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ist Ritalin wirklich Kokain für Kinder

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Begonnen von Merlin, 22. September 2010, 11:12:18

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Merlin

@ Conni
ich schlage einen Spendenaufruf vor, um die Umschulung solch armer Tröpfe zu finanzieren, dann verbreiten sie wenigstens keine Lügen mehr.

Ich habe mir eben Schmidts Seite mal wieder angetan, echt unvorstellbar, wie jemand so lange und viel am Stück lügen ohne rot zu werden!

Conni

Hochinteressant ist auch der Verdacht, das Borna-Virus könne affektive Srörungen hervorrufen:

http://www.medizinische-enzyklopaedie.de/medizin/1942.html

ZitatAls neuer Erklärungsansatz für die Ätiologie von affektiven neuropsychiatrischen Störungen wird seit den 1990er Jahren eine virale Genese diskutiert. Seit den ersten Berichten im Jahr 1976, die zeigten, dass psychiatrische Patienten eine höhere Prävalenz von Antikörpern gegen Bornavirus aufweisen, konnte durch verschiedenste Untersuchungen dieser Zusammenhang in den letzten Jahren weiter erhärtet werden. Die heutigen Möglichkeiten der molekularbiologischen Diagnostik der Borna-Virusinfektion sowie empirische Beobachtungen über die Wirksamkeit einer antiviralen Therapie bei Patienten mit Depression, erhärten das Konzept einer viralen Genese verschiedener neuropsychiatrischer Erkrankungen.

Und dass Toxoplasma gondii als Auslöser für Schizophrenie in Verdacht steht:

http://www.scienceticker.info/2008/01/17/katzenparasit-kommt-vor-der-schizophrenie/

Hach, was bin ich heute mal wieder biologistisch  ;D

Pflixter

@Merlin und Conni
Ich geb´s jetzt auf. Ihr versteht ja rein gar nichts. Ich hätte eigentlich gedacht, dass sich in einem Esowatch-Forum coole Köpfe versammeln. Stattdessen handelt es sich offenbar um eine Gruppe intellektueller Chaoten.
Gute Nacht weiterhin! 

Merlin

Zitat von: Pflixter am 23. September 2010, 11:34:51
@Merlin und Conni
Ich geb´s jetzt auf. Ihr versteht ja rein gar nichts. Ich hätte eigentlich gedacht, dass sich in einem Esowatch-Forum coole Köpfe versammeln. Stattdessen handelt es sich offenbar um eine Gruppe intellektueller Chaoten.
Gute Nacht weiterhin! 


Conni, er gibt auf der herr Schmidt, es fehlen die Argumente für eine ordentliche Diskussion, dafür kriegt er jetzt einen netten Blog von uns  ;D. Ein bisschen nette publicity bekommt dem Hollerbusch bestimmt!

Conni

Das hier ist auch sehr interessant:

http://www.animal-health-online.de/gross/2009/03/11/toxoplasmose-wissenschaftler-klaren-verbindung-zu-schizophrenie/10681/

ZitatLeeds (aho/lme) – Eine Reihe von Studien belegen den Zusammenhang einer Infektion mit dem Katzenparasiten Toxoplasma gondii und psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie. Britische Wissenschaftler berichten jetzt im Fachjournal ,,PLoS ONE", dass der Parasit Dopamin-produzierende Gehirnzellen befällt und ein Enzym produziert, welches zur Dopamin-Synthese notwendig ist. Dopamin steuert bei Menschen die Stimmung, das Sozialverhalten, Motivation und den Schlaf. Arzneimittel, die bei Schizophrenie eingesetzt werden, dämpfen die Wirkung von Dopamin und lindern so Halluzinationen und Wahnvorstellungen.

Die Wissenschaftler sehen auch eine Verbindung zu Parkinson, dem Tourette – Syndrom und dem Aufmerksamkeits-Defizit / Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS).

Conni

Nun, an mir liegts nicht, ich habe einige diskussionswürdige Beiträge zum allgemeinen Zwist zwischen den "Umweltlern" und den "Biologisten" gebracht. Andererseits kamen von der Gegenseite keine Belege.

