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Stadt Hannover verbietet Zigeunerschnitzel

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Begonnen von general winter, 09. Oktober 2013, 07:29:16

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sumo

gerade mit dem Begriff "Russen" konnotiert: meine Frau genießt desöfteren eine Spirituose namens "Russische Schokolade" (bitte keine Kommentare zum Geschmack meiner Holden...)
Ich habe "russische Eier" gegessen, Karlsbader Schnitten, Prager Schinken, dazu Negerküsse (gaaanz bööööse), Mohrenköpfe und all solch diskriminierendes Zeug, und ich habe das genossen, ich habe also in allererster Linie positive Gedanken dabei gehabt.
Ich finde es natürlich, daß sich bestimmte Gerichte wandeln und dann andere Namen bekommen, aber wenn eine Stadt solche Vorschriften erläßt, dann ist das für mich schlimm. Niemand ist verpflichtet, Zigeunerschnitzel zu essen, und wenn das nicht mehr nachgefragt wird, verschwindet es von ganz alleine.....

Conina

White Russian ist bestimmt auch nicht PC.


Der Minishitstorm wegen "Deutschland wählt weiß" ist mir noch ein bisschen in Erinnerung.


Man kann sich zweimal empören:

einmal ist es ein Getränk mit Alkohol: Die Russen sind Suffköppe

andererseits kommt das Wort "white" drin vor und das ist eindeutig so ein Privilegiending, white supremacy und so.  ::)

Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

general winter

Zitat von: Conina am 09. Oktober 2013, 16:19:28
Die Russen sind Suffköppe

Ich hoffe, dass ich niemanden auf den Schlips trete. Aber der übermäßige Alkoholgenuss ist in Russland tatsächlich ein schweres Problem.
Im Zweifel für die Freiheit.

Conina

Darf man das so sagen, oder ist das aus politisch korrekter Sicht nicht doch etwas rassistisch formuliert?

Das befördert Stereotype und so.  ;)
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

general winter

Zitat von: Conina am 09. Oktober 2013, 17:34:38
Darf man das so sagen, oder ist das aus politisch korrekter Sicht nicht doch etwas rassistisch formuliert?

Das befördert Stereotype und so.  ;)

Ich glaube das sieht man auch in Russland so. Gorbatschow hatte den Alkoholgenuss nicht grundlos untersagt. Auch ein Grund weswegen man ihn in Russland bis heute nicht liebt.
Im Zweifel für die Freiheit.

Conina

OT:

Ich bin schon ein paar mal mit Russen versumpft.
Das war toll.

Wenn man sie dazu bringt, Bier und Schnaps gleichzeitig zu trinken, kriegt man sie auch besoffen.  ;D ;D ;D
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber nicht machen, dass es trinkt.

Robert

Und ich kenne Leute, die von der Trasse mit Leberschaden und/oder als Alkoholiker zurück kamen. Zu Gorbatschows Zeiten wurde der Alk drastisch limitiert.

general winter

Um noch mal auf den Begriff Zigeuner zurückzukommen.
Ist dieser Begriff überhaupt negativer belegt als z.B. Russe, Türke, Tscheche, Italiener, Araber, Jude? Die Toitschen haben doch an allen Völkern rumzumäkeln. Wobei es bei anderen Völkern genauso Usus ist über andere Völker zu mäkeln. So ist der Mensch, das ist seine Natur, darum gibt es Kriege.
Weiß jemand ob es in anderen Ländern auch so ist, dass man Begriffe, mit denen man unsicher im Umgang ist, versucht aus der offiziellen Sprache zu verbannen. In der Umgangssprache bleiben sie eh meist erhalten. Gipsy in Großbritannien, ist das dort problematisch? Es gab oder gibt sie noch, die Band Gipsy Kings, eine französische, spanisch-stämmige Flamenco-Pop-Musikgruppe sagt Wikipedia. Oder man schaue mal in die englischsprachige Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Names_of_the_Romani_people#List_of_names . Alles Spielarten des Wortes Zigeuner als Oberbegriff für die verschiedenen Volksgruppen. Welcher Bayer, Preuße, Sachse, Schwabe hat Probleme damit als Deutscher geführt zu werden? Natürlich, wenn man ein Politikum aus dem Namen eines Schnitzels macht kann man beleidigen. Aber wenn ich einfach ein Zigeunersteak esse assoziiere ich rein gar nichts mit einem Volk, genau so wenig wenn ich, wie wir in Sachsen sagen, einen Wiener esse.
Vielleicht kann ja mal ein Betroffener das Problem verständlich erläutern  :grins2: ?
Im Zweifel für die Freiheit.

