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Deutsch => Allgemeine Diskussionen => Politik und Gesellschaft => Thema gestartet von: Hildegard am 31. August 2014, 20:28:00

Titel: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 31. August 2014, 20:28:00
Offenbar kommt ja Bewegung in die Sache. Irgendwie scheint es Gewicht zu haben, wenn irgendein Kirchenpräsident bereit ist, mit seiner Frau in die Schweiz zu reisen.

Gerade im Radio absolut idiotische Einlassung einer katholischen Kirchenfrau: Sterbehilfe würde zu der Illusion führen, wir könnten den Tod kontrollieren. Hä? Ein anderer Diskutant war gegen Tötung auf Verlangen, aber für die Erlaubnis zur Beihilfe. Also Glas auf den Nachttisch stellen ja, Spritze geben nein. Begründung: Es wäre für den Sterbewilligen eine größere psychologisch Hürde, wenn er den letzten Schritt tatsächlich aktiv selbst tun müsste. Der Arm sei leichter mal hingehalten. Das leuchtet mir ein.

Dann ging's noch drum, wer unter welchen Bedingungen diese Beihilfe leisten dürfen soll. Soll der Sterbewillige eine psychologische Bescheinigung brauchen und wenn ja, wie gut muss der Aussteller dieser Bescheinigung ihn dafür kennen, blabla ...

Meine Meinung: Für den Normallfall eines Sterbewunsches aufgrund schmerzvoller, unheilbarer Krankheit scheint mir die Legalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung eine sinnvolle und ausreichende Lösung. Da sollte man auch keine weiteren Hürden aufbauen. Die Beihilfe sollte jeder approbierte Arzt leisten dürfen, der den Patienten im aktuellen Zustand mehrfach gesehen hat. Also z. B. Hausarzt, Onkologe, Palliativmediziner oder sonstiger Facharzt für seinen aktuellen Zustand. Diese große Auswahl halte ich deshalb für sinnvoll, damit der Patient sich mit seinem Wunsch an denjenigen seiner Ärzte wenden kann, zu dem er das größte Vertrauen hat.

Was meint ihr? Ist das zu einfach gedacht?
Und was meint ihr, wie die Neuregelung aussehen wird? Und wann sie kommt?
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: sweeper am 31. August 2014, 21:01:37
ZitatDiese große Auswahl halte ich deshalb für sinnvoll, damit der Patient sich mit seinem Wunsch an denjenigen seiner Ärzte wenden kann, zu dem er das größte Vertrauen hat.
Was ja nicht heißt, dass der Arzt des Vertrauens dazu bereit ist.
Kein Arzt kann dazu verpflichtet werden, so etwas gegen seine Gewissensentscheidung zu tun.
Auch keine Abtreibung übrigens.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Antitainment am 31. August 2014, 21:38:50
ZitatGerade im Radio absolut idiotische Einlassung einer katholischen Kirchenfrau: Sterbehilfe würde zu der Illusion führen, wir könnten den Tod kontrollieren. Hä?

Na das muss sie wohl so sagen und denken als katholische Kirchenfrau - Gott richtet das mit dem Tod.
Mich ärgert es, dass in solchen Fragen regelmäßig die Kirchen gefragt werden. Als hätten Theologen irgendeine brauchbare Expertise auf dem Feld.
Soll sich doch jeder, aus welchen Gründen auch immer, dafür oder dagegen entscheiden, sofern da saubere Grundlagen für Patienten und Fachkräfte geschaffen sind.

ZitatAlso Glas auf den Nachttisch stellen ja, Spritze geben nein. Begründung: Es wäre für den Sterbewilligen eine größere psychologisch Hürde, wenn er den letzten Schritt tatsächlich aktiv selbst tun müsste. Der Arm sei leichter mal hingehalten. Das leuchtet mir ein.

Ist das nicht auch die Handhabe in der Schweiz? (Ich meine mich erinnern zu können, dass das so in einer Doku über Terry Pratchetts Auseinandersetzung mit der Sterbehilfe gezeigt wurde - "Choosing to die" hieß das Teil glaub ich)
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 31. August 2014, 23:17:14
Zitat von: sweeper am 31. August 2014, 21:01:37
ZitatDiese große Auswahl halte ich deshalb für sinnvoll, damit der Patient sich mit seinem Wunsch an denjenigen seiner Ärzte wenden kann, zu dem er das größte Vertrauen hat.
Was ja nicht heißt, dass der Arzt des Vertrauens dazu bereit ist.
Kein Arzt kann dazu verpflichtet werden, so etwas gegen seine Gewissensentscheidung zu tun.
Auch keine Abtreibung übrigens.
Völlig klar. "Darf" heißt ja nicht "muss".
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Encredechine am 31. August 2014, 23:58:46
Zitat von: Hildegard am 31. August 2014, 20:28:00
Ist das zu einfach gedacht?
Nein und ich stimme Dir zu. Allerdings wird eine Neuregelung wahrscheinlich nur mit gewissen Hürden daherkommen, was die Sache nur wieder kompliziert macht. Ist doch komisch: unseren todkranken Haustieren gesteht man die erlösende Spritze zu, aber bei unseren schwer kranken Menschen diskutiert man lange herum - noch dazu wenn sich jene doch selbst dazu äussern können, ob sie nun sterben wollen oder nicht.

http://en.wikipedia.org/wiki/Terry_Pratchett:_Choosing_to_Die (http://en.wikipedia.org/wiki/Terry_Pratchett:_Choosing_to_Die) - Ja, der Film heißt tatsächlich "Choosing to die". Im Übrigen: sehenswert. So wie in der Schweiz könnte es aussehen, jedenfalls erschien mir das eine recht herzliche Begleitung dort zu sein. Den Giftbecher nimmt man dann allerdings selbst und muss noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sein.

Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Robert am 01. September 2014, 06:22:17
Was natürlich die wirklich schweren Fälle wieder ausschließt. Ein schwer Demezkranker, der bereits mit Magensonde ernährt werden muss, kann sich da nicht mehr selber helfen und muss die Sache durchstehen, bis zum Ende.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: susanna am 01. September 2014, 09:50:43
Wolfgang Herrndorf, bei dem 2010 ein Glioblastom diagnostiziert wurde und der sich schließlich erschoss, schaute sich auch "Choosing to Die" an. Anschließend schrieb er:
Zitat5.3. 2012 19:59

So will ich nicht sterben, so kann ich nicht sterben, so werde ich nicht sterben. Nur über meine Leiche. Der Film hat 8,4 Punkte auf IMDB, und lustig: "This review may contain spoilers."
http://www.wolfgang-herrndorf.de/2012/03/fuenfundzwanzig/ (http://www.wolfgang-herrndorf.de/2012/03/fuenfundzwanzig/)



Gewünscht hätte er sich dies:

ZitatThemenwoche Sterben auf der ARD. (...) Nicht geladen wie immer einer, der das Naheliegende erklärt, nämlich daß in einem zivilisierten Staat wie Deutschland einem sterbewilligen Volljährigen in jeder Apotheke ein Medikamentenpäckchen aus 2 Gramm Thiopental und 20 mg Pancuronium ohne ärztliche Untersuchung, ohne bürokratische Hürden und vor allem ohne Psychologengespräch – als sei ein Erwachsener, der sterben will, ein quasi Verrückter, dessen Geist und Wille der Begutachtung bedürfe – jederzeit zur Verfügung stehen muß.
http://www.wolfgang-herrndorf.de/2012/12/vierunddreissig/ (http://www.wolfgang-herrndorf.de/2012/12/vierunddreissig/)



Eine in seiner Situation halbwegs nachvollziehbare Einstellung. Allerdings nur dann, wie ich finde.


Zitat19.11. 2012 23:01

Wobei an die Medikamente, wie gesagt, gar nicht ranzukommen war. An überhaupt nichts Sicheres. Nichts Einfaches, nichts Hundertprozentiges. Erschießen ist in 76 bis 92 Prozent der Fälle tödlich, bei Schüssen in den Kopf liegt die Quote noch etwas höher. Aber auch da überleben 3 bis 9 Prozent, und die haben dann Hirnschäden und sind entstellt. Erhängen fühlt sich schätzungsweise an, wie es aussieht, und hat wie die meisten anderen Methoden den Nachteil, daß man Erfahrung damit bräuchte und nur einen Versuch hat. Man kann aus dem zwölften Stock springen und überleben. Man kann aus dem zwölften Stock springen und noch dreißig Minuten als blutiger Matsch auf dem Trottoir die Passanten erschrecken, und wenn man wochen- und monatelang durch das Labyrinth geirrt ist auf der Suche nach dem sicheren Ausgang, versteht man irgendwann, wie vollkommen vernünftige und zurechnungsfähige Menschen auf die Idee kommen können, sich auf eine ICE-Trasse zu stellen im vollen Bewußtsein, einen Lokführer für den Rest seines Lebens zu traumatisieren.


