegen (Wirkung des eigenen Produkts).

That's not how science works.

Das Ziel sollte sein, die aufgestellte Hypothese zu falsifizieren. Alles andere ist Bestätigungsforschung, die besonders in der "Alternativmedizin" gerne durchgeführt wird, aber wissenschaftlich unbrauchbar ist.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

celsus

Zitat von: Patzer_King am 16. Februar 2019, 17:20:41Meine Frage war über das Prinzip wie man mit Behauptungen umgeht die sich nicht beweisen lassen.

Man stellt eine Hypothese auf und versucht, diese zu widerlegen. Gelingt das nicht, hat man einen ersten Hinweis, dass das Phänomen existiert.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.