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Die Tierethik im Zoo

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Begonnen von MrSpock, 11. Februar 2014, 11:17:09

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mossmann

irgendwie verstehe ich solche Topics nicht.

Außer den Ausführungen von Mr Spock wird das übliche Gebashe vom Stapel gelassen ... hier gings um ein Zootier und nicht das Gesetzt der Wildnis ...

Außerdem:

ZitatEs gibt Menschen, die ein altes Pferd für 300Eur/Monat am Leben erhalten, während in Afrika Menschen aus Pfützen trinken müssen und an schlechten Wasser elendig krepieren. Hier stimmt was nicht

(aus einem Comment)

Doch da stimmt alles: Wenn jmd 300 Euro für einen Gaul ausgeben will, kann er das gerne tun.  Schlimm, der ewige "arme Kinder in Afrika"-Strohmann
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Robert

Ja und? Diese Leute regen sich über die Schlachtung einer Giraffe auf, blenden aber aus, wie es sonst so in der Welt zugeht. Bambisyndrom halt.

Ich wehre mich selber auch gegen Schuldzuweisungen, dass meine Ernährung angeblich andere Menschen tötet, weil das die Komplexität der Sache nicht reflektiert. Abgesehen davon ist das vegane Kampfrhetorik, die ich per se ablehne. Aber, ich rege mich auch nicht auf, wenn ein Zootier schmerzlos getötet wird, außer, dass ich gerne mal Giraffensteak gekostet hätte.

Wenn ich meine Haustiere für viel Geld behandeln lasse, mache ich das. Das ist aber meine Sache, denn ich habe, ganz Egoist, meine Viecher  zu meiner psychischen Erbauung und das ist was anderes als ein Zootier oder ein Masttier.

MrSpock

Es passt eben alles so schön in das klischeehafte Bild:

Auf der einen Seite der böse Zoo mit seinem bösen Direktor und den bösen Besuchern. Auf der anderen Seite die dummen Veganer und dummen Tierschützer mit ihrem Bambisyndrom und Faible für Gnadenhöfe mit der weichgespülten Selbstinszenierung und eingebautem Heiligenschein-Automatismus. Und dann ist da auch noch die Natur mit ihren eigenen Gesetzen. Wer soll da noch durchblicken?  :crazy
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

mossmann

Naja.

Es ist nun mal so, dass eine Giraffe ein Sympathieträger ist, gerade bei Kindern - aber auch Erwachsenen. Und es ist nun mal auch so, dass wir im Westen mit unserer Haustier-Mentalität eben unterscheiden zwischen "lieben, süßen" Tieren und "normalen, uninteressanten" Tieren.

Das ist völlig in Ordnung und deshalb ist es doch ganz klar, dass sich Leute über den Vorfall aufregen.

Sich jetzt darüber lustig machen im Stile von "ach die dummen Kinder jetzt sehen sie mal die Realität" stößt mir auf.

Klar, die "Skeptiker" sind wie immer voll cool und haben für sämtliche, selbst kindliche Emotionalität nur Häme über, von wegen das wahre Leben usw ... ich finde so etwas, ehrlich gesagt, arm.

Und dann dieses ewige "die Kinder auf dem Land kennen die Schlachtung, was soll die Aufregung usw ..."

Von welchem "Land" sprechen wir eigentlich? Eine hinterbayerische Gemeinde auf der Alm in den 50er Jahren?

Die meisten Kinder wachsen in der Stadt oder verstädterten Ex-Dörfern auf ... Ich selbst bin in einem so genannten "Dorf" groß geworden, das inzwischen zu 50 Prozent aus Neubauten besteht. Klar, da wird an jeder Ecke ein Schwein geschlachtet ...

Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

MrSpock

Es hat auch etwas mit Realitätsverweigerung zu tun, wenn man den Kindern nicht erklärt, woher die schöne Bärchi-Wurst tatsächlich stammt und das dafür ein Tier geschlachtet wurde. Das man selber keine Hausschlachtungen erlebt hat befreit nicht von der Realität.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.


mossmann

Zitat von: MrSpock am 12. Februar 2014, 10:52:27
Es hat auch etwas mit Realitätsverweigerung zu tun, wenn man den Kindern nicht erklärt, woher die schöne Bärchi-Wurst tatsächlich stammt und das dafür ein Tier geschlachtet wurde. Das man selber keine Hausschlachtungen erlebt hat befreit nicht von der Realität.

Ich habe nie eine Hausschlachtung erlebt und weiß, woher die Wurst kommt. Das kann man durchaus anders erfahren, meinst du nicht? Was hat das mit Realitätsverweigerung zu tun? Auch wenn man die Realität kennt, muss man sie nicht schön finden oder unbedingt live sehen wollen.

Als ich fürs Studium meine erste Ratte sezierte, war ich über 20 - und dennoch fand ich es nicht schön.

Das Töten von Fröschen wollte ich dann nicht mitmachen und habe mich für diesen Kurs für die Alternative "Selbstversuch" entschieden. Was ich, selbst an Elektroden angeschlossen, über die Funktion des Muskels lernte, finde ich bis heute beeindruckend - ganz ohne Schnippeln ...

(offtopic off)
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Robert

Die Reaktion der anderen Zoos kommt mir vor wie zu rufen: "Haltet den Dieb!" Es werden in jedem Zoo überzählige Tiere getötet, nur geschieht das heimlich. Manchmal kommt so etwas als "Skandal" in die Presse. Süße kleine Tierkinder sind nun mal ein Publikumsmagnet, aber wohin damit, wenn sie groß werden?

Dass die Giraffe öffentlich seziert wurde, ist ok, es besteht ja keine Pflicht, sich das anzusehen. Ich habe auch schon verschiedene Tiere seziert, ich fand es interessant. Ich finde, es kann keineswegs von einem Modell ersetzt werden, weil man die Anatomie selber erarbeitet.

F. A. Mesmer

Zitat von: mossmann am 12. Februar 2014, 10:47:38
Naja.

Es ist nun mal so, dass eine Giraffe ein Sympathieträger ist, gerade bei Kindern - aber auch Erwachsenen. Und es ist nun mal auch so, dass wir im Westen mit unserer Haustier-Mentalität eben unterscheiden zwischen "lieben, süßen" Tieren und "normalen, uninteressanten" Tieren.

Das ist völlig in Ordnung und deshalb ist es doch ganz klar, dass sich Leute über den Vorfall aufregen.

Sich jetzt darüber lustig machen im Stile von "ach die dummen Kinder jetzt sehen sie mal die Realität" stößt mir auf.

Klar, die "Skeptiker" sind wie immer voll cool und haben für sämtliche, selbst kindliche Emotionalität nur Häme über, von wegen das wahre Leben usw ... ich finde so etwas, ehrlich gesagt, arm.

Und dann dieses ewige "die Kinder auf dem Land kennen die Schlachtung, was soll die Aufregung usw ..."

Von welchem "Land" sprechen wir eigentlich? Eine hinterbayerische Gemeinde auf der Alm in den 50er Jahren?


Die meisten Kinder wachsen in der Stadt oder verstädterten Ex-Dörfern auf ... Ich selbst bin in einem so genannten "Dorf" groß geworden, das inzwischen zu 50 Prozent aus Neubauten besteht. Klar, da wird an jeder Ecke ein Schwein geschlachtet ...
ein wesentlicher punkt in der diskussion könnte sein, dass es eben nicht so ist, jedenfalls nicht überall und das dieser umstand auch mit den essgewohnheiten zu tun hat.