Am 26.8.2013 erschoss er sich und seine Sorgen, dass das danebengehen könnte, waren unbegründet. ("Er zielte durch den Mund auf das Stammhirn. (...) Es dürfte einer der letzten Tage gewesen sein, an denen er noch zu der Tat imstande war." M. Gärtner / K. Passig in "Arbeit und Struktur")

Sehr interessant finde ich dazu noch den Artikel von Kathrin Passing in der SZ:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41273/ (http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/41273/)
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 01. September 2014, 10:07:41
Zitat von: susanna am 01. September 2014, 09:50:43
Gewünscht hätte er sich dies:

Zitatdaß in einem zivilisierten Staat wie Deutschland einem sterbewilligen Volljährigen in jeder Apotheke ein Medikamentenpäckchen aus 2 Gramm Thiopental und 20 mg Pancuronium ohne ärztliche Untersuchung, ohne bürokratische Hürden und vor allem ohne Psychologengespräch – als sei ein Erwachsener, der sterben will, ein quasi Verrückter, dessen Geist und Wille der Begutachtung bedürfe – jederzeit zur Verfügung stehen muß.
Eine in seiner Situation halbwegs nachvollziehbare Einstellung. Allerdings nur dann, wie ich finde.

Stimme dir zu. Herrndorfs Blog habe ich damals mitgelesen und teile großteils seine Gefühle zum Thema Sterben. Aber so einfach darf es nicht sein. Viele haben mal einen depressiven Schub. Wenn man dann nur in die Apotheke zu gehen bräuchte - nicht auszudenken.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: smartie am 01. September 2014, 10:55:22
Wer ernstzunehmende Suizidabsichten hat, wird sich töten. Und wenn er in der Apotheke kein Gift bekommt, missbraucht er dafür halt einen Lokführer.
Herr Herrndorf irrte übrigens mit seiner Rezeptur: 20mg Pancuroniumbromid - oral verabreicht - hat kaum eine Wirkung. Das kann man nur parenteral sinnvoll verabreichen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 01. September 2014, 11:51:53
Zitat von: smartie am 01. September 2014, 10:55:22
Wer ernstzunehmende Suizidabsichten hat, wird sich töten. Und wenn er in der Apotheke kein Gift bekommt, missbraucht er dafür halt einen Lokführer.
Herr Herrndorf irrte übrigens mit seiner Rezeptur: 20mg Pancuroniumbromid - oral verabreicht - hat kaum eine Wirkung. Das kann man nur parenteral sinnvoll verabreichen.

Es ging wohl um die weniger ernsthaften Suizidabsichten.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: sumo am 01. September 2014, 12:29:43
Ich habe Herrndorfs Blog auch gelesen, aber erst nach seinem Tod, vorher wußte ich davon nichts. Ich fand den Blog haarsträubend, allerdings im positiven Sinne, beklemmend, und vor allem so völlig hoffnungslos. Die Diagnose läßt einem eben keinerlei Hoffnung.
Mal hier in den Raum gestellt: Wenn ein Betroffener Suizid begehen will, warum tut er das? Hat er Angst vor einem unwürdigen,schmerzhaften Tod? Kann es sein, daß man durch einen Ausbau palliativer Medizin die Diskussion um Sterbehilfe entkrampfen könnte?
Ich stimme Herrndorf übrigens zu, wenn er es beklagt, daß sich gerade in der Themenwoche "Sterben und Tod" bei der ARD keinerlei Betroffene zu Wort melden konnten, sondern es eben Leute waren, die sich bei aller Empathie NIE hineinversetzen können in einen dem Tod Geweihten. Ob es allerdings zielführend wäre, einem jeden in der Apotheke sein "Suizid-Set" zu verkaufen, das kann ich nicht so richtig beurteilen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 01. September 2014, 12:42:20
Zitat von: sumo am 01. September 2014, 12:29:43
Ich habe Herrndorfs Blog auch gelesen, aber erst nach seinem Tod, vorher wußte ich davon nichts. Ich fand den Blog haarsträubend, allerdings im positiven Sinne, beklemmend, und vor allem so völlig hoffnungslos. Die Diagnose läßt einem eben keinerlei Hoffnung.
Mal hier in den Raum gestellt: Wenn ein Betroffener Suizid begehen will, warum tut er das? Hat er Angst vor einem unwürdigen,schmerzhaften Tod? Kann es sein, daß man durch einen Ausbau palliativer Medizin die Diskussion um Sterbehilfe entkrampfen könnte?
Ich stimme Herrndorf übrigens zu, wenn er es beklagt, daß sich gerade in der Themenwoche "Sterben und Tod" bei der ARD keinerlei Betroffene zu Wort melden konnten, sondern es eben Leute waren, die sich bei aller Empathie NIE hineinversetzen können in einen dem Tod Geweihten. Ob es allerdings zielführend wäre, einem jeden in der Apotheke sein "Suizid-Set" zu verkaufen, das kann ich nicht so richtig beurteilen.


Man wird kaum darum herumkommen zu diffrenzieren, Menschen die an  Depressionen mal schnell ein Selbstmord-kit in der Apotheke zu verkaufen grenzt an Totschlag.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: susanna am 01. September 2014, 15:27:34
@sumo:
Ich glaube, es war weniger die Angst vor einem schmerzhaften Tod, sondern mehr vor dem völligen Kontrollverlust und vor dem was bleibt, wenn die eigenen geistigen Fähigkeiten quasi ausgeknipst sind.

Er hatte davor ja immer wieder erlebt, was passiert, wenn das Hirn mehr oder weniger auf eigene Faust agiert (manische Episoden aufgrund des Tumors) und wie es aussieht, wenn der Körper nicht mehr tut, was man will: plötzliche Orientierungslosigkeit, Sprachstörungen, Verlust der Lesefähigkeit, epileptische Anfälle... Der Gedanke, dass aus solchen Intermezzi ein Dauerzustand wird, ist sicher beänstigend.



Übrigens habe ich vorhin erst gelesen, dass heute ein Buch von Küng zum Thema erscheint. (War aber nicht Anlass zum Beitrag, oder?)
In einem Interview vor einiger Zeit äußerte Küng , dass Walter Jens einfach den richtigen Zeitpunkt zum Suizid verpasst habe und dass er selbst auf keinen Fall wie sein Freund Jens enden wolle. Inge Jens dagegen erzählte in einem anderen Interview, dass ihr Mann in seiner Demenz eigentlich zufrieden wirkte. Seine Persönlichkeit war zwar nicht mehr zu vergleichen mit früher - aber von Todessehnsucht war er wohl weit entfernt.

Natürlich ist Demenz nicht zu vergleichen mit einem Hirntumor.
Und offenbar fand Walter Jens sein Leben zu keinem Zeitpunkt so unerträglich, dass er es für nötig gehalten hätte, ihm ein Ende zu setzen - im Gegensatz zu Herrndorf.

Aber ein echtes Dilemma für Angehörige: wenn Mensch A festlegt, dass, falls Zustand XY eintritt, Mensch B ihm beim Suizid helfen soll. Zustand XY tritt ein und B stellt fest, dass A keinerlei Lust mehr hat, zu sterben.
Keine Ahnung, was das Ehepaar Jens dazu im einzelnen vereinbart hatte.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 01. September 2014, 15:53:12
Zitat von: sumo am 01. September 2014, 12:29:43
Mal hier in den Raum gestellt: Wenn ein Betroffener Suizid begehen will, warum tut er das? Hat er Angst vor einem unwürdigen,schmerzhaften Tod? Kann es sein, daß man durch einen Ausbau palliativer Medizin die Diskussion um Sterbehilfe entkrampfen könnte?

