Neuigkeiten:

Wiki * German blog * Problems? Please contact info at psiram dot com

Main Menu

Umgang mit der Esoterikgesellschaft..

Postings reflect the private opinion of posters and are not official positions of Psiram - Foreneinträge sind private Meinungen der Forenmitglieder und entsprechen nicht unbedingt der Auffassung von Psiram

Begonnen von Bionic, 10. Mai 2010, 00:26:52

« vorheriges - nächstes »

Esojäger

Zitat von: Bionic am 10. Mai 2010, 00:26:52
Wie soll man mit der Esoterikverseuchung in unserer Gesellschaft umgehen? Da werden Bücher produziert die eigentlich ein Fall für den
Staatsanwalt wären und stattdessen machen sie einen florierenden Umsatz? Wie soll man alternativen Heilsweisen begegnen, wenn man
nicht weiß wie man argumentieren soll? Wenn man beispielweise auf einem Vortrag wäre. Wenn einem gesagt wird diese Methode hätte
vielen Leuten geholfen?

Ja, wie soll man damit umgehen !? Ein Thema, welches mich seit frühester Jugend beschäftigt. Schon als Konfirmand war mir bewußt, dass es keinen Gott gibt, trotzdem spielte ich das Spielchen mit, weil ich ja kein Außenseiter sein wollte. Okay, so genau wußte ich das zwar auch nicht, aber ganz allmählich überwand ich meine Scheu und stand fortan zu der Erkenntnis, dass es diesen Gott nicht gibt. Ich war auch davon überzeugt, dass die meisten Menschen in meinem näheren und weiteren Umkreis auch nicht an Gott glaubten. Erstaunlicherweise war dem - so mein Eindruck -auch so. Erst in den zurückliegenden ein bis zwei Jahrzehnten stellte ich so etwas wie eine Renaissence der Religon, aber auch eine verstärkte Zunahme esoterischen Schwachsinns fest.

Ich erkläre mir das menschliche Verhalten so: Technologischen Fortschritt kann man jederzeit sehen, nachvollziehen und für sich nutzen. So hat sich z.B. die Menschheit technologisch in wenig mehr als 100 Jahren vom Fußgänger zum Flieger entwickelt. Ein im gleichen Ausmaß gewachsener philosophischer Fortschritt hingegen ist (leider) nicht zu erkennen. Ganz einfach deshalb, weil abstraktes philosophisches Denken nicht sichtbar und somit nicht ohne weiteres erkennbar und für jedermann nachvollziehbar ist. Damit ein Fortschritt stattfinden kann, erfordert dies nun mal die Fähigkeit zum intensiven, abstrakten (Nach)denken. Eine Fähigkeit, die bei großen Teilen der Menschheit offenbar weit unterentwickelt und nur schwach ausgeprägt ist. Dieser geistige Leer-Zustand wiederum sucht nach einem Ausgleich und findet ihn in der Hinwendung zur Mystik und zur Esoterik. Es ist schließlich einfacher und attraktiver, an eine "interessante" These zu glauben, als sich mit kritischem Denken, Nachfragen und Nachforschen zu überanstrengen.
(Das erklärt gleichzeitig den Erfolg so mancher Verschwörungstheorie !)

Diese Art von Denkverweigerung und/oder Denkunfähigkeit wiederum inspiriert offenbar die Fantasiewelt, die dann alle diese unzähligen, widersinnigen Verschwörungs- und esoterischen Glaubensthesen hervorbringt. An und für sich ist Kreativität zwar durchaus eine positiv zu wertende Eigenschaft und Fähigkeit des Menschen. Wenn sich diese besondere Art der Kreativität allerdings dem pragmatischen, sachlichen Denken und somit der Kontrolle durch die Vernunft entzieht, entsteht am Ende dieses Prozeßes eben häufig ein mystisch durchsetztes, esoterisches Hirngespinst, welches sich dann als einträgliche Geschäftsidee vermarkten läßt.

Erwiesen ist: Niemand urteilt schärfer als der Esoterikgläubige. Er kennt weder Gründe noch Gegengründe, aber er glaubt kritiklos seinem Selbstbetrug !

Noch 'n Spruch: Wo der Glaube zum Beweis erhoben wird, hat die Wahrheit keine Chance !