wenn kinder lernen, dass das, was sie da zwischen brötchenhälften, in der bolognese-soße oder als buletten wegmampfen mal ein tier war, dann ist die überraschung nicht so groß. fairerweise kann man erwarten, dass auch schon kleine kinder gesagt bekommen, was sie da essen - ich kenne auch genug kinder, die fragen was sie da essen, dann wird das bilderbuch herausgeholt und auf das entsprechende tier verwiesen. ist kein problem. ebenso, wenn mal ein huhn geputzt oder eben nach dem braten auseinandergenommen wird. dito fisch und was es sonst noch so gibt.

nur scheint es eben auch gruppen zu geben, die offensichtlich dazu neigen ihren kindern nicht unbedingt eine belastbare version von realität zu vermitteln, seien es Engel, irgendein Gott oder eben auch wie tiere miteinander umgehen, dass tiere andere tiere fressen und das der Tod unweigerlich bestandteil von leben und teilweise auch seine voraussetzung ist. auch kleinkinder können das verstehen, wenn man sie das verstehen lassen möchte, natürlich geht auch das übliche geblubber.

sympathie für diverse tiere ist auch nicht einfach mal so gegeben, sondern wird weitgehend erlernt/anerzogen. ich fand giraffen als kind immer etwas dümmlich, löwen und hyänen waren waren irgendwie cooler, erstrecht als baby-ausgabe...
unabhängig von der begeisterung für eine tierart oder deren mehrere ist es ohneweiteres möglich das nahrungsmitteloptenzial dieser tiere im blick zu behalten.

du brauchst auch nicht ins bayern der 50er jahre zurück. der lokale hasen- und geflügelzüchterverein genügt. ebenso, wenn jemand passionierter angler ist, von mir aus auch jäger. und wer sein fleisch frisch kauft, etwa beim türken, der wird den guten mann auch mal mit blutverschmierter schürze und blutverkrusteten unterarmen vorfinden (ja ich weiß, die hygiene) - und das lamm ist dort wirklich gut.

kurzum, wenn man kindern die gelegenheit gibt, ihre umwelt zu verstehen und sich in ihr zu bewegen, etwa weil man sie mitnimmt, dann kriegen die schon mit, dass die wurst irgendwie mit der blutigen schürze des metzgers zu tun hat, die werden schon nachfragen. ebenso, das feuer heiß ist und würstchen sich gut eignen überm feuer zubereitet zu werden.
natürlich werden kinder das nie lernen, wenn essen immer nur aus dem kühlschrank kommt, und sie selbst die stadt nur vom auto her kennne. gibts auch.

gehst du nie grillen, campen, picknicken?

edit: eine schweineschlachtung habe ich noch nicht erlebt, nichtmal in bewaldeten hinterlandgebieten mit hügelbildung. wenns aber dort ein schwein gebraten wird, stehen jede menge kinder und eltern drumherum und es gibt anschauungsunterricht.

mossmann

Zitat von: Robert am 12. Februar 2014, 11:11:45
Die Reaktion der anderen Zoos kommt mir vor wie zu rufen: "Haltet den Dieb!" Es werden in jedem Zoo überzählige Tiere getötet, nur geschieht das heimlich.

Hast du dafür Belege? Jetzt aber bitte nicht antworten: "Nein, weil das ja heimlich ist" ;-)

Zitat von: Robert am 12. Februar 2014, 11:11:45Süße kleine Tierkinder sind nun mal ein Publikumsmagnet, aber wohin damit, wenn sie groß werden?

Ein guter Zoo regelt das.

Zitat von: Robert am 12. Februar 2014, 11:11:45Ich habe auch schon verschiedene Tiere seziert, ich fand es interessant. Ich finde, es kann keineswegs von einem Modell ersetzt werden, weil man die Anatomie selber erarbeitet.

Finde ich überhaupt nicht - vor allem, weil man als Newbie damit zumeist überfordert ist.
Offizieller Sprecher des gemäßigten Flügels der Psiram-Jugend

Omikronn

Zitat von: mossmann am 12. Februar 2014, 11:16:53
Zitat von: Robert am 12. Februar 2014, 11:11:45
Die Reaktion der anderen Zoos kommt mir vor wie zu rufen: "Haltet den Dieb!" Es werden in jedem Zoo überzählige Tiere getötet, nur geschieht das heimlich.