Ich sehe drei Gründe, die man unterscheiden sollte:
- Unerträgliche Schmerzen. Hier gibt es mit Sicherheit noch einiges zu tun (gerade in D.), es gibt stellenweise immer noch eine geradezu irrationale Denke (Der Todgeweihte könnte ja süchtig werden). Der Wunsch nach Suizid hat hier einen ganz rationalen Grund, beiseitigt man diesen z.B. durch gute (rechtzeitige und ausreichende!), palliative Behandlung, verschwindet eben oft auch der Wunsch.

- Angst vor Kontrollverlust: je nach Erkrankung möchte man dem Ganzen rechtzeitig ein Ende setzen, solange man noch dazu in der Lage ist und bevor man zu einem dahinvegetierenden Etwas wird.

- Eine schlichte rationale Entscheidung, genug zu haben, in einer Lebenssituation zu stecken, die nach allerhöchster Wahrscheinlichkeit keinen Zustand mehr bereit hält, den man noch erleben möchte. Zu Unterscheiden von Depression. Kommt aber sicher eher selten vor und steht wohl eher außerhalb der Diskussion.

Zu den Methoden: Herrndorf z.B. hat keine einzige erwähnt, die wirklich sicher und einfach durchzuführen ist. Medikamente und Schusswaffen (kleineren Kalibers) gehören da sicher nicht dazu, vor allem nicht von Laien angewandt. Es gibt bessere Methoden, sowohl von der Sicherheit, der Beschaffungsproblematik und Rücksicht auf diejenigen, die Aufräumen müssen. Wer es wirklich will, wird sie finden.

Eine Freigabe tödlicher Medikamente über Apos ist natürlich völlig indiskutabel. Irreversible Entscheidungen sollte man immer mit gewissen Hürden absichern. Macht sogar Windows ("Sind Sie wirklich sicher?").
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 01. September 2014, 17:04:38
Zitat von: smartie am 01. September 2014, 10:55:22
Wer ernstzunehmende Suizidabsichten hat, wird sich töten. Und wenn er in der Apotheke kein Gift bekommt, missbraucht er dafür halt einen Lokführer.
Mit einer lebhaften Vorstellungskraft geschlagen, würde mich die Aussicht auf ein derart gewaltsames Ende auch noch die letzten guten Stunden kosten.
Mal sehen: Ich stehe da im Dunkeln auf den Geleisen, vorher habe ich mir natürlich den ICE-Fahrplan besorgt und abzuschätzen versucht, wann genau der Nachtzug diese Schnellstrecke passiert. Oder ich habe den Zug tagelang beobachtet wie der Einbrecher die Villa.
Jetzt kommt der Zug angerast, er pfeift, ich weiß, gleich wird der Aufprall erfolgen. Aber an welcher Körperstelle wird der Zug mich treffen? So ein ICE ist windschnittig gebaut. Wird mich seine Spitze am Kopf treffen, ist es gut, werde ich am Bauch getroffen, erlebe ich möglicherweise am Ende meines Lebens dessen schlimmste Sekunden.
Werde ich vielleicht in zwei Hälften geteilt? Komme ich unter die Räder? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich zur Seite geschleudert werde und noch mehrere Minuten lebe? Oder gar überlebe?
Dann komme ich unweigerlich wegen Depressionen in die Psychiatrie und weiteren Versuchen ist jegliche Basis entzogen. Und das alles, weil ich ein Leben, das nach menschlichem Ermessen ab dem gegebenen Zeiptunkt nur noch Schmerzen und keinerlei Spaß mehr verspricht, nicht leben will.
Das ungefähr wäre nämlich der Zeitpunkt, wo ich gehen wollen würde.
Und daher wäre ich sehr beruhigt, wenn ich wüsste, dass mir in dieser Situation eine sichere und komfortable Möglichkeit zur Verfügung stünde.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 01. September 2014, 17:30:59
Zitat von: Hildegard am 01. September 2014, 17:04:38
Und daher wäre ich sehr beruhigt, wenn ich wüsste, dass mir in dieser Situation eine sichere und komfortable Möglichkeit zur Verfügung stünde.

Gibt es. Zug ist scheiße, ein ICE mit über 200 km/h wird wohl, egal wie er auftrifft, zu einem schnellen Ende führen, aber wer weiß, vielleicht gibt es Sicherungssysteme, die logischerweise nicht groß öffentlich propagiert werden. Außerdem ist das eine Unverschämtheit gegenüber Lokführer, Reisenden und den Einsatzkräften. Manche argumentieren, dass ihnen das egal sei, weil wenn sie tot sind, interessiert sie das nicht mehr. Ist aber ein Fehlschluss: Solange man sich mit der Methode befasst, ist man eben noch nicht tot und da kann man sich gefälligst an ethische Minimalstandards halten.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Antitainment am 01. September 2014, 18:10:18
Zu den Suizidmethoden in Deutschland:
ZitatMethoden

Von 11.150 erfassten Suiziden in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 wurden folgende Todesursachen erfasst:[destatis 6]

    Erhängen/Ersticken 5538 (50 %)
    Sturz in die Tiefe 1100 (10 %)
    Vergiftung durch Medikamente 940 (8 %)
    Erschießen (meist Kopfschuss) 572 (5 %)
    Sich vor den Zug oder vor Autos werfen 556 (5 %)
    Abgase ins Auto leiten 216 (2 %)

Männer griffen 2006 in 52,6 % der Fälle zu den so genannten ,,harten" Suizidmethoden des Erhängens, Erdrosseln oder Erstickens und damit häufiger als Frauen (34,5 %), die wiederum häufiger ,,weiche" Methoden wie eine Vergiftung mit einer Überdosierung von Medikamenten etc. anwendeten.[destatis 7]

Im Jahr 2008 nahmen sich auf deutschen Bahnstrecken 714 Menschen das Leben, im Jahr 2009 waren es laut Bericht des Eisenbahn-Bundesamtes 875.[24]
(http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Methoden)

Und im Bezug auf die notwendigen Hürden und die Freiwilligkeitsproblematik:
ZitatDie relativ häufigste Ursache für einen Suizid bzw. Suizidversuch wird heute in diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen gesehen. Je nach Schätzung werden 90 % aller Suizide in westlichen Gesellschaften hierauf zurückgeführt.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Ursachen)

Keine Ahnung wie diese Zahlen einzuordnen sind, bzw. wie belastbar sie sind, aber 90% sind schon eine Hausnummer.

Ist wohl gar nicht so einfach da ohne Richtlinien und geschultes Personal sauber eine Grenze ziehen zu können. Ob jeder Hausarzt sich diese Verantwortung auf die Schultern laden möchte wage ich zu bezweifeln - Nicht jeder Fall dürfte eindeutig zu bewerten sein.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: F. A. Mesmer am 01. September 2014, 20:47:05
Zitat von: Groucho am 01. September 2014, 15:53:12
Zitat von: sumo am 01. September 2014, 12:29:43
Mal hier in den Raum gestellt: Wenn ein Betroffener Suizid begehen will, warum tut er das? Hat er Angst vor einem unwürdigen,schmerzhaften Tod? Kann es sein, daß man durch einen Ausbau palliativer Medizin die Diskussion um Sterbehilfe entkrampfen könnte?

Ich sehe drei Gründe, die man unterscheiden sollte:
- Unerträgliche Schmerzen. Hier gibt es mit Sicherheit noch einiges zu tun (gerade in D.), es gibt stellenweise immer noch eine geradezu irrationale Denke (Der Todgeweihte könnte ja süchtig werden). Der Wunsch nach Suizid hat hier einen ganz rationalen Grund, beiseitigt man diesen z.B. durch gute (rechtzeitige und ausreichende!), palliative Behandlung, verschwindet eben oft auch der Wunsch.

- Angst vor Kontrollverlust: je nach Erkrankung möchte man dem Ganzen rechtzeitig ein Ende setzen, solange man noch dazu in der Lage ist und bevor man zu einem dahinvegetierenden Etwas wird.

- Eine schlichte rationale Entscheidung, genug zu haben, in einer Lebenssituation zu stecken, die nach allerhöchster Wahrscheinlichkeit keinen Zustand mehr bereit hält, den man noch erleben möchte. Zu Unterscheiden von Depression. Kommt aber sicher eher selten vor und steht wohl eher außerhalb der Diskussion.

Zu den Methoden: Herrndorf z.B. hat keine einzige erwähnt, die wirklich sicher und einfach durchzuführen ist. Medikamente und Schusswaffen (kleineren Kalibers) gehören da sicher nicht dazu, vor allem nicht von Laien angewandt. Es gibt bessere Methoden, sowohl von der Sicherheit, der Beschaffungsproblematik und Rücksicht auf diejenigen, die Aufräumen müssen. Wer es wirklich will, wird sie finden.