Immanuel Kant sagte: "Wir leben nicht in einem aufgeklärten Zeitalter, sondern in einem Zeitalter der Aufklärung."

T-M

Interessant: Bei mir kam der Glaube, den ich im Kindergartenalter verloren hatte, als Konfirmand wieder (wenn auch in wesentlich schwächerer und veränderter Form). Vielleicht als eine Art "Gegenbewegung"; um zu zeigen, dass man glauben kann ohne so strunzdumm, wissenschafstfeindlich und intollerant zu sein, wie das, was von der Kanzel gepredigt wurde? Ich weiß es nicht, aber ein durchaus interessanter Gedanke. Soll hier aber keine Rolle spielen.

Ich denke aber, dass der technische Fortschritt ironischerweise die Esoterik durchaus begünstigt hat, weil er gerade nicht immer verständlich ist: Viele Leute wissen, dass Kernkraftwerke gefährlich sind, aber vergleichsweise wenige wissen, warum sie gefährlich sind und wie sie überhaupt funktionieren, um so das Ausmaß der Gefahr abschätzen zu können. Mitlerweile ist es kaum noch möglich, sich über alle Bereiche des Fortschrits so weit zu informieren, dass man eine fundierte Meinung darüber zu bilden, und dazu kommt noch, dass es vergleichsweise anstrengend ist, sich Gedanken zu machen. Da ist es doch viel einfacher, man hat etwas (oder jemanden), das (oder der) einem als einzig wahre Wahrheit sagt, was richtig und was falsch bzw. was gut und was schlecht ist, und an dessen Urteilen man nicht zweifelt bzw. nicht einmal zweifeln darf.

ZitatWo der Glaube zum Beweis erhoben wird, hat die Wahrheit keine Chance!

Wie wahr.

Bionic

Ich denke auch eher, dass die Technologisierung eher dazu führt, dass esoterisches Gedankengut gefragter wird.

Campari

Zitat von: T-M am 08. Juli 2010, 00:00:15

Am Beispiel der Homöopathie: Sagt man, dass sie wissenschafltich unbegründet ist, bekommt man als Antwort, dass es den Leuten egal ist, ob sie wissenschaftlich begründet oder unbegründet geehilt werden, hauptsache es funktioniert;

ja, und wo bleibt die Begründung, wenn man fragt, warum es nicht funktioniert?
es fällt den meisten Menschen doch sehr schwer, sich und erst recht anderen zuzugeben, dass sie sich haben reinlegen lassen, dass sie falsch gelegen haben. Man könnte ja mit den Fingern auf sie zeigen und sie auslachen.
Ich finde, diese Angst sollte man unbedingt überwinden- und siehe da, mich hat bis jetzt noch keiner ausgelacht deswegen.
Aber die Esospinner bauen auf diese Ängste, dass man vor Scham im Erdboden versinkt, sich nie wieder blicken lässt und schön die Klappe hält.

Campari

oh, ich lerne noch, hier mit den Zitaten umzugehen.

rincewind

Zitat von: Campari am 22. Juli 2010, 18:52:45
oh, ich lerne noch, hier mit den Zitaten umzugehen.

Soll ich es korrigieren?


Campari

kam hier irgendwo die Frage auf, warum so viele Akademiker auf Esoterik reinfallen?
Ich glaube, auch Akademiker haben Gefühle und eine Lebenssinnfrage wie jeder andere auch. Nur dass sie genug Geld haben, um die Antworten bei einem Kartenleger, Heiler oder Berater zu suchen und dann auch zu finden.Und wenn sie es nicht finden, dann gehen sie eben zum nächsten.
Und wo sie sich zunächst wohlfühlen, da bleiben sie dann erst mal haften und werden somit zu Sponsoren.
Ich glaube nicht, dass es sich lediglich um gescheiterte Existenzen handelt- wer sich mal rumhört- JEDER hat Probleme: eine gescheiterte Beziehung, schlechte Kindheit, zu wenig Geld....das sind alles potenzielle Kunden.
Es dürfte nur eine geringe Anzahl von Menschen jenseits der 50 geben, die sagen: ich hatte eine gute Kindheit, gute Eltern, einen guten Partner, problemlose Kinder, genug Geld, Arbeit die Spass macht u.s.w.
Die meisten, mit denen ich mich unterhalte haben irgendwann im Laufe des Lebens gesagt: am liebsten würde ich weglaufen...vor was auch immer.
So und ich habe definitiv kein Geld zu viel und wurde von einem Zen-Lehrer ja auch schon gefragt, ob ich nicht Schüler werden will- damals noch eine große Ehre.
Heute bin ich froh, dass mein Geld gerade nur so zum Leben reicht, denn sonst hätte ich ein Haufen Geld für nichts und wieder nichts ausgegeben.
Aber glaubt mal ja nicht, dass mir irgendeiner von denen was geschenkt hätte oder nach meinem Zusammenbruch mal gefragt hätte, wie es mir geht.