Gefährliche Bohnen

Zitat von: general winter am 09. Oktober 2013, 18:56:17
(...) Vielleicht kann ja mal ein Betroffener das Problem verständlich erläutern  :grins2: ?

Ich bin kein Betroffener und finde das Problem auch intuitiv schwer fassbar. Aber soweit ich das verstanden habe, geht es wohl vor allem darum, dass Zigeuner eine Fremdbezeichnung ist, die sich die entsprechende Volksgruppen nicht selbst gegeben haben und die vor allem in der NS-Zeit in stigmatisierender Absicht gebraucht wurde.

Was das allerdings mit einem Schnitzel zu tun haben soll, verstehe ich nicht - dass man ein Schnitzel beleidigen kann, wäre mir neu. Als wäre "Zigeuner" ein Zauberwort und die bloße Erwähnung würde irgendwelche Dämonen beschwören oder so. Ich kann mir jedenfalls nur schwer vorstellen, wie die Umbenennung eines Schnitzels zum Weltfrieden beitragen soll.

Offenbar kann ein Wort jedenfalls durch seinen Gebrauch zwar pejorisiert werden, aber dann ist aus die Maus und es ist für alle Zeit verflucht. Dass ein Wort durch den Gebrauch eventuell auch einfach eine neutrale oder positive Konnotation bekommen könnte, scheint ausgeschlossen zu sein. Es ist quasi mit negativer Energie aufgeladen, die man nie wieder los wird. Vielleicht erhofft man sich ja durch die Schnitzeltaufe den Segen einer höheren Macht, die dafür sorgt, dass das Schnitzel möglichst gut gelingt?
"Ich muss an dieser Stelle gestehen: Ich mag Karpfen gar nicht." - Groucho
RIP

Hildegard

Ich schreibe jetzt das Gegenteil von dem, was ich gestern schreiben wollte, es handelt sich also um eine gut abgehangene Meinung.

Das "Zigeunerschnitzel" in der Menükarte ist ja genau das Gleiche wie der "Negerkönig", bei Ottfried Preußler, der letztes Jahr beerdigt wurde,und zwar sogar mit Preußlers Zustimmung. Ihr wart letztes Jahr auch schon dagegen, ich war dafür.

Begründung: Wenn man ein Wort im Deutschen nicht mehr benutzt, weil es abwertend verstanden wird, dann macht es Sinn, das auch in manchem Schrifttum zu ersetzen.

Bei Kinderbüchern macht es Sinn, weil man kleinen Kindern beim Vorlesen keinen Einschub über pejorative Konnotationen zumuten kann. Und bei Menükarten macht es Sinn, weil die keinerlei literarischen Wert haben und sowieso zwecks Preiserhöhung regelmäßig erneuert werden. Warum soll man da ohne Not etwas beibehalten, was genauso gut ersetzt werden kann.

Ich bin nur dafür, es mit weniger Getöse zu machen. Es reicht völlig wenn der Gaststättenverband, wie offenbar geschehen, in sein Vereinsblatt eine Empfehlung einrückt, beim nächsten Neudruck der Karten auch gleich das Zigeunerschnitzel, den Russen und den Neger zu ersetzen (letzte sind bayerische Weißbierspezialitäten).