Hast du dafür Belege? Jetzt aber bitte nicht antworten: "Nein, weil das ja heimlich ist" ;-)

Ich bin zwar nicht Robert, und heimlich ist es auch nicht, aber reicht das?
http://www.schwaebische.de/politik/politik-aktuell_artikel,-Auch-der-Stuttgarter-Zoo-verfuettert-tote-Tiere-_arid,5584759.html

Zitat von: mossmann am 12. Februar 2014, 11:16:53
Zitat von: Robert am 12. Februar 2014, 11:11:45Süße kleine Tierkinder sind nun mal ein Publikumsmagnet, aber wohin damit, wenn sie groß werden?

Ein guter Zoo regelt das.

Und wie? Einfach in den nächsten Zoo rüberschieben der das Tier aufnehmen will? Dass dies das Problem der Inzucht nicht gelöst hätte wurde im Zeitungsartikel geschrieben:
Zitat von: welt.deDa der Kopenhagener Zoo dem Zuchtprogramm der Europäischen Vereinigung von Zoos und Aquarien (EAZA) angehört, konnte Marius auch nicht an den kleinen Zoo im nordschwedischen Östersund abgegeben werden. Dort hatte Zoodirektor Åke Netterström angeboten, Marius aufzunehmen.

Ein Angebot, das der Kopenhagener Zoo allerdings ablehnte, da Östersund nicht Mitglied im EAZA ist und außerdem keine anderen Giraffen hat. "Wir folgen dem internationalen Zuchtprogramm, und ein europäischer Koordinator untersucht stets, ob man ein Tier in einen anderen Zoo überführen kann", erklärte Sami Widell vom Kopenhagener Zoo.
Don't try to argue with idiots, first they tear you down to their level, then they beat you with their experience.

MrSpock

Ich denke, folgender Kommentar trifft den Kern der Sache recht gut:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article124743606/Marius-Tod-war-ein-Akt-elementarer-Volksbildung.html

ZitatUnsere Gesellschaft schlachtet und konsumiert so viele Tiere wie noch nie in der Geschichte. Und sie bekommt davon so wenig wie noch nie mit. Das Schlachten wird in den Schlachthöfen versteckt. Und die Schlachthöfe werden aus den Städten weit hinaus ins flache Land verlegt.

Kinder, die nicht in unmittelbarem Kontakt zu Nutztierhaltung oder Jagd aufwachsen, haben kaum eine Chance, mit eigenen Augen zu sehen, woher die Schnitzel und das Gulasch kommen. Wie sollen sie lernen, dass ein Tier nicht nur aus normierten Filets besteht, sondern aus Knochen und Sehnen und vielerlei Innereien?

ZitatDas öffentliche Zerlegen einer Giraffe im Zoo von Kopenhagen war ein Akt elementarer Volksbildung. Dieser Zoo nimmt seine Bildungsaufgabe ernst.

Das öffentliche Sezieren von Tieren, die im Zoo gestorben sind oder getötet werden mussten, hat hier Tradition. Solche Unterrichtsstunden in Anatomie werden angekündigt und finden großen Zuspruch beim Publikum. Auch im Falle des jungen Giraffenbullen Marius war das so. Niemand wurde gegen seinen Willen überfallartig mit blutigen Bildern konfrontiert.

ZitatOffenbar sind viele Journalisten Opfer eines zwanghaften Kindchenschema-Reflexes, wenn sie über Tiere schreiben müssen.