rincewind

Zitat von: Campari am 23. Juli 2010, 13:03:44
kam hier irgendwo die Frage auf, warum so viele Akademiker auf Esoterik reinfallen?

Weiß nicht, wo ich das kürzlich gelesen habe, aber eine elegante Antwort war, weil solche Menschen besser rationalisieren können, also den größten Scheiß in ein rationales Gewand einzukleiden vermögen (Warum muss ich grad an Sloterdijk denken?)  ;D

Zitat
Ich glaube nicht, dass es sich lediglich um gescheiterte Existenzen handelt- wer sich mal rumhört- JEDER hat Probleme: eine gescheiterte Beziehung, schlechte Kindheit, zu wenig Geld....das sind alles potenzielle Kunden.

So ist das. Je genauer man hinschaut, umso übler die Probleme. Das ist völlig normal.

NuEM

Aber mal ehrlich, ohne die ganzen Probleme, was wäre die Welt für ein langweiliger Ort. Man stelle sich vor es könnte nichts mehr schief gehen. Grauenvoll und Sinn-entleert! Ein Grund warum für mich das ewige Leben im Paradies und ähnliche Versprechungen eher wie ein Fluch als wie ein Segen klingen.

rincewind

Zitat von: NuEM am 23. Juli 2010, 13:51:58
Aber mal ehrlich, ohne die ganzen Probleme, was wäre die Welt für ein langweiliger Ort. Man stelle sich vor es könnte nichts mehr schief gehen. Grauenvoll und Sinn-entleert! Ein Grund warum für mich das ewige Leben im Paradies und ähnliche Versprechungen eher wie ein Fluch als wie ein Segen klingen.

Die Hölle ist zweifelsohne der interessantere Ort. Aber auf gewisse Probleme kann man auch auf Kosten von Langeweile gerne verzichten, dumme Unfälle oder bescheuerte Krankheiten mit lebenslanger Behinderung oder Tod, sterbende Kinder. Braucht keiner. Jedenfalls nicht um Langeweile zu bekämpfen.

NuEM

Da werde ich dir wohl kaum widersprechen. Gehört aber leider zum Leben dazu, und das wird sich in absehbarer Zukunft auch nicht ändern. Das eine oder andere Elend wird es wohl immer geben. Machen wir das Beste aus dem was wir haben.

Campari

Zitat von: NuEM am 23. Juli 2010, 13:51:58
Aber mal ehrlich, ohne die ganzen Probleme, was wäre die Welt für ein langweiliger Ort. Man stelle sich vor es könnte nichts mehr schief gehen. Grauenvoll und Sinn-entleert! Ein Grund warum für mich das ewige Leben im Paradies und ähnliche Versprechungen eher wie ein Fluch als wie ein Segen klingen.
jaja, warum glaubst du, wenn einer, als ein Beispiel, von der Esoterik weggeht, dann auf einmal sehr bemüht ist, dagegen anzugehen (so wie ich ;D ) ?
weil man sonst in ein Loch fällt, weil es sonst langweilig wäre- Frieden!
War doch schon in der Schule so: nie war einer interessanter als der Feind, nie kamen mehr Menschen zusammen als bei der Pausenschlägerei.

