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MECFS ist keine erfundene Krankheit

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Begonnen von NeuroMD, 04. Dezember 2023, 22:59:23

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zimtspinne

Was sind denn dissoziierte Bewegungs- und Gangstörungen?
Sowas wie Korsakow-S.?

Wer weiß, was die chronische Vergiftung des Organismus mit Alkohol noch alles für Folgen hat, die nachher nicht eindeutig in Klassifizierungen passen. Womöglich passt die chronische Alkoholvergiftung sogar unter den Trauma-Hut. Und unter alle möglichen anderen Hüte.



Reality is transphobic.

Peiresc


Peiresc

Noch mal ein Nachspülen.
Zitat von: NeuroMD am 05. Dezember 2023, 14:46:20Der Verweis auf fehlende Biomarker des BMG erscheint mir ein wenig realitätsfern. Wenn ich an meine letzte Arbeitswoche denke, da hatten ca. 75% der Patienten Erkrankungen ohne Biomarker oder radiologischen Nachweis (Parkinson, verschiedene Formen von Kopfschmerzen wie Clusterkopfschmerz, Spannungskopfschmerz usw., Depression, verschiedene Formen neuropathischer Schmerzen, einige Formen von Demenz...).
Damit scheint mir der 340 Seiten starke IQWIG-Bericht doch ein wenig unter-evaluiert, der jedem ernsthaft Interessierten zur Lektüre zu empfehlen ist. Von den genannten 6 Krankheiten haben übrigens 3 Biomarker.

Nehmen wir mal ein Beispiel:
Zitat von: NeuroMD am 05. Dezember 2023, 14:46:20Die Diagnosekriterien habe ich oben genannt, entscheidend in der Abgrenzung zu beispielsweise Fibromyalgie oder Tumorfatigue ist das Kernsymptom PEM (auf deutsch "Verschlechterung nach Belastung"), dass ich bei keiner anderen Erkrankung messen kann.

In dem IQWIG-Bericht heißt es:
ZitatAllerdings ist PEM nicht spezifisch für ME/CFS und wird auch bei anderen Erkrankungen (wie der Tumorassoziierten Fatigue) beschrieben [7].
[7] ist: Twomey R, Yeung ST, Wrightson JG et al. Post-exertional Malaise in People With Chronic Cancer-Related Fatigue. J Pain Symptom Manage 2020; 60(2): 407-416.
https://dx.doi.org/10.1016/j.jpainsymman.2020.02.012.
Hier der Volltext:
https://www.jpsmjournal.com/article/S0885-3924(20)30098-1/fulltext

Sie schreiben, in der Einleitung:
ZitatDespite the inclusion of PEM lasting several hours in the proposed ICD-10 criteria for CRF [cancer-related fatigue],6 to our knowledge, this is the first attempt to measure PEM in people with chronic CRF.
Die Studie ist aus 2020. Den Terminus ,,PEM" gibt es seit 1991, und seit 2003 taucht er in den Diagnosekriterien der "MECFS" auf (WP, hier).

Und im Ergebnisteil schreiben Twomey et al:
ZitatOf 17 participants, 13 reported a worsening of fatigue after the exercise test.

Mit anderen Worten: die Spezifität des Symptoms ,,PEM" für das ,,MECFS" ist ein bloßes Postulat, und erste Evidenz spricht gegen die Validität dieser Annahme.

zimtspinne

Zitat von: Peiresc am 07. Dezember 2023, 10:33:11
Zitat von: zimtspinne am 07. Dezember 2023, 10:04:57Was sind denn dissoziierte Bewegungs- und Gangstörungen?
Sowas wie Korsakow-S.?

Nein.
https://www.icd-code.de/icd/code/F44.-.html

Dissoziative Störungen kenne ich (grundsätzlich natürlich nur, bin weder betroffen noch Neurologe)
Ich habe nicht verstanden, was von dem verzerrte Realitätswahrnehmung und was Realität ist.
Wenn sie behaupten, nicht mehr zu hören, ist das ja wohl nicht real. Wenn sie Krampfanfälle haben, aber schon.


im ICD-Code steht
ZitatLähmungen und Gefühlsstörungen

sind damit körperliche Lähmungen gemeint? Sind sie gelähmt, während sie dissoziieren? Oder denken sie, sie seien gelähmt?
Was passiert, wenn man ihnen spontan einen Ball zuwirft? Wird dann die Lähmung aufgehoben?
Welche Lähmung auch immer, die gedankliche oder die 'echte' (da denke ich jetzt an Schlafparalyse oder Schrecklähmung zB)


Reality is transphobic.