Eine Freigabe tödlicher Medikamente über Apos ist natürlich völlig indiskutabel. Irreversible Entscheidungen sollte man immer mit gewissen Hürden absichern. Macht sogar Windows ("Sind Sie wirklich sicher?").
Jean Amery wurde (angeblich) mal gefragt, warum er ein Buch über den Suizid geschrieben, nicht aber selbigen vollzogen hatte. Seine Antwort: Warten Sie ab.

Von Amery ist auch (in etwa) der Ausspruch: "Der Freitod ist nicht frei, aber er führt in die Freiheit"

und nochmal nachgeschoben aus WP
ZitatIn seinem zwei Jahre zuvor veröffentlichten Buch Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod hatte er geschrieben: ,,Wer abspringt, ist nicht unbedingt dem Wahnsinn verfallen, ist nicht einmal unter allen Umständen ,gestört' oder ,verstört'. Der Hang zum Freitod ist keine Krankheit, von der man geheilt werden muss wie von den Masern ... Der Freitod ist ein Privileg des Humanen."
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: eLender am 01. September 2014, 22:19:36
Es gibt ja auch die etwas sanfteren Methoden:
http://www.peacefulpillhandbook.com/
(aber ehrlich gesagt halte ich es für ausgeschlossen, dass sich ein Laie ein Barbiturat selbst herstellen kann. Am einfachsten (und angenehmsten) ist wirklich CO)

Ich bin damals als Zivildienstleistender zum ersten Mal mit der Thematik konfrontiert worden. Ich habe sehr oft erleben müssen, wie alte Menschen, die stark auf ärztliche Hilfe angewiesen waren, darum gebeten haben, dass sie endlich sterben dürften. Natürlich wurde dann immer schnell argumentiert, es gäbe doch noch so viel Positives im Leben und man sollte nicht so daher reden. Ich finde es grausam, wenn man am Leben bleiben muss, nur weil es das Umfeld so bestimmt. Es ist eine persönliche und individuelle Entscheidung, jeder sollte die Möglichkeit haben, sanft aus dem Leben zu scheiden, wann er es für richtig hält. Natürlich gibt es auch eine Missbrauchsgefahr, wie bei so vielen Dingen. Und natürlich darf niemand zu einer aktiven Sterbehilfe gezwungen werden. Pragmatisch gehen die Schweiz und die Niederlande mit dem Thema um, so würde ich es mir hier auch wünschen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 01. September 2014, 22:57:31
...bei mir ist das gerade noch recht frisch, die Frage ob mein Vater lieber Schluss machen möchte oder sich einem halben Jahr onkologischer Extremchirurgie aussetzen... Ist jetzt fast zwei Jahre her er, er ohne Diverse Wirbel,  auch sonst ziemlich ausgeweidet, zwei künstliche Ausgänge, Autofahrend, kochend, gärtnernd........., bin relativ froh die Suicidgedanken damals nicht unterstützt zu haben....., klar wäre es seine Entscheidung gewesen......

Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Robert am 01. September 2014, 23:05:47
Es kommt wirklich auf eine gute Palliativmedizin an, was die Lebensqualität und den Lebenswillen angeht. Meine Erfahrung bestätigt das auch. Mein Großvater war auch bis zum Schluss mobil, war wohl sehr gut medikamentös eingestellt und ist auch, so wie wir es uns so schön vorstellen, daheim im Beisein der Familie gestorben. Das war das erste und einzige Mal, dass ich einen Menschen hab sterben sehen.

Naja, ich werd hier und jetzt nicht sentimental. Das ist mein privates.....

Jedenfalls, so stimme ich Groucho zu, sollten in solchen Fällen die Ärzte nicht mit Medikamenten geizen, egal, ob süchtig macht. Und ein final Kranker wird auch nicht an der nächsten Hausecke damit dealen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 01. September 2014, 23:10:57
Zitat von: eLender am 01. September 2014, 22:19:36
Am einfachsten (und angenehmsten) ist wirklich CO)

Jein. Wenn die Konzentration nicht passt, ist das ziemlich unangenehm. Und das ist nicht ganz ohne Tücken, die hinzubekommen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: F. A. Mesmer am 02. September 2014, 14:22:12
Zitat von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
schon recht. ich habe den Hans Meyer eher der Vollständigkeit halber genannt, als aus Überzeugung.

Ich halte es schon für einen großen Fortschritt, dass dieses Thema überhaupt diskutiert wird. Eignet es sich doch vorzüglich zur Tabuisierung und Verdrängung.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 02. September 2014, 15:12:40
Zitat von: F. A. Mesmer am 02. September 2014, 14:22:12
Zitat von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
schon recht. ich habe den Hans Meyer eher der Vollständigkeit halber genannt, als aus Überzeugung.

Hätte doch der Hans Meyer nur rechtzeitig erfahren, dass es sich bei seinen Überlegungen nur um dämliches Geschwätz handelt, hätte er bestimmt nicht Hand an sich gelegt. Welch Tragik!
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 02. September 2014, 16:37:46
Zitat von: Groucho am 02. September 2014, 15:12:40
Zitat von: F. A. Mesmer am 02. September 2014, 14:22:12
Zitat von: Belbo am 01. September 2014, 21:53:31
.....was ein dämliches Geschwätz.
schon recht. ich habe den Hans Meyer eher der Vollständigkeit halber genannt, als aus Überzeugung.

Hätte doch der Hans Meyer nur rechtzeitig erfahren, dass es sich bei seinen Überlegungen nur um dämliches Geschwätz handelt, hätte er bestimmt nicht Hand an sich gelegt. Welch Tragik!

Stimmt was hätte er uns noch alles mitgeben können neben
Zitat"Der Freitod ist nicht frei, aber er führt in die Freiheit"
vielleicht noch?
ZitatWo Licht ist ist auch Schatten
oder
ZitatDahoim sterbed die Leid
.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 02. September 2014, 17:24:13
Zitat von: Robert am 01. September 2014, 23:05:47
im Beisein der Familie gestorben.

Das ist sicher ganz wichtig für die Erträglichkeit, aber auch rein technisch für die pure Machbarkeit. Wenn man allein lebt, könnte der Punkt, an dem es untragbar wird, viel früher kommen.

ZitatDas war das erste und einzige Mal, dass ich einen Menschen hab sterben sehen.

Ich habe meine Mutter im Krankenhaus sterben sehen, und das war so ziemlich das Grässlichste, was ich je erlebt habe. Natürlich hat man für solche Fälle eine Patientenverfügung, aber lieber würde ich es gar nicht bis zu deren Eintrittsbedingung kommen lassen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: eLender am 02. September 2014, 22:04:55
Zitat von: Groucho am 01. September 2014, 23:10:57
Jein. Wenn die Konzentration nicht passt, ist das ziemlich unangenehm. Und das ist nicht ganz ohne Tücken, die hinzubekommen.

Bin ja jetzt kein Experte für das freiwillige Ableben, aber ich persönlich denke, dass CO eines der besten Mittel dafür ist. Natürlich nicht mit dem Auspuffrohr, das man ins eigene Auto leitet. Bei der heutigen Technik wird man damit wenig Erfolg haben. Aber in höherer Konzentration (es reicht scheinbar schon 0,5%) scheint es recht effektiv und schnell zu gehen. Am besten, man besorgt sich eine Gasbombe mit einem definiertem Mischungsverhältnis > 5%, das dürfte reichen und sicher sein.

Aber ich will hier natürlich keine Ratschläge geben, steht sowieso alles im oben genannten Handbuch. Da wird auch die scheinbar bessere Methode mit Helium genannt. Wird ja als schonende Methode zur Keulung von Mastvieh vorgeschlagen, da es keine Erstickungssymptome (im Gegensatz zu CO2) hervorruft. Helium ist aber recht teuer.