Mich hat schon vor Wochen der Stand der Lebensmittelbenamsungsdebatte interessiert. Und da ich kein Paprikaschnitzel mag, habe ich statt dessen kürzlich dreist in einem Biergarten einen "Neger" bestellt. Von der Wirtin wurde das begeistert aufgenommen und lautstark wiederholt. Die Preußen am Nebentisch hingegen wollten nun unbedingt wissen, was das wohl sei. Gemeinschaftlich reflektierten wir anschließend über political correctness. Die andern waren dagegen, aber für mich war das Beifall von der falschen Seite.

Die Wirtin erzählte dann noch, dass die Gäste sich den ganzen Sommer über nicht getraut hätten, "Zigeunerschnitzel" zu sagen und statt dessen immer nur in die Karte gedeutet hätten: "Das da bitte." Das finde ich nun auch wieder idiotisch und typisch deutsche Obrigkeitshörigkeit.

Also nochmal: Ja, bitte ersetzen, aber möglichst einschleichend, ohne großes Trara.
Übrigens, sogar die Bibel wird immer mal wieder an den aktuellen Sprachgebrauch angepasst.
[url="http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com"]http://vierfrauenundeinscharlatan.wordpress.com[/url]

general winter

Zitat von: Hildegard am 10. Oktober 2013, 13:31:12
.....es handelt sich also um eine gut abgehangene Meinung.
Das ist schon mal eine gute, unaufgeregte Ausgangsposition  :grins2: .
Aber ich würde doch mal ein bisschen bohren da mir auch noch ein paar Sachen eingefallen sind. In der Hauptsache geht es doch um den Begriff Zigeuner, der als Oberbegriff für die verschiedenen Volksgruppen umgangssprachlich verwendet wird - und das nicht nur im deutschen Sprachraum. Den Link aus Wikipedia hatte ich gestern auch schon mal angehangen.
http://en.wikipedia.org/wiki/Names_of_the_Romani_people#Tsigani.2C_cig.C3.A1ny
Die Diskussion über das Zigeunerschnitzel läuft darauf hinaus, der Deutsche befriedige mit dem Verzehr von Zigeunerspeisen kanibalistische Fantasien. Das ist aber Käse. Der Name sagt doch nur aus, dass der Koch sich vorstellt, dass das Volk der Zigeuner ein Schnitzel auf diese Art zubereitet. Wer das nicht versteht, na, der ist ja schon ein Verschwörungstheoretiker  ;D .
Nochmal, im Grunde geht es nicht um diverse Nahrungsmittelbezeichnungen sondern schlicht und einfach um den Begriff Zigeuner. Da dieser aus verschiedenen Gründen negativ belegt ist. Wobei ich behaupte, dass Begriffe wie Sinti, Roma, Pole, Araber nicht minder negativ belegt sind.
Seit wann eigentlich ist man der Ansicht das dieses Wort außerordentlich negativ belegt ist? Das kann noch nicht so lange her sein, oder? 1976 hat sich noch kein Mensch daran gestört.
Drama, UDSSR, 1976
DAS ZIGEUNERLAGER ZIEHT IN DEN HIMMEL
http://www.cinema.de/film/das-zigeunerlager-zieht-in-den-himmel,1325819.html
Im Zweifel für die Freiheit.

Robert

Zitat1976 hat sich noch kein Mensch daran gestört.

Zu der Zeit wurde der Begriff "Neger" auch noch nicht diskriminierend gesehen. Sprache änders sich halt.

Ich erinnere mich noch an das Buch Ede und Unku, das wir in der Schule gelesen haben. Darin ging es


ZitatEde und Unku ist ein Jugendroman der deutschen Autorin Grete Weiskopf (Pseudonym Alex Wedding). Die Erstausgabe erschien 1931 im Berliner Malik-Verlag.