Peiresc

Zitat von: zimtspinne am 08. Dezember 2023, 17:02:41Ich habe nicht verstanden, was von dem verzerrte Realitätswahrnehmung und was Realität ist.
Wenn Du es ausführlicher brauchst:
https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/funktionelle-paresen-und-gefuehlsstoerungen/

Das erinnert mich. Als Kind hatte ich mal ein Aufklärungsbuch. Da war zu lesen, wie es die Bienchen machen und wie das bei den Fischen geht. Nur wie beim Menschen der männliche Same nun zur weiblichen Eizelle kommt, das stand da irgendwie nicht drin. Also habe ich meinen Vater gefragt. Er antwortete in einem Satz, den ich nicht verstanden habe, aber er war nicht bereit, ihn zu erklären.
 ;)

Erwarte keine klaren Antworten. Deine Unsicherheit ist nicht zufällig, sondern Ausdruck der Unsicherheit in der Medizin. Welcher Begriff auch immer für diese Gruppe von Störungen gewählt wird: wenn er sich dereinst durchgesetzt haben wird, dann wird er als diskriminierend empfunden werden und abgelöst werden müssen:

Rainer Tölle, eine der Größen der deutschen Psychiatrie (gest. 2014), schreibt 1985:
ZitatMan sage nicht, der Patient verstehe das falsch. Wenn er sich durch die unvermittelte Konfrontation mit der Diagnose ,,psychogen" diskriminiert fühlt, versteht oder ahnt er die Denkweise des Arztes, der solches Kranksein nicht für echt hält und entlarven will. Psychogen klingt heute ähnlich abschätzig wie früher hysterisch oder psychopathisch.
Einen Kranken so anzusprechen, ist auch untherapeutisch. Oft spiegeln funktionelle Beschwerden oder Symptome ein schmerzliches Erleben wider. Solche Umsetzungen vom Seelischen ins Körperliche (Konversionsreaktionen) geschehen unbewußt. Daher ist der Patient überzeugt, körperlich krank zu sein. Wenn ihn nun der Arzt mit ,,Psychogenese" konfrontiert kann der Patient diese Deutung nicht akzeptieren. Er muß sie ablehnen und abwehren. Eine Folge ist, daß er sich noch mehr auf sein Symptom fixiert. [...]

Usw. usw. Für meine Begriffe: alles Einfühlungsvermögen führt letztlich nicht an der Notwendigkeit einer dosierten Konfrontation vorbei. Und, nebenbei, zur echten Simulation gibt es kein sicheres Unterscheidungsmerkmal in der körperlichen Untersuchung. Wie schon mehrfach erwähnt, ins Herz des Menschen zu schauen ist Gott allein vorbehalten.
 8)

eLender

Zu den Dissoziationen hatte ich neulich mal einen kritischen Artikel aus dem Ärzteblatt gelesen (von einem Prof. der Psychiatrie). Dabei fiel auch der Begriff "iatrogen", den ich erst mal gurgeln mußte. Ich frage mich auch beim CFS, was man mit so einer Diagnose macht. Ist sie wirklich hilfreich oder schafft man sich damit nur neue Probleme (so patientenseitig). Die therapeutischen Mittel scheinen sich auf Symptombehandlung zu konzentrieren, was ggf. daran liegt, dass man keine "Ursache" kennt*. Das scheint mir zumind. so, bin ja kein Medi. Erinnert mich auch ein wenig an Long Covid und solches Zeugs wie Blutwäsche, die ja helfen soll (Hirschhausen läßt grüßen). Hilft nix, schad nix ist da auch nur eingeschränkt gültig, es kostet ja ordentlich (private) Kohle.