ZitatLöst man das Problem der Überpopulation in Zoos durch Kastration, erstirbt über kurz oder lang die Nachzucht. Außerdem gehört es zu den Grundsätzen des Europäischen Zooverbandes, dass sich die Tiere in ihren natürlichen Zyklen fortpflanzen dürfen und ihnen die Möglichkeit der Jungenaufzucht nicht genommen werden soll. Schließlich macht das einen wesentlichen Teil ihres Lebens und ihres Verhaltensrepertoires aus. So also kam es, dass aus vernünftigen Gründen eine kerngesunde junge Giraffe getötet wurde.
Von allen Seelen, die mir begegnet sind auf meinen Reisen, war seine die menschlichste. (In Memoriam Groucho)

Zitat aus Star Trek II.

Robert

http://www.zoodirektoren.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=1286:populationsmanagement

Zitat
Schmerzfreies Töten

Überzählige Tiere dürfen getötet werden, wenn nach sorgfältiger Prüfung eine Haltung, die eine angemessene Lebensqualität bietet, nicht gewährleistet werden kann.

Die Tötung der Tiere muss angst- und schmerzfrei erfolgen.

Zoos haben eine Güterabwägung vorzunehmen und die hierbei zu treffenden Entscheidungen auf dem Stand der biologischen Wissenschaften zu treffen. Dabei sind die geltenden Gesetze, die anerkannten Regeln der Zuchtprogramme, die Welt-Zoo- und Aquarium-Naturschutzstrategie sowie gesellschaftlich anerkannte Gründe für das Töten von Tieren zu berücksichtigen.

Robert

Und hier noch etwas: http://www.swr.de/odysso/-/id%3D1046894/nid%3D1046894/did%3D4294506/ltayxs/index.html

ZitatUnser Verhältnis zum Tier ist sehr ambivalent. Einerseits verhätscheln wir unsere Haustiere, andererseits nehmen wir Tierversuche und Massentierhaltung hin. Und nicht alle Tiere sind uns gleich viel wert: Felltiere mögen wir lieber als Insekten, Hunde mehr als Ratten, und Eisbären mehr als Ziegen. Und Tierbabys sind natürlich sowieso viel süßer als ausgewachsene Tiere. Um so größer ist die Entrüstung, wenn ein Zoo ankündigt, den überzähligen Nachwuchs töten zu müssen.


Die Zukunft von Flusspferd Farasi ist noch ungewiss.
So sorgte etwa das gerade erst geborene Flusspferd Farasi im Dezember 2008 für Aufregung im Baseler Zoo. Denn angeblich gab es für das Kleine keinen Platz. Die drastische Konsequenz: Farasi sollte eingeschläfert werden. Erst nach einem Proteststurm stellte der Zoo klar: Farasi darf vorerst bleiben. Allerdings war dies den Zoobetreibern schon vorher klar. Erst im Alter von drei Jahren wird es problematisch, denn dann wird es wirklich zu eng im Baseler Zoo. Und dann geht es Farasi wohl doch an den Kragen. Zumindest wenn sich woanders kein Platz finden lässt.
Schwer vermittelbare Zootiere
Solche Fälle rufen natürlich Tierschützer auf den Plan. Und auch die Öffentlichkeit mag nicht einsehen, warum Tiere gerade im Zoo getötet werden. Der Tierrechtler Frank Albrecht von der Tierschutzorganisation PETA fasst die Probleme der Zucht in Zoos wie folgt zusammen, und hat auch gleich eine Forderung parat: ,,Es ist immer wieder schwierig, für Zoos Tiere zu vermitteln. Wie es immer wieder weniger Zoos gibt, die diese Tiere halten können. Und da fordern wir auch von PETA Deutschland, dass solche Zuchten gestoppt werden - solange, bis man sie wieder vermitteln kann, bis man wieder seriöse Abnehmer gefunden hat. Und das tun die Zoos nicht, weil sie eben mit dem Nachwuchs, mit den Einnahmen, die Kasse klingeln lassen können."
Rummel um Knut, Flocke & Co.


