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Kirchenaustritt pro und contra

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Begonnen von Forbidden, 16. Juni 2011, 10:19:52

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Arno

Grundsätzlich hätte ich ja nichtmal ein Problem damit, dass christliche Arbeitgeber auf Christen in leitenden Positionen bestehen: alles andere passt nicht zum Leitbild - macht somit also an der Basis unglaubwürdig und wenn die katholische Oma sich in einem katholischen Pflegeheim mit katholischer Leitung wohler fühlt... geschenkt.

Das Problem ist m.M.n. einfach, dass die beiden größten privaten Arbeitgeber in Deutschland - beide christlich - das selbe Feld beackern: den sozialen Bereich. Da hat der Hilfeempfänger in der Praxis oft gar nicht die Möglichkeit, die benötigte Unterstützung von einem Träger erbringen zu lassen, der zum eigenen (säkulären) Weltbild passt. Für nicht-christliches Personal bleiben kaum gute Jobs und man muss einfach mal feststellen, dass im sozialen Bereich der gewaltige Marktanteil der Christen, den gesellschaftlichen Realitäten nicht (mehr) gerecht werden kann. Aber was will man da machen? Die Struktur der Wohlfahrtspflege - mit ihrem deutlichen Übergewicht an explizit christlicher Wohlfahrtspflege - in Dtl. ist historisch bedingt und sieht inzwischen so aus, wie sie aussieht: christlich dominiert aber fast komplett aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die einzige Möglichkeit das zu ändern, ist wohl den Sektor auch für rein gewerbliche Anbieter zu öffnen. Ob das die Situation der Hilfeempfänger und des Personals jedoch verbessert... daran hab ich erheblich Zweifel. Ich befürchte man muss den Status quo in diesem Fall tatsächlich so hinnehmen.


Forbidden

Zitat von: Arno am 17. Juni 2011, 09:43:37
und wenn die katholische Oma sich in einem katholischen Pflegeheim mit katholischer Leitung wohler fühlt... geschenkt.

Für die Oma im Pflegeheim mag das stimmen, da gebe ich Dir ohne Einschränkung recht, aber was ist mit dem dreijährigen in der KITA? Ein Großteil der Kindertagesstätten ist unter der Leitung von christlichen Trägern, hier bei uns in der Gegend zumindest sind es so viele, dass ich, möchte ich mein Kind in eine KITA schicken, ich gar keine Wahl habe und die katholische nehmen muss. Dort erfolgt dann Indoktrination der feinsten Art, dass sich einem die Zehennägel hochrollen.


Arno

@Forbidden
Religiöse Indoktrination von Kindern ist das allerletzte, seh ich auch so. Vor allem wenn sowas mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Solange die Vorrangstellung der frei-gemeinnützigen Träger gesetzlich verankert ist - und die haben nunmal jeweils einen bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Background, statt in erster Linie finanzielle Interessen - wird sich nichts daran ändern, dass man in manchen Gegenden keine Alternativen zu christlichen Einrichtungen hat. Ich weiß da auch keine Lösung. Bei der AWO braucht man halt ab einer gewissen Stellung das richtige Parteibuch, bei den christlichen Trägern eine Kirchenmitgliedschaft und wenn wenn die Branche nicht derart von Caritas + Diakonie dominiert wäre - so dass Leistungsempfängern und im sozialen Bereich tätigen Arbeitnehmern Wahlmöglichkeiten bleiben würden - fänd ich das auch nicht weiter verwerflich.

Harlequin

Habe gerade diesen Artikel gesehen, dreht sich zwar um Homosexualität, aber es bestätigt sich wohl wieder, das religiöse Gruppen am intolerantesten sind bzw. eingeschätzt werden:
ZitatAm wenigsten zu ihrer sexuellen Orientierung konnten sich die Studienteilnehmer in ihrer Religionsgemeinschaft bekennen - 69 Prozent verbargen sie hier. In der Schule (50 Prozent) und am Arbeitsplatz (45 Prozent) herrschte auch nicht viel mehr Transparenz. Als jene Orte mit dem höchsten Coming-Out-Faktor erwiesen sich die Familien, in denen sich 64 Prozent der Befragten zu ihrer Sexualität bekannten, und die Freunde (87 Prozent).
http://science.orf.at/stories/1684278

Ich finde es bedauerlich, dass religiöse Gruppen Schmieden der Intoleranz sind...
Man braucht vor der Liebe Gottes keine Angst zu haben. Er hat seit 2.000 Jahren niemand mehr geschwängert.

Illusion-der-Exzellenz

Zitat von: Forbidden am 16. Juni 2011, 10:19:52
Dieses Thema beschäftigt mich aktuell sehr:

Ich bin von meiner Ansicht und Auffassung her ganz klar Atheist, auf dem Papier gehöre ich aber noch der katholischen Kirche an. Seit einiger Zeit ziehe ich es in Erwägung aus der Kirche auszutreten, alleine schon um mir selbst treu zu bleiben und selbige nicht auch noch finanziell mit der Kirchensteuer zu unterstützen.