Solcher Methoden müssen sich Menschen bedienen, weil es die Politik und die Gesellschaft nicht anders regeln wollen. Es gibt einen Bedarf nach Euthanasie, sonst gäbe es diese Art von "Tourismus" in die Schweiz nicht.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Davos am 03. Oktober 2014, 11:20:17
Um das vorwegzunehmen: Ich bin für Sterbehilfe. Im Prinzip auch bei psychischen Krankheiten, wenn sie zu einem großen Leidensdruck führen und nicht therapierbar sind (wobei das sicher schwer zu beurteilen ist). Ich habe allerdings vor einigen Tagen auf Spiegel-Online gelesen, dass einem belgischen Sexualstraftäter das Recht auf Sterbehilfe zugestanden wurde. Lest das am besten selbst: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gerichtsurteil-belgischer-sexualstraftaeter-frank-van-den-bleeken-darf-sterben-a-994469.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gerichtsurteil-belgischer-sexualstraftaeter-frank-van-den-bleeken-darf-sterben-a-994469.html). Er hat argumentiert, dass er keine ausreichenden Therapieangebote erhalten habe. Angenommen, er hat tatsächlich nicht genügend Angebote erhalten und angenommen das hat zu einem sehr hohen Leidensdruck geführt: Dann lässt sich Sterbehilfe als Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür interpretieren. Hilfe zum Leben zu verweigern ist eine vergleichsweise bequeme Art, den Leidensdruck von Menschen zu erhöhen, die eh keine Lobby haben. Allerdings haben nicht nur Strafgefangene eine schlechte Lobby und der Vorwurf, nicht genügend Hilfe zum Leben erhalten zu haben, kann von vielen Menschen erhoben werden. Vielleicht ist das sogar ein Grund dafür, dass unser Staat den Menschen das Recht auf Sterbehilfe verweigert: Sterbehilfe kann nach schlechtem Sozialstaat aussehen. Also wird sie gar nicht erst erlaubt. Es ist also nicht nötig zu helfen, sondern nur, dafür zu sorgen, dass es nicht nach unterlassener Hilfeleistung aussieht.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Davos am 03. Oktober 2014, 11:37:09
Zitat von: eLender am 02. September 2014, 22:04:55Bin ja jetzt kein Experte für das freiwillige Ableben, aber ich persönlich denke, dass CO eines der besten Mittel dafür ist. Natürlich nicht mit dem Auspuffrohr, das man ins eigene Auto leitet.

Der Republikaner Mike Christian, einflussreicher Abgeordneter des Abgeordnetenhauses von Oklahoma, will Verurteilte künftig durch die Zufuhr von reinem Stickstoff töten lassen. (Spiegel Online: "http://www.spiegel.de/panorama/justiz/todesstrafe-mike-christian-fordert-hinrichtungen-mit-stickstoff-a-991534.html".) Dauert sicher nicht mehr lange, bis Stickstoff nicht mehr in Baumärkten verkauft werden darf.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 03. Oktober 2014, 16:11:35
Zitat von: Davos am 03. Oktober 2014, 11:20:17
Um das vorwegzunehmen: Ich bin für Sterbehilfe. Im Prinzip auch bei psychischen Krankheiten, wenn sie zu einem großen Leidensdruck führen und nicht therapierbar sind (wobei das sicher schwer zu beurteilen ist). Ich habe allerdings vor einigen Tagen auf Spiegel-Online gelesen, dass einem belgischen Sexualstraftäter das Recht auf Sterbehilfe zugestanden wurde. Lest das am besten selbst: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gerichtsurteil-belgischer-sexualstraftaeter-frank-van-den-bleeken-darf-sterben-a-994469.html (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/gerichtsurteil-belgischer-sexualstraftaeter-frank-van-den-bleeken-darf-sterben-a-994469.html). Er hat argumentiert, dass er keine ausreichenden Therapieangebote erhalten habe. Angenommen, er hat tatsächlich nicht genügend Angebote erhalten und angenommen das hat zu einem sehr hohen Leidensdruck geführt: Dann lässt sich Sterbehilfe als Wiedereinführung der Todesstrafe durch die Hintertür interpretieren.
Schwere sexuelle Abweichungen sind genausowenig therapierbar wie Homosexualität. Sein Irrtum war nur, dies auf mangelnde Versorgung zurückzuführen. Insofern verstehe ich sowohl den Wunsch als auch die Genehmigung.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Davos am 03. Oktober 2014, 17:25:56
Die Therapie muss aber nicht notwendigerweise zum Ziel haben, die sexuelle Abweichung zu korrigieren. Sie könnte auch darauf abzielen, dass der Patient sie akzeptiert. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, das Bedürfnis nach sexueller Gewalt durch ein Angebot von Ersatzhandlungen, die keine Opfer fordern, befriedigen zu helfen. Klingt zugegebenermaßen ekelig. Aber bei jemandem, der ohnehin den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen wird, z. B. jemandem, der sich an Kindern vergangen hat -- Warum soll man dem nicht bespielsweise helfen, sich selbst zu befriedigen, indem man ihm Zugang zu entsprechender Pornografie verschafft, die ganz und gar virtuell und damit opferlos ist. Keine Ahnung, ob das funktionieren könnte. Und in Deutschland wäre es auch illegal. In diesem Fall bestünde die Therapie also darin, dass der Patient lernt, sein Bedürfnis nach Macht, Gewalt, Sex u. s.w. auf eine Weise zu befriedigen, die niemandem schadet. Ich finde die Frage vor dem Hintergund, dass die Alternative (oder die einzige Möglichkeit) die Erfüllung des Todeswunsches ist, recht interessant.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hawkeye am 04. Oktober 2014, 18:39:35
Wobei sich ja in Deutschland in den letzten Jahren so einiges in der Palliativmedizin getan hat. Unter anderem dürfen Opiate Sterbenden mittlerweile in potentiell tödlichen Dosierungen verabreicht werden, wenn dies das Leiden lindert. Bei SPON gab es zu einem solchen Fall vor ein paar Monaten einen ebenso bemerkenswerten wie erschütternden Artikel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126830928.html
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Conina am 13. Oktober 2014, 08:15:48
Wenn die Realität auf Amt und Überzeugungen trifft:

ZitatDer Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sagte laut der Augsburger Allgemeinen, dass er seine krebskranke Frau wohl für Sterbehilfe in die Schweiz begleiten würde, obwohl dies "völlig" seiner Überzeugung widerspreche.

http://www.feuerbringer-magazin.de/2014/10/12/moralische-ueberzeugung/



Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Hildegard am 13. Oktober 2014, 13:44:54
Es gibt auch ein neues Buch zum Thema, "Letzte Hilfe" von  Uwe-Christian Arnold. Parallel läuft eine möglicherweise unterstützenswerte Kampagne.
https://hpd.de/artikel/10171

Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 13. Oktober 2014, 15:13:30
Zitat von: Conina am 13. Oktober 2014, 08:15:48
Wenn die Realität auf Amt und Überzeugungen trifft:

ZitatDer Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, sagte laut der Augsburger Allgemeinen, dass er seine krebskranke Frau wohl für Sterbehilfe in die Schweiz begleiten würde, obwohl dies "völlig" seiner Überzeugung widerspreche.

http://www.feuerbringer-magazin.de/2014/10/12/moralische-ueberzeugung/

Ich kann dem Feuerbringer in seinen Schlussfolgerungen nicht ganz folgen. Ein entdramatisiertes Beispiel: Mein (volljähriges) Kind will sich ein Tatoo stechen lassen. Ich finde das Quatsch und daneben. Trotzdem würde ich ihm helfen, ein möglichst gutes Tatoostudio ausfindig zu machen.

Ein "Ich finde es nicht richtig, helfe Dir aber trotzdem" ist doch keine moralische Dissonanz essentieller Art.
Zudem, der Vorwurf, er würde es von seinen Schäfchen einfordern und sich selber nicht daran halten, stimmt doch so auch nicht, m.W. ist er ja deswegen zurückgetreten.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Conina am 13. Oktober 2014, 16:42:57
Das ist ein interessanter Punkt, danke.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: ajki am 01. Oktober 2015, 17:10:03
Groucho hat im Interessante-Links-thread einen Link zu einem Law-Blogger zum Stand der Dinge (Vorlagen für Sterbehilfe-Regulierungen) gepostet (https://forum.psiram.com/index.php?topic=8988.msg190220#msg190220). Ich will den Dauer-thread nicht mit Kram kontaminieren.

Aus relativ aktuellem Anlaß fiel/fällt es mir schwer, über das Thema einigermaßen gesittet nachzudenken/zu reden. Neulich bei der Fahrt zur Beisetzung meines Vaters habe ich mich in Kenntnis der derzeitigen politischen Vorhaben so in Wut geredet (unabsichtlich), dass meine Tochter meinte, ich wäre auf meinen Vater wütend bzw. die Art, wie er entschied zu sterben (da er *wegen* des regulativen Unsinns der Vergangenheit und wohl auch der Zukunft NULL Chance hatte, anders zu entscheiden).