(und danke an Peire, das ist ein ziemlich klarer Hinweis darauf, dass die Einleitung im Artikel nicht notwendigerweise geändert werden muss  :grins2: )

*eine Therapie, die ich da wahrgenommen habe, ist die Psychotherapie. Aber das würde ja in Frage stellen, dass das eine eigene Krankheit mit körperlicher Ursache ist, oda?
Wollte ich nur mal gesagt haben!

eLender

In der FAZ wird breit eine Anekdote Geschichte einer Mutter zum Thema abgedruckt. In der Einleitung wird schon mal klar gemacht, dass es die Krankheit gibt und die Mutter nur gegen ignorante und unwissende Fachleute kämpft, die ihr nicht helfen wollen. Sie ist dabei so sehr davon überzeugt, zu wissen, worum es sich handelt, dass sie zu den Ärzten ohne den Patienten (ihren Sohn) geht (der kommt ja nicht aus den Federn) und nur die Diagnose bestätigt bekommen will. Nebenbei hat sie auch schon Vorstellungen zur Therapie. Da helfe nur die Blutwäsche, so wie bei Long Covid (Hirschhausen weiß mehr). Schließlich sei ja auch das CFS nur eine Folge einer Infektion.

ZitatME/CFS-Patienten sind von sehr vielen Symptomen betroffen, was unter anderem dazu beiträgt, dass sich Ärzte mit der Diagnose schwertun. Bislang existiert zudem kein Biomarker, der die Krankheit zum Beispiel im Blut nachweisen kann. Das Kardinalsymptom von ME/CFS ist die Belastungsintoleranz: Jegliche körperliche oder geistige Anstrengung verschlechtert den Zustand. Den schwerstbetroffenen Patienten – die Krankheit tritt in unterschiedlichen Ausprägungsgraden auf – geht es häufig innerhalb von relativer kurzer Zeit so schlecht, dass sie nur noch im Bett liegen können, geschützt vor Licht und Geräuschen, auf die sie extrem empfindlich reagieren. Sie sind chronisch erschöpft und haben starke Schmerzen, oft am ganzen Körper.
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/chronisches-fatigue-syndrom-bei-jugendlichen-20-stunden-schlaf-jeden-tag-19343877.html

ZitatWährend wir nach einer Diagnose suchen, gibt uns ein Assistenzarzt der Gastroenterologie den Tipp, uns an eine weitere Institution zu wenden, die eine kleine Anlaufstelle für Kinder mit Post Covid hat. Ich fange an zu lesen und begreife schnell: Nein, bitte, es darf nicht ME/CFS sein. Ich lese alles, was es darüber gibt, und ich weiß dann: Das ist es, das hat er.

Aber wir brauchen das schwarz auf weiß, also müssen wir in diese Anlaufstelle.

Der affirmative Ansatz wird die Medizin revolutionieren. Man wird für die Diagnosestellung keine Mediziner mehr brauchen. Die Therapie kann dann auch der Patient selbst machen. Gut, die Krankenkassen wird man erst mal nicht ersetzen.
Wollte ich nur mal gesagt haben!

Peiresc

Zitat von: eLender am 10. Dezember 2023, 22:54:44Jegliche körperliche oder geistige Anstrengung verschlechtert den Zustand.

Und je länger ich darüber sinniere, um so unklarer wird mir das. Alle Analogien versagen.

Wenn ich als Untrainierter einen 10000-m-Lauf mache, bin ich hinterher für eine Woche krank, deutlich länger als jemand, der das geübt hat. Bei jeder sonstigen Art von Krankheit - und Gesundheit - ist ein angepasstes Training sinnvoll, andernfalls müsste man Physiotherapie abschaffen. Es gibt eine Menge Untersuchungen (oder zumindest plausible physiologische Vorstellungen dazu), warum das so ist. Das gilt für das neuromuskuläre System (Rekrutierung) genauso wie für das zentralnervöse (Plastizität), sofern man nur gewisse Grenzen einhält. Bestenfalls ist es nutzlos, wenn nicht mehr genügend Potential für eine Verbesserung zur Verfügung steht, oder es gibt keinen ausreichenden Transfer von der Übungssituation in die Aktivitäten des täglichen Lebens (wenn ich jeden Tag lange Kreuzworträtsel mache, kann ich hinterher besser Kreuzworträtsel machen).

Was die empirischen Studien dazu angeht, die überblicke ich nicht. Es wäre aber dringend zu fragen, ob die wirklich ein dosiertes, ansteigendes Training untersucht haben (können) - denn heutzutage dürfte das schon auf erheblichen Widerstand der Kranken stoßen. Wie will man sie dazu motivieren, wo sie doch von vornherein wissen, dass es ihnen schlechter gehen wird? Schlechteres Befinden nach einmaligem Training im Vergleich zu Gesunden kann nicht als der Vollbeweis für die Existenz dieser Belastungsintoleranz akzeptiert werden, zumal sie sich offenbar auf jede Art von Belastung bezieht. Es sollte doch einigermaßen schwer fallen, dafür pathophysiologische Gemeinsamkeiten zu postulieren.

