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Naturwissenschaftler vs. Trickser

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Begonnen von celsus, 28. Januar 2022, 00:33:23

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celsus

Kann mir mal bitte jemand auf die Sprünge helfen?

Mir war ganz so, als hätte ich irgendwann einen Text gelesen, sogar an mehreren Stellen, der sich recht ernsthaft damit beschäftigte, warum Naturwissenschaftler oft Schwierigkeiten damit haben, Trickser und Wissenschaftsbetrüger zu erkennen.

Gugelei bringt nicht das Gewünschte, im Skeptics Guide ist es nicht, GWUP-Blog habe ich auch durchsucht.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

Typee

Ich meine von James Randi einmal so etwas gelesen zu haben, weiß aber nicht mehr, wo, wenn nicht bei der GWUP.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

Typee

Vielleicht hilft Dir das hier schon weiter:

https://blog.gwup.net/2012/05/19/wsc-zweiter-tag-science-not-witchcraft/

ZitatDass Wissenschaftler sich mitunter auch von einem ,,Sympathetic Bias" täuschen lassen, legte einer der Superstars der Skeptikerbewegung dar, nämlich Ray Hyman. Der emeritierter Psychologie-Professor ging der Frage nach, wieso ein anerkannter Physiker wie Karl Friedrich Zöllner seinerzeit dem ,,Medium" Henry Slade auf den Leim gehen konnte.

Hyman extrahierte einige Muster, die so oder so ähnlich auch heute noch Gültigkeit besitzen. So hatte Zöllner sich wohl sehr schnell von der zurückhaltenden Freundlichkeit des Spiritualisten einwickeln lassen und sich deshalb die Untersuchungsbedingungen von Slade diktieren lassen.

Auch andere Wissenschaftler seien an der kritischen Untersuchung von vorgeblichen ,,Medien", Hellsehern und Paragnosten gescheitert, weil sie das Studiensetting wie eine Art Gruppenarbeit nach den Vorgaben der Testperson gestaltet hätten.

Erst das Engagement von Zauberkünstlern wie James Randi oder Werner Geissler habe die Situation dann grundlegend verändert.
The universe is under NO obligation to make sense to us
(Neil deGrasse Tyson)

celsus

Zitat von: Typee am 28. Januar 2022, 01:59:20
Ich meine von James Randi einmal so etwas gelesen zu haben, weiß aber nicht mehr, wo, wenn nicht bei der GWUP.

Ja, war auch mein Ansatz. Das führte immerhin zu diesem schönen Artikel, der mit hilft:
https://www.wired.com/2012/03/opinion-randi-magic-scientists/
ZitatA magician will instantly see the truth behind any colleague's illusion. But we have a bit of an advantage: We know we are being fooled. Scientists are instinctive doubters who employ a rigorous method to zero in on the truth, but they aren't necessarily trained to expect deception by subjects and collaborators. We can't make magicians out of scientists — we wouldn't want to — but we can help scientists "think in the groove" — think like a magician. And we should.
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

celsus

Zitat von: Typee am 28. Januar 2022, 02:20:43
Vielleicht hilft Dir das hier schon weiter:

https://blog.gwup.net/2012/05/19/wsc-zweiter-tag-science-not-witchcraft/

Etwas andere Prämisse, aber auch sehr interessant:

ZitatWe have considered only one motivational force and one technical method by which
investigator bias is generated. The motivational force is the growing affection between
the investigating statistician and his client. The technical method is a bias-seeking vari-
ation on a bootstrap adaptive estimator. Conditional upon such limitations, two pieces
of advice follow:
How do we know how important investigator bias is? If we knew the family of
estimators over which the bootstrap program proceeds, then given access to the original
data, we could regenerate the search procedure and provide an estimate of investigator
bias.

https://sci-hub.ee/10.1177/0962280207080642

Danke Typee!
The best thing about science is that it works - even if you don't believe in it.

HAL9000

Zitat von: celsus am 28. Januar 2022, 11:16:40... but we can help scientists "think in the groove" — think like a magician. And we should.
Gerade die GWUP hatte vor gar nicht allzulanger Zeit genau so ein Problem, als deren Psi-Tester auf eine Betrüger hereinfielen.
Sie haben einfach nicht (ernsthaft genug) damit gerechnet, dass der Proband sie bescheißen will.

https://blog.gwup.net/2019/09/17/ueberraschung-bei-psi-tests-kandidat-schafft-es-zum-nachtest/
https://blog.gwup.net/2019/12/11/der-ueberraschungskandidat-bei-den-psi-tests-tritt-nicht-mehr-an/


Peiresc

Zitat von: celsus am 28. Januar 2022, 00:33:23warum Naturwissenschaftler oft Schwierigkeiten damit haben, Trickser und Wissenschaftsbetrüger zu erkennen.

Nehmen wir mal dieses Beispiel, aus dem GWUP-Text:
https://blog.gwup.net/2019/12/11/der-ueberraschungskandidat-bei-den-psi-tests-tritt-nicht-mehr-an/
ZitatWas bleibt? Im Grunde drei Möglichkeiten, die Versuchsleiter Dr. Rainer Wolf skizziert:

    1) Maurer hat tatsächlich eine sehr ungewöhnliche, anomale Fähigkeit – er besitzt einen Magnetsinn, wie er gelegentlich in der Tierwelt vorkommt. Beim Menschen ist ein solcher Sinn bislang nicht nachgewiesen.
Das klingt seriös, und man möchte sich ja nicht vorwerfen lassen, dass man mit einer vorgefassten Meinung in den Test gehe.