Daher ist der ansonsten sicher ordentliche Beitrag im Zeit-Blog derzeit für mich nicht das Richtige, da zu "polemisch". Ich kann auch die richtige Form von Sarkasmus im Zusammenhang nicht recht ertragen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 01. Oktober 2015, 18:38:50
Zitat von: ajki am 01. Oktober 2015, 17:10:03
Daher ist der ansonsten sicher ordentliche Beitrag im Zeit-Blog derzeit für mich nicht das Richtige, da zu "polemisch". Ich kann auch die richtige Form von Sarkasmus im Zusammenhang nicht recht ertragen.

Naja, so arg polemisch ist der gar nicht, der Fischer beugt nur bisschen vor. Die rabulistischen Auslegungen, die er bekrittelt, sind tatsächlich nur albern, bzw. offenbaren eine furchtbare Hilflosigkeit, etwas in Gesetze fassen zu wollen, was man zurecht eben nicht in Gesetze fassen kann, bzw. der grobe Rahmen für die Ahndung übler Vorkommnisse längst da ist und völlig ausreicht.

Zu Deiner Befindlichkeit: Halte die Ohren steif. Ich kenne das alles. Lässt sich meistern. Das Schwierigste am Tod ist das Sterben. Danach ist es für die "Hinterbliebenen" umgekehrt. Life is a bitch.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 21:30:35
Zitat von: GrouchoDas Schwierigste am Tod ist das Sterben. Danach ist es für die "Hinterbliebenen" umgekehrt.

Ist genau meine Meinung.

Und zwar auch weil in meinem Alter die Todesfälle gleichaltriger und jüngerer Menschen zunehmen. Und das auch in der eigenen Familie. Es hat sich zwar in meiner Familie noch keiner zu Sterbehilfe geäussert (wobei ich sagen muss, dass ich zu meinen Geschwistern keinen regen Kontakt habe, da ich bei Pflegeeltern aufgewachsen bin); aber der letzte Todesfall war ein Selbstmord eines Neffen. Da macht man sich mehr Gedanken über das Sterben. Nicht über das was nach dem Tod ist. Als Agnostiker lasse ich mich überraschen, oder auch nicht...
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 01. Oktober 2015, 22:32:58
Zitat von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 21:30:35
Und zwar auch weil in meinem Alter die Todesfälle gleichaltriger und jüngerer Menschen zunehmen.

Die Einschläge kommen näher.

Zitat
Als Agnostiker lasse ich mich überraschen, oder auch nicht...

Ach komm. Agnostiker ist man doch nur, weil man mit Theismus noch nicht mal nichts zu tun haben will. Von der Erklärungsfaulheit mal abgesehen. Muss aber zugeben, eine Höllenvorstellung hätte ich: Wiedergeburt. Oder ewiges Leben.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 22:45:22
Zitat von: GrouchoMuss aber zugeben, eine Höllenvorstellung hätte ich: Wiedergeburt. Oder ewiges Leben.

Schwere Entscheidung wenn man auswählen könnte. :-\

Vielleicht geschieht  nach dem Tod einfach nix, niente, nada, nothing, kein Bewusstsein.

Das habe ich als Jugendlicher mal einem Berufsberater gesagt als es mich fragte was ich denke, was vor meiner Geburt gewesen sei.

Auf meine Antwort "nichts" meinte er nur das könne ich ja gar nicht wissen.

Seitdem hüte ich mich irgendwelche Aussagen über das Leben nach dem Tod zu machen.

Mit Religion hatte ich damals schon 2 bis 3 Jahre nichts mehr am Hut.

Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Typee am 01. Oktober 2015, 23:14:20
Zitat von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 22:45:22
Zitat von: GrouchoMuss aber zugeben, eine Höllenvorstellung hätte ich: Wiedergeburt. Oder ewiges Leben.

Schwere Entscheidung wenn man auswählen könnte. :-\

Vielleicht geschieht  nach dem Tod einfach nix, niente, nada, nothing, kein Bewusstsein.

Das habe ich als Jugendlicher mal einem Berufsberater gesagt als es mich fragte was ich denke, was vor meiner Geburt gewesen sei.

Auf meine Antwort "nichts" meinte er nur das könne ich ja gar nicht wissen.

Seitdem hüte ich mich irgendwelche Aussagen über das Leben nach dem Tod zu machen.

Mit Religion hatte ich damals schon 2 bis 3 Jahre nichts mehr am Hut.

Meine Standardantwort: denkt nicht über den Tod nach, sondern übers Leben. Der Tod ist die gleichgültigste Sache der Welt, niemand kann irgend etwas dazu sagen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 23:46:28
Zitat von: Typee am 01. Oktober 2015, 23:14:20Meine Standardantwort: denkt nicht über den Tod nach, sondern übers Leben. Der Tod ist die gleichgültigste Sache der Welt, niemand kann irgend etwas dazu sagen.

Über das Leben denke ich doch jeden Tag nach sobald ich aufgestanden bin. Muss ja wissen was passiert, welche Rechnungen zu bezahlen sind, was ich noch für Arbeiten zu erledigen habe, was meine Söhne wieder für Wünsche haben, wohin ich mit meiner Frau heute ausgehe...

Das Leben oder Nichtleben nach dem Tod ist mir auch die gleichgültigste Sache der Welt. Ich habe jetzt und hier auf dieser Erde noch meine Aufgaben, Verpflichtungen....uch...die Freuden nicht vergessen  ;D

Aber der Übergang vom irdischen Leben in das Ungewisse sollte ohne grosse Qualen vonstatten gehen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 02. Oktober 2015, 00:17:32
Zitat von: Wiesodenn1 am 01. Oktober 2015, 23:46:28
Aber der Übergang vom irdischen Leben in das Ungewisse sollte ohne grosse Qualen vonstatten gehen.

Es ist doch nicht ungewiss. Es ist nur nichts.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 11:56:03
Zitat von: Groucho am 02. Oktober 2015, 00:17:32
Egal in welche Richtung eine Aussage geht, sie ist Spekulation, vielleicht mal etwas besser begründet als andere, aber eben nicht mehr.

Ahmed:


[Mist, Ahmed, ich habe aus Versehen Dein Posting editiert, statt zu zitieren, sorry. /G. ]
Groucho:
Das ist formal sicher richtig. Aber ich halte es da wie mit dem Agnostiker, der man ebenso formal eigentlich auch immer ist. Nur suggeriert dieses Nichtwissen im Gespräch gerne mal eine 50/50 Sache, und das ist es nun bestimmt nicht.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: celsus am 02. Oktober 2015, 12:16:42
Völlige Abwesenheit von Evidenz halte ich für einen guten Grund, von Nichtexistenz auszugehen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: eLender am 02. Oktober 2015, 12:47:17
Zitat von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 11:56:03
Ungewiß trifft es deutlich besser, denn die einzige Aussage, die wir machen können ist, daß wir mit unseren derzeitigen Erkenntnismethoden keine auch nur ansatzweise gesicherten Feststellungen dazu machen können.

Ich dachte, die Evidenzlage wäre die: Computer aus > Programm weg. Sind nicht alle mentalen Prozesse an physiologische Vorgänge im Hirn gebunden?
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 19:02:03
Zitat von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 11:56:03
Egal in welche Richtung eine Aussage geht, sie ist Spekulation, vielleicht mal etwas besser begründet als andere, aber eben nicht mehr.
Zitat von: Groucho
Das ist formal sicher richtig. Aber ich halte es da wie mit dem Agnostiker, der man ebenso formal eigentlich auch immer ist. Nur suggeriert dieses Nichtwissen im Gespräch gerne mal eine 50/50 Sache, und das ist es nun bestimmt nicht.
Das ist mir durchaus bewusst. Nur halte ich es trotzdem für wichtig, sich den  Punkt "keine ausreichenden Daten für eine tragfähige Aussage" immer mal wieder vor Augen zu halten. Immerhin ist Realität deutlich komplexer und komplizierter, als wir wohl jemals überblicken werden.

PS. Edit verziehen  :taetschel:

Zitat von: celsus am 02. Oktober 2015, 12:16:42
Völlige Abwesenheit von Evidenz halte ich für einen guten Grund, von Nichtexistenz auszugehen.
Eine spannende Frage, die man endlos diskutieren könnte. Zum einen kann fehlende Evidenz auch auf mangelnde Beobachtungsmöglichkeiten hindeuten, zum anderen auf eine Fehldeutung, unterschiedliche Bewertung oder das Ignorieren von Beobachtungen.