Peiresc

Ich habe noch eine Literaturangabe von 2023
https://www.springermedizin.de/post-covid/fatigue/myalgische-enzephalomyelitis-chronisches-fatigue-syndrom-eine-ue/23952976
ZitatIn einer interessanten Mediatoranalyse stellten sich angstvermeidende Überzeugungen als mediierender Faktor für das Ansprechen der Patient:innen auf GET und CBT heraus. Vereinfacht ausgedrückt, sprachen jene Patient:innen auf die Therapie (insbesondere GET) an, wenn sie ihre angstvermeidenden Überzeugungen bezüglich körperlicher Aktivierung ändern konnten [18].

Dazu ein Leserbrief, der heftig widerspricht:
https://link.springer.com/article/10.1007/s00115-023-01515-2
ZitatDie Übersicht zur aktuellen Evidenz ignoriert die aktuelle Evidenz
[...]
2.
Laut RKI ist ME/CFS insbesondere durch das Kernmerkmal der ,,post exertional malaise" (PEM) charakterisiert, einer ausgeprägten Verschlechterung der vorbestehenden Symptome bereits nach leichter körperlicher oder geistiger Belastung [2]. Laut dem National Insitute for Health and Care Excellence (NICE) führt ,,graded exercise therapy" (GET) zu einer Verschlimmerung und ist daher kontraindiziert.
[...]
Der Leserbrief hat 16 Unterzeichner, rank and file der MECFS-Experten. Federführend ist Leonard Jason, den wir in diesem Faden schon etwas ausführlicher hatten.

Aber wie gesichert ist das mit dem ,,PEM" und mit dem ,,GET"? Uns interessiert also die Evidenz,
https://www.nice.org.uk/guidance/ng206/evidence

Der NICE-Bericht hat mehrere tausend Seiten. Da fällt mir gleich meine Kaufmann-Anekdote wieder ein (#179). Insgesamt werden 55 empirische Studien zu GET aufgelistet. Auffälligerweise werden die eigentlichen Studienergebnisse gar nicht referiert, sondern ausschließlich die Methodik. Die Studienqualität ist in allen Fällen ,,very low" oder ,,low". Auf den ersten Blick nicht ganz unverständlich, denn Doppelblinduntersuchungen sind bei nichtpharmakologischen Interventionen schwierig bis unmöglich. Aber leisten wir uns einen zweiten Blick.

Das NICE-Ergebnis legt zwei Schlüsse nahe,
A)    Sämtliche Forscher sind Idioten oder
B)    Die Qualitätsanforderungen, die das NICE hat, sind nicht erfüllbar.
Lässt sich damit die Aussage ,,führt zu Verschlimmerung, also kontraindiziert" als gesichert belegen? Nein. Gesichert wäre einzig die Aussage ,,wir wissen es nicht". Bei ähnlicher Datenlage hätte bei jeder glaubensmedizinischen Methode (Akupunktur, Yoga etc.) die Schlussfolgerung gelautet: ,,kann versucht werden".

Das mit der Verschlimmerung stützt sich offenbar allein auf die Meinung der Betroffenen,
ZitatThe use of CBT and GET has been strongly criticised by people with ME/CFS on the grounds that their use is based on a flawed model of causation involving abnormal beliefs and behaviours, and deconditioning. Some people with ME/CFS have reported worsening of symptoms with GET and no benefit from CBT
von der wir nicht wissen, wie repräsentativ sie ist und ob sie ein objektivierbares Korrelat hat. Ein Problem steckt schon in dem Begriff ,,Anstrengung", der unbehebbar subjektiv ist. Es fehlt mir z. B. an Vorstellungskraft, welche Art von überdauernden körperlichen Folgen eine rein geistige Anstrengung haben kann, und was genau das überhaupt ist, eine geistige Anstrengung. Was den einen nervt, kann dem andern Spaß machen. Entscheidend dafür, ob und ab wann eine Tätigkeit ,,anstrengend" ist, ist der Affekt, mit dem man sie erledigt.