Enkidu

und schon länger bekannt: Grippeinfektion in der Schwangerschaft erhöht das Schizophrenierisiko für das Kind, gewisse aufgenommene Schwermetallmengen in der Schwangerschaft jedoch auch.

Conni

Zitat von: Enkidu am 23. September 2010, 11:41:22
und schon länger bekannt: Grippeinfektion in der Schwangerschaft erhöht das Schizophrenierisiko für das Kind, gewisse aufgenommene Schwermetallmengen in der Schwangerschaft jedoch auch.

Stimmt, bei den Nachkommen der Überlebenden der Grippewelle von 1918/19 gab es vermehrt Schizophreniefälle.

P.Stibbons

Holleri-duljo!!!

Wer besucht uns denn hier?  ::)

Zitat von: Pflixter am 23. September 2010, 10:44:37
@forbidden
Die Magdeburg-Studie ist zwar terminlich recht neu, aber inhaltlich gleichzeitig uralt. Es gibt weltweit ca. 250 000 solcher Studien, bei denen man irgendwelche Besonderheiten im angeblichen ADHS-Gehirn gefunden zu haben glaubt. Sie kranken alle an Kinderkrankheiten:
-weil die Befunde nie die Spezifität mit "ADHS" belegen (man vergleicht ADHSler immer mit "Gesunden", statt mit anderen klinischen Syndromen)
-weil sie die Kausalität nicht belegen: keiner weiß, ob die gefundenen Veränderungen Ursache oder Folge sind. Epigenetik und Neuroplastizität stehen für den immer stärkeren Ansatz, dass die Befunde Folgen von Lebensumständen sind....

Ist es im Holler-Forum inzwischen so öde, dass Pflixter-Schmitti sich anderswo stimulieren muss?

Hier ist was für die Fortbildung (vermutlich vergebliche Liebesmüh meinerseits...) :

(Kleiner Tip:  Bevor Sie es als "uralt" und "mit Kinderkrankheiten behaftet" abtun, Herr Schmidt, sollten Sie es sich untern Christbaum oder ins Osternest legen lassen und ausgiebig studieren...anstatt stereotyp die sattsam bekannten Schlagworte "Epigenetk" und "Neuroplastizität"  laienhaft und unverdaut in die Runde zu schmeißen ! )

http://www.springer.com/medicine/neurology/book/978-3-642-03591-3


P.Stibbons

Zum viel geschundenen Begriff  "Neurolastizität"  siehe u.a. hier:

http://forum.psiram.com/index.php?topic=4743.new#new

Ein Fall von "Negativer Neuroplastizität" wird hier beschrieben (weiter hinten im PDF; es lohnt aber, das Ganze zu lesen...)

http://www.immm.hmtm-hannover.de/uploads/media/Bangert_et_al.__2003__Apollos_Gabe_und_Fluch.pdf

Bei der beschriebenen Musiker-Dystonie hat man u.a. auch eine genetische  Disposition  (z.B. familiär gehäufte Tic-Störungen) sowie einen Defekt im Hemmenden System gefunden...gewisse Parallelen zu ADHS also.
Quasi kompensatorisch wird "zwanghaft" geübt, um Fehler auszumerzen...mit charakteristischen Veränderungen im Gehirn.


hypocampus

Ich hab mich mal angemeldet weil es mich direkt betrifft.

Ich bin studierter Neurobiologe mit ADS-Diagnose und nehme Methylphenidat (Markennamen: Ritalin, Equasym, Medikinet usw usf.) ein.

Entsprechend meiner fachlichen Ausbildung (Nebenfach Pharmakologie) habe ich mich natürlich nach der relativ jungen Diagnose ausführlichst in die Thematik eingearbeitet und kann differenziertes Fachwissen dazu anbieten.

Meiner Wahrnehmung nach wird das Medikament überkritisch bewertet und medial aufgebauscht zu einem Symbol der böswilligen Pharmaindustrie, die sogar unsere Kinder vergiften will. Es dürfte klar sein, dass hinter der Schlagzeile "Ritalin: Kokain für unsere Kinder" sicher nicht vordergründig eine objektive Berichterstattung zu erwarten wäre.