Publikumsliebling Flocke: Eisbären sind schwer zu halten, aber dennoch bei Zoos und Besucher beliebt.
Ein Vorwurf, den man zwar nicht unbedingt belegen kann, der sich aber auch schlecht widerlegen lässt. Man denke nur an den extremen Rummel um Eisbärbaby Knut. Sicher war der nicht kalkuliert, aber bestimmt willkommen. Schließlich hat der putzige Knut auch ein paar Euro mehr als sonst in die Berliner Zookasse gespült. Genau wie sein Pendant Flocke im Nürnberger Tiergarten. Mittlerweile dem Knuddelalter entwachsen, war das Eisbärenweibchen sozusagen Bayerns Antwort auf Knut. Unter dramatischen Umständen entschied der Nürnberger Tiergarten, Flocke ebenfalls von Hand aufzuziehen. Denn es bestand die Gefahr, dass ihre Mutter sie ablehnen und töten würde.
Der stellvertretende Tiergartendirektor Helmut Mägdefrau steht auch heute noch zu dieser Entscheidung. Dabei ist die Zukunft des Eisbären längst nicht klar, so Mägdefrau. Das werde entschieden, wenn es so weit ist. Das heißt, wenn Flocke geschlechtsreif geworden ist. Denn es geht auch darum, Flocke mit dem richtigen Eisbären zu verkuppeln: "Das wird im Rahmen des europäischen Erhaltungszuchtprogramms entschieden, wo dann der beste Platz in Europa sein wird. Und auch die Verpaarung mit welchem Mann."
Partnervermittlung für Zootiere
Flocke könnte Glück habe, denn Eisbären sind zwar schwer zu halten, aber auch schwer begehrt. Das zeigt ein Blick in die Partnervermittlungsdatenbank der europäischen Zoos, der EAZA-Datenbank. Unter Ursus Maritimus finden sich fast ausschließlich Anfragen. ,,W" steht für ,,wanted" – gesucht. Helmut Mägdefrau und Tiergartendirektor Dag Encke machen sich mehr Sorgen um andere Tiere. Die Wölfe zum Beispiel. Anscheinend sind sie gut zu halten, denn eine Anfrage ergibt nur Angebote. Solch ein Überfluss bringt Probleme mit sich, denn wohin mit dem Nachwuchs?
Vom Aussterben bedroht – nur keiner will sie


Spanische Wölfe sind vom Aussterben bedroht, aber nur wenige Zoos halten sie.
Die Nürnberger haben mit ihren Wölfen ein ganz anderes Problem. Sie haben sich entschieden, eine Wolfsrasse zu halten und zu züchten, die besonders schwer vermittelbar ist: die spanischen Wölfe. Kaum ein Zoo hat diese Tiere. Dabei sind spanische Wölfe vom Aussterben bedroht. ,,Das Sozialgefüge der spanischen Wölfe ist sehr, sehr speziell", erklärt Dag Encke.,,Die haben immer nur sehr kleine Rudel von zwei bis sieben Tieren. Das heißt, immer nur eine Generation von Jungtieren. Die werden dann im Frühjahr vertrieben und dann kommt der nächste Wurf hoch, der lebt dann wieder ein Jahr zusammen. Das heißt für uns im Zoo, wir müssen schon im ersten Jahr den kompletten Wurf abgeben. Wenn man keine Partner hat, die die aufnehmen können, steht man vor dem Dilemma: sollen wir aufhören mit der Zucht? Dann brauch' ich sie aber auch nicht zu halten. Denn sie sollen gehalten werden, um eine Zoopopulation aufzubauen. Oder was mach ich dann mit den Jungtieren?"
Man könnte zumindest zeitweise das Züchten einstellen, so auch die Meinung vieler Tierschützer, und so verhindern, dass überflüssige Jungtiere geboren werden. Klingt plausibel, hat in der Praxis aber das Problem, dass viele Tiere Verhütungsmittel nicht so gut vertragen. Löwinnen zum Beispiel bekommen von Hormonimplantaten Krebs.
Geburtenkontrolle
Mägdefrau hat noch ein anderes Argument gegen zu viel Geburtenkontrolle im Zoo. Es ginge schließlich darum, den Tieren ein möglichst artgerechtes Leben zu ermöglichen. Und die Aufzucht von Jungtieren sei eben ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Deswegen ist man in Nürnberg eher zurückhaltend beim Verhüten: ,,Ein bisschen was machen wir in der Richtung", erzählt Mägdefrau. ,,Das heißt, dass wir manchmal beim Tiger, wenn die Dame rollig ist, den Kater nicht dazu lassen. Aber nur, um den Abstand von Geburt zu Geburt ein bisschen zu strecken. Ansonsten wäre jede Art der Empfängnisverhütung damit verbunden, dass wir ihnen ersatzlos den gesamten Verhaltensbereich der Jungtieraufzucht wegnehmen. Das ist eigentlich durch nichts zu rechtfertigen."
"Wer züchten will – muss töten können" 