zerdling

"Die Mythen der Völker erzählen vom Anfang der Welt, vom Ursprung des Menschen. Die Wissenschaft hat die Idee einer zeitlich begrenzten Vergangenheit in beiden Fällen bestätigt und sie nur anders konkretisiert. Die Mythen rechnen ebenso mit einem Ende der Weltgeschichte. Auch dieser Gedanke hat sich als zutreffend erwiesen. Die Kosmologie zeigt, dass Sterne gleicher Masse eine ähnliche Geschichte haben. So wird unsere Sonne, während sie ihre Energie verströmt, sich zu einem Roten Riesen aufblähen, dabei ihre Planeten verschlucken und in fünf Milliarden Jahren als Weisser Zwerg von der Grösse eines Planeten enden.
Denkbar ist ebenso, dass die Erde schon vorher verschmort. Denn der Gezeitenhub und der Laubwechsel der Wälder, Vulkanausbrüche und interstellare Materie bremsen die Umdrehung und den Umlauf. Die Zentriefugalkraft der Erde wird schwächer als die Anziehungskraft der Sonne, so dass wir uns spiralförmig auf sie zubewegen. Die Jahre werden kürzer, die Tage länger, die Temperatur steigt. In drei Milliarden Jahren verdampfen die Ozeane. Die ersten Lebewesen, extremophile Mikroben werden auch die letzten sein. Die Biosphäre verschwindet, und die Lithosphäre grenzt wieder unmittelbar an die Atmosphäre. Zuletzt ist der blaue Planet eine rotierende Mülldeponie, ein kugelförmiges Massengrab." - Alexander Demandt

Nichts ist nachhaltig. Kein einziger Esospinner hat recht. Sie werden alle tot sein. Es wird niemanden geben der sie vermissen kann. Die Realität gewinnt. Umgang mit der Esoterikgesellschaft? Nicht ernst nehmen und ab und zu heimlich hämisch grinsen, sie können nicht gewinnen. Niemals.

Wolleren

Zitat von: zerdling am 24. Juli 2010, 02:39:19
"Die Mythen der Völker erzählen vom Anfang der Welt, vom Ursprung des Menschen. Die Wissenschaft hat die Idee einer zeitlich begrenzten Vergangenheit in beiden Fällen bestätigt und sie nur anders konkretisiert. Die Mythen rechnen ebenso mit einem Ende der Weltgeschichte. Auch dieser Gedanke hat sich als zutreffend erwiesen. Die Kosmologie zeigt, dass Sterne gleicher Masse eine ähnliche Geschichte haben. So wird unsere Sonne, während sie ihre Energie verströmt, sich zu einem Roten Riesen aufblähen, dabei ihre Planeten verschlucken und in fünf Milliarden Jahren als Weisser Zwerg von der Grösse eines Planeten enden.
Denkbar ist ebenso, dass die Erde schon vorher verschmort. Denn der Gezeitenhub und der Laubwechsel der Wälder, Vulkanausbrüche und interstellare Materie bremsen die Umdrehung und den Umlauf. Die Zentriefugalkraft der Erde wird schwächer als die Anziehungskraft der Sonne, so dass wir uns spiralförmig auf sie zubewegen. Die Jahre werden kürzer, die Tage länger, die Temperatur steigt. In drei Milliarden Jahren verdampfen die Ozeane. Die ersten Lebewesen, extremophile Mikroben werden auch die letzten sein. Die Biosphäre verschwindet, und die Lithosphäre grenzt wieder unmittelbar an die Atmosphäre. Zuletzt ist der blaue Planet eine rotierende Mülldeponie, ein kugelförmiges Massengrab." - Alexander Demandt

Nichts ist nachhaltig. Kein einziger Esospinner hat recht. Sie werden alle tot sein. Es wird niemanden geben der sie vermissen kann. Die Realität gewinnt. Umgang mit der Esoterikgesellschaft? Nicht ernst nehmen und ab und zu heimlich hämisch grinsen, sie können nicht gewinnen. Niemals.

Nein, so nicht. Diese Art Perspektivwechsel (als Alien auf dem Jupiter, der sich über die seltsamen Hobbies der Erdlinge amüsiert, oder als letzter Mensch, der traurigschmunzelnd das Verglühen der Erde betrachtet) kann zwischendurchmal Spaß machen, ist aber genauso realitätsimmun und damit gefährlich wie Esoterik selbst. Auch das Sich-Erheben in die Beobachter- statt in die Teilnehmerposition ist eine Gemeinsamkeit der Demandt-Perspektive und Esoterik. Demandt darf als Historiker diese Position einnehmen, doch als Weltsicht taugt so etwas nicht.