Wir hatten vorne, dass schon Zähneputzen zu wochenlanger Bettruhe und der Notwendigkeit parenteraler Ernährung führen kann. Aber die Logik zwingt einen dazu anzunehmen, dass das nicht fakultativ ist, sondern obligatorisch, denn es handelt sich bei der ,,Verschlechterung schon durch leichte Anstrengung" um einen Circulus vitiosus, der unausweichlich zu Siechtum und Tod führt, und jeder Betroffene muss im Krankheitsverlauf an diesem Punkt vorbei kommen.

Irgendwas stimmt da nicht.

Und noch ein Leserbrief:
ZitatFragwürdiges Akronym

Nun ist das fünfbuchstabige Akronym, das ich hier nicht wiederholen will, auch an prominenter Stelle im Der Nervenarzt zu lesen. Leider ist es irreführend daher, weil es Konzepte koppelt, die nicht zusammengehören. Die Bestandteile weisen nicht nur eine unterschiedliche Historie auf, sondern sind auch nomenklatorisch disparat. Myalgische Enzephalomyelitis ist ein ätiopathogenetisch und neuroanatomisch definierter Begriff [...] Ein eindeutiger Erregernachweis gelang aber nie und Belege (Liquorbefund, Bildgebung) für eine tatsächliche Entzündung des Zentralnervensystems fehlten fast völlig, sodass bereits damals der eigentliche Wortsinn der Bezeichnung weitgehend verfehlt wurde. [...]
Leider hat dieses Mixtum compositum bereits in eine Leitlinie (AWMF 053-002) und die ICD-10-Klassifikation (G 93.3) Eingang gefunden. Solange es aber keine faktischen Belege für eine nachweisliche Enzephalomyelitis gibt, tun Wissenschaft, medizinische Praxis und Publikationsorgane sicherlich gut daran, die Begriffe separat und nicht pauschalierend, unterschiedslos oder in fixer Kombination zu verwenden.
https://www.springermedizin.de/myalgie/myalgie/fragwuerdiges-akronym/25454966

Das NICE meint übrigens diese Klippe elegant umschifft zu haben. Sie sprechen von
ZitatMyalgic encephalomyelitis (or encephalopathy)
Eine ,,Enzephalopathie" ist nicht näher definiert, sie bedeutet einfach ,,Hirnkrankheit". Tradition ist aber in der Medizin noch nie ein ausreichender Grund gewesen, eine Terminologie ehrfürchtig beizubehalten. Es wäre eine Untersuchung wert herauszufinden, was sie daran gehindert hat, die Enzephalitis ersatzlos zu streichen. Jesuitischer Scharfsinn? Hümmlersche Unparteilichkeit?

zimtspinne

Zitat von: Peiresc am 14. Dezember 2023, 09:06:28ir hatten vorne, dass schon Zähneputzen zu wochenlanger Bettruhe und der Notwendigkeit parenteraler Ernährung führen kann. Aber die Logik zwingt einen dazu anzunehmen, dass das nicht fakultativ ist, sondern obligatorisch, denn es handelt sich bei der ,,Verschlechterung schon durch leichte Anstrengung" um einen Circulus vitiosus, der unausweichlich zu Siechtum und Tod führt, und jeder Betroffene muss im Krankheitsverlauf an diesem Punkt vorbei kommen.
Wie genau wird denn diese Verschlimmerung gemessen, überprüft, quantifiziert, objektiviert?
Gibt es dort eine Fühl-Skala, ähnlich der Schmerzskala?
Vor Zähneputzen 8, nach Zähneputzen 10?

ZitatLaut RKI ist ME/CFS insbesondere durch das Kernmerkmal der ,,post exertional malaise" (PEM) charakterisiert, einer ausgeprägten Verschlechterung der vorbestehenden Symptome bereits nach leichter körperlicher oder geistiger Belastung [2]. Laut dem National Insitute for Health and Care Excellence (NICE) führt ,,graded exercise therapy" (GET) zu einer Verschlimmerung und ist daher kontraindiziert.

wenn man das konsequent zu Ende denkt: Jede auch nur leichte geistige und körperliche Belastung führt zu einer Verschlechterung und ist daher zu unterlassen, Patient wartet in völliger Untätigkeit und Belastungslosigkeit auf das Ende seiner Tage.

Ist das auch so ein affirmativer Ansatz?

Ansonsten wird ja bei jeder noch so auswegslosen Krankheit um jeden Funken Leben gerungen, selbst wenn sich dadurch der Zustand verschlechtern könnte (Krebspatient im Endstadium feiert nochmal Geburtstag, obwohl er weiß, dass er am nächsten Tag dafür bitter büßen wird und womöglich nie mehr auf den Vor-Geburtstags-Zustand zurückkommt.)