Das Erstlingswerk der Autorin beschreibt die Freundschaft des Berliner Jungen Ede zum Zigeunermädchen Unku während der Zeit der Weimarer Republik. Die Fotos für die Originalausgabe des Buches stammen von John Heartfield. Es gehörte zu den Werken, welche bei der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland auf dem Index standen und vernichtet sowie verboten wurden. In der DDR wurde es Bestandteil der offiziellen Schulliteratur, und erhielt dadurch einen hohen Bekanntheitsgrad. Im Jahr 1980 wurde es unter der Regie von Helmut Dziuba mit dem Titel Als Unku Edes Freundin war von der DEFA verfilmt.

Im Buch werden die authentischen Erlebnisse von Erna Lauenburger beschrieben, welche die Autorin kannte. Sie wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Von den erwähnten Sinti des Buches überlebte nur die Berlinerin ,,Kaula" Ansin.

In der Nachkriegsausgabe fügte Grete Weiskopf ein Kapitel ein, in dem sie das Verschwinden ihrer Freunde beklagt und vermutet, diese seien im Dritten Reich umgekommen. Ein Brief, der dieses aufgrund der Erzählungen von Verwandten bestätigte, erreichte sie an ihrem Todestag.[1]

Am 27. Januar 2011 wurde anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin-Friedrichshain ein Weg als Ede-und-Unku-Weg zur Erinnerung an Erna Lauenburger und Grete Weiskopf benannt.

Ich hatte, als ich das Buch gelesen habe, diese Menschen darin ganz normal als "Zigeuner" in positivem Zusammenhang kennen gelernt. Ich empfand es nicht als Diskriminierung, Angehörige dieser Völker so zu bezeichnen.

Groucho

Zitat von: Hildegard am 10. Oktober 2013, 13:31:12
Also nochmal: Ja, bitte ersetzen, aber möglichst einschleichend, ohne großes Trara.

Passt. Was nervt, ist die behördliche Betüddelung, wie welche Worte zu gebrauchen und zu unterlassen sind. Das wird wohl die Meisten hier auch stören. Von oben verordnete Wortmagie verändert keine sozialen Strukturen.

Wenn Sinti und Roma das Wort Zigeunerschnitzel unschön finden - jamei, dann verzichtet man halt darauf, das letzte Wort mögen die Betroffenen haben. Persönlich halte ich es für Unsinn, weil zumindest für mich positive Konotationen damit verbunden sind, und es die Sprache ärmer macht, wenn man immer mehr zu vorher eindeutigen Begriffen nun gender/herkunft/klima- und sonstwas neutrale Umschreibungen verwendet werden sollen.

Aber wie gesagt: Wenn es den Betroffenen nicht gefällt - ich halte mich gerne daran.

general winter

Zitat von: Robert am 10. Oktober 2013, 16:43:08
Sprache ändert sich halt.
Korrekt. Aber manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sprache verändert wird.
Das Problem des im Faden behandelten Volkes ist doch nicht der Name. Das Problem sind Vorurteile, die (gibt's jetzt gleich was auf die Hörner?) durch die Selbstdarstellung von Teilen der Sinti und Roma nicht gerade abgebaut werden.
Ich komme auch von da - in der DDR war der Begriff Zigeuner unbelastet. Aus dem einfachen Grund weil da keine lebten. Man kannte sie nur aus Büchern und Filmen. Bestenfalls von Erzählungen der Großeltern oder Besuchen in anderen Ostblockländern. Ich meine die Begriffe Sinti und Roma sind mir erst aus Westmedien oder gar nach 1989 zu Ohren gekommen.
Im Zweifel für die Freiheit.

sumo

im letzten Wahlkampf, der noch nicht sooo lange zurückliegt, hat die unsägliche NPD mit einem unsäglichen Plakat für sich geworben mit dem Slogan:
"Geld für Oma statt für Sinti und Roma"

Daraus ergibt sich für mich die Frage, ab wann dann diese beiden Namen als problematisch eingestuft werden und sich Sprache wieder einmal verändert.