Es gibt aber viele Wissenschaftler, die solche rhetorischen Floskeln ernst nehmen - wer will sich schon als vernagelt outen. Ich denke mir, das hängt mit einem gewissen atheoretischen Positivismus zusammen, der Naturwissenschaftlern eigen sein kann. H. C. Diener, bekannter Neurologe, ehem. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und Vorsitzender der DGN-Leitlinienkommission etc pp. hat allen Ernstes die Akupunktur als migräneverhütend anerkannt, weil positive Studienergebnisse vorlagen. Philosophisch windige Stellungnahmen, die den Spinnern Tür und Tor öffen, sind nicht nur bei Theaterwissenschaftlern, sondern auch bei Naturwissenschaftlern völlig gewöhnlich.

Ein anderes Beispiel hatten wir hier, am Ende.
https://blog.psiram.com/2018/12/lesereise-2-konkretes-und-abstraktes-ontologie/

Der andere Punkt ist wirklich der fehlende Argwohn, aber das klang ja schon an.

drpsy

Zitat von: Peiresc am 28. Januar 2022, 16:59:20
Der andere Punkt ist wirklich der fehlende Argwohn, aber das klang ja schon an.
Denke auch, dass das ein wichtiger Punkt ist. Im wissenschaftlichen Umfeld bin ich mir zu sehr gewöhnt, dass Leute prinzipiell Ahnung haben, von was sie reden. Bin immer noch erstaunt, dass es Leute gibt, die Sachen ohne Hintergrundwissen oder Quellen einfach so glauben, weil sie mal ein Youtube Video oder ein Facebook Beitrag gelesen haben.

Hier noch ein paar Begriffe, die mir dazu einfallen:
blind spot bias
probability neglect
just world bias
Zu Gert Postel wurde auch einiges geforscht.

Auch gibt es Studien, dass Wissenschaftler eben gerade nicht weniger anfällig für Verzerrungen sind, als andere Menschen. Eine Untersuchung, die seinerzeit nicht ganz unbeachtet blieb:
https://blogs.scientificamerican.com/observations/are-social-scientists-any-less-biased-than-the-rest-of-us/

Peiresc

Zitat von: drpsy am 01. Februar 2022, 21:23:13
Zu Gert Postel wurde auch einiges geforscht.

Das ist eine beträchtliche narzisstische Zufuhr für ihn  8), ich gratuliere!  :D

Interessiert mich. Kannst Du Quellen nennen?

drpsy

Die "Studie" die ich gelesen habe, war eine Diplomarbeit in Soziologie von 2007 (hach ich werde alt), hier ein Ausschnitt:
http://gert-postel.de/Diplomarbeit.pdf

Wen der Fall interessiert:
Gab auch 2002 eine 90 min Doku über ihn:
https://www.youtube.com/watch?v=hGaFoOX3-os

Hoaxalia:
https://hoaxilla.com/hoaxilla-197-gert-postel/

Lydia Benecke dürfte hier auch nicht ganz unbekannt sein, allgemein wird Postel wenn es um Hochstapler geht meistens erwähnt.
https://www.watson.de/leben/interview/274925619-psychologin-ueber-hochstapler-sie-nutzen-hoeflichkeit-der-menschen-aus

Wer sich allgemein für Manipulationen interessiert, sei auch noch "social engineering" yahooen zu empfehlen.


eLender

Packe es mal hierher, weil ich zu faul bin, einen neuen Faden zu spinnen ;)  (und es auch hierher passt):

ZitatSolche Publikationen machen Hoffnung. Forscher können inzwischen offenbar fachliche Reputation aufbauen, indem sie ihre Methoden auch auf etwas anwenden, von dem sie keinen Grund haben, es für etwas anderes zu halten als für Quatsch. Otto Normalsurfer aber begegnet dem Unsinn inzwischen in hoher Frequenz und zuweilen professioneller Gestaltung. Dann will er vielleicht wissen, ob es denn stimme, und hat ein Recht auf eine mit Akribie formulierte Antwort von berufener Stelle – wenn er es denn wissen will.
https://www.faz.net/aktuell/wissen/forschung-politik/forscher-forschen-seit-kurzem-auch-ueber-so-manchen-unsinn-im-netz-18262249.html

Psiram wird überflüssig, die Naturwissenschaftlicher übernehmen. Es geht um das wichtige Thema "Spinnenmythen".

ZitatSpiders are widely feared animals, and thus an ideal model system to study misinformation spread. The successful dissemination of online misinformation is indeed associated with cognitive attraction3
, namely the presence of quasi-universal stimuli that appeal to human emotions (such as disgust and fear), and for which there is a plausible evolutionary explanation (e.g., the avoidance of 'dangerous' animals). Spiders fit perfectly into this scheme, and thus we can expect more misinformation and sensationalism to be associated with spider-related content compared to other topics
https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(22)01127-7

Da Spinnen aber in Bananenkisten hausen, werde ich weiterhin keine Bananen im Supermarkt kaufen. Bananen mag ich eh nicht so dolle.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Max P

Typische Fehlinformation. Spinnen haben keinen Stachel:

https://youtu.be/zpLpkfFFsnI