So einfach ist das mit dem Urteil dazu nicht. Für den Laien mag es einfach sein, Medikamente in Gut und Böse, in Medikamente und in Drogen einzuteilen, das macht ein Urteil möglich ohne, dass man studiert haben muss um ein Risikopotential abschätzen zu können. Aber diejenigen, die es könnten vertreten ja sowieso meist nur hinterlistige bösartige Absichten so dass man sich dem der eigenen Paranoia zuliebe auch grundsätzlich gerne komplett verschließt.

Tatsache ist jedoch, es gibt nicht wirklich die guten und bösen Medikamente, es gibt nur eine unverhältnismäßige Nutzen zu Risikoabwägung. Das ist eine Einzelfallentscheidung und lässt sich nicht verallgemeinern. Für einen Drogensüchtigen mag Diacetylmorphin (Heroin) keinen Nutzen und nur ein extrem hohes Risiko haben, für einen Krebskranken auf dem Sterbebett ist dies vollkommen irrelevant wenn er die Wahl zwischen einem extrem potenten Schmerzmittel oder unerträgliche Qualen bis zu seinem unausweichlichen Tod hat. Es ist vielen nicht bewusst, dass einem Arzt ggfs. auch der Besitz gewisser Mengen von Heroin erlaubt ist. In der Praxis gibt es bessere Schmerzmedikamente inzwischen, die Zulassung beschränkt sich auf den ärztlich kontrollierten Entzug seit 2009, der jedoch besser ist als ein unkontrollierter Konsum vonmöglicherweise verunreinigten Straßenprodukten.
Ein Extrembeispiel, dass sich jedoch zum Teil verallgemeinern lässt. Jedes Medikament hat Haupt- und Nebenwirkungen und eine sinnvolle Anwendung ergibt sich ausschließlich aus der Abwägung von beiden im Verhältnis zueinander, sonst aus nichts.

Das Problem besteht hier in meinen Augen nicht bei dem Medikament sondern bei denen die eine solche Abwägung zu treffen haben, sprich unverhohlen ausgedrückt: Die Kompetenz der Ärzte die das beurteilen ist meist nicht entsprechend, zumindest nach meinem subjektiven Eindruck. Die gegenwärtige Diagnostik des Ganzen ist sehr schlecht, da wird dieser Faktor sehr entscheidend - ein Arzt der über den Tellerand von Definitionen schauen kann und einen Patienten aus Erfahrung heraus zusätzlich einschätzen kann ist sinnvoll.

Zum Medikament selbst:

Es ist kein Lutschbonbon, es ist ein ernstzunehmendes Medikament mit ernstzunehmenden Risiken. Ich sehe das durchaus sehr kritisch, vor allem die gängige Langzeitbehandlung.

Die Fakten der langjährigen Erfahrung mit diesem Medikament in Form seriöser Studien besagen jedoch eindeutig: Die Medikamentierung damit kann sinnvoll sein und hilft dem AD(H)S-Patienten in den meisten Fällen (etwa 80% Responder vs. der Rest, die nicht ansprechen). Und auf eine Weise, die die Hinnahme der Risiken rechtfertigen kann, da die Krankheit selbst oft schwerwiegendere Folgen hat.

Gerade beim Langzeitgebrauch würde ich die Risiken jedoch nicht aus den Augen verlieren, ich selbst verwende das Medikament nicht, wenn ich es nicht muss (Auch wenn mein Arzt etwas anderes sagen würde). Die Kritik ist insofern berechtigt, dass in individuellen Fällen auf Seiten der Ärzte genauso einseitig verharmlost wie auf Seiten der Kritiker einseitig dramatisiert wird.