Wird die Herde im Zoo zu groß, muss leider der Nachwuchs dran glauben.
Eine klare Position, die auch zu viele Neugeborene in Kauf nimmt. Zur Freude der Besucher. Doch am Beispiel der spanischen Wölfe wird klar, dass diese Strategie Opfer kostet. Tiergartendirektor Encke sieht die Zoos gerade bei seltenen Tieren in einem Teufelskreis. Denn wenn niemand sie hält und züchten lässt, weil sie schwer vermittelbar sind, dann können die Zoos auch nicht der Aufgabe nachkommen, vom Aussterben bedrohte Tiere zu halten: ,,Wir haben uns in Nürnberg entschieden, diesen Kreis als erste zu durchbrechen, indem wir sagen, wir werden uns die spanischen Wölfe holen und sie züchten – wenn es denn gelingt. Und wenn wir Jungtiere haben, die wir nicht mehr los werden können, dass wir keinen Partner finden der uns die abnimmt, werden wir zu dem Mittel greifen müssen, dass wir sagen, da muss dieser Wurf eingeschläfert werden."
Damit sagt Encke die unschöne Wahrheit, zu der sich die Nürnberger als einer der wenigen Zoos offen bekennt: Wer züchten will muss auch töten können. Ein Schicksal das Huftiere genau so trifft wie Wölfe oder Eisbären. Mit dem Unterschied, dass der Tod eines Zebras oder Pferdes wohl nie für einen öffentlichen Aufschrei sorgen würde. Die Zoos machen erst mal keinen Unterschied bei den Tieren. Ist eine Herde in Gefahr an Überpopulation zu zerbrechen, muss der Nachwuchs dran glauben.
Natürliche Auslese hinter Zoogittern?


Partnervermittlung: Der Nürnberger Zoo bemüht sich, seinen tierischen Nachwuchs in anderen Zoos unterzubringen.
Vielen erscheint dieses System sicher erbarmungslos. Doch Mägdefrau appelliert an die Vernunft und hofft, dass die Öffentlichkeit das Töten in Zoos akzeptiert: ,,Spaß macht das natürlich nicht. Das ist immer der letzte Weg. Das heißt, es ist immer die erste Option, dass wir immer versuchen, einen guten Platz zu finden. Wenn aber kein guter Platz vorhanden ist, dann muss man konsequent sein. Bevor es in einer schlechten Unterbringung ist, dann lieber töten und verfüttern."
So kann man das sehen. Schließlich kennt die Natur in der freien Wildbahn auch keine Gnade. Und die Raubtiere bekommen auf diese Weise artgerechte Nahrung. Auch wenn sie nicht mehr durch die Savannen streifen, sondern hinter Gittern sitzen. Ob das kleine Flusspferd Farasi in Basel unter diesen Umständen einmal selbst groß und stark wird, ob es einen Platz findet wo es leben und eventuell selbst Nachwuchs bekommen kann, das entscheidet der Mensch.