Über die Folgen eines Austrittes (der auf dem Standesamt erklärt werden muss) bin ich mir aber noch nicht ganz klar. Ich arbeite in einem sozialen Beruf, wo kirchlische Träger natürlich eine große Rolle spielen. Zur Zeit arbeite ich an einer Schule die in staatl. Trägerschaft ist. Meinen aktuellen Arbeitsvertrag würde den Austritt also nicht treffen. Einrichtungen die in kirchlicher Trägerschaft sind würden in Zukunft aber gaz klar als Arbeitgeber wegfallen...
Wir wohnen sehr ländlich, alles ist katholich (und glaubt diesen Plunder wahrscheinlich wirklich), müssen ich oder meine Kinder mit Ausgrenzungen oder gar Anfeindungen in der Dorfgemeinschaft rechnen?  Hat hier schon jemand Erfahrungen mit den direkten und indirekten Folgen eines Austrittes machen können, sowohl im sozialen als auch im beruflichen Umfeld?

Ich bin zwiegespalten.

Ohne jetzt den ganzen Thread gelesen zu haben:
Am einfachsten wäre es natürlich, Du würdest einfach den status quo beibehalten, dann gäbe es beim Wechsel zu einem kirchlichen Träger später sicherlich kein Problem. Falls Du Dich dazu nicht durchringen kannst: Die Katholische Kirche besitzt durch ihren hierarchischen Aufbau ein Zentralregister der Kirchenmitglieder, so daß durchaus nachvollzogen werden kann, daß Du ausgetreten bist. Also erst einmal konvertieren und Protestant - also evangelisch - werden. So bist Du weiterhin Kirchenmitglied, wenn es sein muß, denn auch katholische Einrichtungen verlangen nicht, daß ein Mitarbeiter außerhalb der Verkündigung katholisch ist, sondern nur, daß er einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehört, was ja auf Protestanten jeglicher Coleur zutrifft. Der WItz an der Sache ist nun, daß die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) nach Landeskirchen organisiert ist und demzufolge KEIN Zentralregister hat. Du kannst dort dann also problemlos austreten. Bewirbst Du Dich dann bei einem kirchlichen Träger, läßt Du den Item für Kirchensteuer auf der Lohnsteuerkarte, bei einem öffentlichen Träger legst Du die Austrittsbescheinigung vor. Es gibt nach meiner Kenntnis keine Möglichkeit für die Katholen festzustellen, ob Du wirklich Mitglied der EKD bist oder nicht (selbst die EKD-Landeskirchen untereinander können das nicht), Du kannst also lohnsteuertechnisch ganz nach Belieben EKD-Mitglied sein oder nicht und Dich weiterhin bei kirchlichen Trägern bewerben. Und legal ist es auch.

Averell

Ich kann mir vorstellen, daß in gewissen ländlichen, katholisch dominierten Gegenden schon ein Übertritt zu den Protestanten als Hochverrat angesehen wird.

Forbiddens zweiter Punkt ist ja die mögliche gesellschaftliche Ächtung wenns sich in der Gemeinschaft herumspricht, daß man schon zum 4. Mal unentschuldigt am Sonntag gefehlt hat. Vielleicht bekommt man dann wirklich keine Brötchen mehr beim Bäcker, ich weiß es nicht. Würde diesen Punkt mit Familie schon in Betracht ziehen.

Eventuell ist es dann doch besser den Zirkus noch ein paar Jahre mitzuspielen und das in der Familie mit Ironie und Spott zu kommentieren um die wahre Haltung dazu zu vermitteln.

Im Osten hatten wir den Zwang zwecks Karriere Mitglied irgendeiner Institution sein zu müssen nicht mehr so unbedingt seit dem die roten Schweinepriester weg vom Fenster waren. Das war eine schöne gottlose Zeit. Mittlerweile habe ich das Gefühl es dreht sich allerdings auch hier in Hauptstadtnähe das Blatt. Im Nachbarort soll ein ganzer Wald für ein neues evangelisches Gemeindezentrum verschwinden. Weil durch die ganzen Zuzüge der Bedarf ja so dramatisch gestiegen sei. Ein leer stehendes Kino bzw. der Gemeindesaal genügt den Kreuzleuten nicht. Gott hat auf jedem Stadtfest mindestens 3 Stände und auch die beliebten Samstag-Morgen-Tür-Umfragen "Möchten Sie gern über Gott reden?!" kommen gefühlt öfter. usw...

Trotz allem glaube ich daß es einen generellen und unumkehrbaren Trend zum Austritt gibt und der wird auch irgendwann mal auch im letzten ländlichen, katholischen Dorf ankommen.  :D