Kokain ist es nicht. Auch wenn die Wirkungsweise ähnlich ist, so sind die Substanzen grundlegend verschieden. Das Abhängigkeitsrisiko von MPH ist kalkulierbar, solange es wie vorgeschrieben verwendet und nicht missbraucht wird (pulverisiert und geschnupft, injiziert). Der Missbrauch erst erzeugt ein Abhängigkeitspotential, der bei regulärer Anwendung nicht nennenswert ist. Es wirkt nur mäßig auf die Stimmung, ich kann es persönlich so beschreiben dass es wirklich nicht viel verändert - außer meine Konzentrationsfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis und Fehleranfälligkeit deutlich zu verbessern. Es gibt keinen "Rausch", es gibt nur ein Verschwinden von Symptomen.

Die Medikamentierung damit macht nur Sinn, wenn sie auch wie vorgeschrieben erfolgt, das bedeutet es müssen deutliche Einschränkungen für das Leben bestehen, durch das Medikament nachweislich verbessert werden und auf Alternativen nicht angesprochen haben. Die gesamte Zeit ist eine ärztliche Überwachung durch einen Spezialisten zu gewährleisten und eine Kontrolle der möglichen Nebenwirkungen. Dann kann dieses Medikament auch sinnvoll und risikoarm eingesetzt werden. Das muss jedoch nicht immer der Fall sein, die Umsetzung der Regelungen obliegt letztlich dem Arzt und ist damit wie gesagt eine Frage ärztlicher Kompetenz. Etwas, das ich gelernt habe, weniger oft automatisch anzunehmen als in der Allgemeinbevölkerung üblich.


Zur Krankheit an sich:

Es ist keine Kinderkrankheit. Seit 2003 ist sie bei Erwachsenen anerkannt. Kürzlich wurde die Behandlung mit MPH im Erwachsenenalter für ein Präparat auch für die Zahlung durch die Krankenkasse freigegeben - ein Prozess der sich rein auf Juristerei reduzieren lässt, da die Firmen erst einmal Studien nachreichen müssen die wirklich auch dieselben Ergebnisse wie für die Kinder reproduzieren. Man hatte ja niemals Untersuchungen an Erwachsenen durchgeführt, die Wahrscheinlichkeit dass das Ergebnis großartig anders ausfiel war jedoch gering.  Off-label, das heißt mit Eigenbezahlung wurde es jedoch schon länger mit Erfolg eingesetzt.
Der Grund wieso das so lange unerkannt bleiben konnte: Die Hyperaktivität lässt im Alter meist nach, Konzentrationsprobleme bleiben bestehen. Man dachte es würde herauswachsen, weiß nun aber dass es das nicht tut. Ich kann das mit eigener Erfahrung untermauern: Wenn man ein Leben lang damit gelebt hat verändert sich nichts. Man nimmt die Einschränkung nicht wahr, nur dass die anderen alle irgendetwas zu meckern haben wenn man mal wieder etwas vergessen oder verschusselt hat. Eher macht man sich selber Vorwürfe wie die anderen es tun, anstatt zu realisieren, dass man ein Problem hat.

Mit meinem Wissen über die Hintergründe der Krankheit und meinem eigenen Erleben entpuppen sich Behauptungen, die Krankheit sei eine reine Erfindung der Pharmaindustrie als bloßer Humbug. Das dürfte sich auch jedem erschließen der nicht betroffen ist, jedoch das Symptombild ausführlich mehrfach bei verschiedenen Patienten beobachten konnte. Für die meisten Menschen ist die Krankheit nicht verständlich weil sie das Erleben nicht teilen können.

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ist nicht wirklich eine mangelnde Fähigkeit auf etwas zu richten, es ist die mangelnde Fähigkeit irrelevante Reize zugunsten einer bestimmten momentan wichtigen Aufgabe zu unterdrücken.

Konkret findet sich der zentrale Ursprung der Krankheit im sogenannten Präfrontalcortex. Diese Hirnregion ist maßgeblich für die Steuerung der Aufmerksamkeit zuständig. Bei all den Informationsmengen die auf unser Gehirn einprasseln ist hier eine Instanz gegeben, die Prioritäten zwischen verschiedenen Inputs setzen kann um die begrenzte Verarbeitungskapazität des Gehirns sinnvoll nutzen zu können. Wenn ich gerade etwas lesen möchte, so wird hier entschieden "Ich soll erstmal diesen Text lesen". Informationen aus der Umgebung werden dann zugunsten dieser Aufgabe aktiv vom PFC unterdrückt, man konzentriert sich auf den Text. Beispiel: Man ist so versunken in ein Buch dass man mehrmals angesprochen werden muss bevor man es hört - natürlich konnte man es hören, im Bewusstsein kam es jedoch nicht an weil eine Vorauswahl durch Aufmerksamkeitsfunktionen getroffen wurde, die sensorische Information des Höreindruck wurde ohne bewusste Einflussnahme herausgefiltert zugunsten der momentanen Aktivität.