Zitat von: eLender am 02. Oktober 2015, 12:47:17
Ich dachte, die Evidenzlage wäre die: Computer aus > Programm weg. Sind nicht alle mentalen Prozesse an physiologische Vorgänge im Hirn gebunden?
Genau das ist die Frage. In Anbetracht dessen, daß wir über diese Zusammenhänge noch viel zu wenig wissen, würde ich mich da nicht festlegen wollen. Wenn schon die Vorstellung einer als Bedrohung empfundenen Situation (ein doch eher als mental zu bezeichnender Vorgang) dazu führen kann, körperliche Reaktionen hervorzurufen, scheint mir das doch nicht ganz so einfach erklärbar zu sein.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: pelacani am 02. Oktober 2015, 19:50:43
Zitat von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 19:02:03
Nur halte ich es trotzdem für wichtig, sich den  Punkt "keine ausreichenden Daten für eine tragfähige Aussage" immer mal wieder vor Augen zu halten.
Bei welcher Gelegenheit wäre es z. B. wichtig, sich diese Aussage vor Augen zu halten?

Ich meine, außerhalb der reinen Spekulation, mit irgendeinem Bezug auf die reale Welt?
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Gefährliche Bohnen am 02. Oktober 2015, 20:49:10
Mir fällt dazu ein Zitat von Sam Harris ein:

ZitatMany people claim to find it impossible to imagine that they won't exist after death... Just try it for a second. Imagine that everyone in Paris right now is getting along fine without all of us. None of us are in Paris. We are really, really materially absent from whatever is going on in every other city on this planet right now. You were absent for all of human history before your birth. The idea that you simply can't imagine not existing after death is really just for a lack of trying, I think.

(https://www.youtube.com/watch?v=OSBaAT6WPmk Minute 49:53)

Edit: Ab Minute 47 passt auch gut.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: 71hAhmed am 03. Oktober 2015, 07:53:37
Zitat von: Pelacani am 02. Oktober 2015, 19:50:43
Zitat von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 19:02:03
Nur halte ich es trotzdem für wichtig, sich den  Punkt "keine ausreichenden Daten für eine tragfähige Aussage" immer mal wieder vor Augen zu halten.
Bei welcher Gelegenheit wäre es z. B. wichtig, sich diese Aussage vor Augen zu halten?

Ich meine, außerhalb der reinen Spekulation, mit irgendeinem Bezug auf die reale Welt?
Ein Beispiel mit Bezug zur realen Welt? Gerne. Nimm die ganze Diskussion um den Klimawandel. Daß sich das Klima wandelt, ist nix neues, tut es, seit dieser Planet sich eine Atmosphäre zugelegt hat. In wie weit menschliches Verhalten in welchem Maß dazu beiträgt, lässt sich aufgrund der Komplexität des Gesamtgeschehens und der Vielfalt der Einflußfaktoren nicht wirklich festlegen.
Trotzdem wird so getan, als gäbe es gesicherte Erkenntnisse, aufgrund derer planloser Aktionismus viele sinnvolle Maßnahmen verhindert.

Eine etwas langfristigere Klimakurve:
http://www.scotese.com/climate.htm
Was IST denn jetzt die "Normaltemperatur" der Erde im langfristigen Mittel? Ab wann ist die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs ausserhalb der Norm? 
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: celsus am 03. Oktober 2015, 08:10:49
That escalated quickly.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: pelacani am 03. Oktober 2015, 08:45:36
Zitat von: 71hAhmed am 03. Oktober 2015, 07:53:37
Zitat von: Pelacani am 02. Oktober 2015, 19:50:43
Zitat von: 71hAhmed am 02. Oktober 2015, 19:02:03
Nur halte ich es trotzdem für wichtig, sich den  Punkt "keine ausreichenden Daten für eine tragfähige Aussage" immer mal wieder vor Augen zu halten.
Bei welcher Gelegenheit wäre es z. B. wichtig, sich diese Aussage vor Augen zu halten?

Ich meine, außerhalb der reinen Spekulation, mit irgendeinem Bezug auf die reale Welt?
Nimm die ganze Diskussion um den Klimawandel.

Nehm' ich.  ;) Aber soweit ich das bisher verstanden habe, geht es um die Geschwindigkeit des Klimawandels, die wahrscheinlich eine Anpassungsleistung erfordert. Der "Natur" (wahlweise einsetzen: "Gott") ist es völlig schnuppe, ob der Mensch überleben wird, so wie es ihr gleichgültig war, ob die Saurier einen Klimawandel überleben.

Und es bleibt doch offen, was dieses halbwegs vernünftige Beispiel damit zu tun hat, welche praktischen Konsequenzen man aus dem Umstand ziehen sollte, dass man sich eine Seele losgelöst vom Gehirn vorstellen kann.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: ajki am 06. November 2015, 16:02:23
Tja. Heute hat einmal mehr in Dtschl. der Bundestag im Zusammenhang mit "Sterbehilfe" entschieden, wohin der gesetzgeberische Weg gehen soll.

"Gut" daran ist aus meiner Perspektive die klare Ablehnung (und Kriminalisierung) von "Sterbehilfe-Vereinen" bzw. ähnlichen dubiosen Organisationen - ich denke es ist übereinstimmungsfähig, dass es unter keinen Umständen zu "Geschäften" mit und um den (eigenen) Tod kommen darf/soll. Und die hehren Selbstauskünfte solcher Parteiungen sind ja letztlich nie daraufhin überprüfbar, ob sie aus ehrlicher oder unehrlicher Überzeugung kommen (zumindest nicht für einen Moribunden, der ganz andere Problem hat als sich mit dubiosen Vereinshanseln zu beschäftigen).

"Schlecht" scheint alles andere (wie üblich) gelaufen zu sein - keinerlei Aussicht auf Verbesserung/Stärkung der Betroffenensituation(en). Wieder jede Menge unerheblicher Einlassungen im Zusammenhang vonseiten Unbetroffener (Kirchen, Religioten, Ärzte ohne Mörder, "und denkt an die Kinder!"-Leute...). Die Entscheidungsmacht über den freien Tod ist in Geranien wieder mal vertagt.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Gethen am 06. November 2015, 16:09:35
Zitat von: ajki am 06. November 2015, 16:02:23
... ist in Geranien ...


:grins

Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 06. November 2015, 17:26:04
Zitat von: ajki am 06. November 2015, 16:02:23
Tja. Heute hat einmal mehr in Dtschl. der Bundestag im Zusammenhang mit "Sterbehilfe" entschieden, wohin der gesetzgeberische Weg gehen soll.

"Gut" daran ist aus meiner Perspektive die klare Ablehnung (und Kriminalisierung) von "Sterbehilfe-Vereinen" bzw. ähnlichen dubiosen Organisationen - ich denke es ist übereinstimmungsfähig, dass es unter keinen Umständen zu "Geschäften" mit und um den (eigenen) Tod kommen darf/soll.

Die Lokführer wird es nicht freuen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Conina am 06. November 2015, 18:44:02
http://www.welt.de/politik/deutschland/article148505156/Bundestag-stimmt-fuer-Verbot-geschaeftsmaessiger-Sterbehilfe.html
ZitatDer entsprechende Paragraf, der vor allem auf die umstrittenen Sterbehilfevereine zielt, wird im Strafgesetzbuch eingefügt. Hinter dem Paragrafen, der die Tötung auf Verlangen verbietet, findet sich künftig unter Ziffer 2017 folgender Passus:

"Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht."

Na ja, man kann sich als Angehöriger oder Amateur das nötige Grundwissen sicher zusammengoogeln. Ist bestimmt nicht schlimm, wenn man eine schmerzlose Selbsttötung verpfuscht. Irgendwann oder irgendwie klappt´s sicher.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Peiresc am 06. November 2015, 19:00:01
Und keiner weiß, was "gewerbsmäßig" genau heißt.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 06. November 2015, 19:48:45
Zitat von: Peiresc am 06. November 2015, 19:00:01
Und keiner weiß, was "gewerbsmäßig" genau heißt.