Das nennt sich auch Überlebenswillen.
Der scheint hier zu fehlen.

"Ich kann nicht" sieht aus wie: "Ich will nicht", aber es ist: "Ich kann nicht wollen".
(steht in einem meiner Bücher über Depressionen)

Reality is transphobic.

Peiresc

Zitat von: zimtspinne am 14. Dezember 2023, 11:13:59Wie genau wird denn diese Verschlimmerung gemessen, überprüft, quantifiziert, objektiviert?
Gibt es dort eine Fühl-Skala, ähnlich der Schmerzskala?
Vor Zähneputzen 8, nach Zähneputzen 10?
Genau.

Zitat von: NeuroMD am 05. Dezember 2023, 14:46:20Paper dazu zb:
https://www.mdpi.com/1648-9144/59/3/571
Darin:
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zimtspinne

Zitat von: Peiresc am 10. Dezember 2023, 23:42:49Wenn ich als Untrainierter einen 10000-m-Lauf mache, bin ich hinterher für eine Woche krank, deutlich länger als jemand, der das geübt hat.

Alles, was recht ist, aber ein trainierter Läufer ist nach 10000 m gar nicht krank, also auch nicht deutlich kürzer als ein Ungeübter. Der ist ja normalerweise auch nicht eine Woche krank, eher gibt er nach 1 km auf. Und hat eine Woche lang Muskelkater, aber das nimmt er als positives Zeichen.
Mach bitte nicht den Leuten Angst vor Sport (wie StrgF).  ;D 
Reality is transphobic.

Peiresc


zimtspinne

ok, muss das "nicht krank" jetzt doch korrigieren.
Gibt ja den Open Window Effekt (Phänomen) nach einem intensiven Training, was aber auch bisschen umstritten ist in den Details.
Das wäre dann 1. Immunsuppression (krankheitswertig auf jeden Fall!  8)
Dazu 2. 'Fieber' (bis 40°C oder in Ausnahmefällen sogar darüber), bis zu 2 cm kleiner, bis 3 kg Gewichtsverlust  (Dehydration beides), 3. Nieren gefährdet, 4. erhöhter Cortisolspiegel für viele Stunden, 5. Entzündungswerte rauf, 6. kardialer Stress usw usf. 
Genaugenommen ist man nach einem Marathon wirklich 'krank', wenn in diesem Moment ein Arzt drübergucken würde und nichts vom Wettkampf wüsste.
Könnte man sogar schon krankheitliche Großbaustelle nennen. ;)

Reality is transphobic.

zimtspinne

Studie hab ich mir kurz angesehen (bin noch unterwegs) und komme damit nicht klar.
Wieso nur 24 h Stunden Regeneration zwischen zwei Belastungstests bei maximaler Anstrengung? Finde ich zu wenig für Untrainierte. Da sollten mal mindestens 48 h Erholungszeit einkalkuliert werden.

Leider wird ja nicht näher beschrieben, wie diese Tests aufgebaut sind - ich wundere mich allerdings, dass die Fatigue-Teilnehmer die überhaupt bewältigen konnten.
Normalerweise erleben die ja nach (hochgefährlichen) Aktivitäten wie Sport einen kompletten Zusammenbruch, totale Erschöpfung aller Energiereserven und dann geht gar nichts mehr. Sie sind erstmal bettlägerig quasi.
Und dann absolvieren diese selben Patienten alla Hopp zwei Belastungstests nacheinander bei höchstem Anstrengungsgrad (bezieht sich das nur auf die Belastungsintensität oder -dauer, -volumen, -dichte etc? da muss man ja auch alle Belastungsparameter kennen)? Und so eine kurze Regenerationszeit?

Verstehe ich alles gaar nicht. Sorry.

Möchte aber gerne wissen, ob man Leuten, die über Erschöpfungszustände klagen und eine Diagnose Fatigue ausgehandelt haben erhielten Sport empfehlen kann oder nicht. bzw ob man die besser heimschicken sollte, falls sie von sich aus erscheinen.

Wenn ich das paper lese, ist das eine ganz komplizierte und heikle Angelegenheit, wenn es auch nur um diese Belastungstests geht.
Am besten alles seinlassen und sich ins Bett packen.
Reality is transphobic.