Weil es nicht bewusst geschieht wird es den meisten Menschen auch nicht offensichtlich, dass soetwas geschieht, wir nehmen bewusst logischerweise nur war was wir bewusst wahrnehmen, nicht jedoch Etwas, das wir unbewusst wahrgenommen haben aber niemals ins Bewusstsein treten konnte. Folglich denken wir, wir würden diese Entscheidung etwas wahrzunehmen jederzeit frei getroffen haben, jedoch wurde ein Teil der Entscheidung durch unser Gehirn unbemerkt vorausgegriffen - wie die Bewertung der Inhalt des Buches sei wichtiger als das (eventuell mindestens genauso wichtige) Gesagte desjenigen, der uns angesprochen hat.

Es ist dieses Hirnareal, das nachweislich in Zusammenhang mit der Krankheit steht. Computertomografische Aufnahmen (viel zu teuer für eine Standarddiagnostik) zeigen eindeutig ein im Schnitt geringeres Volumen und eine verminderte Aktivität dieses Hirnareals. Die Hintergründe bzw. Entstehung dieser Krankheit ist vermutlich in der Entwicklung im Mutterleib bereits zu finden, basierend auf einer Fehlentwicklung des Gehirns, ein nachweislich begünstigender Faktor wäre zB Rauchen während der Schwangerschaft.

Praktisch äußert sich das ähnlich oben beschriebener Situation folgendermaßen im Alltag: Ich höre einer Person zu, die mir wichtige Anweisungen gibt. Mir ist rational bewusst, dass die Information wichtig ist. Ich habe jedoch häufig keine bewusste Kontrolle darüber, welche Informationen mein Gehirn zuvor als wichtig beschließt und wohin meine Aufmerksamkeit gelenkt wird. Ich sehe draußen einen Vogel, der irgendetwas macht. Ich schaue in an, er bringt mich vielleicht kurz auf einen Gedanken. Ich konzentriere mich wieder auf das Gespräch, habe jedoch nie wirklich das Gefühl bekommen etwas verpasst zu haben (wie vertieft in ein Buch zu sein während man "vergisst" dass man angesprochen wurde). Die Informationen scheinen vollständig, die Bewertung auf unbewusster Ebene erzeugt in mir ja bereits von sich aus das Gefühl, dass das Gesagte an dieser Stelle nicht so wichtig war, wie der Vogel, insofern verbleibt garkein Bewusstsein eines bedeutsamen Informationsverlustes.  

Der Fehler, den Gesunde bei der Beurteilung solcher Situationen gerne begehen und der mir wie anderen Betroffenen das Leben so schwer macht: Sie verstehen es nicht. Für den normalen Menschen ist es selbstverständlich dass man sich auf ein wichtiges Gespräch konzentrieren kann und alles mitbekommt - ihr Gehirn entscheidet das vorher jedoch genauso für sie, wie meines ohne das sie es wissen. Weil ich den Einfluss von momentan aufgabenirrelevanten ("Zuhören" vs. "Vogel anschauen") nicht so stark unterdrücken kann wie andere Menschen bin ich ohne eine bewusste Willensentscheidung dadurch "unaufmerksamer".  Das Resultat: Unzählige Missverständnisse, Menschen fühlen sich nicht respektiert (der dumme Vogel schien ja interessanter zu sein, sie können auch einfach garnichts mehr sagen, dann kann ich in Ruhe die Vögel anschauen blablabla stressstressstress -.- ).