Genau das ist das Problem.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Peiresc am 06. November 2015, 20:00:42
Und die aktuelle Musterberufsordnung für Ärzte:
Zitat§ 16 Beistand für Sterbende
Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.
http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/MBO_02.07.2015.pdf
Straffrei, aber verboten. Man darf gespannt sein auf die Gerichtsentscheidungen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: ajki am 06. November 2015, 21:08:34
Die sz zitiert indirekt die schon vor der parlamentarischen Beratung kursierende Problematisierung des "aussichtsreichsten" und durchgegangenen Entwurfs:

Zitat... Einige Politiker, Mediziner und Juristen hatten bemängelt, dass nicht klar ist, was genau unter "geschäftsmäßiger" Suizidbeihilfe zu verstehen sei. Die Autoren des Gesetzentwurfs hatten im Vorfeld erklärt, dass sie mit dem Begriff ein "auf Wiederholung angelegtes, organisiertes Handeln" meinen. ...

Ergänzen kann man im Kontext der Absichten des Entwurfs die Phrase "auf Wiederholung angelegtes, organisiertes Handeln" um "mit offengelegter oder verborgener Gewinnerzielungsabsicht von Dritten, oder mindestens der angelegten Möglichkeit von abschöpfbaren Restmitteln durch Dritte inklusive von als Gebühr erhobenen Kosten, die den Aufwand eines Erfüllungsgehilfen deutlich übersteigen".

Näheres regeln dann die Gerichte anhand konkreter Fälle. Die Intention des CDU/CSU-Entwurfs (+ Dritter) war in dieser Sache jedoch ziemlich klar (und deckte sich in der Intention auch mit den anderen drei Entwürfen soweit es die dubiosen "Vereine" anging).

Es ist im Zusammenhang übrigens sehr wohl möglich, dass "idealistisch" handelnde Gruppen aus rein politischen/sozialen/"mitmenschlichen" Erwägungen/Zielstellungen und mit klarer Non-Profit-Struktur weiterhin agieren können im Umfeld der "Sterbehilfe". Das wird man abwarten müssen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Groucho am 06. November 2015, 21:09:55
Zitat von: Peiresc am 06. November 2015, 20:00:42
Straffrei, aber verboten. Man darf gespannt sein auf die Gerichtsentscheidungen.

Mal gespannt, was der Fischer dazu schreiben wird, im Vorab hat er sich ja schon geäußert:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-09/bundestag-gesetzentwuerfe-sterbehilfe (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-09/bundestag-gesetzentwuerfe-sterbehilfe)
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Conina am 06. November 2015, 22:13:21
Zitat von: ajki am 06. November 2015, 21:08:34
Es ist im Zusammenhang übrigens sehr wohl möglich, dass "idealistisch" handelnde Gruppen aus rein politischen/sozialen/"mitmenschlichen" Erwägungen/Zielstellungen und mit klarer Non-Profit-Struktur weiterhin agieren können im Umfeld der "Sterbehilfe". Das wird man abwarten müssen.

Und für welche Klientel wäre so ein Hobby attraktiv?

Die Idee ist für mich gruseliger, als jemandem für so eine Dienstleistung zu bezahlen.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 06. November 2015, 22:53:05
Angebot und Nachfrage bei der Sterbehilfe?
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Conina am 06. November 2015, 23:40:35
Die Nachfrage ist immer da.


Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Belbo am 06. November 2015, 23:59:44
Ja, u.a. Bei den Erben.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Wolleren am 07. November 2015, 01:24:33
Zitat von: Groucho am 06. November 2015, 19:48:45
Zitat von: Peiresc am 06. November 2015, 19:00:01
Und keiner weiß, was "gewerbsmäßig" genau heißt.

Genau das ist das Problem.
Jede Art von "Energieausgleich" reicht, um ein Gewerbe vermuten zu lassen.

Für Scheinaltruisten bietet Sterbehilfe eine echte Chance auf Profilierung, wo doch Altenpflege viel arbeitsreicher und schmutziger ist. Da wird psiram was zu tun kriegen: Nette Leute, die aus lauter Dummheit Druck auf andere aufbauen, sich selbst umzubringen. Das gibt bei den Baby-Boomern ein Riesengeschäft, eine Art GNM 4.0, kein schlecht verhohlenes Verreckenlassenprogramm, sondern das Angebot eines ganz bequemen Verreckens.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: ajki am 07. November 2015, 07:37:27
Zitat von: Conina am 06. November 2015, 22:13:21
Und für welche Klientel wäre so ein Hobby attraktiv?

Die Idee ist für mich gruseliger, als jemandem für so eine Dienstleistung zu bezahlen.

Meine Anmerkung bezieht sich nicht auf eine Idee - sie bezieht sich auf die Möglichkeit einer Kriminalisierungsumgehung unter der neuen Gesetzeslage (einer derzeit noch völlig unklaren). Was alle Entwürfe einte war die Absicht, privatisierte Profitorientierung auf diesem Feld zu verunmöglichen. Sie unterschieden sich (marginal und in jedem Fall aus bürgerlicher Sicht unzureichend) in den Angeboten im Rahmen der öffentlichen Versorgung. Von den vier Entwürfen ist derjenige durchgegangen, der außer vagen Absichtserklärungen im Palliativbereich (der mit dem eigentlichen Problem überhaupt nichts zu tun hat) keinerlei öffentliche Unterstützung anbietet (also alles so beläßt auf diesem Feld, wie es in Dtschl. seit jeher ist). Was jemand am absoluten Ende der Fahnenstange will, ist die Verfügungsmacht über den Zeitpunkt unter "technisch" optimalen Bedingungen und abrechenbar über die regulierten Versorgungsmethoden - sprich: eine normale Einbindung in öffentliche Versorgungsmechanismen. Das bleibt verwehrt, obwohl eine "graue" Form privat zu finanzierender "Hilfe" in den letzten Jahren entstand und durch die neue Lage absichtsvoll abgewehrt wird. Das eigentlich Anzustrebende wurde also weiterhin auf politischer Bühne abgebügelt, während die politische Seite klar die Mittel installiert, private "Alternativen" verfolgungsfähig zu machen. Das hätte man dann begrüßen können, wenn eben ein Weg in die Versorgungssysteme geöffnet worden wäre. So ist es nur ein weiterer Staatspaternalismus (obwohl man aus anderen Gründen durchaus gegen "Vereine mit Gewinnerzielungsabsicht" auf diesem Feld sein kann).

Warum einzelne Leutchen jeweils genau irgendwelche öffentlich einwirkende Dinge tun (den "Wachturm" verteilen, als tribalistischer Vereinsfan Unsummen für die Teilhabe am Geschehen ausgeben, für die vegane Rettung der Welt kämpfen uswusf...) ist oft nicht entschlüsselbar. Wenn keine Kohle auf dem Aktivistenkonto landet oder vor allem, wenn Kohle deshalb davon abfließt, nennt man solche Aktivitäten traditionell "idealistisch". Dass jede Menge anderer Leute solche Aktivisten nicht "verstehen" können, hat noch nie etwas daran geändert, dass es derartige (wo)men on a mission in durchaus erheblichen Größenordnungen gab/gibt/geben wird.
Titel: Re: Sterbehilfe – wie geht’s in Deutschland weiter und was meint ihr dazu?
Beitrag von: Conina am 07. November 2015, 11:51:38
Das ist ein regelrechter Rant, der in der Taz steht:
http://www.taz.de/Kommentar-Sterbehilfe/!5249048/
Zitat...Bald 150 Jahre lang waren sich Politik wie Zivilgesellschaft in Deutschland darüber einig, dass dies zwar in jedem Einzelfall zu bedauern, aber als individuelle Entscheidung mündiger Bürger auszuhalten und zu respektieren sei. Konsens war: Weil der Suizid straffrei ist, konnte die Beihilfe zum Suizid auch nichts anderes als straffrei sein.

Ende, aus, vorbei. Diesen Konsens hat eine Mehrheit der Parlamentarier am Freitag ohne Not aufgekündigt: Künftig wird die Beihilfe zum Suizid in Deutschland strafbar sein, sobald sie geschäftsmäßig stattfindet, also auf Wiederholung ausgerichtet ist. Egal, ob Angehörige, Ärzte oder Sterbehelfer aus Vereinen die Beihilfe leisten – sie alle laufen Gefahr, strafverfolgt zu werden. Das Abstimmungsergebnis ist eine Zäsur. Es ist ein bewusster Bruch mit einer Rechtslage, die seit 1871 in Deutschland gegolten und gut funktioniert hat....