Naja so sieht das aus, für den gesunden Menschen sind wir einfach nur unbeherrscht, schlechtere Menschen die das mit Überzeugung tun (schlecht zu sein). Kann man vielleicht so sehen, hindert einen jedoch daran zu akzeptieren dass sich daran vielleicht auch nicht so mal eben was ändern lässt - es hat nämlich zu einem nicht unerheblichen Teil körperliche Ursachen die ich ja nun ausführlich beschrieben habe.

Dort wo man als Betroffener vor die körperlichen Grenzen stößt, wo es nicht mehr reicht sich ganz doll vorzunehmen, sich besser zu konzentrieren, dort wo man merkt, dass man zwar will aber der Körper was anderes will und das letzte Wort dabei hat - dort hilft das MPH.

Es ist zu unterscheiden von willentlichem Desinteresse und mangelndem Willen. Ich kann auch an Leuten bewusst kein Interesse haben weil ich an ihnen kein Interesse habe, ich kann auch nicht zuhören weil ich es langweilig finde. Ich kenne aber auch noch die andere Situation: Ich will es nicht bewusst und es passiert trotzdem, das anschaulichste Beispiel um die Situation nachzuvollziehen wie mit dem Vertieft sein in ein Buch. Auch hier ist es ein Unterschied, ob ich voll auf das Buch konzentriert war oder derjenige mir auf den Sack ging und ich deswegen nicht geantwortet habe. Vielleicht könnt ihr das etwas Nachempfinden. Sozusagen ist AD(H)S ein Leben vertieft in so viele unwichtige Bücher, dass sich andere um einen herum wundern, ob man überhaupt was anderes mitbekommt oder garnicht erst will.

Ich hoffe so ein wenig Aufklärung gegeben zu haben, es liegt mir sehr am Herzen wie ihr euch denken könnt. Ich bin erwachsen, ich kann damit umgehen, darüber nachdenken. Aber Kinder werden häufig zerstört wenn selbst ihre Eltern ihnen einreden, dass sie etwas schaffen müssen. Sie wollen es zwar, aber schaffen es oft nicht ohne den Grund zu kennen (zu dumm fühlt man sich nie, nur zu ungeschickt, zu verpeilt die Intelligenz auch zu nutzen). Die anderen kennen ja nur andere Erklärungen für dieses Verhalten: Verzogen, dumm, ungehorsam, sozial inkompetent, Trottel usw usf.

Ich bin da raus, ich verstehe mich inzwischen selbst besser. Viele lassen sich von dem Gerede jedoch mitziehen und glauben irgendwann, ohne jemals eine Krankheit in betracht gezogen zu haben: Ich bin tatsächlich unnütz, kann nichts wie meine Eltern sagen und bin ein schlechter Mensch.

Ich kann euch fachlich und persönlich jedoch sagen: Es ist nicht immer so wie es scheint. Und wenn jemand einen intelligenten Eindruck macht, sich jedoch dumm anstellt damit und so wirkt als wolle er, es aber doch nicht umsetzen kann, dann macht ihn das vielleicht nicht zu einem schlechten Menschen. Nicht von alleine aber ein Leben lang von Leuten einfach nur für Sachen dumm angequatscht die man nie mit Absicht getan hat und als normale Fehlerchen empfunden hat lässt einem in der Regel zwei Optionen sich anzupassen: Das gesamte Selbstbewusstsein verlieren und allem Glauben schenken. Oder: Wirklich ignorant und arrogant zu werden, einen Dreck um das scheren was andere sagen und durch das Leben mit den entsprechenden Ellenbogen gehen ohne Rücksicht auf Verluste. Man entwickelt dann tatsächlich jene Charakterzüge, die andere einem vorwerfen - und das ist die psychologische Komponente der Krankheit.

Binky

Hallo, willkommen hier! Schöner Beitrag.

Ich schlage vor, daß Dein Text in den Blog könnte, stimmst Du zu?


hypocampus

Gerne =)

Warte vielleicht noch ein paar Minuten, dann lese ich ihn vorher nochmal ausführlich durch.

Binky

Na klar. Heute wird das nichts mehr. Gebe Bescheid, wann es passt.

Belbo zwei

at....hypocampus......sehr aufschlussreich, danke.